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Sechzehntes Kapitel.


Nutzlosen Titel kauftest Du zu hoch;
Warum gabst Du Dich für den König aus?

Heinrich IV. Th. 1.

Oliver Cromwell erhob sich von seinem Sitze, als die beiden Veteranen Zerobabel Robins und Merciful Strickalthrow den Gefangenen in's Zimmer führten, den sie bei den Armen hielten, und richtete sein strenges hellbraunes Auge lange auf Albert, ehe er den Ideen, die sich in seinem Busen drängten, Luft machen konnte. Frohlocken war die vorherrschendste.

»Bist Du nicht,« sagte er endlich, »jener Aegypter, der vor dieser Zeit einen Aufruhr erregte und mehre Tausend Mann, die Mörder waren, in die Wildniß hinaus führte?« – Ha! Jüngling! ich habe Dich von Stirling nach Worcester gejagt, jetzt endlich treffen wir einander.«

»Ich wollte,« erwiederte Albert, der Rolle gemäß sprechend, die er angenommen hatte, »wir hätten uns da getroffen, wo ich Dir den Unterschied zwischen einem rechtmäßigen König und einem ehrgeizigen Usurpator hätte zeigen können.«

»Nur zu, junger Mann,« sagte Cromwell, »sage lieber den Unterschied zwischen einem Richter, der erstanden ist zur Befreiung Englands, und dem Sohne der Könige, welchen der Herr in seinem Zorne gestattete, über dasselbe zu herrschen. Aber wir wollen nicht nutzlose Worte verschwenden. Gott weiß, daß es nicht mit unserm Willen geschieht, daß wir zu so hohen Dingen berufen wurden; da wir so demüthig in unsern Gedanken sind als in unserm Aeußern, und in unserer ununterstützten Natur gebrechlich und thörigt und unfähig einen Grund anzugeben, außer dem besseren Geiste in uns, der nicht von uns selbst ist. – Du bist müde, junger Mann, und Deine Natur erfordert Ruhe und Erquickung, da Du unstreitig zärtlich gewöhnt bist, wie Einer, der sich vom Fette genährt und Süßigkeit getrunken hat, und der in Purpur und feinen Leinen gekleidet war.«

Hier hielt der General plötzlich inne und rief dann schnell – »aber ist dies – Ha! wen haben wir hier? das sind nicht die Locken des schwarzbraunen Burschen, Karl Stuart – ein Betrug! ein Betrug!«

Albert warf schnell die Augen auf einen Spiegel, der im Zimmer stand, und bemerkte, daß seine dunkle Perrücke, die er unter Doktor Rochecliffe's mannichfaltiger und gemischter Garderobe gefunden, sich beim Ringen verrückt hatte, und daß sein eignes hellbraunes Haar unter derselben vorsah.

»Wer ist das?« sagte Cromwell, abermals wüthend mit dem Fuße stampfend. – »Reißt ihm die Verkleidung herunter!«

Dies geschah, und indem die Soldaten ihn zugleich ans Licht brachten, konnte der Betrug auch nicht einen Augenblick länger mit einiger Möglichkeit des Erfolgs fortgespielt werden. Cromwell kam mit geballten Fäusten und zähneknirschend an ihn heran; zitternd vor Bewegung und mit einem tiefen, bittern und nachdrücklichen Tone, wie wenn er im Begriff sey, ihn mit seinem Dolche zu erstechen:

»Dein Name, junger Mann?«

Ruhig und fest erhielt er zur Antwort, indeß das Gesicht des Sprechers einen Anstrich des Triumphs, ja sogar der Verachtung verrieth:

»Albert Lee von Ditchley, ein treuer Unterthan König Karls.«

»Das hätte ich errathen können,« sagte Cromwell. – »Ja und zu König Karl sollst Du hingehen sobald die Uhr die zwölfte Stunde anzeigt – Pearson,« fuhr er fort, »laß ihn zu den Andern führen, und laß sie gerade um Zwölf hinrichten.«

»Alle, Herr?« sagte Pearson erstaunt; denn Cromwell war im Allgemeinen, obwohl er zu Zeiten schreckende Beispiele gab, keineswegs blutdürstig.

» Alle« – erwiederte Cromwell, sein Auge auf den jungen Lee richtend. – »Ja, junger Herr, Dein Betragen hat Deinen Vater, Deinen Vetter und den Fremden, der in Deinem Hause war, dem Tode geweiht. Solche Zerstörung hast Du über Deines Vaters Haus gebracht! «

»Mein Vater auch – mein alter Vater!« sagte Albert aufblickend und sich bemühend, seine Hände in derselben Richtung zu erheben, welches seine Bande jedoch verhinderten. »Des Herren Wille geschehe!«

»All dies Gemetzel kannst Du verhindern,« sagte der General, »wenn Du eine Frage beantworten willst. – Wo ist der junge Karl Stuart, der König von Schottland genannt wurde? «

»Unter des Himmels Schutz und sicher vor Deiner Macht,« war die feste, ohne Zögern ausgesprochene Antwort des jungen Royalisten.

»Hinweg mit ihm ins Gefängniß, »sagte Cromwell, und von da zur Hinrichtung mit den Uebrigen, als bei der That ergriffene Uebelwollende. Laßt gleich Kriegsgericht über sie halten.«

»Ein Wort,« sagte der junge Lee, als sie ihn aus dem Zimmer führten.

»Halt, halt!« sagte Cromwell, mit der Bewegung wieder erneuerter Hoffnung – »laßt hören!«

»Ihr liebt Texte aus der Schrift,« sagte Albert – »macht dies zum Gegenstande Eurer nächsten Homilie – Hatte Simri Frieden, der seinen Herrn erschlug?«

»Hinweg mit ihm,« sagte der General, »er soll des Todes sterben. – Ich habe es gesagt.«

Wie Cromwell diese Worte sprach, bemerkte sein Adjutant, daß er ungewöhnlich bleich wurde.

»Ew. Excellenz arbeiten sich zu sehr ab im öffentlichen Dienst,« sagte Pearson; »eine Hirschjagd am Abend würde Ihnen eine Erholung seyn. Der alte Ritter hat einen schönen Hund hier, wenn wir den dazu bringen könnten, ohne seinen Herrn zu jagen, was vielleicht schwer seyn wird, da er treu ist, und – «

Hängt ihn auf! sagte Cromwell.

»Was – wen – den edlen Hund aufhängen? Ew. Excellenz hatten doch sonst einen guten Hund gern?«

»Gleichviel,« sagte Cromwell, »laßt ihn todtschlagen! Steht nicht geschrieben, sie erschlugen in dem Thale Achor nicht blos den verfluchten Achan mit seinen Söhnen und Töchtern, sondern auch seine Ochsen und Esel und seine Schaafe und alles Lebendige, das ihm gehörte, und auf gleiche Weise werden wir thun mit der übelwollenden Familie der Lee's, welche Sisera bei seiner Flucht unterstützt haben, da doch Israel auf immer von seiner Furcht hätte befreit werden können. Aber schickt Couriere und Patrouillen aus – eilt nach, verfolgt, und zwar in jeder Richtung – laß mein Pferd in fünf Minuten vor der Thüre bereit seyn, oder bringe mir das erste, das Du finden kannst.«

Es schien Pearson, als würde dieses etwas wild gesprochen, und als stände der kalte Schweiß dem General vor der Stirn, wie er es sagte. Er drang daher nochmals auf die Nothwendigkeit auszuruhen, und es schien, als wollte die Natur die Vorstellung stark unterstützen. Cromwell stand auf, und that einen oder zwei Schritte nach der Thür des Zimmers zu, aber er hielt inne, wankte und setzte sich nach einer Pause auf einen Stuhl nieder. »Wahrlich, Freund Pearson,« sagte er, »dieser unser müder Leichnam ist uns ein Hinderniß bei unserem nothwendigsten Geschäft, und ich bin mehr geeignet zu schlafen als zu wachen, was sonst mein Fall nicht zu seyn pflegt. Stelle daher Wachen aus, damit wir ein- oder zwei Stunden ausruhen. Schicke nach allen Richtungen aus, und schont die Pferde nicht. Wecke mich, wenn das Kriegsgericht Instructionen brauchen sollte, und vergiß nicht, darauf zu sehen, daß der Spruch an den Lee's und denen, die mit ihnen arretirt wurden, genau erfüllt wird.«

Wie Cromwell das sagte, stand er auf und öffnete die Thür eines Schlafzimmers, worauf Pearson nochmals um Verzeihung bat, daß er anfrage, ob er auch Se. Excellenz recht verstanden habe, daß alle Gefangenen hingerichtet werden sollten.

»Habe ich es nicht gesagt? antwortete Cromwell verdrießlich. »Ist es etwa, weil Du ein Blutmensch bist, und immer warst, daß Du diese Gewissenszweifel heuchelst, um Dich auf meine Kosten weichherzig zu zeigen? Ich sage Dir, daß wenn einer unter den Hingerichteten fehlt, Dein eignes Leben mir dafür büßen soll.«

Hiermit trat er in das Zimmer, von seinem Kammerdiener begleitet, der auf Pearson's Ruf hereinkam.

Als der General sich entfernt hatte, befand sich Pearson in großer Verlegenheit in Hinsicht dessen, was er zu thun habe; und das nicht etwa aus Gewissenszweifel, sondern aus der Ungewißheit, ob er nicht auf gleiche Weise unrecht verfahre, wenn er die Instruktionen, die er erhalten, aufschöbe, oder wenn er sie zu schnell und buchstäblich ausführe.

Unterdeß waren Strickalthrow und Robins, nachdem sie Alberten ins Gefängniß gebracht, in das Zimmer zurückgekehrt, wo Pearson noch über seines Generals Befehle grübelte. Diese Beiden bekleideten die Stelle der Ordonanzen in der Armee, und waren gediente Soldaten, die Cromwell mit großer Vertraulichkeit zu behandeln pflegte, so daß Robins nicht zögerte, den Kapitain Pearson zu fragen, »ob er gedächte, die Befehle des Generals buchstäblich auszuführen?«

Pearson schüttelte zweifelnd den Kopf, fügte aber hinzu: »es bleibe ihm keine Wahl.«

»Sey überzeugt,« sagte der alte Mann, »daß wenn Du diese Thorheit begehst, Du über Israel eine Sünde bringst, und daß der General nicht mit Deinem Dienst zufrieden seyn wird. Du weißt, und Niemand besser als Du, daß, obwohl er an Glauben, Weisheit und Muth David, dem Sohne Jesse gleich ist, es doch Zeiten giebt, wo der böse Geist über ihn kommt, wie er es bei Saul that, und er spricht dann Befehle aus, für deren Ausführung er Niemand danken wird.«

Pearson war ein zu guter Politiker, um einem Satze, den er nicht läugnen konnte, geradezu beizustimmen – er schüttelte den Kopf nur noch einmal, und sagte, diejenigen hätten gut sprechen, die nicht verantwortlich wären, der Soldaten Pflicht aber sey, den erhaltenen Befehlen zu gehorchen, nicht sie zu beurtheilen.

»Eine sehr richtige Wahrheit,« sagte Merciful Strickalthrow, ein grämlicher alter Schotte, »ich wundere mich nur, wo unser Bruder Zerobabel diese Sanftmuth des Herzens aufgegriffen hat.«

»Je nun, ich wünsche blos,« sagte Zerobabel, »daß vier oder fünf menschliche Geschöpfe Gottes Luft ein Paar Stunden länger einathmen. Es kann kein großer Schade daraus entstehen, wenn die Hinrichtung ein wenig aufgeschoben wird – und der General hat dann Zeit zum Nachdenken.«

»Ja,« sagte Kapitain Pearson, »aber ich muß bei meinem Dienste pünktlicher Folge leisten, als Du in Deiner Einfalt verbunden bist, Freund Zerobabel.«

»Nun, so soll der grobe Frießrock des gemeinen Soldaten den Sturm zugleich mit dem vergoldeten Unterfutter des Kapitains aushalten. Ja in der That, ich kann Dir beweisen, warum wir einander beistehen müssen in Handlungen der Liebe und des Erbarmens, da wir sehen, daß die Besten von uns arme sündige Geschöpfe sind, die wohl leiden würden, wenn wir schnell zur Rechenschaft gezogen würden.«

»Wahrlich, Du überraschest mich, Bruder Zerobabel,« sagte Strickalthrow, »daß Du, der Du ein alter, erfahrner Soldat bist, dessen Kopf in Schlachten grau geworden, einem jungen Offiziere solchen Rath giebst. Ist es nicht des Generals Befehl, die Gottlosen aus dem Lande zu vertilgen, und die Amalekiter und Jebusiter und Berusiter und Hithiter und Girgasiter und Amoriter auszurotten? Und sind nicht diese Leute mit Recht zu vergleichen mit den fünf Königen, die Schutz suchten in der Höhle von Makedah, und in die Hände Josuas des Sohnes Nun gegeben wurden, und er ließ seine Kapitaine und Soldaten herankommen, und auf ihren Nacken treten – und dann traf er sie und schlug sie, und hing sie an fünf Bäumen auf bis zum Abend. – Und Du, Gilbert Pearson mit Namen, laß Dich nicht abhalten von der Pflicht, die Dir übertragen ist, sondern thue, wie Dir geboten worden von ihm, der da erhoben wurde, um Richter über Israel zu seyn und es zu befreien; denn es steht geschrieben: »verflucht ist der, der sein Schwert vom Schlagen abhält.«

So stritten die beiden militärischen Theologen, indeß Pearson, dem viel mehr daran lag, Oliver's Wünschen zuvor zu kommen als den Willen des Himmels zu wissen, ihnen mit großer Verlegenheit und Ungewißheit zuhörte.


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