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Achtes Kapitel.

Es freut mich wenig
Zu melden dies; doch was ich sag, ist wahr.

Shakespeare.

Der alte Mann wurde in seinen düsteren Ausbrüchen durch das Läuten der Glocke an der Pforte und den darauffolgenden Eintritt eines jungen Mannes im mexikanischen Kostüme unterbrochen, der mehr in den Saal stürzte als trat. In der Hast war ihm ein Teil der Manga und mit diesem ein leichtes Bündel und eine Larve entfallen. Der Jüngling haschte schnell danach, und, rasch auf den Brasero zutretend, warf er Bündel und Larve ins Feuer.

»Wohlgetan, Señor Pinto!« sprach der Mayordomo, der dem verstörten Jüngling kopfschüttelnd zugesehen hatte. »Wissen wir nun doch, wozu diese Braseros, die uns der Cachupin mit all seinem Trödel gleichfalls auf den Hals gebracht, obgleich sie zu nichts nütze sind, als sich die Zehen zu verbrennen, wissen wir doch, wozu sie gut sind; wo hätte sonst Señor Pinto einen Feuerherd für seine Narrheitskappen gefunden? Nimm es heraus, Jago,« sprach er zu einem der Diener, »es ist Gold daran, und Don Pinto wird dessen nie zu viel haben.«

»Laßt es! Laßt es!« rief der Jüngling, heftig einen seiner Sporen auf den knisternden, halb verbrannten Anzug setzend.

»Wie es Euch beliebt, Señor Pinto«, sprach der Mayordomo. »Nur wollte ich Euch bedeutet haben, Señor, daß, wenn Ihr Narrenstreiche treibt, Ihr das Narrengewand da lassen mögt, wo Ihr sie getrieben.«

»San Jago noch nicht zurück?« fragte der Jüngling gähnend.

»Wer?« fragte der Mayordomo mit allen Zeichen der Verachtung. »Wer? San Jago? Wen meint Señor Pinto damit?«

»Den Conde«, versetzte der Jüngling, sich nachlässig auf das Sofa werfend. »Die Herrlichkeit bei unsern Herrschaften wird, sage ich dir, Alter, bald ihr Ende haben. Ei, ich habe Dinge gesehen, Zeichen, die da ärger sind, als die Zeichen, von denen unsere Padres sich den Mund so voll nehmen, wenn sie einem armen Caballero die Hölle recht heiß machen wollen, Zeichen, von denen sich Mexiko noch vor vierundzwanzig Stunden ebensowenig wie deine Philosophie hätte träumen lassen.«

Der alte Mayordomo und seine Mitdiener sahen den jungen Wüstling starr an; denn als solchen bezeichnete ihn das hohle Auge, der dunkle violettfarbige Ring und das bronzefarbige Gesicht, in dem nächtliche Ausschweifungen tiefe Spuren zurückgelassen hatten.

»Philosophie, Señor Pinto!« versetzte der Mayordomo, endlich tiefer Atem holend. »Se. Herrlichkeit Don José Conde de San Jago sind ein viejo Cristiano, ein alter Christ, und wir, Gott sei Dank, sind ein guter Christ und haben keine Philosophie und wollen keine Philosophie haben. Was wir haben, genügt uns auf unserer Reise durch dieses Tränental und hoffentlich dort drüben.« – Der alte Mann faltete die Hände, indem er wechselweise die Madonnen und Standbilder ansah. »Wir vertrauen auf die heilige, unfehlbare Kirche.«

»Ei, und auf den König«, versetzte der Jüngling spottend.

»Auch auf den König«, fiel der Mayordomo ein. »Aber er ist zweitausend Stunden von seinen Untertanen, oder vielmehr den Untertanen seiner Untertanen,« setzte er leiser hinzu, »den weniger als Untertanen seiner Untertanen. – Mein Gott, was ist aus dem armen Mexiko geworden?«

»Was aus Mexiko geworden ist«, erwiderte der Wüstling lachend. » Caramba! Das konntet Ihr vor der Fonda Traspanna gesehen haben. Ein blutig verstümmelter Leichnam, der zerfetzt und zerfressen auf einem Schubkarren fortgezerrt wird. Aha!« lachte er, »Ihr spitzt Eure Ohren, und wohl mögt Ihr; denn während Ihr hier sitzt, gehen draußen Dinge vor – Dinge! – Alle Teufel!« rief er aufspringend und rasch und scheu zum Fenster laufend, »aber die Ciudad fängt sich zu rühren an, wenngleich ihre Guachindangos und Nobilitad und gente irracional eine fühllose Rasse sind. Ei, das war ein Auto sacramental.«

»Das ist so ihre Weise«, fiel der Mayordomo mit Verachtung ein, » Autos sacramentales, Prozession, Raketen und der Erlöser von Atolnico wie ein Madrider Maso Stutzer. herausgeputzt.«

»Diesmal gab es andere Dinge zu schauen«, entgegnete ihm der Jüngling etwas ernster. »Einer dieser Majos hatte ein verdammt schlechtes Lager, und zwar auf einem Schubkarren; es war eine Ladung, die für zehntausend Mulos zu schwer gewesen sein dürfte.«

»Es war der geröstete Quauhtomozin«, fuhr der Wüstling, unheimlich lachend, fort, »der auf den Schubkarren ausgestreckt lag, just so, wie Ihr ihn auf dem Bilde in der Malerakademie sehen konntet, für dessen Verfertigung der arme Olla mit einem Fuß- und Halseisen belohnt worden, nur mit dem Unterschiede, daß der Leichnam genau die Gestalt des unglücklichen Mexiko selbst hatte. Seine rechte verstümmelte Hand stellte Yucatan und Veracruz vor; seine Linke, von zahllosem Gewürme angefressen, Puebla und Oaxaka. Auf dem Leibe, der mit Valladolid und Mexiko bezeichnet war, saß ein Vampir; um die Schenkel, die Guadalaxara, Zacatecas und San Luis de Potosi Intendanzen oder Provinzen, in die bekanntlich das damalige Königreich Neuspanien eingeteilt war, und die seit ihrer Unabhängigkeitserklärung die vereinigten Staaten von Mexiko bilden. bildeten, zerrte und riß sich ein wütender Jaguar.«

»Und alles das habt Ihr gesehen?« fragte der Mayordomo kopfschüttelnd.

»Konntet es lesen, wenn Ihr nämlich Aztekenschrift versteht.«

»Señor Pinto, hört und seht weniger, wenn es Euch beliebt; denn vieles Sehen und Hören macht Augen- und Ohrenweh, sagt unser Sprichwort. Laßt sie sich abmühen«, sprach er, sich zu den Dienern wendend, »da eine Flamme hervorbringen zu wollen, wo kaum Rauch zu haben ist. Ei, wir kennen Mexiko, diese Eiterbeule von Gachupin-Verderbnis und mexikanischen Geschwüren. Zum Plündern, zum Boleros- und Charavetanzen, zum Pasquillmachen, ja, da sind sie gut; aber der ist ein Narr, der seinen Kopf für dieses Gesindel in die Schlinge bringt. Die Gavilla ist ganz im Solde und Brote der Polizei. – Federico, was gibt's?« fragte er auf einmal erschrocken.

»Maestro Anselmo! Cosme, Pablo, Alonso, A todos los Diablos!« schrie Federico, der atemlos in den Saal gerannt kam. »Wißt Ihr, daß die junge Nobilitad aus Mexiko zur Armee verwiesen ist? Fünfundzwanzig Caballeros sind schneller in die Hülsen von fünfundzwanzig Lugartenientes gekrochen, als der Seidenwurm aus seinem Kokon sich windet. Se. Exzellenz, das ist sicher, haben den jungen hohen Adel allergnädigst zu Zielscheiben für die ketzerischen Rebellen zu verwenden beschlossen.«

»Jesús, Maria y Jose!« riefen sämtliche Diener.

»Und was das Schönste ist«, rief der Berichterstatter, »die guten Caballeros, die doch, wie Ihr wißt, die Rebellen wie die sieben Todsünden hassen, kamen zu ihren Lugartenientesstellen wie der Pilatus ins Kredo. Es soll eine Art Xacara Eine Satire, Posse. sein, eine Travestie, welcher der junge Adel beizuwohnen sich erkühnt hat, die Se. Exzellenz zu diesem plötzlichen gnädigen Entschlusse veranlaßt; ein Perro Hund, Schimpfnamen, den Mauren gegeben. von einem Mauren-Kalifen soll die Person unseres allergnädigsten Herrn und Königs zum Sprechen nachgeahmt haben.«

»Jesús, Maria y Jose!« riefen nun zwanzig Stimmen, denn der größte Teil der zahlreichen Dienerschaft war natürlicherweise herbeigeeilt, um seinen Anteil an den inhaltschweren Neuigkeiten abzuholen.

»Aber Mexiko ist auch dafür um eine gewichtige Kenntnis reicher geworden,« fuhr der Berichterstatter fort, »und der letzte Lepero weiß nun, daß Fernando VII., der gute Sohn, auf dem Schlosse, wo er haust – was denkt Ihr wohl? Je nun – Unterröckchen für Madonna de los remedios stickt.«

»Jesús Maria!« seufzte der Mayordomo, »eine Pasquinade auf Se. Majestät! Eine Pasquinade auf Se. Majestät! Ich sah mit meinen eigenen Augen, wie Señor Silva gehängt wurde, weil er sich beifallen ließ, den Kopf auf die linke Seite zu neigen, wie Se. Exzellenz der Virey Gálvez zu tun gewohnt waren, und Don Cosme, der in den Kerkern der Cordelada erdrosselt wurde, weil er sagte, Se. Majestät sei just ein Mensch wie er auch, und es sei Narrheit, zu glauben, sie haben für ihn im Himmel auch einen Thron aufgerichtet.«

» Por el Santo nombre de Dios? Qué quiere decir eso?« Heiliger Name Gottes. Was will das sagen? Was will denn dies bedeuten? schrie nun ein neuer Ankömmling, der nicht weniger verwirrt und erschrocken in den Saal stürzte – »Don Manuel –«

»Was ist's mit Don Manuel?« riefen alle erschrocken.

»Ist in die Madre Patria verwiesen; geht morgen um sechs Uhr auf Befehl des Vizekönigs in die Madre Patria ab.«

»Jesús Maria!« riefen wieder sämtliche Diener. »Don Manuel, der Neffe seiner Herrlichkeit, unser Niño Die zärtliche Benennung, mit der in Mexiko das jüngste Kind des Hauses bezeichnet wird; ist es ein Mädchen, dann Nina. Es bedeutet soviel als: das geliebte Kind, das zarte Kind., in die Madre Patria? Jesús Maria! Was hat das zu bedeuten?« wiederholten sie, sich mit großen Augen anstarrend, noch immer ungewiß, was aus der sonderbaren Botschaft zu machen.

»In die Madre Patria?« wiederholte der Mayordomo kopfschüttelnd.

»So sagte mir der Camarero Sr. Exzellenz«, bekräftigte der Diener, der die Nachricht gebracht hatte, »daß nämlich Se. Exzellenz aus übergroßer Huld für den Erben Sr. Herrlichkeit des Conde beschlossen haben, diesen in die Madre Patria abzusenden.«

»In die Madre Patria?« murmelte der Mayordomo noch immer. »Sr. Exzellenz übergroße Huld? Ja, vor fünf oder zehn Jahren, da würden wir eine solche Gnade mit schwerem Golde bezahlt haben; aber jetzt! – Gott und die heilige Jungfrau allein wissen, was dahinter steckt –!« Der Alte verstummte plötzlich.

»Stille! Die Niña; stille, stille, leise, stille! Die Niña!« rief es von allen Seiten, und die Diener wichen ehrfurchtsvoll zurück, um einer Dame Platz zu machen, die, zur Hälfte verschleiert, durch die oberen Flügeltüren in den Saal getreten. Sie war noch jung, mehr Kind als Jungfrau. Ihr schönes kastanienbraunes Haar wallte in langen Locken über einen Teil des Halses, während der andere durch die Mantilla Der Schleier, der am Scheitel unter dem Kamme befestigt, über Gesicht und Schultern fällt. verhüllt war. Sie trug eine prachtvolle Robe von chamoisfarbigem chinesischen Atlas, darüber die wunderliebliche Basquina Das mit seidenen Fransen besetzte seidene Überkleid, das über die Robe geworfen wird., die ihr bis zu den Knien reichte, und die Juwelen, die an ihrem Haupte, Halse und Armen schimmerten, würden dem Brautschmucke einer Königin nicht Unehre gemacht haben. Das Gesicht war großenteils verhüllt; nur ein zart geformtes Kinn verriet, daß die zärtliche Benennung des Lieblings, mit der sie von sämtlicher Dienerschaft begrüßt worden war, nicht passender gegeben werden konnte.

»Wer spricht von Don Manuel? Wo ist er, Kinder?« fragte sie mit einer noch kindlichen Silberstimme. »Um der Madre Versteht sich, Madre de Dios oder gracia, Mutter Gottes oder der Gnaden. willen, Anselmo!« rief sie heftiger, als die Diener schwiegen, sich betroffen ansahen und stockten; »Anselmo, Cosme, Federico! Wo ist er? Federico, du hast ihn gesehen? Sage – Mutter Jesu! Vierundzwanzig Stunden in Mexiko, und ihn noch nicht gesehen! Jesús, Maria y Jose! So sprich doch, Federico! Noch nie bist du so harthörig verstockt gewesen!«

»Er soll in die Madre Patria, auf Befehl Sr. Exzellenz«, sprach Federigo.

» Muchacho!« riefen alle; »Dummkopf! Wer sagt es? Du sagst es!«

»Jesús, Maria y Jose! In die Madre Patria! Don Manuel in die Madre Patria! Tía! Tía! Er soll in die Madre Patria,« schluchzte sie, indem sie auf eine ältliche Frau zurannte und sie heftig bei der Hand faßte; doch sprang sie sogleich wieder zurück und, auf den Bedienten zueilend, erfaßte sie seine beiden Hände. »Federico! Um der fünf Wunden willen! Federico! Sprichst du auch wahr? Sprich, ich beschwöre dich!«

»Niña! Niña!« riefen nun männliche und weibliche Diener, über die Heftigkeit des Lieblings des Hauses erschreckt.

»Wo ist der Conde?« schrie wieder ein frischer Ankömmling, der stürmisch die Treppen heraufgerannt und in den Saal gestürzt war. »Der Conde noch nicht hier?«

»Der Conde? Wo ist er? Wo ist er?« riefen alle.

»Die Besamanos ist vorüber!« schrie der Diener, »ich habe ihn am Palasttore verlassen; er ist nicht im Theater. Jesús Maria, der Conde!«

»Jesús Maria, der Conde!« heulten alle, und mit diesen Worten stürzte der ganze Troß die Treppe hinab, zum Haustore hinaus.

Ein wilder, wüster Lärm erschallte aus der Stadt herüber, begleitet von zeitweiligen Flinten- und Kanonenschüssen, die dem Chaos von schrillen, mißtönenden Stimmen zum Refrain dienten. Alle waren wie im Sturme zum Haustore hinausgeflogen, ihnen nach der Mayordomo, so schnell seine schwankenden Füße es zuließen.

Ein scharfer südwestlicher Windstoß, der durch die Tacubayaschluchten heraufkam, machte den alten Diener plötzlich halten. Ihm zur Linken lag Mexiko, mit einem lichtroten Nebelflor übersäumt, der sich über die Stadt gleich einem feurigen Schleier hinlagerte; zur Rechten brüllte der Donner südwestlich herauf, und die Blitze fuhren zuckend und schauerlich den Itztaccihuatl herab, dessen schneeige Koppe aufleuchtete wie ein feuriger Drache, wenn er sich zur Wut peitscht; dann entfuhr den finsteren Wolken wieder ein Donnerschlag, so fürchterlich durch das Gebirge hinbrüllend, daß die Erde bebte; die Blitze warfen ihr grelles Licht über die ganzen ungeheuren Felsenmassen des Gürtels von Tenochtitlan, leckten endlich das Tal und erglänzten und erstarben in den Wasserflächen des Tezcuco und Chalco.

»Jesús Maria!« stöhnte der alte Mann, »was ist das wieder? Jesús! Das Gewitter kommt von Puebla und geht über den Itztaccihuatl: das bedeutet Drangsal, Drangsal! Und die Blitze lecken Mexiko, und schon meine Mutter selig sagte mir, daß das Jammer und Elend bedeute; und der Lärm wird immer ärger! Jesu Maria! Auch von Tacubaya kommt es herauf!«

Der alte Mann starrte in die finstere Nacht hinaus.

»Ei, da liegt es, das alte Mexiko,« murmelte er, »so stolz, so herrlich, als ob sein Fall nicht auch kommen würde, und der des verruchten Spaniers, der Jesu Maria im Munde und Belzebub im Herzen hat.«

»Mondsüchtig, Don Anselmo?« fragte eine Stimme, »und ohne Barett und Amtsstab? Fürwahr, da steht Mexiko nicht mehr lang! Wer hat je so etwas gehört?«

Der Mayordomo fühlte nach seinem Haupte, nach seinem Stabe und wandte sich dann zu dem Sprecher, den er verdächtig maß. Es war ein junger, starker Mann, der, einen Indianer am Arme, aus der Ulmenlaube herangeschlichen war.

»Der Conde Jago noch nicht zu Hause?« fragte der Fremde.

»Ob er es ist oder nicht, Amigo,« versetzte der Mayordomo, der auf einmal seine Fassung wieder erlangt hatte, »wird Euch wenig kümmern, hoffe ich.«

»Vielleicht doch mehr, als Ihr glaubt, Anselmo!«

»Wer bist du? Was willst du? Woher kommst du? Gehe mit deinem heiligen Schutzengel und lebe tausend Jahre, Freund!« rief der Mayordomo, der wieder ängstlich wurde und sich schnell zum Tore zurückzog, wohin ihm der verdächtige Nachtwandler mit seinem Gefährten gefolgt war.

»Jesu Maria! Das ist Jago, unser gewesener Jago!« kreischte er auf einmal, »unser Arriero, und nun einer der Cabecillas! Fort mit dir! Ob in den Himmel oder die Hölle, ist gleichviel!« rief der alte Mann, der sich so schnell als er vermochte innerhalb des Tores zurückgezogen hatte.

Doch der Fremdling war schneller gewesen; mit einem Satze war er zwischen dem alten Manne und dem zufallenden Haustore; mit einem zweiten schob er den alten Mann auf die Seite; dann, den Indianer erfassend, riß er diesen mit sich fort in den Torweg, und beide verschwanden zwischen den Säulen der Terraza Der Säulengang oder die um den Hofraum oder Garten herumlaufende luftige, vergitterte Halle. Sie ist in allen besseren spanischen Häusern, vorzüglich aber Villen, zu finden..

»Jesús Maria! Das ist Jago! Jago! Jago! Um Gottes willen! Rebellen! Diebe! Räuber! Mörder!« schrie nun der Mann aus Leibeskräften, durch die Veranda die Treppen hinaneilend. »Jesu Maria! Wir sind alle des Todes, wenn – Pedro! Pablo! Alonso! A todos los diablos! Gott verzeih mir die schwere Sünde!« betete der Mann wieder, indem er sich bekreuzigte und dann den Daumen küßte.

»Alle Teufel! Maestro Anselmo, was gibt's? Was treibt Ihr?« rief Señor Pinto, der über die Treppe herabtanzte und den Mann verwundert ansah. »Aha! Mexiko hat Euch endlich aus Eurem Gleichgewicht gebracht. Höre, Alter! Seit den vierundzwanzig letzten Stunden habe ich eine Arroba Ein Gewicht von 25 Pfund. meines teuern Fleisches verloren. Adiós! Adiós!« rief der Wüstling.

Der alte Mann holte tief Atem, wie einer, dem eine schwere Last von der Brust genommen wird. »Gehe du,« murmelte er, »gehe du und halte den alten Anselmo lieber für einen Narren, als daß du deine Nase dahin steckst, wo sie uns allen das Lebenslicht ausblasen könnte. Ei, das wäre Wasser auf seine Mühle, zu wissen, daß zwei Rebellen sich in unserm Hause verborgen haben. Zwar spricht er trotz dem ärgsten Patrioten; aber es ist pure Liederlichkeit. Wer seinen Beutel füllt und ihn mit Dirnen versorgt, hat ihn. Und nun muß Maestro Anselmo, der Mayordomo Sr. Herrlichkeit, noch Portier sein; dieser auch fort.«

Das Rasseln eines Wagens unterbrach den geängstigten Alten. An zwanzig Diener kamen vor und hinter diesem gesprungen, rissen die Wagentüren auf, hoben den Grafen heraus und trugen ihn im Triumphe auf ihren Armen durch den Torweg über die Treppen in den Saal.

» Dios sea alabado!« Gott sei gelobt! schrie der Mayordomo, stieren, halb verwilderten Blickes die Hände des Grafen erfassend. » Dios sea alabado!« rief er wieder, seinen Gebieter abermals und abermals umfassend.

»Anselmo!« sprach dieser, »was gibt es? Ist etwas hier vorgefallen?«

»Conde!« rief dieser, »Conde!« schluchzte er. »Um Gottes willen! Eilen, laufen Sie aus diesem Hause!«

»Anselmo!« rief dieser erstaunt. »Was meinst du? Was ist dir?

Der alte Mann wurde in den Ausbrüchen seiner Angst durch die junge Dame unterbrochen, die nun in den Saal gerannt kam.


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