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Neunzehntes Kapitel.


– Mein Leben war aus einem Stück,
In Euerm Dienst verbraucht, zu Euren Füßen sterbend.

Don Sebastian.

Jahre rauschen bei uns vorüber wie der Wind. Wir sehen nicht, woher der Wirbel kommt, noch wohin er zieht, und scheinen ihren Flug mit anzusehen, ohne zu fühlen, daß wir selbst verändert sind; und doch raubt die Zeit dem Menschen seine Kraft, wie der Wind den Wäldern ihr Laub.

Nach Alexias und Markham Everard's Verheirathung blieb der alte Ritter in ihrer Nähe, in einem zu dem wiedererlangten Theile seines Guts gehörigen Hause, wo Josselin und Phöbe, jetzt Mann und Frau, nebst einer Dienerschaft von ein oder zwei Leuten, seinen Haushalt besorgten.

Wenn er Shakespear's und der Einsamkeit müde war, so war er ein willkommner Gast bei seinem Schwiegersohne, wo er um so häufiger hinging, da Markham alle öffentlichen Geschäfte aufgegeben hatte, indem er die gezwungene Entlassung des Parlaments mißbilligte, und sich Cromwell's nachheriger Herrschaft nicht sowohl als einer Regierung, die er für gesetzlich, sondern vielmehr für das kleinere Uebel hielt, unterwarf. Cromwell zeigte sich immer freundschaftlich gegen ihn gesinnt, aber Everard, sehr empfindlich über den Vorschlag, ihm den König auszuliefern, den er als eine Beleidigung seiner Ehre ansah, blieb kalt bei seinem Entgegenkommen, und wurde im Gegentheil der Meinung, die jetzt allgemein unter der Nation herrschte, daß ohne die Zurückberufung der verbannten Familie eine ruhige Regierung nicht zu erlangen sey. Es läßt sich nicht bezweifeln, daß Karls persönliche Güte gegen ihn, ihn um so bereitwilliger zu einer solchen Maaßregel machte. Er lehnte jedoch während Oliver's Leben, dessen Macht er für zu fest begründet hielt, als daß sie durch irgend einen Plan erschüttert werden könnte, alle Verbindungen gegen dieselbe ab.

Unterdeß blieb Wildrake nach wie vor Everard's Schützling, obwohl die Verbindung zuweilen ihre großen Unannehmlichkeiten hatte. Der ehrsame Herr verrichtete indeß, während er sich in seines Gönners Hause oder in dem des alten Ritters aufhielt, manchen kleinen Dienst in der Familie, und gewann Alexia's Herz durch seine Aufmerksamkeit für ihre Kinder, indem er die Knaben, deren sie drei hatte, Reiten, Fechten, die Pike schwenken und dergleichen Uebungen lehrte, vor Allem aber, indem er eine große Leere in ihres Vaters Leben ausfüllte, mit dem er Schach und Tricktrack spielte, oder Shakespeare las, oder den Küster abgab, wenn irgend ein abgesetzter Geistlicher es einmal wagte, den Gottesdienst bei ihm zu halten. Oder er machte auch Wild ausfindig, wenn der alte Herr auf die Jagd ging, und besonders sprach er mit ihm über die Erstürmung von Brentford und die Schlachten von Edgehill, Banbury, Roundway-down u. a.; ein Thema, woran sich der alte Cavalier sehr ergötzte, das er aber mit dem Oberst Everard nicht so gut besprechen konnte, da dieser seine Lorbeeren im Dienste des Parlaments erworben.

Der Beistand, den ihm Wildrake's Gesellschaft gewährte, wurde nöthiger, nachdem Sir Heinrich seines tapfern und einzigen Sohnes beraubt worden war, der in der unglücklichen Schlacht von Dünkirchen fiel, wo unglücklicher Weise die englischen Fahnen auf beiden Seiten wehten, indem die Franzosen damals mit Cromwell verbunden waren, der ihnen eine Schaar Hülfstruppen schickte, und die Truppen des verbannten Königs auf Seiten der Spanier fochten. Sir Heinrich empfing die traurige Nachricht wie ein alter Mann, das heißt, mit mehr äußerer Fassung, als man erwarten konnte. Wochen und Monate lang verweilte er auf den Zeilen, welche der unermüdliche Doktor Rochecliffe ihm zugeschickt hatte, welche die Ueberschrift C. R. in ganz kleinen Buchstaben hatten, als Unterschrift aber Louis Kerneguy, und worin der Schreiber ihn beschwur, diesen unschätzbaren Verlust mit umso größerer Festigkeit zu ertragen, da er noch einen Sohn habe (womit er sich meinte), der ihn immer als Vater ansehen würde.

Aber ungeachtet dieses Balsams wirkte die Sorge unmerklich, und nagte an seinem Leben wie ein Vampyr am Blute, indem sie ihm nach und nach die Quelle des Lebens vertrocknete, und ohne bestimmte Krankheit oder sichtbare Beschwerde schwand des alten Mannes Kraft immer mehr, und Wildrake's Gesellschaft wurde ihm täglich unentbehrlicher.

Diese war jedoch nicht immer zu haben. Der Cavalier war einer von den glücklichen Menschen, die eine starke Gesundheit, ein gedankenloses Wesen und eine übersprudelnde Munterkeit in Stand setzen, ihr ganzes Leben hindurch die Rolle eines Schulknaben zu spielen, die nämlich glücklich sind im Genuß des Augenblicks, und sich um die Folgen nicht kümmern.

Ein oder zweimal jährlich machte Cavaliero Wildrake, wenn er ein Paar Goldstücke zusammen hatte, einen Abstecher nach London, wo, wie er es beschrieb, er umherschweifte, so viel Wein trank als er bekommen konnte, und seinem eignen Ausdruck nach ein Schlenderleben unter solchen lärmenden Cavalieren, wie er selbst war, führte, bis er durch eine unbesonnene Rede oder einen tollen Streich in ein Gefängniß kam, aus dem er nur durch Fürsprache, mit dem Verluste von etwas Geld und zuweilen auch seines guten Namens, wieder befreit wurde.

Endlich starb Cromwell, sein Sohn that Verzicht auf die Regierung, und die verschiedenen Veränderungen, welche nun erfolgten, vermochten Everarden, so wie mehre Andere, wirksamere Maaßregeln zu Gunsten des Königs zu ergreifen. Everard überschickte sogar bedeutende Summen zu seinem Dienste, doch mit der größten Vorsicht, indem er mit keinem Zwischenagenten unterhandelte, sondern nur mit dem Kanzler selbst, dem er viel Wichtiges über die öffentlichen Angelegenheiten mittheilte. Bei aller seiner Vorsicht wäre er indes doch beinah in den nutzlosen Aufstand von Booth und Middleton im Westen verwickelt worden, und entging mit großer Mühe den unglücklichen Folgen dieses unzeitigen Versuchs. Nach diesem schien, ungeachtet der Zustand des Königreichs dreifach unruhig war, sich doch kein Blatt zu Gunsten der königlichen Sache wenden zu wollen, bis zu der Bewegung des Generals Monk aus Schottland. Selbst da, dem Augenblick des vollständigsten Erfolgs nahe, schien es mit Karls Angelegenheiten schlechter denn je zu stehen, besonders als Nachricht an den kleinen Hof kam, den er in Brüssel hielt, daß Monk bei seiner Ankunft in London sich unter die Befehle des Parlaments begeben habe.

Um diese Zeit war es, daß eines Abends, als der König, Buckingham, Wilmot und einige andere Herren seines wandernden Hofes zu einem Gelage versammelt waren, der Kanzler (Clarendon) plötzlich um eine Audienz bat, und mit weniger Umständen eintretend, als er zu einer andern Zeit gethan haben würde, eine außerordentliche Nachricht verkündete. Was den Boten beträfe, sagte er, so könne er weiter nichts von ihm anführen, als daß er viel getrunken und wenig geschlafen zu haben schiene; doch habe er ein sicheres Beglaubigungszeichen von einem Manne mitgebracht, für dessen Treue er sein Leben verbürgen wolle. Der König verlangte den Boten selbst zu sehen.

Ein Mann trat ein, der einigermaßen die Manieren eines anständigen Mannes hatte, mehr aber noch die eines ausschweifenden Höllenbrands – mit geschwollenen und entzündeten Augen – mit ungleichem und strauchelndem Gange, theils aus Mangel an Schlaf, theils wegen der Mittel, die er ergriffen hatte, um seine Beschwerde zu ertragen. Er stolperte ohne Umstände hinauf zum oberen Ende des Tisches, ergriff des Königs Hand, die er abschmatzte, wie wenn er ein Stück Pfefferkuchen schmauste, indeß Karl, der ihn an der Art der Begrüßung wieder zu erkennen anfing, nicht eben froh war, daß ihre Zusammenkunft vor so vielen Zeugen Statt fand.

»Ich bringe gute Nachrichten,« sagte der täppische Bote, »herrliche Nachrichten – der König zieht wieder in sein Reich – mein Fuß schreitet schön auf dem Gebirge einher. Sapperment, habe ich doch so lange mit Presbyterianern gelebt, bis ich endlich ihre Sprache angenommen habe – aber wir sind jetzt Alle eines Mannes Kinder – Alle Ew. Majestät arme Würmer. Der Rumpf in London ist ganz zu Grunde gerichtet – Freudenfeuer flackern, die Musik ertönt, die Rinderbraten dampfen, Gesundheiten werden getrunken, London ist vom Strand bis nach Rotherhithe eine Lichtfackel – die Becher klirren an einander« –

»Das können wir uns denken, « sagte der Herzog von Buckingham.

»Mein alter Freund, Mark Everard, schickte mich fort mit der Nachricht – ich will ein Schuft seyn, wenn ich seitdem geschlafen habe. Ew. Majestät erinnern sich doch meiner ganz gewiß. Ew. Majestät wissen doch noch – da – bei der Königseiche in Woodstock« –

Laßt uns tanzen, laßt uns springen,
Und ein fröhlich Liedchen singen,
König Karl zieht in sein Reich.

»Herr Wildrake, ich erinnere mich Ihrer recht wohl,« sagte der König. »Ich hoffe doch, die guten Nachrichten sind gewiß?« –

»Ganz gewiß, Ew. Majestät; habe ich nicht die Glocken läuten hören – habe ich nicht die Freudenfeuer gesehen? – habe ich nicht Ew. Majestät Gesundheit so oft getrunken, daß meine Beine mich kaum hinunter an den Strand tragen wollten? – Es ist so gewiß, als daß ich der arme Roger Wildrake aus Squattlesea-mere in Lincolnshire bin.«

Hier flüsterte der Herzog von Buckingham dem Könige zu: »ich habe mir immer gedacht, daß Ew. Majestät sich nach dem Entkommen von Worcester in wunderlicher Gesellschaft aufgehalten hätten, aber dies scheint ein merkwürdiges Beispiel davon.«

»Je nun,« sagte Karl, »so ziemlich wie Sie selbst und andere Gesellschaft, mit der ich hier seit so vielen Jahren gelebt – ein eben so tapferes Herz und so ein leerer Kopf – eben so viel Tressen, wenn gleich ein wenig verblichen, eben so viel Erz auf der Stirne, und fast eben so viel Kupfer in der Tasche.«

»Ich wollte, Ew. Majestät vertrauten mir diesen Ueberbringer guter Nachrichten, damit ich die Wahrheit aus ihm herausbrächte,« sagte Buckingham.

»Ich danke sehr,« erwiederte der König, »er hat aber einen Willen, so gut wie Sie, und das stimmt selten zusammen. Der Herr Kanzler hat Weisheit, und auf diese wollen wir uns verlassen. – Herr Wildrake, gehen Sie mit dem Herrn Kanzler, der uns Ihre Aufträge überbringen wird, und seyn Sie indeß überzeugt, daß es Ihr Schade nicht seyn wird, der erste Bote guter Nachrichten gewesen zu seyn.« Hiermit gab er dem Kanzler ein Zeichen, mit Wildrake wegzugehen, von dem er es, in seiner jetzigen Stimmung, nicht für unwahrscheinlich hielt, daß er einige frühere Vorfälle zu Woodstock mittheilen möchte, welche die Witzlinge seines Hofes eher unterhalten, als erbauen dürften.

Bald kam Bestätigung der freudigen Nachricht, und Wildrake erhielt ein hübsches Geschenk und ein kleines Jahrgehalt, welches auf des Königs ausdrückliches Verlangen frei von jeder Abgabe war.

Bald darauf sang ganz England im Chor sein Lieblingslied:

O, des neunundzwanzigsten des Mai'n,
Wird Alt-England jubelnd sich stets freu'n,
Da kam König Karl zurück.

An diesem denkwürdigen Tage bereitete sich der König zu seinem Zuge von Rochester nach London, und wurde so allgemein herzlich von seinen Unterthanen empfangen, daß er im fröhlichen Muthe sagte, es müsse seine eigene Schuld seyn, daß er so lange aus einem Lande weggeblieben, wo seine Ankunft so viel Freude verbreitete. Zu Pferde zwischen seinen Brüdern, den Herzögen von Work und Glocester ritt der wiedereingesetzte Monarch langsam über die mit Blumen bestreuten Straßen dahin – an Springbrunnen vorbei, die Wein sprudelten, unter Triumphbögen, und in Straßen, die mit Teppichen ausgeschmückt waren. Dort standen die Bürger in verschiedenen Schaaren, einige in schwarzen Sammtröcken mit goldenen Ketten, andere in militärischer Tracht von Gold- oder Silberstoff, begleitet von allen den Handwerkern, die, nachdem sie den Vater mit lautem Geschrei aus Whitehall vertrieben, jetzt gekommen waren, um dem Sohn zu seiner Besitznehmung des Schlosses seiner Vorfahren zuzujauchzen. Bei der Weiterreise durch die schwarze Heide kam er vor jener Armee vorbei, die so lange sowohl England als Europa furchtbar, das Mittel abgegeben hatte, die Monarchie, welche sie eigenhändig zerstört hatte, wieder herzustellen.

Als der König bei den letzten Reihen dieses furchtbaren Heeres vorbei kam, zog er über einen offneren Theil der Heide, wo viele Leute von Stande nebst anderen Geringeren sich aufgestellt hatten, um ihm auf dem Wege nach der Hauptstadt Glück zu wünschen.

Eine Gruppe jedoch zog die Aufmerksamkeit aller Umstehenden auf sich, wegen der Achtung, welche die Soldaten, die den Platz besetzt hielten, derselben bezeigten, und die, sie mochten nun Cavaliere oder Rundköpfe seyn, mit einander zu wetteifern schienen, wer am meisten zu ihrer Bequemlichkeit beitragen sollte. Denn sowohl der ältere als jüngere Herr der Gruppe hatten sich im Bürgerkriege ausgezeichnet.

Es war eine Familiengruppe, worinne die Hauptgestalt ein alter, in einem Lehnstuhle sitzender Mann war, mit einem wohlgefälligen Lächeln auf seinem Gesicht, und einer Thräne, die sich in sein Auge drängte, so wie er die Banner in unendlichem Zuge wehen sah, und die lange schweigende Menge laut aufjauchzen hörte: »Gott segne König Karl.« Seine Wange war todtenbleich und sein langer Bart glich dem weißen Flaum der Disteln; sein blaues Auge war nicht umwölkt, doch sah man deutlich, daß es ihm an Sehkraft fehlte. Seine Bewegungen deuteten Schwäche an, und er sprach wenig, ausgenommen, wenn er auf das Geplauder seiner Enkel antwortete, oder eine Frage an seine Tochter richtete, die neben ihm saß in reifer vollendeter Schönheit, oder an den Oberst Everard, der weiter hinten stand. Da stand auch der kräftige Förster Josselin Joliff noch in seiner Jägerkleidung, und stützte sich wie ein zweiter Benajah auf den Knittel, der dem Könige zu seiner Zeit so gute Dienste geleistet hatte, und seine Frau, eine so fröhliche Matrone, wie sie ein hübsches Mädchen gewesen war, lachte über ihre eigene Wichtigkeit, und fügte ihren lauten geltenden Ausruf zu der Stentorstimme, mit der ihr Mann in das allgemeine Jauchzen einstimmte.

Drei schöne Knaben und zwei artige Mädchen plauderten um ihren Großvater her, der solche Antworten gab, wie sie ihrem Alter gemäß waren, und wiederholt mit seiner welken Hand über die blonden Locken seiner Lieblinge strich, indeß Alexia, von Wildrake unterstützt, der in einem glänzenden Anzuge prunkte, und seine Augen nur mit einem einzigen Becher Sekt aufgemuntert hatte, von Zeit zu Zeit die Aufmerksamkeit der Kinder auf sich zog, damit sie den Großvater nicht ermüden möchten. Eine merkwürdige Figur in dieser Gruppe dürfen wir nicht vergessen – einen riesenhaften Hund, dem man es ansah, daß er das äußerste Ziel des Hundelebens, funfzehn bis sechzehn Jahr, erreicht hatte. Ungeachtet er aber nur noch die Trümmer seines früheren Zustandes anzeigte, seine Augen dunkel, seine Glieder steif waren, sein Kopf herunterhing, und seine kräftige Bewegung und zierliche Haltung gegen ein steifes Hinken ausgetauscht waren, so hatte doch der edle Hund nichts von seiner instinktartigen Zärtlichkeit für seinen Herrn verloren. Zu Sir Heinrichs Füßen zu liegen, im Sommer in der Sonne, im Winter am Feuer den Kopf aufzurichten, um ihn anzusehen, seine verdorrte Hand oder eingeschrumpfte Wange zuweilen zu lecken, schien jetzt Alles zu seyn, weshalb er noch lebte.

Drei oder vier Livreebedienten umgaben die Gruppe, um sie vor der drängenden Menge zu schützen, doch hätte es dessen nicht bedurft. Das höchst Anständige und doch ohne alle Anmaßung Einfache in ihrem Wesen, gab ihnen selbst in den Augen des gemeinsten Pöbels ein Ansehen von patriarchalischer Würde, das allgemeine Achtung gebot, und sie saßen auf der Bank, die sie sich an der Landstraße gewählt hatten, so ungestört, als wären sie in ihrem eigenen Park gewesen.

Jetzt verkündeten die fernen Hörner die Annäherung des Königs. Vorbei zogen Gefolge und Trompeter – es wogten Federbüsche und Goldstoffe und wehende Fahnen, und in der Sonne funkelnde Schwerter vorbei, und endlich an der Spitze eines Theils des Hauptadels von England, mit seinen Brüdern zu beiden Seiten, kam auch König Karl. Er hatte schon mehr als einmal Halt gemacht, sowohl aus Güte als aus Staatsklugheit, um ein Wort mit Leuten zu wechseln, die er unter den Zuschauern erkannte, und das Jauchzen der Umstehenden gab einer Höflichkeit Beifall, die sowohl angebracht schien. Als er aber einen Augenblick die eben beschriebene Gruppe angeblickt hatte, war es unmöglich, selbst wenn Alexia zusehr sich verändert hätte, um wieder erkannt zu werden, nicht augenblicklich Bevis und seinen ehrwürdigen Herrn zu kennen. Der Monarch sprang vom Pferde, und ging sogleich zu dem alten Ritter heran, unter dem donnernden Zujauchzen der Menge, als diese sah, daß Karl sich eigenhändig den schwachen Bemühungen des alten Mannes widersetzte, aufzustehen, um ihm zu huldigen. In freundlich wieder auf seinen Sitz nöthigend, sagte er: »Segnen Sie, Vater – segnen Sie Ihren Sohn, der sicher wieder zurückgekehrt ist, so wie Sie ihn segneten, als er in der Gefahr schied.«

»Gott segne – und erhalte« – murmelte der alte Mann, überwältigt durch seine Empfindungen, und der König, um ihm einige Augenblicke Ruhe zu gönnen, wandte sich zu Alexia –

»Und Sie, meine schöne Führerin,« sagte er, »wie haben Sie seit unsrer gefährlichen Nachtwanderung Ihre Zeit angewandt? aber ich brauche nicht erst zu fragen,« wobei er sich umsah – »im Dienste des Königs und Königreichs, Unterthanen auferziehend, so treu wie ihre Vorfahren. – Eine schöne Nachkommenschaft, bei meiner Treu, und ein schöner Anblick für das Auge eines englischen Königs – Oberst Everard, wir werden Sie doch hoffentlich in Whitehall sehen?« hier nickte er Wildrake'n zu. »Und Du Josselin, Du kannst wohl Deinen Knittel mit einer Hand halten, nicht wahr? – Reiche einmal die andere Hand her.«

Aus lauter Schüchternheit niedersehend, streckte Josselin, einem Stiere gleich, der eben stoßen will, über die Schulter seiner Gebieterin dem Könige eine Hand entgegen, so breit und hart wie ein hölzerner Teller, welche dieser mit Goldstücken anfüllte. »Nimm einige davon, um meiner Freundin Phöbe einen Kopfputz zu kaufen – auch sie hat ihre Pflicht gegen Alt-England erfüllt. «

Nun wandte sich der König noch einmal zu dem Ritter, der sprechen zu wollen schien. Er faßte seine alte Hand in seine beiden und neigte sich zu ihm, um seine Worte zu vernehmen, indeß der alte Mann ihn mit der andern fest haltend, mit stammelnder Zunge etwas sagte, wovon Karl jedoch nur die Citate verstehen konnte –

Verschwunden ist fürwahr des Aufruhrs wilder Blick,
Die lang verstoß'ne Treu kehrt laut begrüßt zurück.

Sich so freundlich als möglich von einer Scene losmachend, welche drückend zu werden anfing, sagte der gutmüthige König ungewöhnlich deutlich, damit der alte Mann ihn verstehen möchte: »Dies ist ein etwas zu öffentlicher Ort für Alles, was wir einander zu sagen haben, aber wenn Sie nicht bald König Karl'n in Whitehall besuchen, so wird er Ihnen Louis Kerneguy zuschicken, damit Sie sehen, wie vernünftig er seit seinen Reisen geworden ist.«

Hiermit drückte er noch einmal liebreich des alten Mannes Hand, verneigte sich gegen Alexia und die Umstehenden, und entfernte sich. Sir Heinrich Lee hatte mit einem Lächeln zugehört, welches andeutete, er habe den huldreichen Sinn des Gesagten verstanden, dann lehnte sich der alte Mann auf seinen Sitz zurück, und murmelte das nunc dimittis.

»Entschuldigen Sie mich, meine Herren, daß ich Sie habe warten lassen,« sagte der König, indem er sein Pferd wieder bestieg; »ohne diese guten Leute, hätten Sie lange genug auf mich warten können, – Vorwärts, meine Herren!«

Der Zug brach demnach wieder auf, Trompeten und Pauken, die, während der König angehalten hatte, still waren, erhoben sich wieder zugleich mit dem Jauchzen der Menge, indeß die Wirkung des ganzen, wieder aufbrechenden Zuges so blendend herrlich war, daß selbst Alexia's Besorgniß um ihres Vaters Gesundheit auf einen Augenblick unterbrochen wurde, indeß ihr Auge dem mannichfach glänzenden Zuge folgte, der sich über die Heide hinbewegte. Als sie wieder auf Sir Heinrich blickte, erschrak sie, als sie sah, daß seine Wange, die während seines Gesprächs mit dem König einige Farbe bekommen hatte, wieder erdfahl geworden war, daß seine Augen sich geschlossen hatten, um sie nicht wieder zu öffnen, und daß seine Züge in ihrer Ruhe etwas Starres hatten, das dem Schlafe nicht angehört. Sie eilte ihm zu Hülfe, aber es war zu spät, das so tief herunter gebrannte Lebenslicht war nach einem nochmaligen fröhlichen Aufflackern verloschen.

Das Uebrige mag man sich denken. Ich habe nur noch hinzuzufügen, daß sein treuer Hund ihn nur wenige Tage überlebte, und daß Bevis Bild zu seines Herren Füßen ausgehauen liegt, auf dem Grabmahl, das zum Andenken Sir Heinrichs Lee von Ditchley errichtet wurde.

 

Ende des zweiten und letzten Theils.

 


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