Walter Serner
Zum blauen Affen
Walter Serner

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Eine unhaltbare Konstellation

». . . und als ich die Stufen der Manhatten-Kirche hinabrannte, um Ellie einzuholen, zertrat ich eine Taube und fiel in den Dreck.« Bert schnob erbärmlich.

»Ellie? Wer ist das?« Eric zerrte massierend der Reihe nach an seinen Fingern, bis sie knackten. »Ach ja. Macht sie nicht Zigarettenschachteln naß, wenn sie ihre Prügelnarben wegschminken will?«

Berts ohnehin nicht allzu schöne Augen stiegen tierisch hervor: »Erstens befindet sich Ellie jetzt in einem Geschäft in Brooklyn und zweitens möchte ich baden.«

Eric schob still einen Cake auf die Zunge, die ihn schnell nach hinten zog.

Berts Schläfen füllten sich mit Blut: »Also?«

Eric, der die Aufregung anderer stets als unberechtigte Störung empfand, schluckte sich mißlaunig den Mund leer: »Landschaften verursachten mir von je Gram und du – beständig Kummer.«

Berts dicke Nasenflügel schoben sich bösartig nach unten zusammen. Da hatte er jedoch den ausgezeichneten Einfall, eigenmächtig und ohne weiteres das Badezimmer zu benützen.

Eric, der Schritte im Flur gehört hatte, kümmerte sich nicht um ihn.

Menette tschinderte meisterlich über das Parkett und tat knapp vor dem Klubfauteuil eine blitzschnelle Wendung, so daß sie genau sitzend hineinschoß: »O heaven!«

Worauf sie, ohne Eric auch nur im mindesten zu beachten, mit etwa einem Dutzend verschiedener Stifte ihr Gesicht aufzufrischen begann.

Eric pendelte sich hinter sie und nahm rasch über ihre Schultern hinweg unter der Achsel hervor ihren apfelgroßen Busen in die Hand.

»Ich schätze das nicht,« zwitscherte sie, ohne aber Eric zu behindern.

Bei diesen Worten, Menettes Leibredensart, schwamm es Eric süß durch den Rumpf und anschließende Körperteile.

Dann fragte er zu seiner Beruhigung: »Weißt du, wo Jack ist?«

»Bei Mabel.«

»Und Bobby?«

»Der hat sich erschossen.«

67 »Verflucht! Ich hatte ein Rendez-vous mit ihm.«

Entzückt zog Menette Erics Lippen auf ihren frisch duftenden Mund . . .

Glasigen Auges stierte Eric auf die hold bebenden Brüste Menettes, die nachher stets einschlief, als er den dumpfen Schrei vernahm:

»Eric, ein Handtuch!«

Es kam ihm sauer in den Hals. Sein Kopf wackelte empört. Dann stand er knirschend auf.

Neben der in den Boden eingekachelten Wanne rutschte er aus und purzelte in das von Berts Dreck geschwärzte Wasser.

Bert, der Erics fliegendem Arm noch rechtzeitig das Handtuch entrissen hatte, drückte sich, nur mäßig bekleidet; und bald darauf, von wilder Schadenfreude erfüllt, in jenes Klubfauteuil, von dem aus seinem heftigen Glotzen die schlafende Menette nicht zu entgehen vermochte.

Alsbald durchstachen Schweißtropfen seine Stirn. Seine Knie erzitterten. Seine Zunge spielte selbständig zwischen den klaffenden Zähnen.

Hierauf aber näherte er sich übertrieben unbefangen Menettes Lager.

Eine Parkettdiele, die einen gequälten Ton von sich gab, vernichtete Berts Unternehmung: Menettes Augen entkniffen sich.

»Das schätze ich nicht,« zirpte sie ins Leere.

Das stolz begonnene Lächeln Berts verglitt.

»Was, Sie hier? Und in diesem Aufzug?«

Bert platschte sich entsetzt das feuchte Handtuch um seine zottige Brust. Unwillkürlich nahm er eine abruzzenhafte Stellung ein.

»Retten Sie sich! Wenn Eric kommt, erschlägt er Sie!« Infolge Menettes Kleinheit wirkte ihre Stimme lauter, als sie war.

»Pst!« machte Bert geistesgegenwärtig und leckte, Menette unentwegt beglotzend, schwermütig seine wulstigen Lippen.

Menette sprang auf die Füße: »Was erlauben Sie sich!«

»O, wenn Sie wüßten, Menette, wie ich . . .« Bert fischte erfolglos nach ihrer Hand.

Menette wandte sich ab. Sie lächelte bis unter die Haare. »Gehen Sie! Gehen Sie um des Himmels willen! Wenn Eric käme! Ich bin ein anständiges Mädchen . . . und Sie haben eine Taube zertreten . . .«

»O, Sie wissen . . .« keuchte Bert taumelnd.

Menette rannte vor Berts Lemurenzügen ins Nebenzimmer.

Es blieb für Berts Ohr unentschieden, ob das Geschrei, das sie dabei ausstieß, höheres Gelächter war oder höchste Angst.

Eric, der augenblicklich das Beste befürchtete, stolzierte herein, beiweitem noch mäßiger bekleidet als Bert. »Du hast dich an ihr vergriffen?« fragte er mühsam.

Bert stotterte: »Ich . . . kam eben . . . erst ins Zimmer . . . deshalb . . .«

Eric ließ den zum Schlag ausgeholten nassen Fetzen sinken. »Wo ist Menette?«

Plötzlich stand Ellie auf der Schwelle.

Bert nahm stöhnend seine Schläfen in die Hände, so daß das fallende Handtuch seine nackte Zottigkeit entblößte.

Eric preßte seinen nassen Fetzen gegen den Unterleib.

Ellie stolperte, vor Lachen schluchzend, an die Wand, wobei sie ihren Rock sich heruntertrat und, in ihn sich verwickelnd, zu Boden sank.

Bert und Eric stürzten sich auf sie.

Aber Menette, die selbstverständlich gehorcht hatte, rannte herzu und fistelte: »Weg, Ihr Rowdys, weg! . . . Komm, Ellie!« Und sie umhalste sie zärtlich.

Ellie, deren Füße sich zusehends mehr verwickelten, klammerte sich an Menettes Bluse, die, da Eric und Bert mitzerrten, knatternd zerschliß.

Plötzlich lagen alle vier auf dem Boden, derangierten sich, soweit dies noch möglich war, gegenseitig immer mehr, schrien und lachten und wurden schließlich dermaßen erregt, daß sie, immer deutlicher, zu raufen begannen.

Infolgedessen fiel ein Büchergestell, das dem vereinten Ansturm nicht länger standzuhalten vermochte, die Wand entlang um, den elektrischen Kontakt ausschaltend.

Es wurde stockfinster.

Eric und Bert verstummten instinktiv und ertappten sich die Gewünschte.

Menette und Ellie zeterten noch ein wenig, dann gaben sie nach . . .

Nach einer Viertelstunde verkrochen sich die Herren zartsinnig. Als sie, gentlemanlike gekleidet, wieder erschienen, fanden sie die beiden Damen in einer Stimmung vor, die zwischen Verlegenheit und Unwillen schwankte.

»Sie arbeiten jetzt in einem Geschäft in Brooklyn?« begann Eric höflich.

»Ich?« Ellies Mund verzog sich trübe. »Nein.«

69 Bert, der sicher war, Ellie in den Fingern gehabt zu haben, war das bereits völlig gleichgültig. Dennoch erheiterte es ihn, zu fragen: »Eric, hast du keine Zigarettenschachtel? Für Ellie?«

»Weshalb?«

»Damit sie ihre Prügelnarben verschminken kann.«

Eric schmatzte gelangweilt. »Ein Gebirgssee ist ein furchtbares Unglück und du bist – eine Katastrophe.«

»Trottel!« sagte Ellie leise.

»O heaven!« rief plötzlich Menette, die aus irgendeinem Grunde glaubte, es wäre nicht Eric, sondern Bert gewesen, welcher . . .

Eric fixierte sie augenblicklich, dann Ellie und wurde gleichfalls unsicher. »Bert,« flüsterte er, »bist du sicher, daß es Ellie war, welche . . .«

Bert, der sofort seine Sicherheit verlor, lächelte albern: »Ganz genau weiß ich es nicht, welche . . .«

Eric pendelte sich hinter Menette: »Er ist nicht sicher.«

»Ich schätze das nicht,« belferte Menette.

»Ich auch nicht!« donnerte Eric.

Bert brüllte: »Erstens ist mir das durchaus unwichtig und zweitens habe ich jetzt Hunger.«

»Ellie!« seufzte Menette, »weißt du genau, welcher . . .«

»Das ist es ja eben,« visperte Ellie, »ich weiß es nicht genau.«

Nach zwei Minuten war Eric allein.

Zuerst war Bert vergnügt, dann Ellie wütend und schließlich Menette schimpfend davongegangen. Es war eine unhaltbare Konstellation. 70

 


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