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Sollten unsere Leser zu finden glauben, daß wir gar zu langweilig werden, so mögen sie versichert sein, daß wir unsere ganz besonderen Gründe haben.
Britischer Essayist.
Wir würden uns kaum wundern, wenn unsere Leser die bisher geschilderten Szenen mehr als Ausbrüche einer krankhaften Phantasie belächelten, die in roher Lust Zerrbilder darstellt, die nirgends als in ihren ausschweifenden Träumen ihr flüchtiges Dasein haben. Für uns, deren gesellschaftliche Institutionen sich so naturgemäß und human entwickelt, deren Gesetzlichkeit infolge dieser rationellen Entwicklung so fest begründet und allgemein ist, wo der Ärmste so wie der Reichste seine angebornen Rechte und die unter seiner Mitwirkung festgesetzten Beschränkungen ebenso genau kennt und männlich festhält, als sie von seinen Vorfahren erkämpft und verteidigt worden, für unser ernst politisches Wirken und Leben dürfte es schwer sein, ein so tolles Gewirre rasenden Übermutes und stupider Feigheit, krassen Despotismus und frecher Zügellosigkeit, unerträglicher Anmaßung und niedriger Preisgebung der heiligsten angeborenen Rechte auch nur möglich zu denken; denn es gehört wirklich die Vereinigung all der Übel dazu, die dem Menschen seine Würde rauben und ihn allmählich zu wenig mehr denn einem Tiere herabwürdigen, um solche Charaktere und Szenen zu verwirklichen; eine Vereinigung, die wir, trotz aller Klagen, auch nicht im entferntesten zu dulden hatten. Nein, so drückend auch die Anmaßungen waren, über welche die Väter der neuen Freiheit und, wir mögen kühn behaupten, der Wiedergeburt des Menschengeschlechts zu klagen hatten, so waren sie doch noch wahre Wohltaten im Vergleiche mit den fürchterlichen Übeln, die das Nachbarland seit Jahrhunderten erduldet hat. Übel, die aber, die Wahrheit zu gestehen, auch zu den unsere Vorfahren bürdenden Lasten ganz in demselben Folgenverhältnisse standen, welche die friedlich ruhige Besitznahme eines unwirtbaren, von niemand rechtmäßig angesprochenen Bodens und hinwiederum die Eroberungen eines Cortés oder Pizarro notwendig nach sich ziehen mußten.
Wenn ruhig friedliche und freiheitsstolze, auf ihre angebornen Rechte eifersüchtige und durch politische oder religiöse Verfolgungen in ihrem Vaterlande bedrängte Bürger diesem den Rücken kehren, um in einer Tausende von Meilen entfernten Wildnis die in ihrem Vaterlande angefochtenen Rechte ungekränkt zu genießen; wenn sie und ihre Nachfolger und deren Kinder und Kindeskinder unter steten Kämpfen mit wilden Tieren und wilderen Menschen diese Wildnis beurbaren; wenn sich unter ihren rastlosen Händen blühende Fluren, wohnliche Sitze und reiche Städte erheben; wenn diese Bürger durch Gesetzlichkeit, Fleiß und Fortschreiten in Aufklärung und den bürgerlichen Künsten allmählich zu Staaten anwachsen, die, stark im Bewußtsein ihrer Kraft, sich sehnen, sich selbst Gesetze zu geben, statt diese vom entfernten Mutterlande zu empfangen, die Früchte ihres Fleißes, die Ersparnisse ihrer Weiber und Kinder zum Besten des eignen Landes zu verwenden, statt sie einer verschwenderischen fernen Aristokratie zu törichten, nimmer endenden Entwürfen und Kriegen in den Schoß zu werfen; wenn solche Bürger, und zwar die edelsten, die gewissenhaftesten, die einsichtsvollsten, selbst Hand ans Werk legen und sich zuerst in die Bresche stellen und ihren Willen zur Tat werden lassen und sich erheben, um für ihre angeborenen Rechte zu kämpfen: dann werden diese Staaten und der Kampf für ihre Rechte, diese bürgerliche Gesellschaft und die Revolution, durch welche sie sich vom Mutterlande losreißen, ganz anders beschaffen sein, als die eines Volkes, das, durch einen Haufen sitten- und gesetzloser Abenteurer plötzlich über den Haufen geworfen, Jahrhunderte in einer unerhörten Dienstbarkeit geschmachtet und, nachdem es Jahrhunderte geschmachtet, endlich losbricht, nicht um angeborene Rechte, von denen es keinen Begriff hat, wieder zu erlangen, sondern seinen Rachedurst zu befriedigen. In dem ersten Falle ist es die zur bürgerlichen Freiheit auferzogene Gesellschaft, die Mündigwerdung des jungen Mannes, der in seine bürgerlichen Rechte eintritt und diese mit männlichem Geiste, warmem Herzen und kaltem Verstande zu verfechten weiß; im andern ist es das Entspringen des gefangenen Tigers, der den in seinem Eisenkäfige lange verhaltenen Grimm auf eine blutige Weise zu befriedigen vom Instinkte getrieben wird. Das eine Beispiel haben die Vereinigten Staaten aufgestellt, das andere Mexiko.
Gesunken unter den wütenden Angriffen eines verzweifelten Abenteurers, seiner Religion, seiner Bildung, seiner Herrscher, seiner edelsten Männer, seiner Tempel, selbst seiner Geschichte beraubt, war das ganze Land, nachdem es in die Hände der Spanier zu fallen das Unglück gehabt, aus einem blühend selbständigen Staate eine ungeheure Domäne, seine Bewohner eine disponible Horde geworden, der man noch eine Wohltat zu erweisen glaubte, wenn man sie, zu Hunderten, zu Tausenden, wie das Vieh an eine wüste Soldateska verteilte. Ihres Eigentumes, ihrer Acker, zum Teile selbst ihrer Weiber und Kinder beraubt, herdenweise in die Bergwerke getrieben oder zum Lasttragen über unwegsame Gebirge verdammt, war die Geschichte dieses beispiellos mißhandelten Volkes drei Jahrhunderte hindurch ein fortwährendes Gemälde der unmenschlichsten Bedrückung gewesen, dem selbst die zu seinem Besten gegebenen Gesetze dadurch, daß sie gewissenlosen Beamten zur Vollziehung anvertraut waren, zu unheilbarem Krebsschaden wurden. In ihre Dörfer eingebannt, aus denen sie nur gerissen wurden, um ihren Peinigern zu fronen, hatten sie im stumpfen Dahinbrüten alles verloren, was den Menschen als solchen bezeichnet; nur das Gefühl ihrer Entwürdigung, die Erinnerung an die ausgestandenen Leiden und ein instinktartiges, düsteres Sehnen nach blutiger Rache waren geblieben.
In diesen wenigen Zeilen ist die Geschichte von drei Fünfteilen der Bewohner Mexikos und der gleich unglücklichen, gleich verwahrlosten und noch mehr verwilderten und verachteten Geschöpfe – der Kasten – enthalten, Sprößlinge einer tierischen Vermischung der Eroberer und ihrer Nachfolger und Sklaven mit den Eingeborenen, mit all dem anscheinenden Stumpfsinne, all der wirklichen Apathie der roten Rasse und all der Zucht- und Gesetzlosigkeit der weißen Väter, in eine Welt hinausgestoßen, die sie als ehrlos brandmarkte, alles Eigentums beraubte, verdammte zu den niedrigsten Arbeiten, ein steter Gegenstand der Furcht und des Abscheues der besseren Klassen, weil sie nichts zu verlieren, in einer Staatsumwälzung alles zu gewinnen hatten. So waren die Elemente einer Bevölkerung beschaffen, die nun durch den Kreislauf der Dinge zum Kampfe für ihre Unabhängigkeit in die Bahn zu treten gleichsam bei den Haaren herbeigezogen werden sollte, gleich dem Gladiator, der mit der letzten Kraft der Verzweiflung die Fesseln von den blutrünstigen Gliedern bricht und, um dem Kerker zu entspringen, seine Rettung nur in dem Untergange seiner Unterdrücker sucht.
Dreihundert Jahre hatte Mexiko Monarchen gehorcht, die es nie gesehen, ohne auch nur den Gedanken eines Abfalles zu hegen. Zwar hatte der Geist der Freiheit, durch die Vereinigten Staaten ins Leben gerufen, auch in Mexiko Anklang gefunden; aber dieser Anklang war verhallt, und ein namenloses Sehnen war alles, was übrig geblieben war. Das planmäßige Unterdrückungssystem des Spaniers hatte jeden höheren Aufschwung erdrückt; der Adel hatte sich ganz an die Regierung angeschlossen, die Mittelklassen waren gefolgt, das Volk mußte diesem Beispiele folgen. Es herrschte Ruhe, selbst lange nachdem in den südlichen Kolonien bereits der Aufstand ausgebrochen war; diese Ruhe war selbst da nicht unterbrochen worden, als die Nachricht von der gewaltsamen Besitznahme der Hauptstadt des Mutterlandes durch seine Erbfeinde und der grausamen Metzelei in derselben eingetroffen Murats, Mai 1808.. Das entrüstete Mexiko, weit entfernt, die günstige Gelegenheit zu benutzen, seine Unabhängigkeit zu erklären, beeilte sich vielmehr, die sprechendsten Beweise seiner Sympathie für die gekränkte Ehre des Mutterlandes zu geben, und allenthalben ertönten Verwünschungen gegen den gewalttätigen Machthaber, der den wenig gekannten Herrscher so heimtückisch aus seinem Erbreiche gelockt und in strenger Haft gefangen hielt. Die Kriegserklärung der obersten Junta gegen denselben Machthaber war mit lautem Beifalle ausgenommen worden, und alles bestrebte sich, werktätig seinen Enthusiasmus zu bezeugen, als ein königliches Dekret anlangte, das Mexiko befahl, den Bruder desselben fremden Machthabers als Regenten anzuerkennen, der seinen legitimen Fürsten so widerrechtlich entführt hatte.
Ein augenscheinlicherer Beweis von Unwürdigkeit zu herrschen konnte wohl nie und nirgends einem Volke so deutlich vor Augen gelegt werden, als es in diesem königlichen Dekrete geschah. Loyalität war diesem Volke gewissermaßen zum Glaubensartikel geworden; aber so wie der blinde Glaube dem absolutesten Unglauben weicht, wenn der Blindgläubige plötzlich aus seinem Wahne gerissen wird, so war auch von dem Volke Mexikos durch diese königliche Niederträchtigkeit auf einmal alle Loyalität gewichen. Gegen den angestammten Monarchen sich zu empören, würde den Mexikanern schwerlich je eingefallen sein; aber von ebendiesen Monarchen auf eine so schmähliche Weise weggeworfen zu werden, war eine um so schmerzlicher gefühlter Kränkung, als das Land, bei aller seiner Herabwürdigung, diese letzte Herabwürdigung noch nicht erfahren hatte. Der Unwille über diese königliche Zumutung war allgemein, und das Dekret wurde einstimmig und öffentlich verbrannt. Mit gerechter Entrüstung gewahrte jedoch dasselbe Volk, daß gerade diejenigen, die sich ihrer Loyalität und Anhänglichkeit an die königliche Person und ihr Haus am meisten gerühmt hatten, die ersten gewesen waren, die ihre Treue auf den neuen Herrscher übertragen hatten. Alle Regierungsbeamte, beinahe alle Spanier, hatten eilig Anstalten getroffen, das Land dem neuen Herrscher zu überantworten, ohne auch nur zu fragen, ob es auch wolle. Ein einziger hatte einen ehrenvolleren Ausweg eingeschlagen, Iturigaray, der Vizekönig. Den feigen und niederträchtig verschmitzten Charakter seines gefangenen Gebieters wohl kennend, hatte er den Beschluß gefaßt, ihm Mexiko, dem Wunsche seiner Bevölkerung gemäß, zu erhalten. Eine Junta, zusammengesetzt aus Spaniern und den angesehensten Mexikanern, sollte eine Volksrepräsentation bilden, die bis zur Ankunft bestimmterer Befehle aus Europa das Land vor allen gewaltsamen Erschütterungen bewahren sollte. Der Entwurf hatte den Beifall aller gutgesinnten Mexikaner erhalten. Alle sahen mit Frohlocken dem Zeitpunkte entgegen, wo endlich auch sie in den öffentlichen Angelegenheiten ihres Landes mitsprechen sollten. Der Jubel war allgemein; aber mitten unter diesem Jubel, mitten unter diesen Vorbereitungen zur Ausführung des Entwurfes wird der Urheber des Planes, der Vizekönig selbst, von seinen eigenen Landsleuten in seinem Palaste überfallen, mit seiner Familie verhaftet, nach dem Seehafen von Veracruz abgeführt und als Staatsgefangener nach Spanien eingeschifft.
Dem schwächsten Verstande war durch diese Gewalttaten klar geworden, daß, solange der Spanier herrsche, der Mexikaner unbedingt Sklave bleiben müsse; daß er nie hoffen dürfe, an der Verwaltung seines Landes Anteil zu nehmen und daß an Iturrigaray bloß deshalb der unerhörte, gesetzlose Gewaltstreich verübt worden war, weil er den Weg zur allmählichen Emanzipierung der Kreolen bahnen zu wollen sich unterfangen hatte.
Hatte des Herrschers niederträchtige Resignation seiner angeborenen Rechte der Legitimität in den Augen des Volkes den Stab gebrochen, so hatte dieser Gewaltstreich es nicht minder mit der Herrschaft der Spanier getan. Von diesem Augenblicke an begann der Entschluß zu wurzeln, sich der Spanier auf jede nur mögliche Weise zu entledigen. Eine Verschwörung war die unmittelbare Folge, zu der sich an hundert der angesehensten Mexikaner mit mehreren Hunderten aus den Mittelklassen und dem Militär vereinigten, mit dem festen Vorsatze, das schandbare Joch abzuschütteln, als wieder die Verräterei eines der Verschworenen, der die Verbündeten in der Beichte verriet, ihren Ausbruch zwar nicht vereitelte, aber beschleunigte.
Es war um neun Uhr abends am 15. September 1810 gewesen, als Don Ignacio Allende y Unzaga, Kapitän im königlichen Regimente de la reina, von Gueretaro kommend, in die Wohnung des Pfarrers von Dolores, Padre Hidalgo, stürzte, mit der Nachricht, daß dieselbe Verschwörung, die Mexiko von der verhaßten Herrschaft der Spanier befreien sollte, entdeckt, und daß der Befehl erlassen sei, die Verschworenen tot oder lebendig einzubringen. Den sicheren Untergang vor Augen, beratschlagten die beiden Verschworenen eine Stunde und traten dann unter ihre Freunde, den festen Entschluß verkündend, ihr Leben an die Freiheit des Vaterlandes zu setzen. Zwei Offiziere, die Leutnants Abasalo y Bellera und Aldama, mit einem Haufen lustiger Musikanten, Tisch- und Hausgenossen des Cura, vereinigten sich mit den Aufrührern, und mit diesen, dreizehn an der Zahl, beginnt die große mexikanische Revolution.
Während Hidalgo, ein Kruzifix in der Linken, ein Pistol in der Rechten, auf das Gefängnis losstürzt und die Verbrecher befreit, dringt Allende mit den übrigen in die Häuser der Spanier, zwingt sie, ihr Silber und bares Geld auszuliefern, und dann mit dem Geschrei: » Viva la indepenciencia y muera el mal gobierno!« Es lebe die Freiheit! Nieder mit der schlechten Regierung! (Buchstäblich: es sterbe die schlechte Regierung!) stürmten alle in die Straßen von Dolores. Die ganze indianische Bevölkerung schließt sich an den geliebten Cura an; in wenigen Stunden ist der Haufen der Empörer auf einige Tausend gestiegen, wozu auf dem Zuge nach Miguel el Grande achthundert Rekruten vom Regimente des Kapitäns stoßen. Unaufhaltsam vordringend, wirft sich die losgelassene Rotte mit den Worten: »Tod den Cachupins!« auf San Filipe; in drei Tagen steigt sie auf zwanzigtausend; zu Zelaya angelangt, schließt sich ein mexikanisches Infanterieregiment mit einem Teile des Kavallerieregimentes del principe an sie an. Weiter fortschwellend, wirft sie sich, unter dem steten Rufe: »Tod den Gachupins!« auf Guanaxuato, die reichste Stadt Mexikos, wo eine dritte Truppenabteilung sich zu ihr schlägt. Von allen Seiten strömen nun die Indianer herbei, und die Horde wächst auf fünfzigtausend an. In Guanaxuato wird die feste Alhóndiga Alhóndiga de granaditas, ein Getreidemagazin. im Sturm genommen, die sämtlichen Spanier und Kreolen, die sich mit ihren Schätzen dahin geflüchtet, niedergemacht; über fünf Millionen harte Piaster fallen den Aufrührern als Beute in die Hände. Der Fall dieser Stadt zieht eine ungeheuere Menge Indianer aus allen Teilen des Reiches herbei; die Horde steigt auf achtzigtausend Mann, worunter aber kaum viertausend Gewehre sind. Unaufhaltsam drängt sie über Valladolid nach Mexiko vor, wirft den Obersten Truxillo bei Las Cruces über den Haufen und zieht am 31. Oktober die Hügel von Santa Fé herab, die Hauptstadt des Königreiches im Angesichte, in deren Mauern dreißigtausend Leperos nur des Zeichens zum Angriffe harren, um den Kampf innerhalb der Stadt zu beginnen. Bloß zweitausend Linientruppen sind zur Verteidigung der Hauptstadt vorhanden; Calleja, der Oberfeldherr, ist hundert Stunden von Mexiko; ein anderer Obergeneral, der Graf von Cadena, sechzig; der Rücken ist gleichfalls von den Patrioten aufgeregt; auf der Straße von Tlalnepatla rückt ein Patriotenchef zur Unterstützung Hidalgos heran; der Vizekönig trifft bereits Anstalten zum Abzuge nach Veracruz; das Schicksal von Mexiko ist, allem Anscheine nach, seiner Entscheidung nahe, ein rascher Angriff und die Herrschaft der Indianer ist wieder hergestellt. Aber am folgenden Tage zieht sich Hidalgo mit seinem hundertundzehntausend Mann starken Schwarme zurück; Mexiko ist gerettet; aber die Leidensgeschichte der Patrioten fängt nun an.
Am 7. November bei Alculco von dem vereinigt spanisch-kreolischen Heere geschlagen, trifft bald darauf Allende bei Marfil ein gleiches Los, und eine dritte Schlacht bei Calderón entscheidet das Schicksal des ersten Feldzuges, dessen Urheber, Hidalgo, mit fünfzig seiner Gefährten bald darauf, verräterischerweise bei Acalito gefangen genommen, mit seinem Leben büßt.
Der erste Aufzug des revolutionären Dramas war beendigt, sechs Monate nachdem der blutige Vorhang aufgezogen worden war; aber die Brandfackel, weit entfernt, mit dem Falle des Führers verlöscht zu sein, hatte sich nur geteilt, um in zahllosen Flammen das ganze Reich desto sicherer im allgemeinen Brande auflodern zu machen. Tausende derjenigen, die sich von den Schlachtfeldern von Aculco, Marfil und Calderón gerettet hatten, durchzogen nun die Intendanzen, einen Vertilgungskrieg beginnend, der langsam, aber sicher die unversöhnlichen Tyrannen aufreiben sollte. Die meisten dieser Haufen waren von Priestern, Advokaten oder Abenteurern befehligt, die ohne Bildung, bloß durch ihren Haß gegen die Gachupins ausgezeichnet, ohne Plan oder Übereinstimmung handelten. Noch hatten sich nur wenige von der besseren Klasse der Kreolen an die Aufrührer angeschlossen; im eigentlichen Sinne des Wortes waren es noch immer bloß die Indianer und Kasten, die der Gesamtbildung und dem Eigentums des Landes gegenüberstanden, und die Herrschaft der Spanier, obwohl erschüttert, hatte an den Kreolen selbst ihre stärkste Stütze gefunden.
Diese, obwohl verhältnismäßig weniger gedrückt als die Indianer und Kasten, hatten sich mehr so gefühlt, weil sie aufgeklärter, ihre Rechte, wenn nicht deutlicher erkannten, doch lebhafter ahnten als die stumpfsinnige, bloß durch Rachedurst angetriebene rote und gemischte Rasse. Kinder von Vätern, die Spanier waren und als solche mit souveräner Verachtung auf alles, was Kreole hieß, ja selbst auf ihre eigenen, in Mexiko erzeugten Kinder, herabsahen, hatten diese sozusagen den Haß gegen die Spanier mit der Muttermilch eingesogen. Weit entfernt, die Rechte ihrer Väter nach dem Buchstaben der königlichen Verordnungen zu genießen, waren sie schon durch ihre Geburt in dem zinsbaren Lande in den Volkshaufen zurückgestoßen, um durch immer wieder und wieder sich erneuernde Scharen gieriger und hochmütiger Beamten, die in Lumpen kamen und mit Hunderttausenden das Land verließen, ausgesogen zu werden. Im Besitze der schönsten Ländereien und ihrer unermeßlichen unterirdischen Reichtümer, hatte selbst Besitztum bei ihnen seinen Reiz verloren; denn des Spaniers Willkür kannte kein Eigentumsrecht, und er war im Namen seines königlichen Meisters der unumschränkte Herr alles Eigentums. Ein solcher Zustand hatte mit der schmerzlichsten Erbitterung endlich den Wunsch nach Befreiung von dieser schamlosen Herrschaft allgemein erregt, und durch die Verschwörung waren auch alle Anstalten dazu getroffen gewesen. Sie sollte, wie gesagt, an einem Tage über ganz Mexiko ausbrechen, und unmittelbar sollten Kreolen an die Stelle der zur Verhaftung bestimmten spanischen Regierungsbeamten treten, die Seehäfen zugleich besetzt werden und so durch Abschneidung jeder Unterstützung von dem benachbarten Kuba die königliche Regierung gewissermaßen in ihrem eigenen Netze gefangen und erstickt werden. An dem erwähnten unglücklichen Verrate eines Priesters scheiterte der ganze Plan, und Hidalgo, zu tief verwickelt, um seinem unvermeidlichen Schicksale zu entgehen, hatte den Ausbruch der Revolution beschleunigt und, auf die Kreolen, die sich großenteils aus der Schlinge gezogen, erbittert, mit seinen Indianern einen Vertilgungskrieg begonnen, der beide, Spanier und Kreolen, gleich feindselig behandelte.
Dieser furchtbare Mißgriff, der nun Spanier und Kreolen gleich hart traf, hatte das Schicksal des Aufstandes selbst entschieden und die Kreolen gezwungen, gegen ihren Willen sich an dieselben Spanier anzuschließen, zu deren Verderben sie selbst den ersten Grundstein gelegt hatten. Es war vorzüglich durch ihre Mitwirkung geschehen, daß die drei Schlachten gegen die Rebellen gewonnen worden waren; allein die Spanier, weit entfernt, für diese Mitwirkung dankbar zu sein, sahen in der ganzen Kreolenbevölkerung nur die mißgünstigen Rebellen, die in der Ausführung ihrer Pläne gescheitert waren.
Über einen Aufstand erbittert, der ihrem Könige seine Suprematie und ihnen selbst die Ausbeutung des reichsten Landes der Erde zu entreißen gedroht hatte, fingen sie an, darauf hinzuarbeiten, sich nicht nur der Rebellen selbst auf alle mögliche Weise zu entledigen, sondern auch der Möglichkeit einer künftigen Empörung auf ebendie Art vorzubeugen, wie unsere Bienenjäger den Stichen der wilden Schwärme vorbeugen, deren Honig sie sich ungestört zuzueignen im Sinne haben, sie nämlich mit Feuer und Axt zu vertilgen. Vierundzwanzig große und kleine Städte mit zahllosen Dörfern waren in den achtzehn Monaten des Krieges bereits von den Spaniern von Grund und Boden aus zerstört, ihre Bevölkerung ohne Unterschied vertilgt worden, aus keiner anderen Ursache, als weil sie die Insurgenten vorzugsweise begünstigt hatten. Noch nicht zufrieden mit den Hunderttausenden, die Feuer und Schwert gefressen, hatten sich die blinden Legitimitätsdiener nicht entblödet, im Namen des dreieinigen Gottes und der heiligen Jungfrau die feierlichste Amnestie durch den Mund der Kirche zu verkünden, um die leichtgläubigen Elenden, die diesen Versicherungen trauten, ohne Erbarmen zu vertilgen. Eine so entsetzliche Treulosigkeit ließ natürlich keine Möglichkeit einer Wiederaussöhnung mehr zu, und die plötzliche Wendung, die der Gang der Revolution zu gleicher Zeit zu nehmen anfing, schien endlich die ganze Bevölkerung gegen diese elenden Tyrannen vereinigen zu wollen.
Unter den Abenteurern, die, Ruhm oder Beute suchend oder von Haß gegen die Unterdrücker angetrieben, sich zu Hidalgo auf seinem Triumphzuge von Guanaxuato nach Mexiko gedrängt hatten, war auch sein Jugendfreund und Schulgefährte Padre Morellos, Rector Cura Der Pfarrer; weltgeistlichen Standes heißen sie Rectores, Curas, die Klostergeistlichen Padres Curas., von Nucupetaro gewesen. Von dem Generalissimus Hidalgo brüderlich aufgenommen, hatte er von diesem den Auftrag erhalten, die südwestlichen Provinzen des Königreiches in Aufstand zu versetzen. Mit diesem gefährlichen Auftrage ausgerüstet, hatte sich der sechzigjährige Priester, bloß von fünf Anhängern begleitet, in die Intendanzen seiner neuen Militärdivision begeben, war in Petalan auf zwanzig Neger gestoßen, die er durch das Versprechen der Freiheit ihm zu folgen bewog, und bald darauf von mehreren Kreolen mit ihrem Anhange verstärkt worden.
Ungleich seinem Vorgänger, fing dieser Priester den Krieg im Kleinen, nach Art jener Guerrillas an, die im Mutterlande die Kraft des Feindes so wirksam gebrochen hatten. Allmählich die Sphäre seiner kriegerischen Tätigkeit erweiternd, hatte er mehrere nicht unbedeutende Siege über die spanischen Generale in einem sechzehnmonatlichen kleinen Kriege davongetragen. Das Gerücht schilderte ihn als einen ernsten Mann, ganz das Gegenteil vom leichtsinnig raschen Hidalgo, begabt mit einem durchdringenden Verstande, von tadellosen Sitten und weit liberaleren Ansichten, als man sie von einem mexikanischen Priester und seiner beschränkten Erziehung hätte erwarten sollen; der Einfluß, den er auf die Indianer ausübte, sollte ans Unglaubliche grenzen. Dieser Mann nun war an demselben día de fiesta, an welchem unsere Geschichte beginnt, an der Spitze einer kleinen Armee in Mexiko angekommen; die bedeutendsten Chefs des Patriotenkorps, unter denen Vitoria, Guerrero, Bravo, Ossourno, hatten sich seinen Befehlen unterworfen, und das moralische Übergewicht seines Namens schien endlich bewirken zu wollen, woran es seit dem Tode Hidalgos gefehlt hatte, Übereinstimmung in den Kriegsoperationen der Patrioten und eine Disziplin unter den Truppen, die dem Lande Vertrauen einflößen konnte.
Auf diesen Mann nun begann Mexiko die Augen sehnsuchtsvoll zu richten. Er oder keiner, das war der allgemeine Glaube, konnte das Land befreien. Tausende von Kreolen hatten sich bereits an ihn angeschlossen, und Tausende waren auf dem Punkte, diesem Beispiele zu folgen. Der Enthusiasmus nahm stündlich zu, und selbst der gewisse Tod, der jeden traf, der auch nur Wünsche für Mexiko laut werden ließ, konnte die Aufregung unter der jüngeren kreolischen Bevölkerung nicht stillen. Die reifere Mehrzahl schwankte jedoch noch immer unentschlossen. Gänzlich in der Gewalt der Spanier, denen sie sich, um Schutz vor den wütenden Horden Hidalgos zu finden, in die Hände liefern mußten, und argwöhnisch von diesen bewacht, fehlte es ihnen ebensosehr an der Kraft, sich ihren Tyrannen zu entziehen, als am Willen, sich an die neuen Befreier anzuschließen. Der mißlungene Versuch Hidalgos hatte ihr Vertrauen auf die Möglichkeit einer Befreiung erschüttert, die Grausamkeiten der Indianer gegen ihre Brüder ihre Begeisterung eingeschüchtert. Noch gellte ihnen das Wut- und Rachegeschrei der Indianer in die Ohren. Würde Morellos auch imstande sein, Calleja die Spitze zu bieten, gegen den Hidalgo und Allende mit ihren Hunderttausenden das Feld bei jedem Zusammentreffen verloren hatten? Selbst im Falle eines Sieges imstande sein, Kriegszucht und Ordnung unter den zusammengelaufenen Scharen aufrecht zu erhalten? Würden die Abenteurer, von denen die meisten Abteilungen des Patriotenheeres befehligt waren, nicht vielmehr ihren Sieg benützen, um das unglückliche Land mit allen Schrecknissen, die einen zuchtlosen, siegtrunkenen Rebellenhaufen begleiten, heimsuchen? Solches waren die Fragen, die sich Tausenden der einsichtsvolleren Bürger, nicht nur der Hauptstadt, sondern des Landes aufdrängten und ihre Tatkraft in dem Augenblicke hemmten, wo diese zur Vertreibung der Spanier in Wirksamkeit treten sollte. Alle haßten die Spanier bitter und blutig. Alle hatten gelitten und litten noch immer unter den unerträglichen Anmaßungen und der Gesetzlosigkeit dieser bigotten, nimmersatten Eindringlinge; aber diese Eindringlinge hatten trotz ihrer Gesetzlosigkeit Ordnung gehandhabt, deren Wert nun in der allgemeinen Zerrüttung so fühlbar geworden war. Die persönliche Sicherheit und die Rechte des Eigentums, wenn auch häufig verletzt, waren doch nie so en gros über den Haufen geworfen worden. Hatten diese Gründe schon auf die Gesinnungen und das Betragen der Mehrzahl der bemittelten Mittelklassen bedeutenden Einfluß geäußert, so mußten sie es noch weit mehr bei der am meisten bevorrechteten Kaste, dem hohen Adel, der bei einem Umsturze der Ordnung natürlich am meisten zu verlieren hatte. Mehrere dieser Familien bildeten, wie gesagt, eine Munizipal-Aristokratie, die besonders über die Indianer und die mit ihnen verwandten Kasten eine sehr drückende Herrschaft ausübte; die Revolution, die nicht nur dieser drückenden, ganz eigentümlich schändlichen Herrschaft ein Ende zu machen, sondern sie auch in die Klasse der übrigen Bürger zu werfen und, was besonders schrecklich für sie war, ihnen ihre Adelsdiplome und Ordensdekorationen zu entreißen drohte, für die sie so große Summen aufgewandt hatten und auf die sie, gleich den raffinierten höheren Ständen des europäischen Festlandes, einen unendlichen Wert setzten, mußte sie daher notwendig mit Schrecken erfüllen und ihnen das Ende der Herrschaft des Spaniers als ihr eigenes darstellen. Daß diese Vorstellungen verzweifelte Anstrengungen vonseiten des Adels bewirkten, die spanische Herrschaft um jeden Preis aufrecht zu erhalten, war um so natürlicher, als seine beschränkte Erziehung ihn ganz in die Hände dieser Herrschaft gegeben hatte. Wenn jedoch diese Vorurteile gegen die Revolution unter der Mehrzahl des hohen Adels herrschend waren, und es wäre eitel, die Tatsache zu leugnen, so können wir auf der andern Seite nicht umhin, zu gestehen, daß es wieder Männer unter dieser hohen betitelten Aristokratie gab, die den Stand der Dinge aus einem weit höheren, für sie und ihr Land ehrenvolleren Gesichtspunkte auffaßten. Eigentum und vorzüglich Grundeigentum ist, was auch Ultraliberalismus dagegen sagen mag, eine Basis, deren Solidität auch dem schwächsten Verstande einen Halt gibt, den der geistreichere Eigentumslose vergeblich anspricht. Es liegt etwas Zähes, aber zugleich auch etwas Positives im Grundeigentum, das seinen Besitzer gewissermaßen zwingt, unabhängig von seiner persönlichen Vorliebe und seinen Vorurteilen, das Wohl des Landes zu berücksichtigen, in dem sein Eigentum liegt. So wahrhaft absurd daher auch das Benehmen der Mehrzahl dieser Hochadeligen im Anfange der Revolution gewesen, so kindisch lächerlich ihre Vorliebe für die wertlosen Auszeichnungen ihres königlichen Gebieters, so hatte es wieder unter ihnen Männer gegeben, die die Lage ihres Landes richtiger beurteilen und ungeachtet des servilen Kleides, das sie trugen, für die Freiheit ihres Landes größere Opfer gebracht hatten, als die glühendsten, lautesten und ungestümsten Freiheitshelden je getan. Unter diesen hatte sich der Edelmann, mit dem wir bereits unsere Leser bekannt gemacht haben, besonders ausgezeichnet. Familienverhältnisse hatten ihm den seltenen Vorzug verschafft, seine Jugend in der Madre Patria und den zivilisierten Ländern der alten Welt zuzubringen, und ihm so Gelegenheit gegeben, jene Erfahrungen zu sammeln, die nötig sind, um eine unabhängig richtige Ansicht der Verhältnisse seines eigenen Landes zu fassen. Von der Natur mit einem durchdringenden Verstande begabt, hatten die Demütigungen, die er sich von dem stolzen Spanier im Mutterlande bloß deshalb hatte gefallen lassen müssen, weil er ein geborener Mexikaner war, ihm frühzeitig jenen tiefen Abscheu gegen die Bedrücker eingeflößt, den nur wieder derselbe reife und gebildete Verstand genugsam zu meistern imstande war. Die Eindrücke, die er im geselligen Leben der aufgeklärtesten Völker Europas und der aufgeklärtesten seines eigenen Weltteils empfangen, hatte er tief in seinen Busen niedergelegt und in die Einsamkeit seiner weitläufigen Besitzungen mitgenommen, wo sie ihm Nahrung in seinen trüben Stunden und Leitstern in seinem häuslichen und öffentlichen Leben wurden. So war allmählich ein ebenso fester als umsichtiger Charakter entstanden, der jedoch, ungeachtet seiner Umsichtigkeit und Klugheit, kaum für die Länge dem Argwohn der Beherrscher des Landes entgangen sein dürfte, wenn nicht ein herbes Los, das sein Familienglück kurz nach seiner Rückkehr aus Europa zertrümmert, dadurch, daß es ihn zum Gegenstand einer allgemeinen Sympathie erhob, wieder beigetragen hätte, dem spanischen Mißtrauen eine andere Richtung zu geben. Er selbst hatte sich seit diesem Schlage gänzlich von der Welt zurückgezogen, ganz und allein in der Beförderung des Wohles seiner nächsten Umgebungen und zahlreichen Angehörigen Trost und Erholung suchend. Aber ungeachtet dieser Zurückgezogenheit hatte sich sein Einfluß zusehends und auf eine Weise vergrößert, die selbst die Aufmerksamkeit des Mutterlandes auf sich zu ziehen begonnen hatte. Dieser Einfluß wieder, weit entfernt, in seiner Persönlichkeit hervorzutreten, war vielmehr in der festeren Haltung des Adels und der ihm zunächststehenden bürgerlichen Klassen bemerkbar geworden. Es lag etwas Geheimnisvolles in diesem Einflusse sowie in der Art, wie er ihn geltend machte. Gleich dem besonnenen, ruhig festen Seemanne, der jeden Windhauch kennt und jedes Wölkchen zu klassifizieren weiß, schien sein durchdringender Blick schon lange vor dem Ausbruche der Revolution seine Maßregeln getroffen zu haben, um dem kommenden Sturm zu begegnen. Das Gerücht ging, daß er die Hauptveranlassung gewesen, die mehrere des mexikanischen Adels bewogen, sich an Iturrigaray anzuschließen. Er selbst war bei dieser großen politischen Maßregel nicht besonders hervorgetreten. Als jedoch der Plan sich wirklich zu einem günstigen Resultate neigte, hatte er sich gemäßigt und fest dafür erklärt, als das einzige Mittel, sein Volk und Land aus dem herabwürdigenden Zustande zu reißen und mit der Art und Weise, sich selbst zu beherrschen, stufenweise vertrauter zu machen, so Hand in Hand mit den spanischen Behörden fortzuschreiten, bis günstige Verhältnisse es erlauben würden, den Verband zwischen beiden Ländern gänzlich aufzulösen. Merkwürdig genug erklärte sich jedoch derselbe aufgeklärte Geist gegen eine plötzliche Freiheitserklärung, und zwar so bestimmt, daß eine bedeutende Anzahl ihm wieder ihr Vertrauen zu entziehen anfing. Vielleicht, daß er, die Schwächen dieses Volkes einsehend, die Unmöglichkeit voraussah, die Freiheit, selbst wenn sie erlangt würde, zu bewahren. Seine Gesinnungen teilten die einflußreichsten und aufgeklärtesten Mitglieder desselben hohen Adels und der höheren Bürgerklassen. Doch als diese, empört über den schnöden Gewaltstreich, der den beliebten Vizekönig so verräterisch gefangen aus dem Lande entführte, zum offenen Bruche Anstalt machten, zog sich der vorsichtige Aristokrat wieder in seine vorige scheinbare Untätigkeit zurück, aus der er sich auch durch die nachher wirklich ausgebrochene Revolution nicht bringen ließ. Unterdessen wollten die Hellersehenden, ungeachtet dieses scheinbaren Rückzuges von der politischen Laufbahn, deutliche Spuren seiner fortwährenden Tätigkeit bemerkt haben, und wirklich waren Symptome einer solchen im ganzen Lande zu fühlen, die um so auffallender wurden, als die Bedeutsamkeit der Hilfsmittel, die diesem unsichtbaren Agenten zu Gebote standen, und ihre Wirksamkeit alle Versuche der Behörde, sie zu entdecken oder ihnen auf die Spur zu kommen, auf eine Weise vereitelten, die diese in die größte Besorgnis versetzte. Das ganze Land war in der Tat durch diese unsichtbaren Agenten in seinen Gesinnungen und Ansichten revoltiert worden, und so sicher wirkte der ausgestreute Same des Hasses gegen die Spanier, daß ohne den unglücklichen Verrat wahrscheinlich Mexiko ohne besonders hartnäckigen Kampf in die Hände der Kreolen übergegangen wäre. Die Urheber dieser moralischen Revolution blieben jedoch in geheimnisvolle Dunkelheit gehüllt, und unser Graf schloß sich mit dem ganzen Adel offenbar an die königliche Regierung an. Der neue Vizekönig, der Nachfolger des unglücklichen Iturrigaray, der mittlerweile die Zügel übernommen, hatte mit zahlreichen Belohnungen, Orden und Titeln für die Werkzeuge, die seinem Vorgänger einen vizeköniglichen Stuhl und die Freiheit geraubt, auch eine bedeutende Anzahl Verdammungs- und Todesurteile mitgebracht. Aber obwohl das Stigma des Liberalismus auch den Conde San Jago stark befleckt, so hatte sich doch die neue Exzellenz mehr als beeilt, ihn mit Beweisen von Freundschaft und Vertrauen zu überhäufen, die ebensosehr die Verwunderung der Uneingeweihten als das zufriedene Lächeln der Wissenden erregten. Andere Vorfälle hatten sich wieder ereignet, die das gute Verhältnis zwischen den beiden Gewaltigen zu zerstören drohten, und unter diesen der Machtspruch, der den Neffen des Aristokraten in die Madre Patria verwies. Was die eigentliche Veranlassung zu diesem Kabinettsstreiche gewesen, dürfte der Verfolg der Geschichte lehren, zu der wir nach dieser etwas langen, aber zur Verständigung unserer Leser vielleicht eben nicht überflüssigen Skizze der damaligen Verhältnisse Mexikos wiederkehren.