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Vierzehntes Kapitel.


Doch sieht, wie schwarz, voll Blut sein Antlitz ist;
Mehr als im Leben tritt sein Auge vor
Und starrt, wie bei Erhenkten, geisterbleich;
Das Haar gesträubt, die Nüstern ausgedehnt,
Die Hände ausgestreckt, als hätt' er noch
ums Leben, mit den Räubern gekämpft.

Heinrich IV. Th. I.

Wären diejenige, deren unerfreulichen Besuch Sir Heinrich Lee erwartete, geraden Wegs nach dem Jagdschlosse gekommen, statt drei Stunden in Woodstock zu bleiben, so wäre ihnen allerdings ihre Beute gewiß gewesen. Aber der Familist hatte, theils um des Königs Entkommen zu verhindern, theils um sich bei der Sache wichtiger zu machen, die Bewohner des Jagdschlosses als beständig auf der Hut vorgestellt, und daher Cromwell'n die Nothwendigkeit eingeprägt, sich ruhig zu verhalten, bis er (Tomkins) erscheinen würde, um ihm Nachricht zu bringen, daß Alles im Hause zur Ruhe sey. Unter dieser Bedingung unternahm er es, nicht allein das Zimmer zu entdecken, in welchem der unglückliche Karl schlief, sondern auch, wo möglich, ein Mittel zu finden, die Thür von außen zu verschließen, um Flucht unmöglich zu machen. Er hatte auch versprochen, den Schlüssel zu einer Hinterthüre zu verschaffen, durch welche die Soldaten, ohne Aufsehen zu erregen, in das Haus gelassen werden könnten. Ja die Sache könnte, vermöge seiner Localkenntniß, wie er sagte, so sicher durchgeführt werden, daß er es unternehmen wolle, Se. Excellenz, oder wen dieselben sonst hierzu beordern wollten, vor Karl Stuart's Bett zu stellen, ehe dieser den am Abend genossenen Sekt verschlafen hätte. Vor Allem müßten, seiner Angabe nach, bei der Bauart des alten Hauses, viele Gänge und Hinterthüren sorgfältig bewacht werden, ehe die darin Wohnenden das Geringste merkten, weil sonst der Erfolg des ganzen Unternehmens ungewiß sey. Er hatte daher Cromwell'n ersucht, ihn im Dorfe zu erwarten, wenn er ihn bei seiner Ankunft daselbst nicht fände, und versicherte ihn, daß die Hin- und Hermärsche der Soldaten jetzt etwas so gewöhnliches wären, daß selbst wenn die Nachricht von neuen, im Flecken angekommenen Truppen das Jagdschloß erreichte, dies nicht die geringste Besorgniß erwecken würde. Er empfahl, daß die zu diesem Dienst gewählten Soldaten zuverlässige seyn müßten – die nicht im Geist ermatteten – nicht umwendeten vor dem Berge Gilead, aus Furcht vor den Amalekitern, sondern Kriegsmänner, gewohnt mit dem Schwerte drein zu schlagen, und keines zweiten Schlags zu bedürfen. Endlich stellte er noch vor, es würde weislich gethan seyn, wenn der General Pearson oder irgend einem andern Offizier, auf den er sich ganz verlassen könne, das Kommando des Detaschements übertrüge, und seine Gegenwart, wenn er es überhaupt für gut fände, dabei zugegen zu seyn, selbst vor den Soldaten geheim hielte.

Cromwell hatte den Rath dieses Mannes aufs pünktlichste befolgt. Er hielt sich hinter diesem Detaschement von hundert Lanzenträgern, die er zu diesem Geschäft auserlesen, Männer von unerschütterlicher Entschlossenheit, die in tausend Gefahren auferzogen, gegen alles Zögern und Gefühle des Mitleids, durch die tiefe und düstere Schwärmerei, die Haupttriebfeder ihrer Handlungen, gestählt waren – Männer, denen Olivers Befehle, als denen ihres Generals, noch mehr aber als des Oberhauptes unter den Auserwählten, für einen Befehl von der Gottheit galten.

Groß und tief war die Kränkung des Generals, bei dem unerwarteten Außenbleiben des Mannes, auf dessen Mitwirkung er so zuverlässig gerechnet hatte, und er stellte viele Vermuthungen über die Ursache eines so geheimnißvollen Benehmens an. Zuweilen meinte er, Tomkins habe sich betrunken, denn Cromwell wußte, daß er diese Schwäche besaß; und wenn er daran dachte, so entlud er seinen Zorn in Verwünschungen, die, obwohl anderer Art als die Flüche und Schwüre der Cavaliere, doch eben so viel Gotteslästerung und mehr entschiedene Bosheit verriethen. Dann meinte er wieder, irgend ein unerwarteter Lärmen, oder vielleicht ein Trinkgelag der Cavaliere, könnte die Familie im Woodstocker Jagdschloß später als gewöhnlich munter erhalten haben. Auf diese Vermuthung, die ihm die wahrscheinlichste dünkte, kam er immer wieder zurück, und die Hoffnung, daß Tomkins doch noch erscheinen würde, vermochte ihn, im Flecken zu bleiben, voll ängstlicher Erwartung der Nachrichten seines Abgeordneten und voll Besorgniß, den Erfolg des Unternehmens durch ein voreiliges Eingreifen von seiner Seite zweifelhaft zu machen.

Unterdeß traf er alle Anstalten, um auf die erste Nachricht gleich bereit zu seyn. Die Hälfte seiner Soldaten ließ er absitzen und die Pferde in Quartiere bringen; die andern wurden angewiesen, ihre Pferde gesattelt stehen zu lassen, und jeden Augenblick zum Aufsitzen bereit zu seyn. Die Männer wurden wechselsweise herein in das Haus gerufen, und erhielten einige Erfrischungen, indeß eine hinreichende Wache bei den Pferden blieb, und von Zeit zu Zeit abgelös't wurde.

So wartete Cromwell mit nicht geringer Ungewißheit, indem er oft einen besorglichen Blick auf den Obersten Everard wandte, der, wie er vermuthete, die Stelle seines abwesenden Vertrauten wohl ersetzen könnte, wenn er nur wollte. Everard ertrug dies ruhig, mit unveränderter Miene, und einem weder mürrischen noch niedergeschlagenen Wesen.

Endlich schlug die Mitternachtsstunde, und es wurde nöthig, einen entscheidenden Schritt zu thun. Tomkins konnte ihn verrathen haben; oder, was der Wirklichkeit näher kam, seine Intrigue konnte entdeckt, und er selbst von den rachsüchtigen Royalisten umgebracht oder entführt worden seyn, Mit einem Worte, wenn man Gebrauch von dem Zufall machen wollte, den das Glück gewährte, den furchtbarsten Bewerber der höchsten Gewalt, nach der er damals schon strebte festzuhalten, so war keine Zeit mehr zu verlieren. Er gab endlich Pearson Befehl, die Leute unter die Waffen treten zu lassen – ertheilte ihm Anweisung, wie er sie stellen, so wie, daß sie in der möglichsten Stille marschiren sollten; oder wie es in dem Befehle hieß: »Gerade so wie Gideon schweigend dahin zog, als er hinabging zum Lager der Midianiter, nur mit Phurah, seinem Diener. Vielleicht,« fuhr dies seltsame Document fort, »können wir erfahren, was jene Midianiter geträumt haben.«

Eine einzige Patrouille, von einem Korporal und fünf rüstigen, erfahrnen Soldaten begleitet, bildete den Vortrab, dann folgte das Hauptcorps. Ein Nachtrab von zehn Mann bewachte Everarden und den Geistlichen. Cromwell forderte, daß ersterer ihn begleiten solle, da es nöthig seyn möchte, ihn zu verhören, oder Andern gegenüber zu stellen; und Herrn Holdenough nahm er mit, weil er, wenn man ihn zurückließe, entwischen und vielleicht einigen Tumult im Orte erregen könnte. Die Presbyterianer waren nämlich, obwohl sie im Anfang nicht allein in dem Bürgerkriege mit einstimmten, sondern auch sogar die Ersten darin waren, am Schlusse desselben sehr unzufrieden mit dem Uebergewicht der militärischen Sekten, und man konnte in dem, was ihr Interesse betraf, ihnen als treuen Mitwirkern nicht trauen. Als die Infanterie so, wie wir erwähnt haben, vertheilt war, marschirte sie links ab, und Cromwell und Pearson, beide zu Fuß, hielten sich an der Spitze des Centrums, oder des Hauptcorps des Detaschements. Alle waren mit einer Art Karabinern bewaffnet, so wie die unsrer heutigen Cavalleristen. Sie gingen in tiefster Stille und höchst regelmäßig, als wäre der ganze Haufe nur ein Mann.

Etwa hundert Schritte hinter dem Letzten unter dem abgestiegenen Corps kamen die Reiter, die zu Pferde geblieben waren, und es war, als ob selbst die unvernünftigen Thiere Cromwell's Befehle verständen; denn die Pferde wieherten nicht, und schienen sogar die Füße vorsichtiger und mit weniger Geräusch als gewöhnlich auf die Erde zu setzen.

Ihr Führer, voll unruhiger Gedanken, sprach kein Wort, außer um wiederholt und flüsternd Stillschweigen einzuschärfen, indeß die Leute, überrascht und erfreut, sich unter der Leitung ihres berühmten Generals zu finden, und unstreitig zu einem geheimen, höchst wichtigen Dienste bestimmt, die äußerste Vorsicht anwandten, seinen wiederholten Befehlen zu gehorchen.

Sie gingen die Straße des kleinen Fleckens, in der vorhin erwähnten Ordnung, hinunter. Wenige von den Einwohnern waren draußen; und einer oder zwei, welche die Abendorgien bis zu jener ungewöhnlichen Stunde ausgedehnt hatten, waren zu froh, selbst der Beobachtung einer starken Parthei Soldaten zu entgehen, die oft als Polizeidiener auftraten, als daß sie sich hätten erkundigen sollen, warum sie so spät noch unter den Waffen wären, oder welchen Weg sie verfolgten.

Das äußere Thor des Jagdgeheges war, seitdem die Gesellschaft in Woodstock angekommen war, immer von drei Reihen Reitern streng bewacht worden, um alle Verbindung zwischen dem Jagdschlosse und der Stadt abzuschneiden. Sprühfeuer, Wildrake's Abgeordneter, der oft um Vögel auszunehmen, oder sonst um ähnlicher Knabenstreiche willen, im Walde gewesen war, entging der Wachsamkeit der Leute dadurch, daß er über eine ihm wohlbekannte Bresche in der Mauer, eine Strecke davon, überkletterte.

Zwischen diesem Corps und dem Vortrab von Cromwell's Detaschement, wurde, den Regeln der Disciplin gemäß, das Losungswort flüsternd gewechselt. Das Fußvolk trat in den Park ein, und ihm folgte die Reiterei, die Anweisung erhielt, die harte Straße zu vermeiden, und soviel als möglich auf dem Rasen zu reiten, der an die Allee stieß. Hier wurde auch noch die Vorsicht gebraucht, eine oder zwei Reihen Fußsoldaten auszuschicken, um den Wald auf beiden Seiten zu durchsuchen, und Jeden gefangen zu nehmen, oder im Fall des Widerstandes auch todt zu schlagen, den sie dort lauernd fänden, unter welchem Vorwande es auch seyn möchte.

Unterdeß schien sogar das Wetter sich Cromwell'n günstig zu bezeigen, wie überhaupt die meisten Zufälle während seiner glücklichen Laufbahn. Der graue Nebel, der bisher Alles verdunkelt, und das Gehen im Walde erschwert hatte, war nun dem Monde gewichen, der, nach mehreren Anstrengungen, endlich den Wolkenschleier durchbrach, und mit seiner bleichen Sichel den Himmel erleuchtete, wie die erlöschende Lampe eines Anachoreten die Zelle, worin er ruht. Das Corps war dem Vordertheile des Palastes gegenüber, als Holdenough Everarden zuflüsterte, während sie nebeneinander hergingen –

»Sehen Sie nicht – dort bewegt sich das geheimnißvolle Licht in dem Thurme der unzüchtigen Rosamunde? Diese Nacht wird sich's zeigen, ob der Teufel der Sektirer oder der Teufel der Uebelgesinnten der Stärkere ist. O singt Jubelgesang, denn das Königreich Satans ist gegen sich selbst entzweit!«

Hier wurde der Geistliche durch einen Unteroffizier unterbrochen, der hastig, doch leise herbeikam und in strengem, leise flüsterndem Tone sagte: »Still, Gefangene im Nachtrabe – still, bei Todesstrafe.«

Einen Augenblick darauf hielt der ganze Haufe, wobei das Wort »Halt!« von Einem zum Andern ging, und demselben augenblicklich Folge geleistet wurde.

Die Ursach dieser Unterbrechung war die schnelle Rückkehr eines von der Streifparthei zu dem Hauptcorps mit der Nachricht an Cromwell, sie hätten ein Licht im Walde in einiger Entfernung zur Linken gesehen.

»Was kann das seyn?« sagte Cromwell, wobei seine tiefe, rauhe Stimme, sich selbst beim Flüstern ganz vernehmen ließ. »Bewegt es sich, oder steht es still?«

»So weit wir es beurtheilen können, bewegt es sich nicht,« antwortete der Reiter, – »Seltsam – es ist doch keine Hütte in der Nähe!«

»Geruhen Ew. Excellenz, es ist vielleicht eine List Satans,« sagte Korporal Humgudgeon, mit näselndem Tone; »er ist seit kurzem gewaltig mächtig in diesen Gegenden.«

»Geruhen Ew. Blödsinnigkeit, Du bist ein Esel,« sagte Cromwell; da er sich aber sogleich erinnerte, daß der Korporal einer der Gehülfen oder Tribunen der gemeinen Soldaten gewesen war, und daher mit gehöriger Ehrfurcht behandelt werden müsse, so sagte er: »demungeachtet, wenn es die Erfindung Satans ist, so wollen wir, wenn es Gott gefällt, ihm widerstehen, und der schändliche Sklav soll vor uns fliehen, – Pearson,« sagte er, indem er seine soldatische Kürze wieder annahm, »nimm vier Rotten, und sieh was dort ist. – Doch nein – die Bursche möchten Dich verlassen, geh Du grade auf's Jagdschloß zu – besetze es, auf die Weise, wie wir es ausgemacht haben, so daß kein Vogel hinauskann – bilde einen äußern und einen innern Ring von Schildwachen, aber mache nicht eher Lärm, bis ich komme. Sollten welche suchen zu entkommen, schlagt sie todt.« – Diesen Befehl sprach er mit fürchterlichem Nachdruck aus. »Schlagt sie todt auf der Stelle,« wiederholte er, »sie mögen seyn, wer oder was sie wollen. Besser so, als die Republik mit Gefangnen belästigen. «

Pearson hörte es, und machte sich davon, seines Oberen Befehl zu gehorchen.

Unterdeß ordnete der künftige Protektor die kleine Mannschaft, die bei ihm blieb, auf solche Weise, daß sie aus verschiedenen Punkten zugleich dem Lichte nahe kämen, was seinen Argwohn erregt hatte, und befahl ihnen, so nahe sie könnten, heranzukriechen, und dafür zu sorgen, daß sie nicht eins des andern Beistand verlören, und stets bereit wären, alle in demselben Augenblick herbeizuspringen, so wie er das Zeichen gäbe, was ein lautes Pfeifen seyn sollte. Aengstlich bedacht, sich mit eignen Augen von der Wahrheit zu überzeugen, ging Cromwell, dem alle Gebräuche militärischer Vorsicht, die bei andern die Folge der Erziehung und langen Erfahrung sind, wie angeboren waren, dem Gegenstande seiner Neugierde näher. Er schlich von Baum zu Baum mit dem leichten Schritt, und dem räuberischen Scharfblick eines indianischen Buschkleppers; und ehe noch seine Leute so nahe heran waren, sah er beim Scheine der, auf die Erde gestellten Laterne, zwei Menschen, die beschäftigt gewesen waren, etwas zu Stande zu bringen, das einem schlecht gemachten Grabe glich. Neben ihnen lag etwas in eine Rehhaut gewickelt, das ein Leichnam zu seyn schien. Sie sprachen mit leiser Stimme, doch so, daß ihr gefährlicher Zuhörer alles, was sie sagten, deutlich vernehmen konnte.

»Endlich ist es fertig,« sagte der Eine; »die schlimmste und schwerste Arbeit, die ich in meinem Leben gemacht hatte. Ich glaube immer, ich habe kein Glück mehr in meinen Verrichtungen. Ich fühle meine Arme fast nicht mehr; und, es ist ganz eigen, ich mochte arbeiten, so viel ich wollte, so konnte ich doch nicht warm werden.«

»Mir ist's warm genug geworden,« sagte Rochecliffe, ganz außer Athem vor Ermüdung.

»Ja, mir liegt die Kälte auf dem Herzen,« sagte Josselin, »und ich werde wohl im Leben nicht wieder warm werden. Es ist doch sonderbar, ordentlich als wenn wir behext wären. Da haben wir nun zwei Stunden an der Grube zugebracht, die der Todtengräber Diggen in einer halben Stunde besser gemacht hätte.«

»Wir führen freilich den Spaten schlecht genug, antwortete Doktor Rochecliffe. »Jeder bleibe bei seiner Handthierung – Du bei Deinem Jagdhorn, ich bei meiner Zifferschrift. – Aber sey Du nur nicht muthlos; es macht der Frost in der Erde und die Menge Wurzeln, daß uns die Arbeit so sauer wurde. Und nun, da über den unglücklichen Menschen die Kirchengebete verlesen, und alle sonstigen Gebräuche verrichtet sind, valeat quantum, wollen wir ihn anständigerweise in diesen Ort der Ruhe legen; er wird auf Erden wenig vermißt werden. So sey nur wieder gutes Muthes, und wie es einem Soldaten gebührt; wir haben die Kirchengebete über ihn verlesen, und sollten die Zeiten es erlauben, so wollen wir ihn in geweihten Boden bringen lassen, ob er gleich einer solchen Gunst gar nicht werth ist. Hier, hilf mir ihn in die Erde legen; wir wollen Brombeeren und Dornen über die Stelle ziehen, wenn wir Staub auf den Staub geworfen haben; und denke wie ein Mann an diesen Zufall, und vergiß nicht, daß das Geheimniß Dir allein gehört.«

»Dafür kann ich nicht stehen,« sagte Josselin – »mich dünkt, sogar die Nachtwinde im Laube werden sagen, was wir gethan haben – mir ist's, als müßten die Bäume selber sprechen »dort liegt ein Todter unter unsern Wurzeln.« Zeugen finden sich bald, wo Blut vergossen worden ist.«

»Das thun sie, und das recht bald,« rief Cromwell, der aus dem Gebüsch hervorsprang, Josselin ergriff, und ihm eine Pistole vor den Kopf hielt. Zu jeder andern Zeit seines Lebens würde der Förster, selbst gegen eine überlegene Zahl, verzweifelten Widerstand geleistet haben; aber das Grauen, das er über die Ermordung eines alten Kameraden gefühlt, ungeachtet er nur sein eignes Leben vertheidigen wollte, nebst der Ermüdung und Ueberraschung, hatten ihn ganz übermannt, und er ließ sich so leicht greifen, als ein Schaf von dem Fleischer. Doktor Rochecliffe wollte sich wehren, wurde aber bald von den Soldaten, die sich um ihn drängten, überwältigt.

»Einige von Euch mögen zusehen,« sagte Cromwell, »was das für ein Leichnam ist, an dem die liederlichen Belialssöhne einen Mord begangen haben. – Korporal Humgudgeon, sieh, ob Du das Gesicht kennst.«

»Ja, wahrlich ich kenne es, wie mein eignes in einem Spiegel,« näselte der Korporal, nachdem er beim Licht der Laterne dem Todten in's. Angesicht gesehen. »Das ist wahr und wahrhaftig unser getreuer Bruder im Glauben, Joseph Tomkins.«

»Tomkins!« rief Cromwell, indem er vorwärts sprang, und sich durch einen Blick auf die Züge des Leichnams überzeugte. – »Tomkins? – und ermordet, wie die Wunde am Kopfe andeutet! – Ihr Hunde, gesteht die Wahrheit – Ihr habt ihn umgebracht, weil Ihr seine Verrätherei entdecktet – seinen treuen Sinn gegen die Republik England, wollt' ich sagen, und seinen Haß der Pläne, worein Ihr seine redliche Einfalt verflechten wolltet.«

»Ja,« sagte Korporal Humgudgeon, »und dann noch seinen Leichnam zu Euren papistischen Lehren zu mißbrauchen, als wenn Ihr kalte Suppe ihm in seinen kalten Mund gefüllt hättet. Ich bitte Dich, General, laß diese Leute scharf schließen.«

»Laß das, Korporal,« sagte Cromwell; »unsre Zeit ist dringend. – Ihr, Freund, dessen Name und Vorname, glaub ich, Doktor Anton Rochecliffe ist, ich lass Euch die Wahl, morgen mit Tagesanbruch gehangen zu werden, oder die Ermordung eines Dieners des Herrn dadurch zu vergüten, daß Ihr mittheilt, was Ihr von den Geheimnissen jenes Hauses wißt.«

»Wahrhaftig, Herr,« erwiederte Rochecliffe, »Sie haben mich nur bei Ausübung meiner Pflicht als Geistlicher gefunden, die Todten zu begraben, und was die Beantwortung Ihrer Fragen betrifft, so bin ich selbst entschlossen, und rathe dem, der bei dieser Gelegenheit mit mir leidet – «

»Schafft ihn fort,« sagte Cromwell; »ich kenne seine Hartnäckigkeit schon von alten Zeiten her, obwohl ich ihn oft in meinem Felde pflügen ließ, wo er sich einbildete, er drehete seine eigenen Schwaden um. – Schafft ihn zum Nachtrabe, und bringt den andern Burschen her. – Komm Du her – hieher – näher – näher. – Korporal Humgudgeon, lege Du Deine Hand an den Degengurt, mit dem er gebunden ist. Wir müssen für unser Leben sorgen, um dieses beunruhigten Landes willen, obwohl wir, wegen seines eignen Werthes, es an eine Nadelkuppe wagen könnten. – Nun höre, Bursche, wähle, entweder Dein Leben durch ein vollkommenes Geständniß zu erkaufen, oder gleich an eine von den alten Eichen aufgeknüpft zu werden. – Wie gefällt Dir das?«

»Nu, Herre,« antwortete der Förster, der sich bäuerischer stellte, als er war, denn sein häufiger Verkehr mit Sir Heinrich Lee hatte sein Wesen zum Theil abgeschliffen und gebildet, »da denke ich, trüge die Eiche eine derbe Eichel – weiter nichts.«

»Spaße nicht mit mir, Freund,« fuhr Oliver fort, »ich bekenne Dir aufrichtig, daß ich kein Spaßmacher bin. Was habt Ihr für Gäste dort in jenem Hause, das den Namen des Jagdschlosses führt?«

»Gar schmucke Gäste habe ich Ihnen da mein Lebtag gesehen, Herr,« sagte Josselin. »Ja und da hätten Sie nur sehen sollen, wie die Kamine erst vor zwölf Jahren rauchten. Ja, Herr, nur vom Schnüffeln wurde ein armer Kerl schon satt.«

»Geh, Du Schurke!« sagte der General, »hast Du mich zum Besten? Sage mir rund heraus, was für Gäste kürzlich im Jagdschlosse gewesen sind – und siehst Du, Freund, sey versichert, daß wenn Du mir diesen Gefallen thust, Du nicht allein Deinen Hals vor dem Strange rettest, sondern auch dem Staate einen guten Dienst erweisest, den ich sorgen will, gehörig zu belohnen. Denn, wahrlich, ich bin nicht. Einer von denen, die da wollen, daß der Regen nur auf die stolzen und stattlichen Pflanzen fallen soll, sondern ich möchte vielmehr, insofern meine armen Wünsche und Gebete darin verflochten sind, daß er auch auf die bescheidenen und demüthigen Gräser und Getreidehalme fiele, auf daß die Herzen des Landmanns sich erfreuen mögen, und daß, so wie die Ceder vom Libanon in ihrem Stamme, in ihren Zweigen und Wurzeln wächst, so möge der bescheidne und niedrige Ysop, der auf den Mauern wächst, gedeihen, und – und – wahrlich – verstehst Du mich, Bursch?«

»Nicht so recht, halten zu Gnaden,« sagte Josselin; »aber es hört sich zu, als ob Sie eine Predigt hielten, und es klingt wie recht schöne Lehren.«

»Nun, mit einem Wort – Du weißt, daß ein gewisser Louis Kerneguy oder Karnego, oder so ein Name, in dem Jagdschlosse dort verborgen ist.«

»Je, Herr,« erwiederte der Förster, »seit der Worcester Schlacht sind gar Viele da aus und eingegangen; woher soll ich denn wissen, wer sie sind? – ich habe ja im Hause nichts zu thun.»

»Tausend Pfund,« sagte Cromwell, »zähle ich Dir auf, wenn Du den Burschen in meine Gewalt bringen kannst.«

»Tausend Pfund sind eine schöne Sache, Herr,« sagte Josselin; »aber ich habe schon mehr Blut auf mich geladen, als mir gefällt. Ich weiß nicht, wie mir dies Blutgeld bekommen könnte – und, ich mag nun davon kommen oder gehenkt werden, versuchen mag ich es nicht.«

»Fort mit ihm zum Nachtrabe,« sagte der General, »und laßt ihn nicht mit seinem Gefährten dort sprechen. – Ich Narr, daß ich da die Zeit verliere, um von Maulthieren Milch zu bekommen. – Vorwärts zum Jagdschlosse!«

Sie gingen eben so still als zuvor, ungeachtet der Schwierigkeiten, die sie fanden, weil sie unbekannt mit der Straße und ihren mannichfachen Windungen waren. Endlich wurden sie leise von einer ihrer eignen Schildwachen angerufen, von denen zwei Reihen, so nah an einander um das Jagdschloß gestellt waren, daß an die Möglichkeit eines Entkommens von innen nicht zu denken war. Die äußeren Schildwachen bildeten theils die Reiter auf den breiten Straßen und offnen Plätzen, da aber, wo der Boden uneben und buschig war, das Fußvolk. Der innere Kreis wurde nur von Fußsoldaten bewacht. Alle waren sehr munter, und erwarteten die wichtigsten Folgen von dem ungewöhnlichen Zuge, in dem sie begriffen waren.

»Etwas Neues, Pearson?« sagte der General zu seinem Adjutanten, der sogleich kam, um seinem Vorgesetzten Bericht abzustatten.

»Nichts,« erhielt er zur Antwort.

Cromwell führte seinen Offizier gerade dem Thor des Jagdschlosses gegenüber, und blieb dort in der Mitte zwischen den beiden Reihen der Wachen, so daß ihr Gespräch nicht vernommen werden konnte.

Hierauf setzte er seine Erkundigungen fort und fragte – »Waren Lichter zu sehen, oder etwa ein Anschein von Bewegung, ein Versuch zum Ausfall – irgend Vorbereitungen zur Vertheidigung?»

»Alles still, wie das Schatten-Thal des Todes – wie das Thal von Josaphat.«

»Pah! sage Du mir nichts von Josaphat, Pearson,« sagte Cromwell. »Diese Worte sind gut für Andre, aber nicht für Dich. Sprich Du gerade heraus und wie ein derber Soldat, denn das bist Du. Jeder hat seine eigne Art zu sprechen, und Deine ist Kürze, nicht Salbung.«

»Nun wohl, es hat sich nichts gerührt, « sagte Pearson. – »Doch wenn etwa zufällig –«

»Sag mir nichts von zufällig,« erwiederte Cromwell, »sonst bringst Du mich in Versuchung, Dir die Zähne einzuschlagen. Ich mißtraue immer einem Menschen, der auf eine andere Weise spricht, als die ihm natürlich ist.«

»Sapperment! lassen Sie mich ausreden,« antwortete Pearson, »dann will ich reden, in welcher Sprache es Ew. Excellenz beliebt.«

»Deine Sapperments, Freund, schmecken wenig nach Gnade, aber sehr nach Aufrichtigkeit. Nur zu also – Du weißt, daß ich Dich liebe und Dir traue. Hast Du genau Wache gehalten? Es gebührt uns das zu wissen, ehe wir Lärm machen.«

»Meiner Seele,« sagte Pearson, »ich habe so genau gewacht, wie eine Katze vor einem Mauseloch – habe so oft die Runde gemacht, wie ein Bratenwender, Es ist ganz unmöglich, daß irgend etwas unsrer Wachsamkeit entgangen seyn, oder sich auch nur im Hause gerührt haben sollte, ohne daß wir es bemerkt hätten.«

»Gut,« sagte Cromwell; »Deine Dienste sollen nicht vergessen werden, Pearson. Du kannst nicht predigen und beten, aber Du kannst Deine Ordre befolgen, Gilbert Pearson, und das ersetzt jenes. «

»Ich danke Ew. Excellenz,« erwiederte Pearson; »aber ich bitte um Erlaubniß, ein wenig in den Ton der Zeit mit einzustimmen. Ein armer Schelm hat kein Recht sich auszuzeichnen.«

Er hielt inne, indem er Cromwell's Befehle erwartete, was nun zu thun sey, und war wirklich nicht wenig erstaunt, daß des Generals rascher und thätiger Geist ihm gestattet hatte, in einem so kritischen Augenblick einen Gedanken auf einen so geringfügigen Umstand, wie die besonderen Redeformen seines Offiziers, zu verwenden. Er wunderte sich noch mehr, als bei einem helleren Mondlichte, als er noch bis jetzt gesehen, er Cromwell'n bewegungslos dastehen sah, die Hände auf sein Schwert gelehnt, das er aus der Scheide gezogen hatte, und sein strenges Antlitz zu Boden gesenkt. Ungeduldig wartete er eine Zeitlang, doch fürchtete er, ihn zu unterbrechen, damit er nicht diesen ungewohnten Anfall einer unzeitigen Melancholie in Aerger und Ungeduld verwandelte. Er horchte auf die murmelnden Töne, die den halboffnen Lippen seines Vorgesetzten entschlüpften, und wovon die Worte »harte Nothwendigkeit« die mehr als einmal vorkamen, Alles waren, dessen Sinn man unterscheiden konnte. »Herr General,« sagte er endlich, »die Zeit vergeht!«

»Still, Du geschäftiger Teufel, und treibe mich nicht an,« – sagte Cromwell. »Meinst Du, wie andere Narren, ich habe einen Vertrag mit dem Teufel gemacht, und bin verbunden, mein Werk in einer bestimmten Zeit zu verrichten, weil sonst der Zauber seine Gewalt verliert?«

»Ich denke nur, Herr General,« sagte Pearson, »das Glück hält Ihnen etwas vor, das Sie schon lange zu fangen wünschten, und nun zögern Sie doch.«

Cromwell seufzte tief, als er antwortete: »Ach, Pearson, in dieser beunruhigten Welt muß ein Mensch, der wie ich, berufen ist, große Dinge in Israel zu wirken, nothwendig, wie der Dichter fabelt, ein Ding aus hartem Metalle seyn, unzugänglich für Gefühle menschlichen Erbarmens, unempfindlich, unwiderstehlich. Pearson, die Welt wird mich vielleicht künftighin für so einen halten, wie ich eben beschrieb, für einen eisernen Mann, aus eisernen Stoffe gemacht. – Und doch würde sie meinem Andenken Unrecht thun – mein Herz ist Fleisch, und mein Blut ist mild, wie das der andern Menschen. Als ich noch ein Jäger war, weint' ich um den edeln Reiher, den mein Falke zu Boden streckte, und es war mir leid um den Hasen, der schreiend unter dem Biß meines Jagdhundes da lag, und hältst Du es für etwas Leichtes, daß ich, da das Blut des Vaters dieses Knaben, schon zum Theil auf meinem Haupte ruht, nun auch das Leben des Sohnes in Gefahr bringen soll? Sie sind von dem milden Geschlechte der englischen Beherrscher, und werden, ohne Zweifel, von denen ihrer eignen Parthei, als Halbgötter verehrt. Ich werde schon Vatermörder, blutdürstiger Usurpator genannt, weil ich das Blut eines Menschen vergoß, damit der Pest Einhalt geschähe – oder wie Achan erschlagen wurde, damit Israel in Zukunft seinen Feinden entgegen treten möchte. Und dennoch, wer hat seit dieser hohen That freundlich zu mir gesprochen? Diejenigen, die mit mir zu dieser Sache wirkten, möchten mich gern allein zum Sündenbock machen – diejenigen, die zusahen und nicht halfen, benehmen sich fetzt, als wären sie mit Gewalt dazu gezwungen worden; und während ich erwartete, daß sie mir wegen des Sieges von Worcester Beifall zujauchzen sollten, da mich der Herr zum armen Werkzeug dabei gemacht, blicken sie seitwärts und sagen: »Ha! ha; der Königsmörder – bald wird seine Stelle wüst gemacht werden. « – Wahrlich, es ist etwas Großes, Gilbert Pearson, erhoben zu werden über die Menge; aber wenn man fühlt, daß seine Erhebung mehr Haß und Verachtung, als Liebe und Ehrfurcht erweckt – wahrlich, es ist etwas Hartes für ein weiches, gewissenhaftes, krankes Gemüth, das zu tragen – und Gott ist mein Zeuge, daß ich lieber mein eignes, beßtes Herzblut allein gegen zwanzig Mann im Schlachtfelde vergießen wollte, als diese neue That thun.« Hier brach er in einen heftigen Thränenguß aus, was ihm zuweilen begegnete. Dieses Uebermaaß von Leidenschaft war sonderbarer Art. Man konnte es nicht-ganz das Resultat der Reue nennen, noch weit weniger aber das einer wirklichen Heuchelei, sondern es entstand blos aus der eigenthümlichen Weise dieses merkwürdigen Mannes, dessen tiefe Politik- und glühende Schwärmerei, mit einem Anstrich hypochondrischer Leidenschaft gemischt waren, die bei ihm oft Scenen dieser Art hervorbrachte, obwohl selten, so wie jetzt und dann, wenn er eben zur Ausführung eines großen Unternehmens berufen war.

Pearson, wohlbekannt mit den Eigenheiten seines Generals, wurde doch ganz verwirrt und betreten durch diese Anwandlung von Bedenklichkeit und Zerknirschung, die seinen unternehmenden Geist so plötzlich zu lähmen schien. Nach einem augenblicklichen Schweigen sagte er etwas trocken: »Wenn das der Fall ist, so ist es Schade, daß Ew. Excellenz hieher kamen. Korporal Humgudgeon und ich, der größte Heilige und der größte Sünder in Ihrer Armee, hätten die That verrichtet, und Schuld und Ehre unter uns getheilt.«

»Ha!« sagte Cromwell heftig ergriffen, »wolltest Du dem Löwen die Beute entziehen?«

»Wenn der Löwe sich wie ein Bauernhund benimmt,« sagte Pearson kühn, »der erst bellt und sich geberdet, als wollte er Alles in Stücke reißen, und dann vor einem aufgehobenem Stock oder Stein flieht, so weiß ich nicht, warum ich ihn fürchten sollte. Wäre Lambert hier gewesen, so würde weniger gesprochen, aber mehr gethan worden seyn.«

»Lambert? was giebt's mit Lambert?« fragte Cromwell, sehr empfindlich.

»Weiter nichts,« sagte Pearson, »als daß ich vor langer Zeit einmal zögerte, ob ich Ew. Excellenz oder ihm dienen sollte – und ich fange an, nicht mehr so gewiß zu seyn, daß ich recht gewählt habe, weiter ist's nichts.«

»Lambert!« rief Cromwell ungeduldig, doch mit leiser Stimme, damit Andere ihn nicht gegen seinen Nebenbuhler möchten losziehen hören – »was ist Lambert? – ein in seine Tulpen vernarrter Bursch, den die Natur zu einem holländischen Gärtner in Delft oder Rotterdam bestimmte. Du Undankbarer, was hätte Lamert für Dich thun können?«

»Der würde,« antwortete Pearson, »hier nicht vor einer verschloßnen Thür gezaudert haben, wenn das Glück ihm die Mittel darbot, durch einen Streich sein Glück und das aller seiner Anhänger zu sichern.«

»Du hast Recht, Gilbert Pearson,« sagte Cromwell, seines Offiziers Hand ergreifend und festdrückend. »Die Hälfte dieser kühnen Rechnung sey Dein, die Auszahlung mag nun im Himmel oder auf Erden seyn.«

»Nach dem Tode mag sie ganz mein werden,« sagte Pearson, »so haben Ew. Excellenz den Vortheil davon auf Erden. Treten Sie zurück, bis ich die Thür erbreche – es könnte Gefahr dabei seyn, wenn die Verzweiflung sie zu einem rasenden Ausfalle brächte.«

»Und wenn sie ausfallen, ist da einer von meinen Eisenseiten, der Feuer oder Stahl weniger fürchtet, als ich?« sagte der General. »Laß zehn der entschlossensten Leute uns nachkommen, zwei mit Hellebarden, zwei mit Karabinern, die andern mit Pistolen. – Laß Alle laden, und ohne Bedenken feuern, sobald ein Versuch gemacht wird, zu widerstehen oder auszufallen. – Korporal Humgudgeon mag dabei seyn, und Du bleibe hier und gieb Acht, daß nichts entkomme, wie wenn Du für das Heil Deiner Seele wachtest.«

Nun schlug der General mit dem Degengriff an die Thür – erst einen einzigen Streich oder zwei, dann ohne Unterlaß, daß das alte Gebäude davon erklang.

Dieses geräuschvolle Pochen wurde ein oder zweimal ohne die geringste Wirkung wiederholt.

»Was mag das bedeuten?« sagte Cromwell; »sie werden doch nicht geflohen seyn, und das Haus leer gelassen haben?«

»Nein,« erwiederte Pearson, »dafür stehe ich Ihnen; aber Ew. Excellenz pochen so grimmig, daß sie nicht Zeit zum Antworten haben. Horch! ich höre einen Hund bellen, und die Stimme eines Mannes, der ihm schweigen heißt – Wollen wir gleich hineinbrechen, oder erst mit ihnen sprechen?«

»Ich will erst mit ihnen sprechen,« sagte Cromwell. – »Hollah! wer ist drinne?«

»Wer fragt danach?« antwortete Sir Heinrich Lee aus dem Innern; »oder was wollt Ihr hier zu dieser nächtlichen Zeit? «

»Wir kommen bevollmächtigt von der Republik England,« sagte der General.

»Erst muß ich Eure Vollmacht sehen, ehe ich Schloß oder Riegel aufmache,« erwiederte der Ritter; »wir sind unserer genug, um das Schloß zu behaupten: weder ich noch meine Kameraden ergeben uns anders als auf gute Bedingungen; und anders als bei hellem Tagslicht unterhandeln wir nicht.«

»Da Ihr nicht in Gutem wollt, so müssen wir sehen, was mit Gewalt anzufangen ist,« erwiederte Cromwell. »Seht Euch vor da drinnen, in fünf Minuten wird die Thür mitten unter Euch seyn!«

Seht Euch selber vor da draußen,« erwiederte der standhafte Sir Heinrich, »wir schießen auf Euch, wenn Ihr die geringste Gewalt braucht.«

Aber ach! während er diese kühne Sprache annahm, bestand seine ganze Garnison aus zwei armen, erschreckten Weibern; denn sein Sohn hatte sich, dem unter ihnen ausgemachten Plane gemäß, aus der Halle in die geheimen Schlupfwinkel des Palastes zurückgezogen.

»Was mögen sie nur jetzt machen, Herr?« sagte Phöbe, als sie ein Geräusch hörte, wie wenn ein Zimmermann Schrauben ansetzt, mit einem leisen Gesumme vermischt, wie wenn Menschen sprechen.«

»Sie legen eine Petarde an,« sagte der Ritter mit großer Fassung. »Ich habe Dich immer als ein gescheides Mädchen gekannt, Phöbe, und will Dir die Sache erklären. Es ist ein metallner Topf, ungefähr wie die Zuckerhüte der Buben, nur daß er schmälere Ränder hat – dieser ist mit einigen Pfund feinen Schießpulvers angefüllt, und dann –«

»Herr Jemine! da werden wir ja Alle in die Luft gesprengt,« rief Phöbe, denn das Schießpulver war das einzige Wort, das sie in des Ritters Beschreibung verstand.

»Ganz und gar nicht, thörigtes Mädchen, stecke die alte Mutter Jellicot dort in jene Fenstervertiefung,« sagte der Ritter, »auf jener Seite der Thür, und wir wollen uns auf dieser in Schutz stellen, da habe ich Zeit genug, Dir die Sache vollends zu erklären; denn ihre Ingenieurs trödeln gewaltig. Wir hatten einen gescheiden französischen Burschen bei Newark, der wäre so schnell, wie ein Anderer eine Pistole abfeuert, mit dem Spaße fertig geworden. «

Kaum waren sie an dem Orte der Sicherheit, als der Ritter in seiner Beschreibung fortfuhr. – »Die Petarde, die so gebildet ist, wie ich Dir gesagt habe, wird mit einem dicken und starken Stück Bret, das den Namen Madrier führt, zugemacht, und das Ganze an der zu sprengenden Thür aufgehangen, oder vielmehr befestigt – aber Du hörst ja nicht auf mich!«

»Wie kann ich das, Sir Heinrich,« sagte sie, »in der Nähe von so einem Dinge, wie Sie da sprechen? – Herr Gott! ich werde wahnsinnig vor Angst – wir werden ja zerschlagen – in die Luft gesprengt – und das in wenigen Minuten.«

»Wir sind vor dem Knalle sicher,« erwiederte der Ritter ernst, »denn der wird vorzüglich in gerader Richtung in die Mitte der Stube losgehen, und gegen die Stücke, die etwa seitwärts fliegen könnten, schützt uns die Fenstervertiefung.«

»Aber sie schlagen uns ja todt, wenn sie hereinkommen, « sagte Phöbe.

»Dir geben sie Quartier, Mädchen,« sagte Sir Heinrich, »und wenn ich nicht ein Paar Kugeln auf den Schurken von Ingenieur abfeure, so geschieht es blos, weil ich nicht die Strafe der Kriegsgesetze auf mich ziehen will, die Jeden zum Schwert verdammen, der einen nicht haltbaren Posten zu vertheidigen sucht. Ich glaube zwar nicht, daß das strenge Gesetz sich auch bis auf die Mutter Jellicot oder bis auf Dich, Phöbe, erstrecken könnte, da Ihr keine Waffen führt. Wenn Alexia hier gewesen wäre, die hätte freilich etwas thun können; denn die weiß mit einer Büchse umzugehen.«

Phöbe hätte sich auf ihre eigenen Thaten desselben Tags berufen können, indem diese mit den Thaten im Schlachtgedränge näher verwandt waren, als Alles, was je ihre junge Gebieterin verrichtet; aber sie war in unaussprechlicher Angst, indem sie aus des Ritters Nachricht von einer Petarde eine fürchterliche Katastrophe erwartete, von welcher Art aber verstand sie nicht so recht, ungeachtet seiner liberalen Mittheilung über diesen Gegenstand.

»Sie stellen sich entsetzlich täppisch dazu an, « sagte Sir Heinrich, »der kleine Boutirlin hätte schon längst das ganze Haus in die Luft gesprengt – das ist ein Bursch, der wühlt in der Erde wie ein Kaninchen – wäre der hier, ich hätte mich nicht zu rühren brauchen, der hätte sie längst gegenminirt, und

– »Wohl ist's ein Spaß, den Ingenieur
Mit eigener Petard' empor zu sprengen.«

wie unser unsterblicher Shakespeare sagt.«

»Ach Gott, der arme alte, wahnsinnige Herr,« dachte Phöbe – »ach Herr! thäten Sie nicht besser, Sie ließen die Komödienbücher jetzt seyn, und dächten an Ihr Ende?« sprach sie laut in der Angst ihres Herzens.

»Wenn ich mich nicht längst schon darauf vorbereitet hätte,« antwortete der Ritter, »so ginge ich jetzt nicht dieser Stunde mit so freier Brust entgegen.«

»Ich geh' so still und ruhig jetzt, als ging's zum Schlaf,
Zum Tod; – denn kummerlos ist stets der Wahrheit Brust.«

Wie er so sprach, flackerte eine helle Flamme von außen durch die Fenster der Halle, und zwischen den starken eisernen Stäben durch, womit sie gesichert waren – das matte Licht ergoß einen düstern Schein auf die alten Rüstungen und Waffen, wie der des Wiederscheins bei einem Brande. Phöbe schrie laut, und in dem Augenblick der Angst die Ehrerbietung vergessend, hing sie sich dicht an des Ritters Mantel und Arm, indeß die alte Jellicot, die den Gebrauch ihrer Augen hatte, obwohl ihres Gehörs beraubt, aus ihrem einsamen Winkel wie eine Eule aufschrie, wenn der Mond plötzlich hervorbricht.

»Nimm Dich in Acht, gute Phöbe, « sagte der Ritter, »Du wirst mich hindern, meine Waffe zu brauchen, wenn Du Dich so an mich hängst – die unbeholfenen Narren können ihre Petarde nicht ohne Fackeln befestigen. Nun laß mich diesen Zwischenraum benutzen – gedenke, was ich Dir gesagt habe, und wie wir Zeit gewinnen wollen.«

»Ach Gott! – ja, Herr,« sagte Phöbe, »ich will Alles sagen. Du lieber Gott! wäre es doch nur vorüber. – Ach! ach!« – sie schrie zweimal laut auf – »ich höre etwas wie eine Schlange zischen.«

»Das ist der Zünder, wie wir Kriegsleute es nennen,« erwiederte der Ritter, »nämlich die Lunte, Phöbe, womit man die Petarde anzündet, und die der Entfernung nach länger oder kürzer ist.«

Hier wurde des Ritters Rede durch einen fürchterlichen Knall unterbrochen, der, wie er voraus gesagt hatte, die Thür, so stark sie auch war, in Stücke zertrümmerte, und die Fensterscheiben zersprengte, daß die gemalten Helden und Heldinnen, die seit Jahrhunderten auf diesem gebrechlichen Stoffe abgebildet worden, klirrend herunter flogen. Die Weiber kreischten unaufhörlich, und Bevis heulte dazu, obwohl er in einiger Entfernung vom Kampfplatze eingesperrt war. Der Ritter, der mit Mühe Phöbe von sich abschüttelte, trat in der Halle vor, um denen, die bewaffnet und mit brennenden Fackeln hereintraten, zu begegnen.

»Tod Allen, die widerstehen – Leben denen, die sich ergeben!« rief Cromwell, mit dem Fuße stampfend. »Wer kommandirt diese Garnison?«

»Sir Heinrich Lee von Ditchley,« antwortete der alte Ritter, hervortretend, »der, da er keine andere Garnison hat, als zwei schwache Weiber, genöthigt ist, sich da zu ergeben, wo er gern Widerstand geleistet hätte.«

»Entwaffnet den alten übelgesinnten Rebellen,« rief Oliver. »Schämst Du Dich nicht, mich vor der Thür eines Hauses aufzuhalten, wenn Du keine Mannschaft hast, es zu vertheidigen? Hast so einen weißen Bart, und weißt noch nicht einmal, daß der nach den Kriegsgesetzen aufgehangen zu werden verdient, der sich weigert, einen nicht haltbaren Posten zu übergeben?«

»Mein Bart und ich,« sagte Sir Heinrich, »haben die Sache unter uns ausgemacht, und sind ganz einig. Es ist besser, sich der Gefahr auszusetzen, als ein ehrlicher Mann gehangen zu werden, als das, was uns anvertrauet ist, wie feige Memmen und Verräther aufzugeben.«

»Ha! ha! meinst Du?« sagte Cromwell; »Du hast unstreitig mächtige Beweggründe, Deinen Kopf in die Schlinge zu stecken. Aber ich will schon weiter mit Dir sprechen – He da! Pearson, Gilbert Pearson, da hast Du einen Zettel – nimm die ältere Frau da mit Dir – laß Dich von ihr in die verschiedenen Orte führen, die hier erwähnt sind – durchsuche jedes hier angegebene Zimmer, und arretire Jeden, den Du darin findest, oder schlage ihn todt, bei dem geringsten Widerstande. Merke Dir alsdann die Plätze, die als Hauptpunkte angegeben worden sind, um den Verkehr durch das Haus abzuschneiden – den Vorsaal bei der großen Haupttreppe, die große Gallerie u. s. f. Geht höflich mit der Frau um. Der dem Zettel beigefügte Plan wird Dir die Posten angeben, auch selbst wenn sie sich zu einfältig oder widerspenstig erweisen sollte. Unterdeß mag der Korporal mit einiger Mannschaft den alten Mann dort, und das junge Frauenzimmer in irgend ein Zimmer bringen – Viktor Lee's Zimmer, denke ich, wäre eben so gut, als ein anderes, dadurch kommen wir aus diesem erstickenden Schießpulverdampf heraus. «

Hiermit, ohne weiteren Beistand oder Begleitung zu fordern, schritt er auf das Zimmer zu, das er genannt hatte. Sir Heinrich hatte seine eignen Empfindungen, als er die feste Bestimmtheit gewahr wurde, womit der General voranging, und die eine genauere Bekanntschaft mit der Lokalität in Woodstock andeutete, als sich mit seiner jetzigen Absicht vertrug, die republikanische Parthei in eine fruchtlose Durchsuchung der Schlupfwinkel des Jagdschlosses zu verwickeln.

»Ich will nun einige Fragen an Dich thun, alter Mann!« sagte der General, als sie im Zimmer angekommen waren, »und ich warne Dich, daß Du nicht anders Hoffnung zur Verzeihung für Deine vielen und ausdauernden Bemühungen gegen die Republik verdienen kannst, als durch die geradesten Antworten auf die Fragen, die ich an Dich thun will.«

Sir Heinrich verneigte sich. Er hätte gern gesprochen, aber er fühlte, daß sein Zorn im Anzug war, und er fürchtete, seine Geduld möchte erschöpft seyn, ehe die Rolle, die er sich vorgenommen hatte zu spielen, um dem Könige Zeit zum Entkommen zu lassen, zu Ende seyn würde.

»Wen habt Ihr in diesen letzten Tagen im Hause gehabt, Sir Heinrich Lee – was für Gäste – was für Besuch? – Wir wissen, daß Euer Hauswesen jetzt nicht mehr so reich bestellt ist als sonst, das Verzeichniß kann also Euer Gedächtniß nicht sehr beschweren.«

»Ganz und gar nicht,« erwiederte der Ritter mit ungewöhnlicher Fassung – »meine Tochter, und in den letzten Tagen auch mein Sohn sind meine Gäste gewesen, und ich habe diese Weiber und einen gewissen Josselin Joliff zur Bedienung gehabt.«

»Nach den regelmäßigen Mitgliedern Eures Haushalts frage ich nicht, sondern nach solchen, die entweder als Gäste oder als übelwollende Flüchtlinge, die Schutz suchten, Eure Schwelle betreten haben.«

»Es können ihrer mehre von beider Art dagewesen seyn, Herr, als ich, wenn Eure gestrengen Gnaden geruhen, zu verantworten im Stande bin, erwiederte der Ritter – »ich erinnere mich, daß mein Verwandter Everard eines Morgens hier war – so auch, wie mir einfällt, einer aus seinem Gefolge, Namens Wildrake.«

»Nahmt Ihr nicht auch einen jungen Cavalier auf, Namens Louis Garnegey?« sagte Cromwell.

»Eines solchen Namens erinnere ich mich nicht, und wenn ich auch gehangen werden sollte, erwiederte der Ritter.

»Kerneguy oder doch sonst so ein Wort,« sagte der General, »ob es ein wenig anders klingt, darum wollen wir nicht streiten.«

Ein junger Schotte, Namens Louis Kerneguy, war mein Gast,« sagte Sir Heinrich, »und verließ mich heute Morgen, um nach Dorsetshire zu gehen.«

»So spät!« rief Cromwell, mit dem Fuße stampfend. – »Wie das Schicksal uns zum Besten hat, selbst wenn es am günstigsten scheint! – Was für einen Weg schlug er ein, alter Mann?« fuhr Cromwell fort – »was ritt er für ein Pferd – wer ging mit ihm?« –

»Mein Sohn ging mit ihm,« erwiederte der Ritter – »er brachte ihn hieher als den Sohn eines schottischen Lord. – Ich bitte Euch, Herr, macht diesen Fragen ein Ende, denn ob ich Dir gleich schuldig bin, wie Wilhelm Shakespeare sagt:

Ehrfurcht ob deines Amts wird doch der Teufel selbst
Ob seiner Höll und seines Flammenthrons geehrt –

so fühl ich doch, daß meine Geduld zu Ende geht. «

Cromwell flüsterte hier dem Korporal, der seinerseits zweien Soldaten Befehle gab, etwas zu, worauf diese alsbald das Zimmer verließen. »Schafft den Ritter jetzt bei Seite, wir wollen das Dienstmädchen verhören,« sagte der General – »Weißt Du,« sagte er zu Phöbe, »von der Gegenwart eines gewissen Louis Kerneguy, der sich für einen schottischen Pagen ausgiebt, und der vor einigen Tagen hieher kam?«

»Ganz gewiß, Herr,« erwiederte sie, »den werde ich nicht leicht vergessen, und ich denke, kein hübsches Mädchen, das ihm in den Weg kommt, wird ihn so leicht vergessen. «

»Ha! ha!« sagte Cromwell, »meinst Du? Nun wahrhaftig, ich glaube das Mädchen wird sich als den wahrhafteren Zeugen erweisen, – Wann verließ er dies Haus?«

»Von seinem Gehen oder Kommen weiß ich nichts,« sagte Phöbe, »ich bin froh, wenn ich ihm nicht in den Weg laufe. Wenn er aber wirklich fort ist, so war er gewiß wenigstens vor zwei Stunden noch hier, denn er begegnete mir im unteren Gange zwischen der Halle und der Küche.«

»Woher wußtest Du, daß er es war?« fragte Cromwell.

»An einem ziemlich derben Zeichen,« antwortete Phöbe – »je, Herr, Sie thun aber auch Fragen!« fügte sie hinzu, verschämt die Augen niederschlagend.

Humgudgeon mischte sich hier in das Gespräch, und nahm sich die Freiheit heraus, den Gerichtsbeisitzer zu machen. »Wahrlich,« sagte er, »wenn das, was das Mädchen zu sagen aufgefordert wird, etwas Unziemliches ist, so bitte ich Ew. Excellenz um Erlaubniß, mich zu entfernen; denn ich mag nicht meine nächtlichen Betrachtungen durch Erzählungen dieser Art stören lassen.

»Ei, Ew. Gnaden,« sagte Phöbe, »was der alte Mann da sagt von Schicklichkeit oder Unschicklichkeit, darüber lache ich nur. Herr Louis stahl mir so im Vorübergehen einen Kuß, das ist das Ganze, wenn ich's denn sagen muß.«

Hier ächzte Humgudgeon tief auf, indeß Se. Excellenz sich nur mit Mühe des Lachens enthalten konnten. »Du hast vortreffliche Zeichen angegeben, Phöbe,« sagte er, »und wenn sie wahr sind, wie sie mir scheinen, so soll es Dir an einer Belohnung nicht fehlen. – Hier kommt unser Kundschafter aus den Ställen.«

»Es sind nicht die geringsten Spuren vorhanden,« sagte der Reiter, »daß seit einem Monate Pferde im Stalle gewesen wären – es ist keine Streu in denselben, kein Heu in den Raufen, die Futterkasten sind leer und die Krippen sind voller Spinneweben. «

»Ja, ja!« sagte der alte Ritter, »ich habe Zeiten erlebt, wo ich zwanzig gute Pferde in den Ställen hielt, und manchen Reitknecht und Stalljungen dazu.«

»Indeß,« sagte Cromwell, »bestätigt ihr jetziger Zustand die Wahrheit Eurer Aussage eben nicht sehr, daß heute Pferde hier gewesen wären, auf denen diese Kerneguy und Euer Sohn der Gerechtigkeit entflohen« –

»Ich habe nicht gesagt, daß die Pferde hier gehalten wurden,« sagte der Ritter. »Ich habe wo anders noch Pferde und Ställe.«

»Pfui! pfui! schämt Euch,« sagte der General, »ich frage Euch noch einmal, wie kann ein Mann mit weißem Bart ein falscher Zeuge seyn?«

»Je nun,« sagte Sir Heinrich Lee, »es ist ein einträgliches Gewerbe, und ich wundere mich nicht daß Ihr, die Ihr davon lebt, so streng gegen die seyd die Euch ins Handwerk pfuschen. Aber die Zeiten und diejenigen, welche die Zeiten beherrschen, machen die Graubärte zu Betrügern.«

»Du bist so spaßhaft, Freund, als verwegen in Deiner Bösartigkeit,« sagte Cromwell, »aber glaube mir, ich werde Dir Gleiches mit Gleichem vergelten, noch ehe es aus mit mir ist. Wohin führen diese Thüren?«

»In Schlafzimmer,« antwortete der Ritter.

»Schlafzimmer! nur in Schlafzimmer?« sagte der General der Republik mit einer Stimme, die andeutete, daß er tief in seinen Gedanken versunken gewesen und die Antwort nicht ganz verstanden hatte.

»Nun,« sagte der Ritter, »was findet Ihr daran so Seltsames? ich sage, diese Thüren führen in Schlafzimmer – in Orte, wo ehrliche Menschen schlafen, und Schurken wach liegen. «

»Ihr macht die Rechnung immer größer, Sir Heinrich,« sagte der General, »doch wir wollen sie schon ein- für allemal ausgleichen.«

Während dieser ganzen Scene beobachtete Cromwell, wie groß auch immer die innere Unruhe seines Gemüths seyn mochte, die pünktlichste Mäßigung in seiner Sprache und seinem Wesen, gerade als ob er kein weiteres Interesse an dem was vorginge, hätte, als ein Kriegsmann, der sich der ihm von seinen Obern auferlegten Pflicht entledigt. Aber der Zwang, den er seiner Leidenschaft anthat, glich nur

Des Stromes Spiegel, eh' vom Fels er stürzt Doch Menschenlust, wem gleichst Du eigentlich?.
Des Stromes Spiegel, eh' vom Fels er stürzt.

Campbell's Gertrude von Wyowing.

Seine Entschlüsse eilten, sogar noch kräftiger vorwärts, weil keine Heftigkeit des Ausdrucks den Lauf derselben begleitete oder verkündete. Er warf sich auf einen Stuhl mit einem Gesicht, das keine Unbestimmtheit des Geistes andeutete, aber eine Entschlossenheit, die nur das Zeichen zur That erwartete. Unterdeß setzte sich der Ritter, als wolle er den Privilegien seines Ranges und Amtes nichts vergeben, ebenfalls nieder, setzte seinen Hut auf, der auf dem Tische lag, und sah den General mit einem ruhigen Blick furchtloser Gleichgültigkeit an. Die Soldaten standen umher, einige hielten die Fackeln, die das Zimmer mit einem matten und düstern Scheine erleuchteten, die andern lehnten sich auf ihre Waffen. Phöbe stand da mit gefalteten Händen, die Augen aufwärts gedreht, daß fast nur noch das Weiße sichtbar war, und mit Wangen, von denen jeder Schatten der sonst so frischen Farben verschwunden war, gleich als erwartete sie jeden Augenblick, daß ein Todesurtheil ausgesprochen, und augenblickliche Hinrichtung befohlen werden würde.

Endlich hörte man schwere Tritte, und Pearson und einige von den Soldaten kehrten zurück. Dies schien Cromwell erwartet zu haben. Er sprang auf und fragte hastig: »Was giebt's Neues, Pearson? Hast Du irgend Gefangene gemacht – oder Uebelwollende aus Nothwehr erschlagen?«

»Geruhen Ew. Excellenz, keine – « sagte der Offizier.

»Und sind Deine Schildwachen Alle sorgfältig und mit gehöriger Anweisung so aufgestellt, wie Tomkins Zettel es vorschrieb?«

»Mit der überdachtesten Sorgfalt,« sagte Pearson.

»Bist Du auch ganz gewiß,« sagte Cromwell, ihn ein wenig bei Seite nehmend, »daß das Alles gehörig und wohl besorgt ist? Bedenke, daß wenn wir uns in die geheimen Schlupfwinkel begeben, Alles verloren geht, wenn der, den wir suchen, Mittel hat, uns dadurch zu äffen, daß er in die äußeren Zimmer entschlüpft, und von da vielleicht in den Wald entkommt.«

»Herr General,« antwortete Pearson, »wenn es hinreichend ist, Wachen an den Orten anzustellen, die hier auf dem Zettel angegeben sind, und das mit dem strengsten Befehl, Jeden, der ihnen in den Weg kommt, anzuhalten, und wenn es nöthig ist, zu erstechen oder zu erschießen, so sind diese Befehle Leuten gegeben, die nicht verfehlen werden, sie auszuführen. Wenn noch mehr nöthig ist, so brauchen Ew. Excellenz es nur zu sagen.«

»Nein – nein – nein, Pearson,« sagte der General, »Du hast Deine Sache gut gemacht. – Laß nur diese Nacht vorüber seyn, und so vorüber, wie wir es hoffen, so soll es Dir an Belohnung nicht fehlen. – Und nun zur Sache! – Sir Heinrich Lee, drücken Sie mir einmal die geheime Feder an jenem Bilde Ihres Vorfahren auf. – Ersparen Sie sich die Mühe und Schuld einer Falschheit oder Zweideutigkeit, und drücken Sie mir gleich jetzt die Feder auf, sage ich.«

»Wenn ich Sie erst als meinen Herrn anerkenne und Ihre Livree trage, dann werde ich Ihren Befehlen gehorchen,« antwortete der Ritter, »und selbst da müßte ich sie doch erst nothwendig verstehen.«

»Mädchen,« sagte Cromwell zu Phöbe, »geh Du hin und drücke auf die Feder – Du konntest es ja schnell genug, als Du bei den Teufels-Spukereien in Woodstock halfst, und selbst Everarden erschrecktest, dem ich mehr Verstand zugetrauet hätte.«

»Ach Gott! Herr, was soll ich thun?« sagte Phöbe mit einem Blick auf den Ritter; »sie wissen ja um Alles. Was soll ich nur thun?«

»Wenn Dir Dein Leben lieb ist, halte standhaft aus, Mädchen! Jede Minute ist eine Million werth.«

»Aha! hast Du das gehört, Pearson?« sagte Cromwell zum Offiziere, dann fügte er, mit dem Fuße stampfend, hinzu: »drück die Feder auf, oder ich lasse Hebel und Brechstangen brauchen – oder ja! – eine zweite Petarde wäre hier wohl angebracht, – Ruft den Ingenieur!«

»Ach Gott! Herr,« schrie Phöbe, »so einen zweiten Peter überlebe ich nicht – ich will die Feder aufmachen.«

»Thue, wie Du willst,« sagte Sir Heinrich, »es wird ihnen wenig helfen.«

Sey es nun aus wirklicher Angst oder aus dem Wunsche, Zeit zu gewinnen, kurz es dauerte einige Minuten, ehe Phöbe die Feder aufbringen konnte, die allerdings sehr künstlich war, da der Rahmen des Bildes die Maschinerie derselben verbarg. Das Ganze schien dann, wenn es fest gemacht war, bewegungslos, und verrieth, als Oberst Everard es genau betrachtet hatte, kein äußeres Zeichen, daß es möglich sey, es wegzuschaffen. Jetzt wurde es jedoch zurückgezogen, und zeigte ein kleines Behältniß mit Stufen, die auf der einen Seite innerhalb der Mauer hinaufführten. Cromwell glich jetzt einem losgelassenen Jagdhunde, der die Beute gerade vor Augen hat. – »Auf!« rief er, »Pearson, Du bist behender als ich – geh Du zunächst hinauf, Korporal.« Mit mehr Gewandtheit als man von einem Manne in seinen Jahren hätte erwarten sollen, der schon über den Mittag des Lebens hinaus war, und mit dem Ausrufe: »Ihr, voran mit den Fackeln!« folgte er ihnen, wie ein hitziger Jäger, der hinter seinen Hunden hergeht, um sie zugleich zu hetzen und zu leiten, als sie in das Labyrinth eindrangen, das Doktor Rochecliffe in den »Wundern von Woodstock« beschrieben hat.


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