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Fünftes Kapitel.

Mein Sitz hier war bisher ein Thron.

Foscari.

Wie unsere Leser bereits vernommen haben, so galten die soeben beschriebenen pompösen Vorbereitungen einem jener glänzenden Hofzirkel, die in monarchischen Staaten eingeführt sind, teils um dem Herrscher die Huldigung darzubringen, die einer von Gottes Gnaden erhöhten Person in den Augen loyaler Untertanen geziemend erscheint, teils auch die dem Throne zunächst stehenden Umgebungen durch ihre Teilnahme an dieser Huldigung fester an sein Interesse zu knüpfen und durch vereinte Pracht dem Haufen die Idee göttlicher Erhabenheit desto eindringlicher vor Augen zu bringen. Wenigstens dürfte das die Ursache sein, warum dieser, in barbarischen Zeiten entstandenen und bis auf unsere Zeiten fortgeführten Art von Repräsentationen der Volksmajestät, die, obwohl aus verschiedenen Gründen und in bescheidener Form auch bei uns Eingang gefunden, in monarchischen Staaten eine so große Bedeutsamkeit beigelegt wird.

Es ist vielleicht für den künftigen Bestand so mancher der gegenwärtig in Glanz bestehenden Dynastien des alten Europas eine ebenso unglückliche als charakteristische Eigenheit, daß sich nicht nur die ganze Staatsmaschine, sondern auch die bürgerliche Gesellschaft selbst um den Herrscher, als um ihre Sonne, dreht, und die große Masse des Volkes als eine Art Nullen, die die Hauptzahl wohl vergrößern, für sich aber als gehaltlos verachtet werden, von jeder persönlichen Berührung mit diesem Herrscher gänzlich ausgeschlossen ist. Wie viel an dieser Ausschließung das heutzutage gewissermaßen zur Überreife gelangte Prinzip der Legitimität schuld sei, wollen wir hier nicht bestimmen, obwohl wir auf der andern Seite nicht umhin können, zu gestehen, daß in diesen, sonst vielleicht nicht unglücklichen Ländern eben durch diese artifizielle und gewissermaßen mit dem Gepräge der Divinität bezeichneten Rangunterschiede eine solche Absonderung notwendig geworden ist. Die neuesten Ereignisse, indem sie in einem großen transatlantischen Staate den Zutritt zu einem gekrönten Haupte etwas wohlfeiler gemacht und so den Schleier gelüftet, der diese sich so hoch stellenden Menschen bisher dem Auge der Öffentlichkeit entzogen, haben auch die Qualen erraten lassen, die aus einem größern Bedürfnis von Popularität für sie entstehen und zugleich das Entsetzen nicht undeutlich gezeigt, von dem diese durch Gottes Gnaden sich eingesetzt wähnenden Monarchen bei jeder Berührung mit dem ungewaschenen großen Haufen durchdrungen sein mögen.

Bekanntlich hat es das Mutterland des unglücklichen Mexiko in diesem Zweige legitimer Wissenschaft durch seine innige Verbindung und Nachahmung der römischen Hierarchie am weitesten gebracht, und der Erfolg, den eine solche Gleichstellung Das Prädikat Se. Majestät wird in Spanien und Mexiko sowohl dem Könige, als auch der konsekrierten Hostie in welcher die Katholiken bekanntlich den lebendigen Gott anbeten – beigelegt. des irdischen Monarchen und höchsten Wesens im eigenen Lande hatte, war ohne Zweifel eine der nächsten Veranlassungen gewesen, daß der Herrscher, der dieses System des spanischen Hofstaates in seinen ererbten Ländern begründet, es in möglichst größter Vollkommenheit auch auf Mexiko in der Art ausdehnte, daß es sozusagen die Grundlage der diesem Lande gegebenen Regierungsform wurde. Bereits im Jahre 1530 wurde dieses Repräsentationssystem mit einer Pracht eingeführt, die den Hof des mexikanischen Vizekönigs mit den glänzendsten der alten Welt wetteifern machte, und wenn eine trügliche Politik es zu erheischen schien, dem eroberten Lande zu imponieren und ihm die Macht des zweitausend Stunden entfernten Herrschers durch seinen Abglanz zu versinnlichen, so boten die ungeheuern Reichtümer, die durch den Schweiß eines besiegten Sklavenvolkes in die Hände der ersten Spanier glitten, ebenso leicht die Mittel, diese Absicht ohne scheinbaren Nachteil des Mutterlandes durchzuführen. Noch heutzutage staunen wir billig über die ungeheure Verschwendung und den Glanz, der diese Vizekönige Mexikos in den ersten Jahrhunderten nach der Eroberung und zu einer Zeit umgab, wo die Stätten, auf denen gegenwärtig unsere großen Seestädte den Handel der Welt zu leiten anfangen, noch undurchdringliche Wildnis waren. Zwar hatten sich diese Reichtümer im Verlaufe der Zeit gemindert, oder vielmehr ihre Ausbeute war in regelmäßigere Kanäle geleitet worden; allmählich waren sie aus den Händen soldatischer Wüstlinge in die gieriger Beamten und angesessener Kreolen übergegangen. Die Pracht der Hauptstadt und der Glanz des vizeköniglichen Hofstaates hatten jedoch dabei nichts gelitten, da die spanische Politik es für rätlich gefunden hatte, die Kreolen, obwohl sie sie als bloße Stiefkinder betrachtete, an den Herrlichkeiten des Satrapenhofes um so mehr Anteil nehmen zu lassen, als dieser durch schwere Geldsummen erkauft werden mußte und zugleich eine Bürgschaft für die künftige Treue der Kurfähigen wurde. Die Adelsdiplome, títulos de Castilla, die zur unerläßlichen Bedingung des Eintritts in diese Zirkel gemacht wurden, waren kein unwichtiger Beitrag zur Privatschatulle der katholischen, allmählich ärmer gewordenen Majestät, und, abgesehen von den großen Summen, die auf diese Weise in den königlichen Privatschatz flossen, wurden dieser Hofstaat und diese Hofzirkel die Mittel, das Land allmählich in jene absolute Abhängigkeit zu bringen, welche das Lieblingssystem der heutigen Regierungskunst ist. Der reiche mexikanische Adel hatte in diesen Hofzirkeln nicht nur Gelegenheit, seine Reichtümer auf eine dem privilegierten Handelsstande von Cadix vorteilhafte Weise zu verschwenden; die Zentralisierung des Adels um den Hof des Satrapen war auch der Bindungsfaden geworden, diesen inniger an das königliche Interesse zu knüpfen, indem er Gelegenheit gab, die verschiedenen Nuancen der Unzufriedenheit zu bewachen, Mißvergnügen im Keime zu ersticken, die Überreste selbständig politischen Gefühls durch eine galante Debaucherie zu vertilgen und durch jene, Aristokraten so süßen und unentbehrlichen Intrigen alle Fäden der bürgerlichen Gesellschaft spielend in der Hand zu behalten. So war dieser Hofstaat, ursprünglich eine halb barbarische Schaustellung roher, feudaler Pracht, wie in den alten europäischen Ländern, das Mittel geworden, das Land fester an seine Herrscher dadurch zu knüpfen, daß der vornehmere Teil der Bürger in die Gesellschaft seines Repräsentanten gezogen und so mit dem Herrschenden selbst in nähere Verbindung gebracht wurde. Die Folgen dieser Politik waren sehr befriedigend für die spanische Herrschaft gewesen, und es dürfte noch heute schwer zu entscheiden sein, ob die lange Ruhe, die drei Jahrhunderte hindurch in diesen unsäglich gedrückten Ländern selbst dann nicht unterbrochen worden, als das Mutterland im langen und blutigen Erbfolgekrieg begriffen war, und die innige Anhänglichkeit, mit der der mexikanische Adel noch gegenwärtig an Spanien hängt, nicht einzig und allein diesem Repräsentativsystem zuzuschreiben sei; wenigstens verriet der Eifer, mit dem, wie wir gesehen haben, Hunderte von Familien sich zu dieser gran soirée drängten, ein Interesse an der Ehre des vizeköniglichen Hofstaates, das, auf die Patrioten übertragen, das Schicksal der königlichen Regierung bald entschieden haben dürfte.

Der Palast, in dem diese Hofkur gehalten wurde, und dem seither die ehrenvollere Bestimmung zuteil geworden, die obersten Behörden einer freien Republik in seinen Mauern zu vereinigen, war ganz geeignet, den Repräsentanten eines mächtigen Herrschers mit den höchsten Landesstellen und einen glänzenden Adel innerhalb seiner Säle aufzunehmen. Er nimmt die ganze Südseite des prachtvollen Platzes, Plaza mayor genannt, ein und erhebt sich in jenem gediegenen, aber etwas schwerfälligen Stile, den wir an spanischen Bauwerken häufig bemerken, und der, obgleich weniger kühn als der römische, den Eindruck absoluter Herrscherwürde einem unwissenden, aber sinnlichen Volke vor Augen zu bringen durch seine Ehrfurcht gebietenden Massen vielleicht geeigneter sein dürfte als selbst die klassischen Formen des ersteren. Mehrere Tore führen in seine weiten inneren Höfe und zur gewölbten Säulenhalle, die um einen prachtvollen Hofgarten läuft. Eine breite Doppelflucht von Treppen führt in die Staatszimmer des mächtigsten Satrapen der neuern Zeiten, die, als sollte die Natur seiner Gewalt recht auffallend dem Eintretenden vor die Sinne gebracht werden, zum Teil über den schauderhaften Gefängnissen der Staatsverbrecher erbaut waren. Die Torwege und die Säulenhalle wimmelten von Scharen reich gekleideter Hofdiener, Leibgardisten und Livreebedienten, mit Wachtposten vermischt, die an die Staatstreppen hinanstanden, und an die sich eine zweite Schar noch reicher gekleideter Hausoffiziere anschlossen, die zum Teil einen weiten Vorsaal einnahmen oder vor den Flügeltüren des Audienzsaales gerichtet standen. Gruppen von Adjutanten und Offiziere aller Grade und Waffen bildeten jene malerische Mischung, die vielleicht mehr als der glänzende Hof selbst geeignet ist, das Bild höchster Gewalt recht imponierend vor Augen zu bringen. Zwei reich gekleidete Höflinge bewachten den Eingang und überlieferten die zum Eintritt Berechtigten immer dem Zeremonienmeister.

Der große und hohe Audienzsaal, die untere Hälfte mit Esteras, die obere mit glänzenden Teppichen belegt, war in jenem altertümlichen Geschmacke verziert, der eine lange bestehende und fest begründete Herrschaft andeutet. An den Wänden glänzten ungeheure Trumeaus, abwechselnd mit langen Reihen von Wappenschildern, die die absoluten Ansprüche der verschiedenen Herrscherfamilien des Mutterlandes auf beinahe alle Länder des Erdbodens darstellten. Eine reiche, obwohl etwas verblichene Draperie von Purpur und chinesischem Atlas, mit Gold verbrämt, zog sich oberhalb dieser den Wänden entlang zu einem Thronhimmel, unter dem sechs Stufen hoch ein schwerfälliger vergoldeter Armsessel mit hoher Lehne stand, auf dem die Attribute der königlichen Würde lagen. Zu beiden Seiten dieses Thronsitzes, drei Stufen niedriger, befanden sich zwei andere Sessel auf Estradas, und darüber gleichfalls Baldachine, obwohl um vieles einfacher. Eine dritte Stufe hatte wieder mehrere Sitze, jedoch ohne Baldachin. Alle waren mit kostbaren, aber einigermaßen gealterten Fußteppichen bedeckt; zwei Reihen von Sesseln zu beiden Seiten des Salons vollendeten die Einrichtung. Das Ganze im schwerfällig altertümlichen Geschmacke des verflossenen Jahrhunderts, unterstützt jedoch von einer gediegenen Pracht und einer glänzenden Beleuchtung, brachte eine imposante Wirkung hervor.

Sowie der Erzbischof eingetreten war, erhoben sich sämtliche Anwesende und verneigten sich. Während der geistliche Würdenträger zu den Stufen des Thrones vorschritt, öffneten sich die oberen Flügeltüren, und ein prachtvoll glänzender Zug trat von dieser Seite ein. An seiner Spitze befand sich der Satrap, dem königliche Gunst oder vielmehr Intrige das Wohl und Wehe des reichsten Königreiches der neuen Welt mit sieben Millionen seiner Bewohner zur unumschränkten Disposition überliefert hatte. Es war dieses ein feingebildeter Mann mittlerer Größe. Der Oberteil seines Gesichtes hatte nichts Ausgezeichnetes; der untere war jedoch merkwürdiger, wenn auch nicht gefälliger. Ein rundes Kinn, um das von Zeit zu Zeit ein angenehmes Lächeln spielte, gab ihm einen Ausdruck von Zufriedenheit, obwohl seine Miene sich wieder so süßlich verzog und ihm einen tückisch grausam wollüstigen Zug verlieh, der durch ein zeitweiliges Blinzeln noch vermehrt wurde. Doch hatte dieser Mann jede Fiber wieder so sehr in seiner Gewalt, daß jeder Augenblick auch ein anderes Gesicht zeigte. Er trug die Feldmarschallsuniform Spaniens mit dem großen Bande des Ordens Karls III. Die Weise, wie er den Erzbischof empfing, verriet jene scheinbar hohe Ehrfurcht, mit der kluge Staatsmänner die geistlichen Stützen zeitlicher Gewalt vor den Augen der Menge zu ehren verstehen, wenn sie gleich von dem lebenden Prinzip der Religion wenig oder gar nicht durchdrungen sind. Seine Verbeugung war beinahe demütig, und der schärfste Beobachter dürfte vergeblich einen Zug von Spott in dem Gesichte des Satrapen gesucht haben, der auf mehreren seines Gefolges nicht undeutlich zu lesen war. Andererseits schien der geistliche Würdenträger sich vollkommen seines hohen Ranges bewußt, und es war an ihm nichts von jener affektierten Demut zu spüren, die wir an den Vorstehern dieser Kirche in Ländern zu bemerken Gelegenheit haben, wo ihre Autorität auf unsichern Pfeilern schwankt; eine gewisse Verlegenheit allenfalls ausgenommen, die dem Gesichte einen finstern Ausdruck verlieh, und die vielleicht dem Pereat zuzuschreiben war, das der Schutzpatronin seines Geburtslandes und so ihm selbst von dem Pöbel gebracht worden.

Das tiefste Schweigen herrschte während der Unterhaltung der beiden Würdenträger, an der bloß noch eine Person unmittelbaren Anteil nahm, und zwar eine, die nicht minder merkwürdig in der Geschichte dieses unglücklichen Landes, als abstoßend in ihrem Äußern erschien; eine starke, hagere Gestalt von muskulösem Körperbau, mit einem finstern, abschreckenden Gesichte und einem Paar kohlschwarzer, verglaster, stierer Augen, die, unter den buschig grauschwarzen Augenwimpern hervorglotzend, dem Manne etwas Gräßliches verliehen. Es war eine Art Satansgesicht, doch ohne dessen Geist, vielmehr eine Mischung von Bigotterie, Dummheit und Grausamkeit, die zugleich Ekel erregte.

Als die beiden Würdenträger und der Generalkapitän, denn dies war die hohe Charge des soeben beschriebenen Militärs, die Unterhaltung lange genug ausgedehnt hatten, um den Anwesenden gewissermaßen das innige Verhältnis zwischen Staat, Kirche und dem Schwerte bemerkbar zu machen, traten sie vor die Stufen des Thrones, um einen Zug von Damen zu empfangen, der durch die nämlichen Türen eingetreten, durch welche auch der Satrap gekommen war, und die sie sich nach einer kurzen Unterhaltung zur Linken des Thronhimmels auf der ersten Stufe aufstellten.

Der Spanier besitzt eine natürliche, ihm angeborne Würde, deren Grundlagen, Selbstgefühl und Nationalstolz, ihn vorzüglich zum Repräsentieren eignen, obwohl beide wieder in der neuern Zeit sehr gelitten haben. So sehr der schärfere Beobachter jene geistreich schönen Physiognomien vermißt haben dürfte, die bei ähnlichen Veranlassungen in unserem oder dem uns verwandten Mutterlande das Auge ebensowohl als den Verstand ansprechen, indem sie durch ihre ruhige, innere Würde und Besonnenheit eine gewissermaßen intuitive Beschauung des freien Mannes erlauben, so sehr dürfte andrerseits sein Interesse durch den Anblick einer Versammlung angeregt worden sein, in der gewissermaßen die ganze Macht und Energie eines mächtigen Staates konzentriert war, und deren grelle, barsche Gesichter als Abdruck der außerordentlichsten Regierung gelten konnten, die je in einem Lande gewütet hat. Die Spanier waren beinahe durchgängig kleine verbuttete Gestalten, mit schwarzbraunen oder olivengrünen, verzerrten, hochmütigen Gesichtern, funkelnden kleinen Rattenaugen, und Zügen, in denen die jugendlichen Leidenschaften nur ausgetobt zu haben schienen, um ihre Hefen mit den härteren und hassenswürdigeren des grauen Alters zu vermischen. In der Art, wie sie sich dem Satrapen näherten, lag etwas servil Niederträchtiges und wieder abstoßend widrig Arrogantes. Sie kamen in der ehrfurchtsvollsten Stellung heran; aber in dieser geheuchelten Ehrfurcht lag wieder ein Hohnlächeln, das deutlich verriet, ihre Huldigung gelte dem Abglanz der Majestät nur insoferne, als diese ihre eigenen Pläne unterstützte, und daß sie tief fühlten, sie befänden sich in einem Lande, auf dessen unbeschränkte Beherrschung sie einzig und allein Anspruch hätten, obgleich sie in ihrem eigenen Lande Sklaven waren.

Ängstlich und beinahe furchtsam, mit einem leeren, nichtssagenden, aristokratischen Lächeln und kriechenden Bücklingen kamen die Kreolen heran, voll süßen Schauers. Bei ihrer Annäherung zur höchsten Personnage wagten sie kaum aufzutreten, und die unnennbare Seligkeit, die ihre Gesichter überstrahlte, wenn ein Wort vom Satrapen ihnen zuteil wurde, war um so widerlicher, als der unverkennbare Hohn ihrer Vorgänger den Kommentar zu dieser Hofwonne bildete. So gewiß es ist, daß eine feste männliche Haltung das Gemüt wohl anspricht, indem sie der Ausdruck persönlicher Freiheit und Sicherheit wird, ebenso bewirkt die entgegengesetzte kriechende Darstellung des inneren Menschen wieder jene Ängstlichkeit und Unbehaglichkeit, die sich ebenso unwillkürlich in Verachtung desjenigen umwandelt, der diese in uns hervorzubringen die Veranlassung war. Es bedurfte wirklich nur eines Augenblickes, um dem aufmerksamen Menschenkenner einen anschaulichen Begriff von der Natur der Herrschaft zu geben, unter welcher dieses Land seufzte und ihn über die Ursachen aufzuklären, die nahe an sieben Millionen Kreolen, Indianer und Kasten unter der Botmäßigkeit von einer verhältnismäßig geringen Anzahl von Spaniern erhalten konnten.

Abgesehen jedoch von diesen höhern Betrachtungen gewährte die Versammlung einen glänzenden Anblick. Die reichen Uniformen der Generale und hohen Staatsbeamten, unter denen sich die malerische Amtstracht der Oidores mit ihren schwarzen Seidemänteln und goldenen Ketten auszeichnete; die farbigen Gewänder der hohen Geistlichkeit, mit den vielfältigen prachtvollen Uniformen der verschiedenen Beamten und der antiken und reichen Tracht mehrerer Kreolen, mit den reicheren Anzügen der Damen, boten ein Ensemble dar, welches der mächtigste Autokrat kaum glänzender an seinem Hofe aufweisen konnte, und dessen Wirkung durch ein geheimnisvolles Etwas, das durch das Ganze hindurchschimmerte, eher vermehrt als vermindert wurde.

Nachdem die Vorstellung der Herren auf der rechten Seite des Saales vor sich gegangen, waren sie auf die linke geführt worden, wo sie zum Handkusse der Gemahlin des alter ego des Königs zugelassen, die Damen aber mit einer Umarmung oder einem mehr oder weniger verbindlichen Knickse empfangen wurden, um nach einer kürzeren oder längeren Unterhaltung, die wieder eine größere oder mindere Wohlgewogenheit andeuten sollte, ebenso entlassen zu werden.

Derselbe Stolz vonseiten der Spanierinnen; doch schien bei den kreolischen Frauen die Eifersucht gegen ihre Nebenbuhlerinnen weit charakteristischer hervortreten zu wollen, als dies vonseiten ihrer Ehemänner der Fall gewesen war. Auch in ihrem Putze hatten sich die zwei schönen Hälften einander sozusagen feindselig gegenübergestellt, und während die Spanierinnen in die Robe des Landes gekleidet waren, hatten die Kreolinnen die Toilette des Volkes, welches die Regierung ihres Mutterlandes über den Haufen geworfen und ihren Regenten in Gefangenschaft hielt, vorgezogen, obwohl dieser Vorzug von unsern Schönen um so weniger beneidet worden sein dürfte, als ihre Muster noch dem verflossenen Jahrhunderte angehörten. Unter den jüngeren Damen gab es ungemein herrliche Gestalten, und der zart gebräunte Teint und das liebeglühende Auge verrieten auch unter den mißstaltenden Anzügen die Sprößlinge des glühenden Andalusiens und des stolzen Kastiliens.

Die Sonne jedoch, um welche sich der ganze Kreis bewegte, war der Satrape, und der Spanier selbst schien die ihm angeborene Galanterie für den Augenblick vergessen zu haben, um dem Repräsentanten königlicher Majestät und so sich selbst die höchst mögliche Huldigung darzubringen.

Nichts konnte aber auch der würdevollen Anmut gleichkommen, mit welcher diese Personnage ihre Regentenrolle spielte. Auch den Zagendsten schien er ermutigen zu wollen durch freundliche Milde, die recht angelegentlich aufzufordern schien, sich behaglich in seiner Nähe zu fühlen. Allen wußte der Mann etwas Verbindliches zu sagen; doch war diese seine Freundlichkeit wieder sehr veränderlich; bei einigen schien sie mehr ins Vertrauliche übergehen zu wollen, während bei andern wieder die Amtsmiene oder gnädige Herablassung vorherrschte. Die Geläufigkeit, mit der er die verschiedenartigsten Fragen gleichsam im Vorbeigehen und doch zugleich so angelegentlich an jeden richtete, war bewundernswert. Einige dieser Fragen bezogen sich auf das gute Aussehen der Befragten und das Vergnügen, das er empfand, einen so getreuen Diener seines Herrn in so vollkommenem Wohlsein zu sehen; andere auf Familienverhältnisse, in welchen der hohe Mann bis zu einem gewissen Punkte bewandert schien; noch andere auf das Fach, dem der Befragte vorstand; alle aber waren in jener oberflächlich gefälligen Manier vorgebracht, die gewissermaßen den Fragenden als über tiefere Kenntnis des von ihm berührten Gegenstandes erhaben darstellen sollten. Mehrere Male fand es die hohe Personnage auch für dienlich, Worte leiser zu sprechen, die hinlängliche Inhaltsschwere hatten, dem Angeredeten das Blut in das olivenfarbige Gesicht zu jagen, ohne daß sie dem Satrapen mehr als ein gnädiges Lächeln gekostet hätten.

Die Stimme des Camarero-Mayor, der neue Ankömmlinge verkündete, brachte endlich in dem Gesichte des geschmeidigen Hofmannes eine Art Stillstand hervor, und seine Muskeln zuckten zum ersten Male in dem augenblicklichen und, wie es schien, schweren Kampfe, den es ihm kostete, sie in das vorige Lächeln zu glätten.


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