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15.

Es verflossen ein paar Wochen. Die Verhältnisse der uns bekannten Personen erlitten keine Veränderung – Schwarz besuchte Frau Witzberg nicht, dagegen war Pelski dort ein täglicher Gast, trotz Augustinowicz, der ihm etwas zusetzte und den der Graf nicht leiden konnte.

– Wie gefällt dir der Cousin der Gräfin? – fragte einmal Schwarz seinen Kollegen.

– Freund, der ist eine Null.

– Was hast du ihm vorzuwerfen?

– Nichts, das heißt die eigene Einfalt. Er unterhält sich mit den Fräulein nach seinen Kräften, trägt moderne Röcke, Glacéhandschuhe, knüpft sich symmetrisch die Schleife an der Krawatte, lobt die Tugend, tadelt das Laster, sagt, es sei besser weise zu sein, als es nicht zu sein, und doch ... o, Schwarz! er ist eine Null.

– Du beurteilst die Leute en gros.

– Wieder was Neues! en gros! Wie dir bekannt: die Brust nach dem Schneidermaße, nicht nach Phidias! Im weitern Verlaufe reizt's zum Lachen, doch das Herz berstet mir nicht – es lohnt sich nicht der Mühe!

– Sprich doch deutlicher.

– Was soll ich dir sagen? Nun, ein mäßiger Mensch, ein Mensch der Mittelstraße, nur nicht der goldenen, ein ehrlicher Mensch, denn er hat nichts Unehrliches begangen. Lass mich mit ihm in Rahel Sprechen wir lieber von philosophischen Systemen oder singen wir einen alten Contredanse – was ziehst du vor?

– Sprechen wir von ihm, ich bitte dich darum – sagte Schwarz mit Nachdruck.

– Nun, so stopfe mir die Pfeife.

Schwarz stopfte ihm die Pfeife, rauchte sich selbst eine Zigarre an und begann im Zimmer auf und ab zu gehen.

– Ich stattete dir keinen Bericht ab über diese Abende dort, weil ich dich nicht ärgern wollte, – sagte Augustinowicz – wenn du es aber selbst wünschest, stehe ich zu Diensten. Die Sache verhält sich so: Pelski erfuhr, dass der alte Graf eine Tochter hinterlassen hat und die Neugierde trieb ihn hierher, sie in Augenschein zu nehmen. Siehst du, die Menschen sind eitel, lieben Effekt und in der Rolle eines reichen Cousins gegenüber einer armen Cousine ist kein Mangel daran – demnach behagt Pelski diese Rolle. Wem würde diese Rolle nicht gefallen? Du bist reich und reichst ihr (das heißt der Cousine) die Hand, bist ihr Schutz und Schirm, verblüfft sie durch die Zartheit deiner Gefühle deiner Handlungen, wirst zum Prinzen – zum Ideale – ach, Alter! Wie die Eitelkeit kitzelt, wie romantisch, möge mich der Satan! ...

»Es wiehert der Rappe, stampft den Boden! ...?

Das ist die ganze Historie: Ein Ross, eine edle Gestalt, ihrerseits Tränen und Lächeln – dann trennt sie das Schicksal – sie begegnen sich dann wieder ... gleichgestimmte Seelen ... und ... Auf Numa folgt Pompilius!

Die letzten Worte sprach Augustinowicz mit sichtbarer Bosheit.

–·Du sprichst von Lula und Pelski? – fragte Schwarz düster.

– Natürlich; Pelski sah sie aus purer Neugierde, sie ist, wie du weißt, eine schöne Jungfrau und er gefiel sich in seiner Rolle. Pelski ist ein alltäglicher Mensch, ein Aristokrat ... mit einem Worte eine Null ... aber ... wenn er auf die Mitgift kein Gewicht legt ...

– Bah! wenn?! – unterbrach ihn Schwarz, das letzte Wort aufgreifend.

– Und weshalb gibst du dich Täuschungen hin? Dir sollte alles gleich sein – du bist weder ein Kind noch ein Weib; du wusstet, was du tatest, als du dich Helenen erklärtest!

Schwarz schwieg, Augustinowicz fuhr fort:

– Ich sage: Pelski ist jung und reich, sie gefällt ihm gar sehr, dann legt er wahrscheinlich auf die Mitgift kein Gewicht – die Hauptsache ist, dass sie ihm gefällt!

– Angenommen, er achtet nicht auf die Mitgift – was weiter?

– In diesem Falle wird Lula eine Gräfin Pelska.

– Sie willigt also ein, meinst du? – fragte Schwarz und seine Augen sprüheten Funken.

– Höre Alter, ich sage: wozu nützt dies Gespräch? heute würde sie Vielleicht nein sagen ... aber nach einem halben oder ganzen Jahre willigt sie ein. Wenn du ins Haus kämest, könntest du mit ihm ringen, sonst, ich wiederhole es, willigt sie ein.

– Worauf stützest du deine Ansicht?

– Worauf? Am ersten Abende, an dem ich dort Pelski traf, hörte ich, wie er sie fragte: Was ist das für ein Schwarz? Von welcher Familie? »Ich weiß es wahrlich nicht«, erwiderte sie. Siehst du es! und als ich sagte, du seiest der Sohn eines Schmiedes stand sie purpurrot da und hätte beinahe aus Ärger über mich geweint. Jetzt weißt du es!

Schwarz fühlte in diesem Augenblicke gleichfalls fast Lust, aus Bosheit zu weinen.

– Siehst du – plapperte Augustinowicz fort – Pelski handelt ohne Erfahrung und freien Willen ganz richtig; er bringt ihr fortwährend die alten Titel, die glänzende Vergangenheit, die erlauchten Verbindungen in Erinnerung – er kann übrigens nicht anders verfahren ... Sie ist auch ohnedem eine Aristokratin! Erinnerst du dich, wie dies uns beide in Harnisch gebracht? Wie viele Mühe hast du dir gegeben, um diese Grundsätze bei ihr zum Wanken zu bringen! Zum Krokodil! Pelski handelt richtig, er kitzelt ihre Eitelkeit, weckt die Eigenliebe – das entfernt sie von uns und wir, Alter! sind eben solche Grafen als ... ohne Vergleich, zum Satan! denn ich finde keinen Vergleich.

Er fand auch keinen und aus Mangel eines solchen begann er dichte Rauchringe loszulassen, und gab sich ernstlich Mühe einen mit dem Finger aufzufangen. Schwarz blickte indessen hartnäckig auf einen Punkt am Fußboden und rief endlich aus:

– Sagtest du ihr, dass ich mich mit Helene verheiratet?

– Nein.

– Warum nicht?

– Ich sagte, du studiertest und deshalb kämst du nicht.

Möge der Prozess zwischen dir und Pelski sich in ihr selbst, in ihrem Gewissen, in ihrem Herzen entscheiden. Deine Ehe ist ein äußerer Vorfall und würde entscheidend zu seinen Gunsten wirken.

Schwarz trat ihm näher, seine Finger versenkten sich in den Arm Augustinowiczs.

– Höre – sagte er heftig: und wenn ich in diesem Kampfe der Gewinnende?!

Geh' zu allen Teufeln und drücke mich nicht so heftig. Diese Frage stelle ich dir selbst: Und wenn du in diesem Kampfe siegst?

Sie blickten einander Auge in Auge – ein feindliches Gefühl presste ihnen das Herz zusammen. Endlich ließ Schwarz den Arm Augustinowiczs los und warf sich, das Gesicht in den Händen verbergend, aufs Bett. Augustinowicz blickte ihn drohend an, dann immer weniger drohend, endlich schlich er ihm nahe und blickte ihm durch die Finger ins Gesicht. Er zog ihn am Rockschoße und seine Stimme war schon weich und gerührt.

– Alter!

Schwarz gab keine Antwort.

– Zürne mir nicht, mein Alter! Wenn du siegst, bewahrst du sie im Herzen wie eine Heilige und ich sage ihr dann: Du lichter Engel, wandle den Weg der Pflicht, den Schwarz gegangen.


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