Johann Gottfried Seume
Mein Leben
Johann Gottfried Seume

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Das Mißliche einer Selbstbiographie kenne ich so gut als sonst irgend jemand, und ich halte mich für nicht wichtig genug, daß überhaupt mein Leben beschrieben werde. Wenigstens wäre es nach vierzig Jahren noch Zeit genug. Ein angesehener Buchhändler bot mir vor einigen Jahren, als die Aspekte am literarischen Himmel noch besser standen, eine beträchtliche Summe, wenn ich ihm die psychologische Geschichte meiner Bildung schreiben wollte. Ich gebe mich aber nicht gern zu dergleichen Spekulationen her, und es geht etwas wider mein Wesen, auf meine Kosten, vielleicht etwas eigentümlich, einige allgemeine Wahrheiten zu sagen, die die eine Hälfte längst weiß und die andere Hälfte nicht wissen will. Folgendes hat mich indessen bestimmt, etwas über mich selbst zu sagen. Schon Herder, Gleim, Schiller und Weiße und mehrere noch Lebende haben mich aufgemuntert, nach meiner Weise die Umstände meines Lebens, das sie wohl für wichtiger hielten, als es war, schriftlich niederzulegen. Ich glaubte, das wäre im achtzigsten Jahre noch frühe genug; aber meine jetzigen Gesundheitsumstände erinnern mich, es nicht zu verschieben, wenn es geschehen soll. Mehrere meiner Freunde drohen mir, wahrscheinlich genug, daß ich auf alle Fälle einem Biographen doch nicht entgehen würde; und da fürchte ich denn, einem Sudler oder Hyperkritiker oder gar einem schalen, geschmacklosen Lobpreiser in die Hände zu fallen. Niemand kann doch besser wissen, was an und in ihm ist, als der Mann selbst, wenn er nur redliche Unbefangenheit und Kraft genug hat, sich zu zeigen, wie er ist. Ich überlasse es jedem, der etwas von mir weiß, zu urteilen, ob das, was er von mir weiß, das Gepräge dieser Unbefangenheit und dieser Kraft trägt. Ich erzähle also ehrlich und offen, ohne mich zu schonen, und nicht selten mit dem Selbstgefühl inneren Werts und ohne den Vorwurf der Anmaßlichkeit oder die Krittler weiter zu fürchten, die vielleicht sodann über mich nur Totengericht halten. Torheiten werde ich wohl nicht wenige und nicht geringe zu beichten haben; aber, soviel ich mir bewußt bin, keine Schlechtheit. Wenn die Erzählung unterhält und vielleicht hier und da die Jugend belehrt und in guten Grundsätzen befestigt, so habe ich nicht umsonst gelebt und geschrieben.


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