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Siebentes Kapitel.


Unmäßigkeit ist wohl auch Tyrannei,
Hat manchen Thron frühzeitig leer gemacht,
Und viele Könige zum Fall geführt.

Macbeth.

Während Oberst Everard sich höchst entrüstet von der kleinen Erfrischung ausgeschlossen sah, welche Sir Heinrich Lee in seiner guten Laune angeboten, und unter den beschriebenen Umständen wieder zurückgenommen hatte, theilte sie der gute alte Ritter, der sich kaum von seiner Heftigkeit wieder erholt hatte, mit seiner Tochter und seinem Gaste, und indem er sich bald darauf eines Geschäfts im Walde erinnerte (denn so wenig es auch noch nützte, so erfüllte er doch regelmäßig seine Pflichten als Forstaufseher), rief er Bevis und ging hinaus, indem er die beiden jungen Leute allein mit einander ließ.

»Jetzt,« sagte der liebende Prinz bei sich selbst, »wo Alexia sich ohne ihren Löwen allein befindet, muß ich sehen, ob sie selbst von Tigerart ist. – »So, Herr Bevis hat also seinen Posten verlassen,« sagte er laut; »ich dachte die alten Ritter, jene ernsten Hüter, die er so passend darstellt, wären strenger in wachsamer Behauptung eines Postens.«

»Bevis,« sagte Alexia, »weiß wohl, daß seine Begleitung bei mir ganz unnütz ist, und überdies hat er jetzt andere Pflichten zu erfüllen, was jeder getreue Ritter dem vorzieht, den ganzen Morgen neben einer Weiberschürze herum zu schlendern.«

»Sie sprechen ja Verrath über alle treue Liebe,« sagte der Anbeter. »Einer Dame leisester Wunsch sollte für einen wahren Ritter bindender seyn, als sonst etwas, nächst dem Aufrufe seines eigenen Fürsten. Ich wünsche, Fräulein Alexia, Sie möchten nur Ihren leisesten Wunsch gegen mich äußern, und Sie sollten sehen, wie ich mich im Gehorsam schon geübt habe.«

»Sie haben mir ja aber doch keine Nachricht gebracht, welche Zeit es heute Morgen war,« erwiederte die junge Dame, »und da saß ich und fragte nach den Flügeln der Zeit, statt daß ich mich hätte erinnern sollen, daß die Galanterie eines Herrn eben so flüchtig seyn kann, wie sie selbst. Wissen Sie denn, was Ihr Ungehorsam mich und Andern gekostet haben kann? Pudding und Klöße können zu Kohle gebrannt seyn, denn, Herr, ich übe die alte häusliche Regel, die Küche selber zu besuchen; oder ich kann auch das Gebet versäumt haben, oder zu spät zu einem Besuch gekommen seyn, blos wegen der Nachlässigkeit des Herrn Louis Kerneguy, der mir die Zeit nicht angab.«

»O,« erwiederte Kerneguy, »ich bin einer von den Liebhabern, welche die Abwesenheit nicht ertragen können, ich muß beständig zu den Füßen meiner schönen Feindin seyn – dies ist, glaube ich, der Titel, womit die Romandichter uns lehren, die Schöne und Grausame, der wir unser Herz und unser Leben widmen, zu benennen. – Sprich für mich, gute Laute,« fügte er hinzu, indem er das Instrument aufnahm, »und zeige, ob ich meine Pflicht nicht kenne. «

Er sang mit vielem Geschmack, aber mit einer mittelmäßigen Stimme, die Melodie eines französischen Rondeaus, welchem einige von den Witzlingen oder Sonettenschreibern in seinem lebenslustigen und herumschweifenden Gefolge, englische Verse angepaßt hatten.

Ein Stündchen nur bei Dir! Die Nacht
Bleicht vor Aurorens Purpurpracht;
Doch was verscheucht am frühen Morgen
Den Kummer mir, die bangen Sorgen,
Erhellt der Zukunft düst'res Bild,
Das lange Leiden schwarz umhüllt?
                              Ein Stündchen nur bei Dir.

Ein Stündchen nur! Von Sonnenbrand
Erglüht im Jul' das dürre Land;
Was lohnt da wohl des Hirten Müh'n,
Deß Heerden matt die Trifft durchzieh'n,
Und kühlet mehr als Grott' und Hain
Sein heißes Blut, was wird ihn freun? –
                              Ein Stündchen nur bei Dir.

Ein Stündchen nur! Winkt Abendstern
Wie eil' ich dann zum Hüttchen gern,
Vergeß', wie heiß der Tag, wie sauer
Die Arbeit war, wie kurz die Dauer
Der Ruh, wie karg des Meisters Lohn,
Der rastlos Mühn bezahlt mit Hohn,
                              Wär ich nur schon bei Dir!

»Es hat freilich noch eine vierte Stanze,« sagte der Sänger, »die sing ich Ihnen aber nicht vor, Fräulein Alexia, weil einige von den Spröden am Hofe sie nicht gern hatten.«

»Ich danke Ihnen, Herr Louis,« antwortete das junge Fräulein, »sowohl dafür, daß Sie mir mit dem Vorsingen ein Vergnügen gemacht haben, als dafür, daß Sie das wegließen, was mich verletzen konnte. Obwohl ich ein Landmädchen bin, so will ich mich doch insofern nach der Hofsitte richten, daß ich nichts annehme, was nicht auch dort unter der besseren Klasse gültig ist.«

»Ich wünschte,« antwortete Louis, »Sie wären so stark in diesem Glauben, um Alles hingehen zu lassen, was Damen am Hofe gestatten würden.«

»Und was würde die Folge davon seyn? « fragte Alexia mit vollkommener Fassung.

»In diesem Falle,« sagte Louis, verlegen wie ein General, welcher findet, daß seine Vorbereitungen zum Angriff, weder Furcht noch Verwirrung unter den Feinden anrichten – »in diesem Falle würden Sie mir verzeihen, schöne Alexia, wenn ich in einer wärmeren Sprache zu Ihnen redete, als die der bloßen Galanterie – wenn ich Ihnen sagte, wie sehr mein Herz bei dem, was Sie für einen eiteln Scherz halten, befangen ist – wenn ich Ihnen ernstlich erklärte, es stände in Ihrer Macht, mich zu dem glücklichsten oder unglücklichsten Sterblichen zu machen.«

»Herr Kerneguy,« sagte Alexia mit derselben unerschütterten Gleichgültigkeit, »verstehen wir einander recht. Ich bin mit höfischem Wesen nur wenig bekannt, und mag, das sage ich Ihnen gerade heraus, nicht für ein albernes Landmädchen gelten, die entweder aus Unwissenheit oder aus Dünkel bei jedem artigen Worte erschrickt, das ein junger Mann an sie richtet, der für den Augenblick nichts bessers zu thun hat, als solche falsche Artigkeiten zu stempeln und in Umlauf zu bringen. Aber ich darf doch auch diese Furcht, bäuerisch und auf eine täppische Weise schüchtern zu scheinen, nicht zu weit treiben, und da ich die Gränze nicht genau kenne, so will ich dafür Sorge tragen, noch innerhalb derselben stehen zu bleiben.«

»Ich hoffe, mein Fräulein,« sagte Kerneguy, »daß, wie streng Sie auch immer geneigt seyn mögen, mich zu beurtheilen, Sie so gerecht seyn werden, mich nicht zu streng für eine Beleidigung zu bestrafen, die Ihre Reize allein veranlaßt haben? «

»Hören Sie mich gefälligst bis zu Ende an,« erwiederte Alexia. »Ich habe Ihnen zugehört, so lange sie en berger sprachen – ja, meine Gefälligkeit ging sogar so weit, Ihnen en bergère zu antworten; denn ich glaubte nicht, daß aus Gesprächen zwischen Lindor und Jeanneton etwas Anderes als Lächerliches herauskommen könnte, und der Hauptfehler dieses Styls ist das Uebertriebene, und die langweilige Albernheit und Ziererei desselben. Wenn Sie aber niederknien, meine Hand ergreifen, und in ernsterem Tone sprechen wollen, so muß ich Sie an unsern wirklichen Stand erinnern. Ich bin Tochter Sir Heinrichs Lee, und Sie sind, oder geben sich aus für Herrn Louis Kerneguy, Page bei meinem Bruder, und ein Flüchtling, der Schutz unter meines Vaters Dache sucht, und dieser setzt sich durch den Aufenthalt, den er Ihnen gewährt, Gefahren aus; sein Hauswesen sollte daher nicht durch Ihre unerfreulichen Zudringlichkeiten beunruhiget werden.«

»Wollte der Himmel,« schöne Alexia, sagte der König, »daß Ihre Einwendungen gegen die Bewerbung, die ich Ihnen nicht im Scherz, sondern in vollem Ernste vortrage, indem mein Glück davon abhängt, auf nichts anders beruhten, als auf dem niederen und unsicheren Stand Louis Kerneguy's – Alexia, Du hast den Geist Deiner Familie, und mußt nothwendig die Ehre lieben, Ich bin eben so wenig der bedürftige schottische Page, den ich zu meinen eigenen Zwecken gespielt habe, als ich der täppische Lümmel bin, dessen Manieren ich am ersten Abend unsrer Bekanntschaft annahm. Diese Hand, so arm ich auch scheine, kann eine Grafenkrone ertheilen.«

»Sparen Sie diese,« sagte Alexia, »für ein ehrgeizigeres Mädchen auf, Mylord – denn das ist doch vermuthlich Ihr Titel, wenn diese Erzählung nämlich wahr ist. – Ich würde Ihre Hand nicht annehmen, auch wenn ich dadurch ein Herzogthum erlangen könnte.«

»In einem Sinne, liebliche Alexia, haben Sie weder meine Macht noch meine Liebe zu hoch angeschlagen. Es ist Ihr König – es ist Karl Stuart, der mit Ihnen spricht – er kann Herzogthümer ertheilen, und wenn Schönheit darauf Ansprüche machen kann, so muß es die Ihrige. O nein – stehe auf –– knie nicht – Deinem König kommt es zu, vor Dir zu knien, Alexia, der er tausendmal mehr ergeben ist, als der Flüchtling Louis auszusprechen wagen durfte. Meine Alexia ist, das weiß ich, in solchen Grundsätzen der Liebe und des Gehorsams gegen ihren Fürsten auferzogen worden, daß sie entweder aus Pflichtgefühl oder aus Barmherzigkeit, ihm nicht eine solche Wunde schlagen kann, wie es durch Verwerfen seines Gesuchs geschehen würde.«

Trotz allen Bemühungen Karls es zu verhindern, hatte sich Alexia auf ein Knie niedergelassen und berührte mit ihrer Lippe die Hand, mit der er sie aufzuheben versuchte. Als aber dieser Gruß vorüber war, stand sie wieder aufgerichtet da, die Hände über die Brust, mit demüthigen, aber gefaßten und wachsamen Blicken, und zugleich schien sie so bei voller Besinnung, so wenig geschmeichelt durch die Mittheilung, welche, wie der König vermuthete, sie überraschen würde, daß er kaum wußte, mit welchen Ausdrücken er sein Gesuch wieder vorbringen sollte. »Du schweigst,« sagte er – »Du schweigst, meine schöne Alexia. Gilt der König nicht mehr bei Dir, als der arme schottische Page?«

»In einem Sinne. Alles,« sagte Alexia, »denn er gebietet über meine besten Gedanken, meine beßten Wünsche, mein ernstlichstes Gebet, meine hingebendste Treue, und so wie die Männer des Hauses Lee immer bereit waren, dieselbe mit dem Schwerte zu beweisen, so sind die Frauen desselben verbunden, sie, wenn es nöthig ist, mit ihrem Blute zu besiegeln. Ueber diese Pflichten eines treuen und ergebenen Unterthanen hinaus, ist jedoch der König Alexia Lee weniger, als der arme Louis Kerneguy. Der Page konnte eine ehrenvolle Verbindung schließen – der Monarch nur eine entehrte Grafenkrone anbieten.«

»Sie irren sich, Alexia – Sie irren sich,« sagte der König eifrig – »setzen Sie sich und lassen Sie mich sprechen – setzen Sie sich – was fürchten Sie?«

»Ich fürchte nichts, gnädiger Herr,« antwortete Alexia. »Was kann ich von dem Könige von Britannien fürchten – ich, die Tochter seines treuen Unterthans und unter meines Vaters Dache? Aber ich gedenke des Raums, der zwischen uns ist, und wenn ich auch mit meines Gleichen scherzen konnte, so darf ich doch vor meinem König nur in der Stellung des Unterthans erscheinen, da ausgenommen, wo seine Sicherheit es zu erfordern scheint, seine Würde nicht anzuerkennen.«

Karl, der ungeachtet seiner Jugend kein Neuling in solchen Scenen war, wunderte sich, Widerstand von einer Art zu finden, wie er ihm noch nicht bei ähnlichen Bemühungen entgegengestellt worden war, selbst in Fällen, wo ihm seine Bewerbungen nicht gelungen waren. Es lag weder Zorn noch beleidigter Stolz, noch Verwirrung, noch wirkliche oder verstellte Geringschätzung in Alexia's Wesen und ihrem Betragen, sie stand, wie es schien, ruhig darauf vorbereitet über die Sache zu sprechen, die gewöhnlich durch Leidenschaft entschieden wird. Sie zeigte kein Verlangen, aus dem Zimmer zu schlüpfen, sondern schien entschlossen, das Gesuch des Liebenden geduldig anzuhören – indeß ihr Gesicht und ihr Wesen andeutete, sie habe diese Gefälligkeit nur aus Rücksicht für die Befehle des Königs.

»Sie ist ehrgeizig,« dachte Karl, »nur dadurch, daß ich ihre Liebe zum Ruhme blende, nicht durch leidenschaftliche Bitten allein darf ich hoffen, glücklich zu seyn. – Ich bitte, setzen Sie sich, meine schöne Alexia,« sagte er, »der Liebende bittet darum – der König befiehlt es Ihnen.«

»Der König,« sagte Alexia, »kann wohl die Ceremonien erlassen, die seiner Würde gebühren; aber er kann selbst durch ausdrücklichen Befehl die Pflicht des Unterthans nicht aufheben. Ich stehe hier, so lange es Ew. Majestät beliebt, mit mir zu reden, geduldig zuhörend, wie es meine Pflicht erheischt.«

»So wisse denn, thörichtes Mädchen,« sagte der König, daß wenn Du meine Liebe und meinen Schutz annimmst, Du kein Gesetz weder der Sittlichkeit noch der Tugend übertrittst. Den Königssöhnen sind manche von den Annehmlichkeiten des Privatlebens versagt – besonders die, welche vielleicht die theuerste und kostbarste ist, die Macht ihre eigene Lebensgefährtin zu wählen. Ihre förmlichen Vermählungen werden nur nach politischen Grundsätzen beschlossen, und die, mit denen sie vermählt werden, sind oft durch Gemüthsart, Person und Neigung am allerwenigsten fähig, sie glücklich zu machen. Die Gesellschaft hat jedoch Mitleid mit uns, und bindet unsre unfreiwilligen und oft unglücklichen Ehen mit leichteren und bequemeren Ketten, als denen, welche andere Menschen fesseln, deren eheliche Bande freiwilliger übernommen wurden, und folglich auch bindender seyn mußten, und daher sind, seitdem der alte Heinrich diese Mauern bauete, sowohl Priester und Prälaten als Edele und Staatsmänner es gewohnt gewesen, eine schöne Rosamunde zu sehen, die das Herz eines liebenden Monarchen beherrschte, und ihn für die wenigen Stunden des Zwanges tröstete, die er einer zornigen und eifersüchtigen Eleonore widmen mußte. Eine solche Verbindung tadelt die Welt nicht; sie eilt zu dem Feste, um die Schönheit der lieblichen Esther zu bewundern, indeß die herrische Vasthi in der Einsamkeit die Königin spielen mag; sie drängt sich zum Palaste, um den Schutz derer zu erbitten, deren Einfluß im Staate hundertmal mehr gilt, als der der stolzen Gemahlin; ihre Nachkommenschaft steht den Edelsten des Landes gleich, und recht fertigt durch ihren Muth, wie der berühmte Longsword (Langschwerd) Graf von Salisbury, ihre Abkunft von Königen und von der Liebe. Aus solchen Verbindungen erhielt zum Theil unser höchster Adel Zuwachs, und die Mutter lebt in der Größe ihrer Nachkommenschaft, geehrt und gesegnet, so wie sie beklagt und beweint in den Armen der Liebe und Freundschaft starb.«

»Starb Rosamunde auch so, gnädigster Herr?« sagte Alexia. »Unsern Sagen nach, wurde sie von der beleidigten Königin vergiftet – vergiftet, ohne daß ihr Zeit gestattet wurde, Gott wegen ihrer vielen Vergebungen um Verzeihung zu bitten. Lebte ihr Andenken auch so fort? Ich habe gehört, daß, als der Bischof die Kirche zu Godstowe reinigte, ihr Grab auf seinen Befehl geöffnet und ihre Gebeine auf ungeweihten Grund hinausgeworfen wurden.«

»Das war in den alten, rohen Zeiten, süße Alexia,« antwortete Karl, »jetzt sind weder die Königinnen so eifersüchtig, noch die Bischöffe so streng; und überdies herrschen in den Ländern, wohin ich die Lieblichste ihres Geschlechts führen möchte, andere Gesetze, die auch das kleinste Aergerniß bei solchen Verbindungen entfernen. Es herrscht dort eine Art von Ehe, die alle Gebräuche der Kirche beobachtet und keinen Flecken auf dem Gewissen läßt. Doch erhält die Frau keine von den Privilegien, die dem Stande ihres Mannes eigen sind, so daß die Pflichten, die der König seinen Unterthanen schuldig ist, nicht verletzt werden. Alexia Lee kann daher in jeder Hinsicht, die wirkliche gesetzliche Gattin Karl Stuart's werden, ausgenommen, daß ihre Privat-Verbindung ihr kein Recht auf den Titel der Königin von England giebt.«

»Mein Ehrgeiz wird hinlänglich befriedigt seyn, Karl'n als König zu sehen, ohne daß ich darnach strebe, weder öffentlich seine Würde, noch im Privatleben seinen Reichthum und königlichen Luxus zu theilen.«

»Ich verstehe Dich, Alexia,« sagte der König verletzt, doch nicht unzufrieden. »Du lachst über mich, weil ich als Flüchtling noch immer wie ein König spreche. Ich gebe es zu, das ist eine Gewohnheit, die ich einmal angenommen habe, und von der selbst das Unglück mich nicht losmachen kann; aber meine Sache steht nicht so verzweifelt, als Du vermuthen magst. Meiner Freunde sind noch viele in diesem Reiche, meine auswärtigen Verbündeten müssen, schon um ihres eigenen Interesse willen, sich meiner annehmen. Von Spanien, Frankreich und andern Ländern her sind mir Hoffnungen gegeben worden, und ich rechne darauf, daß meines Vaters Blut nicht umsonst vergossen, noch verurtheilt ist, ohne die gebührende Rache zu vertrocknen. Mein Vertrauen beruht auf dem, von dem Fürsten ihren Titel haben, und denke was Du willst von meiner jetzigen Lage, ich bin fest überzeugt, daß ich einst auf Englands Throne sitzen werde.«

»Das gebe Gott!« sagte Alexia, »und damit er es gebe, edler Fürst, bedenken Sie, ob Sie jetzt einen Weg verfolgen, der Ihnen seine Gunst sichern kann. Bedenken Sie den Weg, den Sie jetzt einem mutterlosen Mädchen empfehlen, die keine bessere Stütze gegen Ihre Sophisterei hat, als das natürliche Gefühl, das weibliche Würde ihr einflößt. Ob der Tod ihres Vaters, der die Folge ihrer Unbesonnenheit seyn würde – ob die Verzweiflung ihres Bruders, dessen Leben so oft in Gefahr gerieth, um das Ew. Majestät zu retten – ob die Beschimpfung des gastlichen Dachs, das Sie aufnahm, in Ihren Jahrbüchern schön zu lesen seyn wird, oder ob dies Ereignisse sind, Ihnen Gottes Gnade zu erwerben, dessen Widerwillen gegen Ihr Haus nur zu sichtbar war, oder Ihnen die Liebe des englischen Volks zu verschaffen, in dessen Augen solche Dinge ein Greuel sind – ich überlasse es Ihrem eignen königlichen Gemüth, das zu überlegen.«

Karl hielt inne, von einer Wendung des Gesprächs betroffen, wodurch sein eignes Interesse mehr mit der Befriedigung seiner Leidenschaft ins Gedränge kam, als er gemeint hatte.

»Wenn Ew. Majestät,« sagte Alexia, sich tief verneigend, »nichts weiter zu befehlen haben, so darf ich wohl um Erlaubniß bitten, mich zu entfernen?«

»Bleiben Sie nur noch ein wenig, sonderbares, unbiegsames Mädchen,« sagte der König, »und beantworten Sie mir eine Frage. Ist meine gegenwärtige Lage die Veranlassung zum Verwerfen meiner Bewerbung?«

»Ich habe nichts zu verbergen, mein König, und meine Antwort soll so klar und bestimmt seyn, als die Frage, die Sie gethan haben. Hätte ich zu einer Handlung schimpflicher, wahnsinniger und undankbarer Thorheit gebracht werden können, so könnte dies nur dann seyn, wenn ich durch jene Leidenschaft verblendet wäre, die, wie ich glaube, als Entschuldigung für Thorheit und für Verbrechen öfter gebraucht wird, als wirklich vorhanden ist. Kurz, ich hätte, wie man es nennt, verliebt seyn müssen – und das hätte mit meines Gleichen seyn können – aber ganz gewiß nimmermehr mit meinem Fürsten, er mag dies nun blos dem Namen nach, oder im wirklichen Besitze seines Königreichs seyn.«

»Und doch war Unterthanstreue stets der Stolz, ja fast die herrschende Leidenschaft Ihrer Familie, Alexia, « sagte der König.

»Und könnte ich,« sagte Alexia, »diese Treue damit vereinen, daß ich meinem Fürsten gestattete, eine Bewerbung fortzusetzen, die ihn so wenig ehrt als mich? Darf ich, als treue Unterthanin, mich mit ihm zu einer Thorheit verbinden, die ein Stein des Anstoßes auf dem Pfade zu seiner Wiedereinsetzung werden, und nur dazu dienen könnte, seine Sicherheit zu vermindern, selbst wenn er schon auf seinem Throne säße?«

»Auf diese Weise,« sagte Karl mißvergnügt, »hätte ich wohl besser gethan, meine Pagenrolle beizubehalten, als die des Fürsten anzunehmen, die, wie es scheint, noch unvereinbarer mit meinen Wünschen ist.«

»Meine Aufrichtigkeit soll noch weiter gehen,« sagte Alexia, »ich hätte eben so wenig für Louis Kerneguy als für den Erben von Großbritannien Liebe empfinden können; denn die Liebe, die ich zu verschenken vermag (und es ist keine solche, wie die, von der ich in Romanen gelesen, oder die in Liedern besungen wird) hat bereits einen andern Gegenstand gefunden. Dies ist Ew, Majestät unangenehm zu hören – es thut mir leid – aber die heilsamsten Arzneien sind oft bitter.«

»Ja,« antwortete der König in einem etwas rauhen Tone, »und die Aerzte sind so gewaltig vernünftig zu verlangen, daß ihre Patienten sie hinunterschlucken sollen, als wäre es Honig. – So ist es also wahr, was immer von dem Vetter, dem Obersten geflüstert worden, und die Tochter des treuen Lee hat ihr Herz an einen rebellischen Schwärmer gehängt.«

»Er erhielt meine Liebe, ehe ich wußte, was die Worte Schwärmer und Rebell bedeuteten. Ich nahm die ihm geschenkte Liebe nicht zurück, denn ich bin überzeugt, daß in der großen Verwirrung, die das Königreich entzweit, er seine Bahn, wenn auch irrig, doch seinem Gewissen gemäß gewählt hat. – Er behauptet daher noch immer den höchsten Platz in meiner Liebe und Achtung. Mehr kann er nicht haben und wird er auch nicht verlangen, bis eine glückliche Wendung der Angelegenheiten diese öffentlichen Mißhelligkeiten ausgleicht, und mein Vater mit ihm ausgesöhnt ist. Eifrig bete ich, daß ein solches Ereigniß durch Ew. Majestät schnelle und einstimmige Anerkennung herbeigeführt werden möge.«

»Sie haben eine Veranlassung aufgefunden,« sagte der König empfindlich, »der mir den bloßen Gedanken an eine solche Veränderung verbittert, auch haben Sie, Alexia, kein aufrichtiges Interesse dabei, für die Sache zu beten. Im Gegentheil, sehen Sie denn nicht, daß Ihr Geliebter, der Cromwelln zur Seite geht, an seiner Macht Antheil nehmen kann oder vielmehr muß, ja sogar, wenn ihm nicht Lambert zuvorkommt, so tritt er vielleicht in Olivers Fußtapfen und regiert an seiner Stelle. Und glauben Sie nicht, daß er Mittel finden wird, den Stolz der treuen Lee's zu überwinden, und eine Verbindung zu Stande zu bringen, zu der schon Alles weit besser vorbereitet ist, als zu der, die Cromwell zwischen einem von seiner Brut, und dem nicht minder treuen Erben von Fauconberg vorhaben soll?«

»Ew. Majestät,« sagte Alexia, »haben endlich ein Mittel ausgefunden, sich zu rächen – wenn das, was ich vorhin gesagt habe, Rache verdient.«

»Ich könnte Ihnen noch einen kürzeren Weg zu Ihrer Verbindung andeuten,« sagte Karl, ohne sich an ihre Verlegenheit zu kehren, oder auch vielleicht sich an dem Vergnügen der Wiedervergeltung ergötzend. »Wenn Sie nun Ihrem Obersten sagen ließen, daß ein gewisser Karl Stuart hier wäre, der gekommen sey, um die Heiligen in ihrer durch Gebet und Predigen, Piken und Kanonen erworbenen friedlichen Regierung zu stören, und er wäre so klug und brächte etwa zehn Reiter her, in den jetzigen Zeiten gerade genug, um das Schicksal dieses Erben des Königreichs zu entscheiden – glauben Sie nicht, daß der Besitz eines solchen Preises wie dieser von dem Rumpfe oder von Cromwell eine Belohnung erlangen möchte, die im Stande wäre, Ihres Vaters Einwürfe gegen die Verbindung mit einem Rundkopfe zu überwältigen, und die schöne Alexia und ihren Vetter, den Oberst, im vollen Besitz ihrer Wünsche zu setzen?«

»Gnädiger Herr,« sagte Alexia mit glühender Wange und funkelnden Augen – denn auch sie hatte ihren Antheil an dem erblichen Temperament ihrer Familie – »das übersteigt meine Geduld. Ich habe, ohne Verdruß zu äußern, die schimpflichsten Ueberredungen mit angehört, die an mich ergingen, und habe mich eben so gerechtfertigt, weil ich nicht die Geliebte eines flüchtigen Fürsten seyn will, als hätte ich eine mir angebotene Krone ausgeschlagen – aber glauben Sie, ich werde Alle die mir lieb sind, so ohne Wallung oder Antwort verläumden hören? – Das werde ich nicht, und säßen Sie mit allen Schrecken der Sternkammer Ihres Vaters umgeben Eine damals gewöhnliche Benennung des peinlichen Gerichtshofes König Karl I., so würden Sie mich dennoch die Abwesenden und Unschuldigen vertheidigen hören. Von meinem Vater will ich nichts sagen, aber daß er jetzt weder Reichthümer noch Rang besitzt – ja kaum noch ein Obdach und dürftige Nahrung hat – das kommt daher, weil er das Seinige im Dienste des Königs verwendete. Er brauchte nicht erst eine verrätherische oder bübische Handlung zu begehen, um Reichthümer zu erlangen, er hatte sein reichliches Auskommen durch seine Besitzungen. Was Markham Everard betrifft – der weiß nicht, was Selbstsucht ist – der würde gegen ganz England, und besäße es Peru's Schätze in seinem Schooße und ein Paradies auf seiner Oberfläche, nicht eine That begehen, die seinen eignen Namen beschimpfen, oder die Empfindungen eines Andern verletzen könnte – Könige, gnädigster Herr, könnten von ihm lernen. Für jetzt, gnädigster Herr, entferne ich mich.«

»Bleib, Alexia, bleib!« rief der König. »Sie ist fort – das muß Tugend seyn – wahre, uneigennützige, Ehrfurcht gebietende Tugend – sonst gibt's dergleichen nicht auf Erden. Aber Wilmot und Villiers werden kein Wort davon glauben, sondern die Erzählung zu den andern Wundern von Woodstock hinzufügen. – Es ist ein seltnes Mädchen! und ich bekenne, um mich des Obersten Betheurung zu bedienen, daß ich nicht weiß, ob ich ihr verzeihen, und mit ihr Freund seyn oder auf Rache sinnen soll. Wäre der verwünschte Vetter nicht – der puritanische Oberst – ich würde einem so edeln Mädchen Alles verzeihen. Aber ein rundköpfiger Rebell mir vorgezogen – der Vorzug mir in's Gesicht eingestanden und durch die Behandlung gerechtfertigt, daß ein König von ihm lernen könnte – das ist doch Galle und Wermuth. Wäre der alte Mann nicht heute morgen dazwischen getreten, so hätte der König die Lehre schon erhalten oder gegeben, und das eine recht derbe. Das war doch ein toller Streich, mit meinem Range und meiner Verantwortlichkeit das zu wagen – und doch hat das Mädchen mich so böse auf sich und so neidisch auf ihn gemacht, daß, wenn sich eine Gelegenheit darböte, ich kaum im Stande wäre, ihm nicht entgegen zu treten. – Ha! – wer kommt da?«

Der Ausruf am Schluß dieses königlichen Selbstgesprächs wurde durch den unerwarteten Eintritt eines Andern veranlaßt.


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