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Siebentes Kapitel.

Mein Elend wett' ich um ein Dutzend Nadeln,
Daß sie vom Staat sich unterhalten werden,
Vor einem Wechsel tut das jedermann.

Shakespeare.

Gegen Süden läuft die Hauptstadt Mexikos in den sogenannten Paseo nuevo, einen öffentlichen Spaziergang, aus, bestehend in zwei breiten Alleen, die wieder in der Straße von Tacubaya endigen. Sowohl die beiden öffentlichen Spaziergänge als die Straßen sind begrenzt von einer lachenden Landschaft herrlicher Gärten, in denen die tropischen Erzeugnisse der heißen Zone mit den Blüten und Früchten Europas verschmelzen, um abwechselnd einen ewigen Frühling und Herbst darzustellen. Tausende von Pfirsich-, Kirschen- und Apfel- und Orangen- und Zitronenbäumen bilden einen prachtvollen Fruchtwald, der bis zum Porphyrfelsen von Capultepec Das Schloß von Capultepec, einer Festung ähnlicher denn einem Schlosse, auf dem Felsenhügel gleichen Namens, vom Vizekönige Galvez erbaut. Im Garten desselben Schlosses befinden sich die sogenannten Montezuma-Zypressen; eine derselben mißt 41 Fuß im Durchmesser., mit seinem königlichen Schlosse und seinen kaiserlichen Zypressen, reicht. Von diesem Standpunkte stellt sich das Tal von Tenochtitlan bekanntermaßen am entzückendsten und grandiosesten dar, mit allen seinen Seen und Gärten, Maisfeldern und Fruchthainen, seinen Domen und Kuppeln, seinen Palästen und vierzig Städten und Städtchen, seinen unzähligen Weilern, Dörfern und Villen, alle begrenzt im Süden und Südosten von den hohen Tenochtitlanbergen und bewacht von den Riesenkuppen des Itztaccihuatl und Popocatepetl.

Die Stille, die in diesem lachenden Reviere herrscht, bloß abends und morgens von den zu Markt kommenden und wieder zurückkehrenden Indianern unterbrochen, die herrlichen Kontraste der Vegetation und der kahlen Felsenberge, vorzüglich aber die Entfernung von dem Getümmel der großen Stadt und den eifersüchtigen Blicken einer scheelsüchtig gewalttätigen Regierung, haben wahrscheinlich dazu beigetragen, daß mehrere der angesehensten Familien diesen Punkt zu ihren Stadtwohnungen gewählt hatten. Unter diesen Villen, und zwar denjenigen, die sich näher dem Chalcosee zu, aus den sie umgebenden Hainen von Frucht- und Waldbäumen erheben, zeichnete sich ein einfach symmetrisches Gebäude mit zwei kleinen Flügeln durch eine ruhig heitere und anmutige Lage unter beschatteten Ulmen und Pappeln aus. Es hatte zwei Stockwerke, die ein flaches Dach bedeckte, von dem bereits die Vorboten des Frühlings, die mexikanische Flora, mit ihrem reichen glänzenden Gefolge Besitz genommen hatte. Das Innere des Hauses entsprach ganz dem geschmackvollen Äußern. Ein Haus- oder vielmehr Hofgarten mit einem plätschernden Springbrunnen, umgeben von der Veranda oder Säulenhalle, aus der man in die Staatszimmer im oberen Stockwerke gelangte, die, beinahe durchgängig al fresco ausgemalt, vielleicht von unserem Geschmack zu einfach befunden worden sein dürften, obwohl wieder einzelne Gerätschaften Spuren gediegenen Reichtumes wahrnehmen ließen. In dem Hause selbst herrschte eine tiefe, beinahe unheimliche Stille, die kaum vermuten ließ, daß eine Schar Diener anwesend war, die der reichste Aristokrat der großbritannischen Inseln für alle Zwecke persönlicher Bequemlichkeit mehr als zureichend gefunden haben würde. Sie waren zum Teil aus der kreolischen, zum Teil aus der farbigen Bevölkerung des Landes genommen und hatten in ihrem ganzen Wesen jenen Ernst und jene Besonnenheit, die wir an den Kreolendienern häufig bemerken, und die ein sehr gelindes Verhältnis zwischen Befehlenden und Dienenden bekunden. Mehrere waren in der Sala mit Vorkehrungen zum Empfang von Gästen beschäftigt. Einige breiteten die Esteras auf dem Marmorfußboden aus, andere ordneten Reihen von Sofas und Sesseln längs den Wänden, ein drittes Paar brachte einen ungeheuern kupfernen Kessel, mehr einem tragbaren Kamine ähnlich und mit glühenden Kohlen angefüllt, den sogenannten Brassero oder Kohlenkessel, wieder andere stellten Tabourets in die Ecke des Saales, auf welche zierliche Glaskästen mit silbernen Standbildern zu stehen kamen, die von einem Blumenstrauße mit silbernen Armleuchtern flankiert wurden. Diese Figuren stellten die Schutzheiligen Mexikos vor, und zwar den Erlöser von Atolnico, die Madonna de los remedios, die Virgen de la Guadalupe und den San Felipe de Jesús, einen mexikanischen Priester, dem die spanische Politik das Heiligendiplom bei der römischen Kurie auszuwirken sich herabgelassen hatte.

Diese Vorkehrungen wurden unter der Oberleitung eines alten, ehrwürdig aussehenden Mannes getroffen, der ein Sammetbarett auf dem Haupte, ein langes spanisches Rohr mit goldenem Knopfe in der Hand, als Mayordomo oder Oberhofmeister gravitätisch im Saale auf- und abschritt.

» Muy bien – so ist's recht«, sprach er. »In die linke Ecke, gegenüber dem Erlöser von Atolnico, da gehört sie hin, daß sie jedem in die Augen falle. Werden sie brauchen. Zwei frische Wachskerzen, Mattheo«, bedeutete er einem anderen Diener. »Was soll denn das, Itztlan?« brummte er einer kupferfarbigen Apollogestalt zu, einem Oaxaca-Indianer, der zwei Stümpfchen Wachslichter vor dem Bilde der Madonna de los remedios, der Schutzpatronin der Spanier, aufgestellt hatte. »Was soll das, Itztlan?« sprach er im verweisenden Tone und einer Miene, die einiges Mißtrauen verriet, sich aber schnell wieder aufheiterte. »Höre,« fuhr er fort, »dein Wille mag gut patriotisch sein, und weder Se. Herrlichkeit, der Conde, noch wir, der Mayordomo seines gräflichen Hauses, haben etwas einzuwenden, wenn du der Jungfrau de los remedios die Cortés in deiner Stube verweigerst: aber hier, verstehst du, sind wir in der Sala Sr. Herrlichkeit, wo ein Quentchen Klugheit mehr wert ist als ein Pfund guter Wille mit Dummheit versetzt. Stecke frische Wachslichter an, denn sollten Gachupins kommen, ihre Nasen spüren fein in diesem Punkte, und Sr. Herrlichkeit Haus soll ihnen keine Gelegenheit zum Ohrenblasen geben. Ei, und dann hat die Madonna de los remedios um uns noch immer frische Wachskerzen verdient, obgleich, Dios! wenn so etwas vor fünf Jahren gehört worden wäre, ich fest und sicherlich glaube, ganz Mexiko würde vor Schrecken gestorben sein, aber die heilige Jungfrau hat sich auch übernommen. Junge, ich sage dir, der Tezecuco Das Anschwellen des Flusses Guautitlan in der regnerischen Jahreszeit verursacht das Steigen des Wassers im See von Zumpango, der sich mit dem von San Christoval vereinigt; beide sprengen die Dämme, welche sie von dem Tezecuco trennen, und die Gewässer der letzteren werden so in die Hauptstadt zurückgedrängt, der sie bereits mehrere Male gänzliche Zerstörung drohten. ist kein Viertel Vara gestiegen, und wieder gefallen, und wer hat es getan? Die Jungfrau de los remedios. Sowie die Estación Estación de las aguas, periodische Regenzeit, fängt im Juni, spätestens Juli an, und dauert drei bis vier Monate. eine Woche ausblieb, wer wurde geplagt, día y noche, Tag und Nacht, mit Bußgängen und Prozessionen? Wieder die Jungfrau de los remedios. Und bei der letzten Hungersnot, wo die Fanega Ein Getreidemaß, ein und ein halbes Bushel, 135 bis 140 Pfund. Mais zwanzig Piaster und eine Tortilla einen Real kostete, wurden die armen gente irracional so verblüfft, daß sie ganz vergaßen, daß eine Virgen de la Guadalupe vor der Nase, vor der Puerta de Veracruz Veracruz-Tor, durch das die Straße zum Wallfahrtsort der sogenannten Jungfrau von Guadalupe führt., ist. Wohl mochte die de los remedios ihr als die größere erscheinen, da alle ihre Verehrer vollauf hatten, während die armen Anbeter der Guadalupe wie Moshettos im Januartroste dahinstarben.«

Unsere Leser dürften allenfalls über den Gegenstand, der den frommen Eifer unseres Mayordomo erregt, im Zweifel sein, und es ist daher billig, ihnen bemerklich zu machen, daß dieser kein anderer war als die Parteilichkeit des wundertätigen Gnadenbildes der Madonna de los remedios, der Schutzpatronin der Spanier, die, wie die mit der Geschichte dieses Landes näher Vertrauten wissen werden, zu vielfältigen Reibungen Veranlassung gab, indem die Spanier ihr alle glücklichen Ereignisse zuschreiben, zur offenbaren Zurücksetzung der mexikanischen Madonna de la Guadalupe, die, als nur von einem Indianer gefunden und überdies kupferroter Hautfarbe, natürlich in den Augen der rechtgläubigen Spanier als wenig besser denn eine Indianerin selbst angesehen wurde. Daß die beiden Marias zugleich die Repräsentantinnen der beiden Parteien geworden waren, die sich nun im blutigen Kampfe gegenüberstanden und als solche sich alle die Verwünschungen und Schmähungen, mit denen Parteihäupter in der Regel von ihren Gegnern beehrt werden, gefallen lassen mußten, war bloß die natürliche Folge eines Aberglaubens, der längst jeden Funken gesunden Menschenverstandes in diesem Punkte erstickt hatte.

Der Indianer hatte unterdessen, obwohl mit sichtlichem Mißmute, zwei frische Wachskerzen aufgesteckt: eine Verrichtung, die er mit dem frommen Wunsche begleitete, daß Mexitli Der Kriegsgott der alten Mexikaner. der Jungfrau de los remedios und allen den Ihrigen recht bald den Kopf zerschmettern möge, welchen christlichen Wunsch er jedoch mehr zu brummen als laut zu sagen für gut befand.

»Aber«, brach er endlich aus, »wenn nur die Jungfrau de la Guadalupe sich auch ein wenig mehr rühren wollte. Sie scheint jedoch zu schlafen, ärger als eine törichte Schildkröte.«

»Das weiß ich wieder nicht, Itztlan,« bemerkte der Mayordomo, eine gewaltige Prise nehmend.

»Aber Itztlan weiß es«, versetzte der Indianer. »Er weiß es, daß sie den verdammten Gachupins hilft und geholfen hat, seit der Zeit, wo der tückische Raubmörder, den sie Marquis Cortés wird stets mit dem Namen des großen Marquis oder Marqués allein bezeichnet. nennen, in Mexiko eingedrungen und wo sie den Unsrigen Sand in die Augen gestreut.«

»Ich fürchte, das tut sie noch immer, Itztlan«, bemerkte der Mayordomo mit einer Miene, die, bei einer reichlichen Dosis Simplizität, eine wenigstens ebenso reiche Mutterwitzes wahrnehmen ließ.

»Während die von Guadalupe die Unsrigen sitzen läßt,« brummte Itztlan, »dann soll es uns wundern, wenn Mexiko mit allen seinen gewonnenen Schlachten zuletzt doch wieder dem Gachupin in den Rachen fährt.«

»Es ist leider schon darinnen, und zwar ganz und gar«, versetzte der Mayordomo. »Aber immer bleibt es ein harter Punkt, Itztlan. Damen, weißt du, sind so wetterwendisch in ihren Launen, als sie in ihrem Putze sind; aber zum Glück haben sie in dem himmlischen Hofstaate drei vernünftige Schiedsrichter: den Dios Padre, Dios Hijo und Dios Espíritu Santo Gott Vater, Sohn und heiliger Geist. und diese werden der Señora schon allenfalls den Kopf zurechtsetzen.«

» Verdad, Verdad«, fiel das ganze Korps der Dienerschaft ein; denn wie leicht zu erachten, so hatte die interessante Diskussion über den Hofstaat des Himmels, den sie sich allenfalls al pari mit dem Sr. Exzellenz des Vizekönigs dachten, alle zu aufmerksamen Zuhörern gehabt.

»Und doch«, hob Itztlan wieder an, »hätte die Jungfrau von Guadalupe immer etwas mehr für die Unsrigen tun können.«

»Itztlan!« sprach der Mayordomo.

» Maestro!« erwiderte der Indianer.

»Se. Herrlichkeit, der Conde, nicht wahr, sind ein gütiger und gnädiger Herr, der dich sehr liebt und alle die Seinigen? Aber obgleich er alle seine Neger freigegeben auf seinen Haciendas und für sie noch immer sorgt – diejenigen nämlich, die nicht zu den Patrioten übergelaufen – glaubst du wohl, er würde ihnen alles gewähren, was sie in ihrer Dummheit verlangen könnten?«

» No sé Weiß nicht.«, versetzte der Indianer kopfschüttelnd. »So viel weiß Itztlan aber, daß von diesen zwei Madres de Dios, ich wette zehn blanke Taler, die rote sich übertölpeln läßt. Ei, die weiße hat des Schalkes zuviel –«

»Du irrst, Itztlan,« versetzte der Mayordomo, eine frische Prise nehmend; »du irrst, maßen du zwei Mütter Gottes annimmst, da es in der Tat und Wahrheit doch nur eine gibt.«

Der Indianer mit den übrigen Zuhörern, denen ihr Schutzverhältnis zu den beiden Madonnas de los remedios und de la Guadelupe bereits zu dämmern angefangen hatte und die sich nun durch die Worte des Mayordomo auf einmal wieder in die absoluteste Finsternis zurückgeworfen fühlten, schrien mit einer Stimme: » A todos los diablos! No más que una Virgen!« Zu allen Teufeln! Nur eine Mutter Gottes.

»Itztlan,« sprach der Mayordomo, »hast du nie den – den – den Virey,« stieß er endlich mit einer Art Schauder und Abscheu heraus – »hast du ihn nie gesehen? Nein,« rief er sich besinnend, und gleichsam froh, einen Ausweg gefunden zu haben, »nein, ich meine nicht den gegenwärtigen, den vorigen meine ich – Iturrigaray meine ich, der war doch noch ein Mann.«

Der Indianer und die übrigen schauderten bei den ersten Worten des Mayordomo gleichfalls zusammen. »Die Schlange«, stieß der Indianer mit einem Grimme heraus, der seine tiefen Kehlentöne im hohen Saale widerhallen machte. »Die Schlange,« wiederholte er, und seine rollenden Augen sprühten Flammen, »die das Indulto auf allen Kirchentüren ankleben und dann die Indianer von Zitacuaro, von Istla, von Sombrerete, von – mit Weibern, Mädchen und Kindern in ihren Häusern einsperren und verbrennen ließ. Maldito sea el nombre Verflucht sei sein Name.

»Wehe, Wehe!« sprach der Mayordomo. »Wehe, wehe! Der Mann hat mehr Blut verräterischerweise vergossen als den Tezcuco füllen würde. Nein, ich meine Iturrigaray; den mein' ich«, wiederholte der Mayordomo besänftigend.

Der Indianer wurde ruhiger und nickte. »Hab' ihn gesehen,« sprach er, »zweimal; als er von Capultepec herabkam; hätte ihn beinahe nicht erkannt; sah just aus wie unsereiner auch. Und dann sah ihn Itztlan nochmals, als er auf der Plaza mayor mitten unter seinen Dragones und Lanzeros war. Strotzte aber von Gold und hatte ein breites Band auf der Brust und einen dreieckigen Hut; war anzusehen wie unser Erlöser von Atolnico.«

»Kurz,« sprach der Mayordomo, »der Virey auf der Plaza war eine ganz verschiedene Person von dem Virey von Capultepec.«

Der Indianer nickte.

»Und doch wieder nur eine und dieselbe Person!

Und nicht wahr, Itztlan, du würdest dich eher und mit größerer Zuversicht an den Virey von Capultepec gewendet haben, als an den auf der Plaza mayor?«

»Itztlan braucht den Virey nicht, und Anahuac braucht die Cachupins nicht«, versetzte der Indianer.

»Wohl wahr, Itztlan. Wir brauchen auch die Coyotes weder auf unseren Haciendas de cría, noch denen y labor Landgüter, auf denen Viehzucht und Ackerbau zugleich betrieben werden., die uns die Schafe wegfressen, und in Veracruz brauchen sie das Vómito Das Erbrechen. Die letzte Krise im gelben Fieber. nicht, und doch haben wir beide. Wohl«, schloß nun der Mayordomo, der so hinlänglich für den Kapazitäts-Meridian seiner Zuhörer vorgearbeitet zu haben glauben mochte, »so wie der Virey von Capultepec von dem auf der Plaza eine verschiedene und doch wieder nur eine und dieselbe Person ist, so ist auch die Jungfrau von Guadalupe von der de los remedios eine verschiedene und doch wieder nur eine und dieselbe Person. Wenn sie nämlich ihre Toilette als Jungfrau de los remedios für die Cachupins macht, und steif und starr, in ihrer ganzen Pracht und von ihrem Hofstaat umringt, den Cachupins Audienz gibt und stolz auf die armen Indianer herabsieht, so ist sie eine ganz verschiedene Person von der Jungfrau von Guadalupe, die sich nur im schlichten Hauskleid zeigt und den Indianern Audienz gibt und ihnen zu gefallen rote Farbe wie die Dueña Gouvernante. und Camarera Kammerfrau. auflegt, und doch wieder nur eine und dieselbe Person.«

Der Mayordomo, nach dieser dogmatischen Erklärung, die, im Vorbeigehen sei es bemerkt, gegenüber den horriblen Legenden der Priester der mexikanischen Kirche noch erträglich genannt werden konnte, war aufgestanden und zur Wanduhr getrippelt, die er bedenklich und ängstlich ansah. Ein leichter Schauer durchzuckte seine halb verwitterte Gestalt; und es war ersichtlich, daß er sich bloß deshalb so tief in die Angelegenheiten des himmlischen Hofstaates verwickelt hatte, um trübe Ahnungen los zu werden.

Er fröstelte zusammen. »Ei, wer die frische Luft unseres Cuautla Amilpas oder, noch besser, Oaxaca oder Valle Santiago hätte! – Jesu Maria! Mir wird so bange – –«

»Don Anselmo!« riefen sämtliche Diener, besorgt an ihn herantretend; »was fehlt Euch?«

»Was mir fehlt?« erwiderte der alte Mann. »Ei, was fehlt unserem armen, prächtigen Conde Carlos? Wißt Ihr es? Armer Narr! Was das für Entwürfe waren vor acht Tagen; wie er vor die ganze Notabilitad hintreten wollte, sie auffordern, zum Virey zu gehen und ihm sein schändliches Betragen gegen Mexiko vorzuhalten. Seht ihn jetzt an, just wie ein Hund, der im Schindersacke gewesen. Es ist auf unseren Haciendas arg genug, und man hat sich der Horden hungriger Häscher zu erwehren; aber hier, Jesu Maria!«

»Seht nur einmal Diego an«, fiel ein zweiter Diener ein. »Auf der Hacienda fängt er einen Coyote im Laufe, hier geht er herum, als ob er den gestrigen Tag suchte.«

»Weiß nicht«, brummte Itztlan. »Itztlan ist Mexiko nie so dämisch vorgekommen. Es schnürt Itztlan die Kehle zusammen. Itztlan fürchtet sich nicht; aber alle Leute sind bleich und zittern und wispern.«

»Und das bringt auch über deine Eisenseele ein Frösteln?« sprach der Mayordomo. »Glaub' es gerne; man müßte von Granit sein, um das auszuhalten. Hier sind nur die Cabecillas und unsere Peiniger froh; alles übrige wie sterbend oder tot. Jesu Maria, und der Conde noch nicht zurück! Und Carlos und Federico auch nicht! Habe ihnen doch aufgetragen, von dem Gange der Besamanos Nachricht zu bringen. Was wird da wieder aus- und angesponnen werden?«

Der alte Mann fröstelte wieder zusammen. »Ei, wäre es meinem Willen nach gegangen, so wären wir unten in Cuautla Amilpas oder Oaxaca geblieben. Die frohe Botschaft, die uns wegen des Ninon gebracht wurde, war nicht der Mühe wert. Ei, und wie sechs Monate den verändert haben! Man sagt,« wisperte er leise, »er sei zum Cachupin geworden.«

»Dann möge er in die siebzehnte Hölle hinabfahren!« brummten die Diener alle.

»Wer spricht gegen Don Manuel, den Neffen unseres Herrn?« schrak der Mayordomo auf, sich über die Stirne fahrend. »Ei, er ist der wahre Sohn eines Gachupin, dieser Manuel, und ihm ist Mexiko nicht mehr als ein mit Wasser angefüllter, ausgebeuteter Schacht.«

»Und wer konnte Conde Jago, den Stolz von Mexiko, die Blume der Blancos Weiße werden schlechtweg die Spanier und Kreolen genannt. in Oaxaca, zwingen, nach Tenochtitlan zu kommen?« fragte Itztlan.

Der Mayordomo schüttelte das Haupt. »Itztlan, es ist schwer für den Caballito, den Minero oder Soto-Minero abzuwerfen, der fest auf seinem Rücken sitzt; und wirft er ihn ab, so stürzt er gewöhnlich selbst in den tiefen Schacht hinab. Wird immer ärger, Itztlan«, fuhr er fort. »Ich habe die Galvez, die Buccarellis, die Revillagigedos, die Asanzas, die Iturrigarays gesehen; harte, stolze Männer, die den Popocatepetl mit einem Fuße flach zu treten sich stark genug dünkten, stolz wie Luzifer; aber doch waren es Spanier von altem Schrot und Korn; aber dieser –« der alte Mann faltete seine Hände.

»Dieser Fanegas,« fuhr er stiller fort, »dieser Fanegas, in der französischen Schule aufgewachsen, unter ihren Peitschenhieben, der Schule aller Perfidie und Laster. Sie sagen, er habe selbst die Armeen der Cachupins bei Cuenca und Almonacid an die ketzerischen Josefinos Anhänger Josef Bonapartes. verkauft. Jesu Maria! Und was der Mann in Mexiko getan hat, das, glaubt mir, Kinder, ist noch nie erhört worden, und alles mit honigsüßer Zunge. Es schreit zum Himmel um Rache. Und doch, wenn diese Schlange zu St. Peter kommt, ich glaube, sie überredet ihn, sie in den Himmel einzulassen. Ein Schurke, wer dann noch darinnen bleibt.«

»Jesu Maria!« seufzte der Mann, indem er zugleich das Kreuz schlug und dann seinen Daumen küßte.


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