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Drittes Kapitel.


Laut töne Niklas Throlkeld Preiß!
Vernimm es guter, alter Greis,
Du Baum, der Schutz und Schirm darbot,
Dem Vögelein in harter Noth.
Beschirmt von Dir es Ruhe fand,
Vor wilder Knaben frecher Hand,
Selbst Falkenaugen unbekannt.

Wordsworth.

Der flüchtige Fürst schlief, trotz der Gefahr, den festen Schlaf, den Jugend und Müdigkeit gewähren. Aber der junge Cavalier, sein Führer und Hüter, brachte eine ruhelosere Nacht zu, indem er von Zeit zu Zeit auffuhr und horchte. Dabei war er, ungeachtet der Zusicherungen Doktor Rochecliffes, voll Verlangen, sich noch genauere Kenntniß von dem Zustande der Angelegenheiten um sie her zu verschaffen, als ihm bis jetzt möglich gewesen war, einzusammeln.

Er stand bald nach Tages-Anbruch auf. – So wenig Geräusch er aber auch dabei machte, so leicht war doch der Schlummer des flüchtigen Fürsten gestört. Er fuhr im Bette auf und fragte, ob es etwas gäbe.

»Nichts, Ew. Majestät,« erwiederte Lee, »ich dachte nur an die Fragen, die Ew. Majestät mir gestern Abend vorlegten, und die Möglichkeit, daß die Sicherheit Ew. Majestät durch unvorhergesehene Zufälle gefährdet werden könnte, und wollte so früh hinausgehen, sowohl um mich mit Doktor Rochecliffe zu besprechen, als auch ein wachsames Auge auf den Ort zu haben, der jetzt Englands ganzes Glück bewahrt. Ich fürchte, ich muß Ew. Majestät ersuchen, daß Sie um Ihrer eigenen Sicherheit willen, die Gnade haben, die Thür eigenhändig wieder zuzumachen, wenn ich hinaus bin. «

»O sprechen Sie doch nicht von der Majestät, ums Himmelswillen, lieber Albert,« antwortete der arme König, indem er sich umsonst bemühte, einen Theil seiner Kleider in Ordnung zu bringen, um queer über das Zimmer zu gehen. – »Wenn eines Königs Wams und Beinkleider so zerlumpt sind, daß er sich eben so wenig hineinfinden kann, als durch den Wald von Deane ohne Führer, so sollte es doch wahrhaftig mit der Majestät ein Ende haben, bis sie erst besser wieder versorgt ist. Noch dazu könnten einmal diese hochtrabenden Worte unversehens Dir entfahren, und von Ohren vernommen werden, wo sie uns Gefahr bringen dürften.«

»Ich will Ihren Befehlen gehorchen,« sagte Lee, dem es jetzt gelungen war, die Thür zu öffnen, von der er sich entfernte und den König verließ, der eben deshalb ihm in seiner unordentlich herumhängenden Kleidung nachhinkte, um sie hinter ihm wieder zuzumachen, wobei er noch Se. Majestät bat, Niemandem zu öffnen, er oder Rochecliffe müßten ihn denn dazu auffordern.

Albert machte sich nun auf, Doktor Rochecliffe's Zimmer aufzusuchen, das nur ihm und dem treuen Joliff bekannt war, und zu verschiedenen Zeiten dem standhaften Diener der Kirche zum Versteckwinkel gedient hatte, wenn er, wegen seines kühnen und geschäftigen Wesens, das ihn in die weitläuftigsten und gewagtesten Anschläge zu Gunsten des Königs verwickelte, von der Gegenparthei aufgesucht wurde. Seit Kurzem hatten die Nachforschungen nach ihm gänzlich aufgehört, da er sich klüglich vom Schauplatze zurückgezogen hatte. Seit dem Verluste der Schlacht von Worcester war er wieder flott und thätiger denn je geworden, und durch Freunde und Correspondenten, besonders durch den Bischoff von – die Veranlassung, des Königs Flucht nach Woodstock zu lenken, obwohl er ihm erst am Tage seiner Ankunft einen sicheren Aufenthalt in dieser alten Wohnung versprechen konnte.

Ob nun wohl Albert Lee den unerschrockenen Geist und die immer bereiten Hülfsquellen des geschäftigen, unternehmenden Geistlichen anerkannte, so fühlte er doch, er habe ihn nicht in Stand gesetzt, einige von des Königs gestrigen Fragen so bestimmt zu beantworten, wie es bei einem, dem des Königs Sicherheit anvertraut ist, nöthig gewesen wäre, und es war jetzt sein Zweck, sich womöglich persönlich mit den verschiedenen Seiten einer so wichtigen Sache bekannt zu machen, wie sichs für einen Mann gebührte, auf dem wahrscheinlich sehr viel Verantwortlichkeit ruhen würde.

Selbst bei seiner Lokalkenntniß würde er kaum des Doktors geheimes Zimmer gefunden haben, wäre er nicht dem belebenden Geruch von Wildbraten durch verschiedene geheime Gänge nachgegangen, und mehre nutzlose Treppen auf und nieder, durch Schränke und Fallthüren u. s. w., bis zu einer Art von Sanctum sanctorum, wo Josselin Joliff den guten Doktor mit einem feierlichen Frühstück vom wildem Geflügel bediente, nebst einem Becher leichtem Biere mit einem Rosmarinstengel umgerührt, was Doktor Rochecliffe allen starken Getränken vorzog, Neben ihm saß Bevis, freundlich schnobernd ob des duftenden Frühstücks, das seine angeborne Würde ganz überwältigt zu haben schien.

Das Zimmer, in dem der Doktor seine Wohnung aufgeschlagen hatte, war ein kleines, achteckiges Gemach mit sehr dicken Mauern, in welchen Ausgänge nach mehren Richtungen hin angebracht waren, und wodurch es mit verschiednen Theilen des Gebäudes in Verbindung stand. Rings um ihn befanden sich Bündel Waffen, und neben ihm, wie es schien, ein kleines Fäßchen mit Schießpulver, mehre Papiere in verschiedenen Paketen und einige Schlüssel zu einer Correspondenz in Ziffern, auch zwei oder drei Rollen mit Hieroglyphen lagen neben ihm, welche Albert für Nativitäts-Tafeln hielt, und verschiedene mechanische Modelle, worin Doktor Rochecliffe sehr geschickt war. Auch Werkzeuge mancherlei Art, als Masken, Mäntel, Blendlaternen und eine Menge anderer nicht zu beschreibender Kleinigkeiten, die zum Gewerbe eines kühnen Plänemachers in gefährlichen Zeiten gehörten. Endlich war auch noch ein Kästchen mit Gold- und Silbermünzen aus verschiedenen Ländern da, das ganz sorglos offen stand, als ob dies Doktor Rochecliffes geringste Sorge wäre, obwohl sein Aeußeres im Allgemeinen beschränkte Umstände, wo nicht gar wirkliche Armuth andeutete. Gleich neben des Geistlichen Teller lag eine Bibel und ein Gebetbuch nebst einigen Probebogen, die, wie es schien, frisch aus der Presse gekommen waren. Auch lagen ihm so nah, daß er es erreichen konnte, ein schottischer Dolch, ein Pulverhorn und eine Büchse, so wie ein Paar schöne Sackpistolen. Mitten unter diesem Gemisch von Sachen saß der Doktor und aß sein Frühstück mit großem Appetite, eben so wenig durch die verschiedenen gefährlichen Werkzeuge um ihn her beunruhigt, als ein Arbeiter, wenn er sich erst an die Gefahren der Schießpulver- Manufakturen gewöhnt hat.

»So, junger Herr,« sagte er, indem er aufstand und die Hand ausstreckte, »kommen Sie, um als guter Camerad mit mir zu frühstücken, oder wollen Sie mir auch heute Morgen durch unzeitige Fragen das Mahl verderben, wie Sie es gestern Abend thaten?«

»Ich will Ihnen von ganzem Herzen beim Frühstück helfen,« sagte Albert, »und wenn Sie erlauben, möchte ich auch einige Fragen thun, die nicht unzeitig scheinen.«

Hiermit setzte er sich nieder und half dem Doktor sehr befriedigende Rechenschaft von ein Paar wilden Enten und einigen Wasserhühnchen abzulegen. Bevis, der seinen Platz geduldig und wedelnd behauptete, bekam seinen Antheil an Kalbsschnitten, die ebenfalls auf dem wohl versehnen Tische standen; denn wie die meisten wohl abgerichteten Jagdhunde, fraß er kein Wassergeflügel.

»So komm denn, Albert Lee,« sagte der Doktor, indem er Messer und Gabel niederlegte und die Serviette aus dem Knopfloch zog, sobald Josselin hinaus war. »Du bist noch immer derselbe, als da ich Dein Lehrer war – nie damit zufrieden, eine grammatische Regel bekommen zu haben, mußtest Du mich immer noch mit Fragen verfolgen, warum die Regel so wäre und nicht anders – überbegierig nach Belehrung, die Du nicht fassen konntest, wie Bevis nach dem Entenflügel hungert und winselt, den er doch nicht fressen mag.«

»Ich hoffe, Sie werden mich vernünftiger finden, Doktor,« antwortete Albert, »und sich zugleich erinnern, daß ich jetzt nicht sub ferula, stehe, sondern mich in Umständen befinde, wo es nicht von mir abhängt, nach dem ipse dixit irgend eines Menschen zu handeln. Sollte durch ein verkehrtes Benehmen von meiner Seite in diesem Handel irgend ein Unglück geschehen, so kann ich es leicht dahin bringen, gehenkt und geviertheilt zu werden.«

»Und eben deshalb, Albert, wollte ich, Du überließest das Ganze mir, ohne Dich darein zu mischen. Du sagst, Du stehest nicht sub ferula; bedenke aber, daß, während Ihr im Felde gefochten habt, ich im Studierzimmer Pläne machte – daß ich alle Combinationen der Freunde des Königs kenne, ja, und alle Bewegungen seiner Feinde so, wie eine Spinne jede Masche ihres Gewebes kennt, Denk an meine Erfahrung. Kein Cavalier ist, der nicht von Rochecliffe, dem Plänemacher gehört hätte. Ich war ein Hauptglied in Allem, was seit dem Jahre 1642 versucht worden ist – ich schrieb Erklärungen, leitete die Correspondenzen, hatte Unterhandlungen mit den Oberhäuptern, warb Anhänger, erhob Gelder, bestimmte die Sammelplätze. Auch war ich bei dem Aufstande im Westen, früher noch bei Abfassung der Londoner Bittschrift, bei Sir John Owens Aufstand in Wales, kurz fast bei allen Plänen für den König, seit Tomkins und Challoner's Sache.«

»Aber mißriethen nicht Alle, diese Pläne,« sagte Albert, »und wurden nicht Tomkins und Challoner aufgehangen?«

»Ja, mein Freund,« antwortete der Doktor ernst, »wie manche Andere, mit denen ich gehandelt habe, aber blos weil sie nicht unbedingt meinen Rath befolgten. Du hast nie gehört, daß ich gehangen wurde.«

»Die Zeit kann noch kommen, Doktor,« sagte Albert; »der Krug geht so lange zu Wasser, bis er bricht. Das Sprichwort ist ein wenig schimmlich, wie mein Vater zu sagen pflegt, aber auch ich habe einiges Vertrauen auf mein eignes Urtheil, und so sehr ich auch die Kirche ehre, kann ich mich doch nicht in leidenden Gehorsam fügen. Ich will Ihnen mit einem Worte sagen, über was für Punkte ich Erklärung haben muß, und es hängt dann von Ihnen ab, sie entweder zu geben, oder dem König sagen zu lassen, daß Sie Ihrem Plan nicht auseinandersetzen wollen, in welchem Falle er, wenn er meinem Rathe folgt, Woodstock verläßt und seine Absicht ausführt, ohne Verzug die Küste zu erreichen.«

»Nun wohl denn, Du argwöhnisches Ungeheuer, so thue Deine Fragen, und wenn sie von der Art sind, daß ich sie beantworten kann, ohne das in mich gesetzte Vertrauen zu verrathen, so will ich es thun.«

»Erstlich also, was ist das für eine Geschichte von Gespenstern und Hexereien und Erscheinungen, und glauben Sie, daß es sicher für Se. Majestät ist, in einem Hause zu bleiben, was solchen Heimsuchungen, sie mögen nun wirklich oder angeblich seyn, ausgesetzt ist?«

»Da müssen Sie sich mit meiner Antwort in verbo sacerdotis begnügen – diese Umstände, auf die Sie anspielen, werden Woodstock, so lange der König hier bleibt, nicht im Geringsten gefährten. Erklären kann ich mich nicht weiter, aber ich stehe dafür mit meinem Leben,»

»Nun,« sagte Lee, »so müssen wir also den Doktor zum Bürgen nehmen, daß der Teufel Friede mit unserm gnädigsten Herrn, dem Könige, halten will – gut. Nun lauerte gestern fast den ganzen Tag um dies Haus her, vielleicht schlief er auch hier, ein Mensch, Namens Tomkins – ein arger Independent, und Secretär oder etwas dergleichen bei dem königsmörderischen Hunde Desborough. Der Mensch ist wohlbekannt – ein wilder Schwärmer in religiösen Meinungen, aber in Privatangelegenheiten sieht er weit, ist listig und eigennützig, wie nur irgend einer von den Schelmen.«

»Seyn Sie überzeugt, wir wollen seinen verrückten Fanatismus schon benutzen, um seine gottlose List irre zu leiten – ein Kind kann einen Eber leiten, wenn es klug genug ist, einen Strick an den Ring in seiner Nase zu befestigen,« erwiederte der Doktor.

»Sie können sich auch irren,« sagte Albert, »das Jahrhundert hat viele wie dieser Bursch, deren Ansichten von der geistigen und zeitlichen Welt so verschieden sind, daß sie den Augen eines Schielenden gleichen, von dem das Eine schiefe und verdrehte nichts sieht, als seine Nasenspitze, während das Andere, statt denselben Mangel zu theilen, scharf und genau sieht, was in seinen Gesichtskreis kömmt.«

»Aber wir wollen ein Pflaster auf das bessere Auge legen,« sagte der Doktor, »und es soll ihm nur gestattet werden, mit dem unvollkommnen Werkzeuge zu speculiren. Sie müssen wissen, dieser Mensch hat immer die meisten und abscheulichsten Erscheinungen gehabt. Er hat nicht so viel Muth wie eine Katze in solchen Dingen, obwohl er Kraft genug besitzt, wenn er leibliche Gegner vor sich hat. Ich habe ihn unter Josselin Joliffs Obhut gesetzt, der, wenn er ihm mit Sekt und Geistergeschichten zusetzt, ihn unfähig machen würde, wahrzunehmen, was vorgeht, und wenn auch der König in seiner Gegenwart ausgerufen würde.«

»Aber warum überhaupt einen solchen Menschen hier behalten?«

»O! darüber geben Sie sich zufrieden – er liegt hier als Bürge, als eine Art von Gesandter für seine würdigen Herrn, und wir sind vor jedem Eindringen sicher, so lange sie noch die Nachrichten aus Woodstock von dem getreuen Tomkins erhalten.«

»Josselins Ehrlichkeit ist mir wohl bekannt, und wenn der mir dafür steht, daß er Wache über den Burschen halten will, so will ich ihm insofern trauen. Er weiß nicht, wie tief die Sache geht, das ist wahr, daß es aber mein Leben betrifft, wird schon hinreichend seyn, ihn wachsam zu erhalten. – Nun wohl denn, ich fahre weiter fort – wenn nun Markham Everard zu uns kommen sollte.«

»Wir haben sein Wort, daß er nicht kommt, « antwortete Rochecliffe – »sein Ehrenwort, von seinem Freunde überbracht; – halten Sie es für wahrscheinlich, daß er es brechen wird?«

»Ich halte ihn dessen für unfähig,« antwortete Albert, »und überdies glaube ich, Markham würde keinen schlechten Gebrauch von dem machen, was ihm bekannt werden dürfte – aber Gott verhüte es, daß wir je in die Nothwendigkeit gerathen, in einer so theuern Angelegenheit einem zu trauen, der sich zum Parlamente gehalten.«

»Amen,« sagte der Doktor – »sind Ihre Zweifel nun beschwichtigt?«

»Ich habe noch einen Einwand,« sagte Albert, »gegen jenen zudringlichen liederlichen Burschen, der sich einen Cavalier nennt, sich gestern Abend in unsre Gesellschaft drängte, und meines Vaters Herz durch eine Geschichte von der Erstürmung von Brentford gewann, die der Schuft gewiß gar nicht gesehen hat.«

»Sie irren sich in ihm, lieber Albert – Roger Wildrake, obwohl ich ihn früher nur dem Namen nach kannte, ist ein Edelmann, wurde zu Lincolns Inn erzogen, und setzte sein Vermögen im Dienst des Königs zu.«

»Oder vielmehr in des Teufels Dienst,« sagte Albert. »Solche Bursche, wie er, die aus der militärischen Zügellosigkeit zu müßigen lüderlichen Räubern herabgesunken sind, solche sind es eben, die das Land mit Schwelgereien und Räubereien erfüllen, in Winkeln, Bierhäusern und Kellern, wo um Mitternacht Branntwein verkauft wird, groß thun, und mit ihren gewaltigen Flüchen, ihrer hitzigen Unterthanstreue, und ihrer betrunkenen Tapferkeit bewirken, daß anständige Leute schon den Namen eines Cavaliers scheuen.«

»Ach!« sagte der Doktor, »das ist nur zu wahr, aber was kann man Anderes erwarten? Wenn die höheren und ausgezeichneteren Classen heruntergekommen sind und mit den niederen Ständen ohne Unterschied vermischt werden, so daß sie nicht mehr zu unterscheiden sind, so pflegen sie die schätzbarsten Zeichen ihres Standes in der allgemeinen Verwirrung der Sitten und des Wesens zu verlieren – gerade so, wie eine Hand voll Silbermünzen entstellt und farblos wird, wenn sie unter der gemeinen Kupfermünze herumgeworfen wird. So ist selbst die erste Münze unter Allen, die wir Königlichen so gern zunächst unserm Herzen trügen, vielleicht nicht ganz einer Verunglimpfung entgangen – aber mögen andere Zungen, als die meine, über diesen Gegenstand sprechen. «

Albert Lee machte eine tiefe Pause, nachdem er diese Mittheilungen von Seiten Rochecliffes gehört. »Doktor,« sagte er, »es wird allgemein zugegeben, selbst von solchen, die meinen, daß Sie bei Gelegenheit sich ein wenig zu geschäftig erwiesen haben, die Leute zu gefährlichen Handlungen anzutreiben« –

»Gott vergebe es denen, die eine so falsche Meinung von mir hegen!« sagte der Doktor.

Daß Sie jedoch mehr für des Königs Sache gethan und gelitten haben, als irgend ein Mann Ihres Standes.«

»Da lassen sie mir nur mein Recht. widerfahren,« sagte Doktor Rochecliffe, »durchaus nur mein Recht.«

»Ich bin daher geneigt, Ihrer Meinung beizustimmen, wenn, alle mögliche Fälle wohl erwogen, Sie es für sicher halten, wenn wir in Woodstock bleiben.«

»Davon ist jetzt nicht die Rede,« antwortete der Geistliche.

»Und wovon denn?« erwiderte der junge Krieger.

»Ob irgend ein besserer Weg einzuschlagen ist. Es thut mir Leid sagen zu müssen, daß diese Frage nur bedingungsweise zu beantworten ist. Von unbedingter Sicherheit kann leider von keiner Seite die Rede seyn. Nun ist Woodstock, sage ich, so umzäunt und bewacht wie es jetzt ist, bei weitem der beste Platz zum Verbergen.«

»Genug, ich übergebe Ihnen die Sache, als einem Manne, der mit solchen wichtigen Dingen vertrauter und bekannter ist, als ich es seyn kann.«

»Da thun Sie wohl,« antwortete Rochecliffe, »und wenn Andere mit demselben Mißtrauen in ihre eigene Kenntniß und mit demselben Vertrauen auf Sachkundige gehandelt hätten, so wäre es besser für das Zeitalter gewesen. Allein eben dieses zwingt den Verstand sich in seine Festung zu verriegeln, und den Witz sich in seinen hohen Thurm zu begeben (hier sah er sich mit einer selbstzufriedenen Miene in seiner Zelle um). Der Weise sieht den Sturm vorher, und verbirgt sich.«

»Doktor,« sagte Albert, »unsre Vorsicht nütze Andern, die mehr werth sind, als wir Beide. – Ich muß Sie noch fragen, haben Sie es wohl erwogen, ob unser theurer Pflegling in der Gesellschaft der Familie bleiben, oder sich in einen der verborgneren Winkel des Hauses begeben muß?«

»Hm! – ich glaube, er wird am sichersten als Louis Kerneguy hier seyn, wenn er sich ganz in Ihrer Nähe hält.« –

»Doch fürchte ich, daß es nöthig seyn dürfte, ein wenig umher zu spähen, und mich in entfernteren Gegenden zu zeigen, damit, wenn sie hieher kommen und mich suchen, sie nicht Hoch-Wild finden.«

»Ich bitte, unterbrechen Sie mich nicht. – Wenn er sich dicht bei Ihnen oder bei Ihrem Vater hält, in oder nahe bei Victor Lee's Zimmer, aus welchem Sie wohl wissen, daß er leicht entkommen kann, wenn Gefahr sich nahet – dies scheint mir das Beste für den gegenwärtigen Augenblick – ich hoffe, heute von dem Schiff zu hören – Morgen spätestens.«

Albert Lee sagte dem thätigen, aber starrsinnigen Manne guten Morgen, voll Bewunderung, wie diese Plänemacherei eine Art von Element geworden war, in welchem der Doktor sich so gern herumzutummeln schien, ohngeachtet alles dessen, was der Dichter über die Greuel gesagt hat, die zwischen dem Entwurfe und der Ausführung einer Verschwörung liegen.

Als er von Doktor Rochecliffe's Heiligthum zurückkehrte, begegnete ihm Josselin, der ihn ängstlich suchte. »Der junge Schotte,« sagte er auf geheimnißvolle Weise, »ist aufgestanden, und als er mich vorbeigehen hörte, rief er mich in sein Zimmer.«

»Wohl,« erwiederte Albert, »ich gehe gleich zu ihm.«

»Und er verlangte reine Wäsche und Kleider. – Der sieht Ihnen aus, als wär er ganz an das Befehlen gewöhnt. Da gab ich ihm denn einen Anzug, der sich zufällig dort im westlichen Thurme befand, und etwas von Ihrer Wäsche dazu, und als er angekleidet war, befahl er, ich sollte ihn zu Sir Heinrich Lee und dem jungen Fräulein führen. – Ich wollte etwas dagegen einwenden, redete vom Warten, bis Sie wieder kämen, aber er zupfte mich lachend bei den Haaren (wie er denn überhaupt recht eigensinnig scheint) und sagte mir, er wäre ein Gast des Herrn Albert Lee, aber nicht sein Gefangener – also Herr, obwohl ich fürchtete, es möchte Ihnen nicht recht seyn, daß ich ihm Mittel an die Hand gab, hinauszugehen, wo er vielleicht von Leuten gesehen wird, die ihn nicht sehen sollen, so konnte ich doch auch nichts weiter sagen.«

»Du bist ein verständiger Mensch, Josselin, und verstehst immer, was Dir empfohlen ist. – Der junge Mensch wird sich, fürchte ich, von uns nicht im Zaume halten lassen; desto mehr müssen wir für seine Sicherheit besorgt seyn. – Du giebst doch Acht auf den lauernden Burschen, den Schreiber?«

»Den überlassen Sie, nur meiner Sorgfalt – von der Seite haben Sie Nichts zu fürchten. – Aber, ach! Herr, ich wollte, wir hätten den jungen Schotten wieder in seine alten Kleider, denn in dem Reisekleide von Ihnen, das er jetzt trägt, sieht er ganz anders aus. «

Aus der Art, wie sich der treue Diener ausdrückte, sahe Albert wohl, daß er vermuthete, wer der Schottische Page wirklich seyn möchte; doch hielt er es nicht für gut, ein so wichtiges Faktum zuzugeben, da er ohnedies von seiner Treue überzeugt war, man mochte ihm – nun die Sache ganz anvertrauen, oder sie seinen Vermuthungen überlassen. Voll ängstlicher Gedanken ging er in Victor Lee's Zimmer, wo Joliff ihm sagte, daß er die Gesellschaft versammelt finden würde. Er erschrak fast vor dem Gelächter, das er drinnen hörte, als er die Hand an den Thürdrücker legte, einen so sonderbaren Mißklang bildete es mit den zweifelhaften und schwermüthigen Betrachtungen, die ihn beschäftigten. Er trat ein und fand seinen Vater in sehr guter Laune, lachend, und sich gemächlich mit seinem jungen Pfleglinge unterhaltend, dessen Aeußeres freilich so sehr zu seinem Vortheil verändert war, daß es kaum begreiflich schien, wie eine Nacht Ruhe und ein anständiger Anzug in so kurzer Zeit so viel vermocht hatten. Blos der veränderten Kleidung allein konnte es nicht zugeschrieben werden, obwohl diese unstreitig das Ihrige dazu beitrug. Glänzend war die, welche Louis Kerneguy (wir behalten seinen angenommnen Namen noch bei) jetzt trug, keineswegs. Es war weiter nichts als ein grautuchnes Reisekleid mit einigen silbernen Tressen, wie die Landedelleute jener Zeit, sie trugen. Aber es paßte ihm zufällig, und stand ihm bei seiner dunkeln Gesichtsfarbe recht gut, besonders da er jetzt sich gerade hielt, und sich nicht blos wie ein anständiger, sondern wie ein feingebildeter Mann benahm. Beim Gehen hatte er das plumpe und täppische Hinken gegen ein gewisses Schlendern ausgetauscht, welches, da es die Folge einer, in diesen gefährlichen Zeiten erhaltenen Wunde seyn konnte, ihm eher etwas Anziehendes als unangenehmes mittheilte; wenigstens drückte er es auf eine so anständige Weise aus, wie es nur immer bei einem gebildeten Fußgänger möglich war, daß ihn die Reise angegriffen habe.

Die Züge des Reisenden waren scharf wie zuvor, aber seine buschige, rothe Perrücke, denn daß sie dies war, erwies sich jetzt, war bei Seite gelegt, und seine schwarzen wilden Haare mit Josselins Beistand zu Locken gekräuselt worden, unter deren Schatten seine schönen schwarzen Augen hervorglänzten, und mit dem zwar lebendigen, aber nicht schönen Charakter des ganzen Kopfs übereinstimmten. In seinem Gespräch hatte er den groben Dialekt den er am vorigen Abend so stark nachahmte, völlig aufgegeben, und obwohl er noch immer ein wenig Schottisch sprach, um seinen Charakter als junger Schotte zu behaupten, so war es doch nicht in einem Grade, der seine Rede plump oder unverständlich machte sondern ihr blos einen gewissen dorischen Anstrich verlieh, der zu der Rolle die er darstellte, wesentlich gehörte. Kein Mensch verstand es besser, sich in die Gesellschaft zu fügen, in der er sich befand; die Verbannung hatte ihn mit dem Leben in allen seinen Abstufungen und Mannichfaltigkeiten bekannt gemacht. Sein Temperament war nicht gleichförmig, aber elastisch – er hatte jene Art von Epicuräischer Philosophie, welche selbst in äußerster Noth und Gefahr in einer Zwischenzeit der Ruhe sich an den Genüssen des Augenblicks erfreuen kann. – kurz er war in der Jugend und im Unglück, wie später als König, ein fröhlicher, aber hartherziger Lüstling – verständig, außer wo seine Leidenschaften ins Spiel kamen. – wohlthätig, außer wenn die Verschwendung ihn der Mittel, oder Vorurtheil des Willens beraubte, Wohlthaten zu ertheilen. – Seine Fehler überhaupt waren von der Art, daß sie ihm oft Haß zugezogen hätten, wären sie nicht mit so viel Höflichkeit verbunden gewesen, daß der Beleidigte es unmöglich fand, das volle Gefühl des erlittnen Unrechts zu bewahren.

Albert Lee fand die Gesellschaft, die aus seinem Vater, seiner Schwester und dem vermeintlichen Pagen, bestand, am Frühstückstische sitzen, an dem er ebenfalls Platz nahm und nachdenkend und ängstlich zusah, was vorging, indeß der Page, der schon ganz das Herz des guten Alten dadurch gewonnen hatte, daß er die Art und Weise nachmachte, wie die Schottischen Geistlichen, zu Gunsten des guten Lord Marquis von Argyle und des feierlichen Bundes predigten, sich jetzt bemühte, Alexia durch solche Anekdoten zu unterhalten, die theils kriegerische und gefährliche Abentheuer betrafen, und die immer, seit Desdemonas Zeiten, dasselbe Interesse für das weibliche Ohr gehabt haben. Aber nicht blos von Gefahren zu Lande und zur See, sprach der verkleidete Page, sondern noch vielmehr von auswärtigen Festen, Banketten, Bällen, wo der Stolz Frankreichs, Spaniens oder der Niederlande sich in der Person ihrer größten Schönheiten darstellte. Da Alexia ein sehr junges Mädchen war, und in Folge des Bürgerkriegs fast ganz auf dem Lande und in großer Abgeschiedenheit erzogen war, so war es natürlich nicht zu verwundern, daß sie lächelnd und mit bereitwilligem Ohr auf das hörte, was der junge Herr, ihr Gast und ihres Bruders Schützling, so lustig erzählte, und mit einem solchen Anstrich gefährlicher Abentheuer, gelegentlich auch mit einer ernsten Betrachtung durchwebte, daß dadurch das Gespräch nicht blos als ein leichtfertiges betrachtet werden konnte.

Mit einem Worte, Sir Heinrich Lee lachte, Alexia lächelte von Zeit zu Zeit, und Alle waren wohl zufrieden, außer Albert, der jedoch selbst kaum fähig gewesen wäre, einen hinreichenden Grund für seine Niedergeschlagenheit anzugeben.

Das Frühstück wurde endlich unter der thätigen Aufsicht der zierlichen Phöbe weggeschafft, die mehr als einmal sich umsah, und zögerte, um dem geläufigen Gespräche ihres neuen Gastes zuzuhören, den sie am vorigen Abend, während sie bei Tische aufwartete, für einen der dümmsten Gäste gehalten hatte, dem die Thore von Woodstock seit den Zeiten der schönen Rosamunde aufgethan worden wären.

Als nun die Viere allein im Zimmer waren, und die Unterbrechung der Dienerschaft und das geschäftige Hin- und Hergehn, welches das Wegschaffen des Frühmahles veranlaßt hatte, zu Ende war, bemerkte Louis Kerneguy, daß sein Freund und scheinbarer Patron, Albert, nicht ganz im Gespräch zurückbleiben müsse, während es ihm selbst so wohl gelungen war, die Aufmerksamkeit jener Mitglieder seiner Familie fesseln, der er selbst erst so kurze Zeit bekannt worden war. Er ging daher hinter seinen Stuhl und sagte, indem sich auf die Rücklehne stützte, mit einem gutmüthigen Tone der seine Absicht deutlich zu erkennen gab:

»Entweder hat mein guter Freund, Führer und Patron heute morgen schlimmere Nachrichten gehört, als er für gut befindet uns mitzutheilen, oder er muß über meine zerrissene Jacke und ledernen Beinkleider gestolpert seyn, und durch die Berührung die ganze Masse Stumpfsinn sich angeeignet haben, die ich gestern Abend mit jenen jammervollen Gewändern ablegte. Heitern Sie sich auf, lieber Oberst, wenn Ihr treuer Page Sie bitten darf – sind Sie doch bei denen, deren Gesellschaft schon Fremden theuer ist, und es Ihnen doppelt seyn muß. Potz Fischchen, heitern Sie sich auf, habe ich Sie doch lustig gesehen bei einem Stück Schiffszwieback und einem Mund voll Brunnenkresse – da werden Sie doch nicht hier beim Rheinwein und Wildpret den Kopf hängen lassen!«

»Lieber Louis,« sagte Albert, indem er mit Gewalt sich aufzuheitern suchte und sich seines Stillschweigens einigermaßen schämte, »ich habe schlechter geschlafen und bin früher aufgewesen als Sie.«

»Das mag wohl seyn,« sagte der Vater, »doch halte ich es für eine schlechte Entschuldigung Deines düsteren Stillschweigens. Albert, Du hast Deine Schwester und mich nach so langer Trennung wieder gefunden, die wir Deinetwegen so besorgt waren, und doch bist Du sicher zu uns zurückgekehrt und findest uns wohl.«

»Zurückgekehrt freilich – aber was die Sicherheit betrifft, mein lieber Vater, so wird das Wort den Bewohnern von Woodstock wohl noch eine Zeitlang fremd bleiben. Ich bin jedoch nicht besorgt um meine eigene.«

»Um wessen Sicherheit denn? Alle Nachrichten stimmen ja darin überein, daß der König dem Rachen jenes Hundes entwischt ist.«

»Doch nicht ohne einige Gefahr,« murmelte Louis, indem er an sein Zusammentreffen mit Bevis am vorigen Abend dachte.

»Nein, nicht ohne Gefahr,« wiederholte der Ritter, »sondern wie der alte Wilhelm sagt:

Wohl schirmt den König eine Göttlichkeit,
Daß selbst Verrath nicht anzublicken wagt,
Wornach im Innern seine Seele strebt.

»Nein, nein! Gott sey Dank, dafür ist gesorgt, unsre Hoffnung und unser Glück ist entkommen, wie alle Nachrichten bestätigen, ist aus Bristol entkommen – wenn die Sache anders stände, Albert, so würde ich so traurig seyn, als Du bist uebrigens habe ich einen Monat in diesem Hause zugebracht, wo Entdeckung mir den Tod gebracht hätte, und das trug sich erst zu, nachdem Holland und der Herzog von Buckingham in Kingston aufstanden, und ich will mich hängen lassen, wenn es mir nur einfiel, meine Stirn in eine so tragische Falte zu legen, wie Du die Deine, sondern ich setzte vielmehr meinen Hut trotzig auf vor dem Unglück, wie es einem Cavalier zukommt.«

»Wenn ich ein Wort hier anbringen dürfte,« sagte Louis, »so geschieht es nur, um Oberst Albert Lee zu versichern, daß ich glaube, der König, wo er auch immer seyn mag, würde sich sehr unglücklich fühlen, wenn er wüßte, daß seine besten Unterthanen jetzt seinetwegen bekümmert sind. «

»Sie verbürgen sich ja sehr kühn für den König, junger Mann,« sagte Sir Heinrich.

»O, mein Vater war immer gar viel um den König,« antwortete Louis, sich auf seine jetzige Rolle besinnend.

»Da ist's also kein Wunder,« sagte Sir Heinrich, »daß Sie Ihre gute Laune und gute Erziehung so bald wieder erlangt haben, da Sie hörten, Se. Majestät wären entkommen. Was! Sie sehen ja dem jungen Menschen, den wir gestern Abend hier hatten, so wenig ähnlich, als das beßte Jagdpferd, das ich je hatte, einem Ackergaul.«

»O, in der Ruhe, der Nahrung und Pflege liegt gar viel!« antwortete Louis. »Sie würden das müde Thier, von dem Sie am Abend abstiegen, gar nicht wieder erkennen, wenn es am nächsten Morgen, nachdem es geruht und sich erholt hat, wiehernd und kurbettirend wieder herausgeführt wird – besonders wenn es nur etwas feuriges Blut hat, denn solche erholen sich gar schnell wieder.«

»Nun wohl denn, da Dein Vater aber ein Hofmann war, und da Du doch vermuthlich etwas von der Sache erfahren hast, so sage uns einmal etwas, Kerneguy, von dem, wovon wir am liebsten sprechen hören, dem Könige; wir sind hier sicher und unter uns, Du brauchst Dich nicht zu fürchten. Es war ein hoffnungsvoller junger Mann; ich denke gewiß, die schöne Blüthe wird jetzt Frucht versprechen?«

Während der Ritter sprach, schlug Louis die Augen nieder und schien Anfangs ungewiß, was er antworten sollte. Aber sehr geschickt, sich aus einer Verlegenheit zu ziehen, erwiederte er: »er könne sich's in der That nicht unterstehen, über einen solchen Gegenstand in Gegenwart seines Patrons, Oberst Albert Lees, zu sprechen, der den Charakter König Karls viel besser beurtheilen könne, als er.«

Natürlich wurde nun Albert von dem Ritter, den Alexia unterstützte, bestürmt, einige Nachricht über den Charakter Sr. Majestät zu geben.

»Ich will nur den Thatsachen gemäß sprechen,« sagte Albert, »so kann ich nicht der Partheilichkeit beschuldigt werden. Besäße der König nicht Unternehmungsgeist und militärisches Talent, so würde er nimmermehr den Zug nach Worcester unternommen haben – besäße er nicht persönlichen Muth, so hätte er das Feld nicht so lange behauptet, daß Cromwell beinah schon die Schlacht für verloren hielt. Daß er Klugheit und Geduld besitzt, muß man aus den Umständen schließen, die seine Flucht begleiten, und daß er die Liebe seiner Unterthanen hat, ist augenscheinlich, da er nothwendig Vielen bekannt seyn muß, und doch von Niemanden verrathen wurde.«

»Schäme Dich, Albert, erwiederte seine Schwester, ist das die Art, wie ein guter Cavalier die Eigenschaften seines Fürsten herleiert? Bei Allem, was Du zugiebst, führst Du ein Beispiel an, wie ein Krämer, der Leinewand mit der Elle abmißt! – Pfui, über Euch! – Da darf man sich nicht wundern, daß Ihr geschlagen wurdet, wenn Ihr so kalt für Euern König fochtet, als Ihr jetzt für ihn sprecht.«

»Ich that mein Möglichstes, Schwester Alexia, um aus dem, was ich von dem Original gesehen und gekannt habe, ein ähnliches Bild zu entwerfen,« erwiederte ihr Bruder. – »Willst Du ein Phantasie-Portrait haben, so mußt Du Dich an einen Künstler wenden, der mehr Phantasie hat, als ich, um es Dir zu malen.«

»Ich will selbst der Künstler seyn,« sagte Alexia, »und in meinem Bilde soll unser Monarch das Alles aufweisen, was er bei so hohen Ansprüchen seyn sollte – was er bei so hoher Abkunft seyn muß – was er ganz gewiß ist, und wofür auch jedes treue Herz im Königreiche ihn halten muß. «

»Wohl gesprochen, Alexia,« entgegnete der alte Ritter – »sieh Du auf dies Bild und auf dieses – hier unser junger Freund soll Richter seyn, Ich verwette meinen besten Gaul – das heißt, ich wollte ihn verwetten, wenn ich noch einen hätte – daß Alexia der bessere Maler von den Beiden ist. – Meines Sohnes Gehirn ist noch benebelt, glaube ich, seit seiner Niederlage – er hat den Pulverdampf von Worcester noch nicht herausgebracht. Pfui über Dich! – Ein junger Mann, und so ganz niedergebeugt, weil er einmal geschlagen worden. Wärest Du, wie ich, zwanzigmal geschlagen worden, da wär' es Zeit gewesen, ernsthaft auszusehn. – Aber komm, Alexia, weiter; die Farben sind einmal auf Deiner Palette gemischt – stelle etwas auf, das Vandyke's lebendigen Gemälden gleicht, da neben der trocknen langweiligen Abbildung unsers Ahnherrn Victor Lee.«

Wir müssen hier bemerken, daß Alexia von ihrem Vater in hohen, ja selbst übertriebenen Begriffen von der Unterthanstreute erzogen worden war, welche die Cavaliere auszeichnete, und daß sie wirklich eine Enthusiastin für die königliche Sache war. Ueberdies war sie noch aufgeregt wegen ihres Bruders glücklicher Heimkehr, und wünschte die fröhliche Laune zu verlängern, der sich seit Kurzem ihr Vater fast gar nicht mehr hingegeben hatte.

»Nun wohl denn,« sagte sie, »wenn ich auch kein Apelles bin, so will ich doch suchen, einen Alexander zu malen, so wie ich hoffe und zu glauben entschlossen bin, daß er in der Person unsers verbannten Fürsten zu finden ist, der hoffentlich bald wieder eingesetzt seyn wird. Und ich will nicht weiter gehen, als in seiner eigenen Familie. Er soll allen ritterlichen Muth, alle kriegerischen Talente Heinrichs von Frankreich, seines Großvaters, besitzen, um sich auf den Thron zu erheben, sein ganzes Wohlwollen, seine Liebe zu seinem Volke, seine Geduld selbst bei unerfreulichem Rath, dieselbe Aufopferung seiner eigenen Wünsche und Vergnügungen zum Besten des gemeinen Wohls, damit, wenn er auf demselben sitzt, er im Leben gesegnet werde, und man sich seiner so lange im Tode erinnere, daß es Jahrhunderte lang noch für Entweihung gelten wird, den Thron, den er eingenommen, mit einem Worte anzutasten. Noch lange nach seinem Tode, so lange noch ein alter Mann da ist, der ihn gesehen, und wäre dieser auch nichts weiter als ein Reitknecht oder ein Tagelöhner, soll derselbe auf öffentliche Kosten versorgt, und seine grauen Haare mit mehr Achtung betrachtet werden, als eine Grafenkrone, weil er sich des zweiten Karls erinnert, der alle Herzen in England beherrscht.«

Während Alexia sprach, war sie sich kaum der Gegenwart irgend eines Menschen, außer ihrem Vater und Bruder, bewußt; denn der Page zog sich etwas aus dem Kreise zurück, und es war nichts da, das sie an ihn erinnerte. Sie ließ daher ihrem Enthusiasmus den Zügel, und da ihr die Thränen im Auge schimmerten und ihre schönen Züge beseelt wurden, glich sie einem herabgestiegenen Cherub, der die Tugenden eines patriotischen Monarchen verkündet. Der, den die Beschreibung am meisten anging, hielt sich, wie schon gesagt, im Hintergrunde und verbarg sein Gesicht, doch so, daß er die schöne Sprecherin ganz im Auge behielt.

Albert Lee, wohl wissend, in wessen Gegenwart dies Lob ausgesprochen wurde, war in großer Verlegenheit; aber sein Vater, dessen gesammten Gefühlen durch diese Lobrede geschmeichelt wurde, war ganz entzückt.

»So weit der König, Alexia,« sagte er, »und nun den Menschen! «

»Was den Menschen betrifft,« erwiderte Alexia in demselben Tone, »brauche ich dem mehr zu wünschen als die Tugenden seines unglücklichen Vaters, von dem selbst seine schlimmsten Feinde sagen, daß wenn moralische Tugenden und religiöser Glaube als die Eigenschaften ausgewählt werden müßten, die eine Krone verdienen, Niemand auf den Besitz derselben in einem höheren oder unbestreitbareren Grade Anspruch machen könnte. Mäßig, weise, enthaltsam, aber glänzend freigebig in Belohnung des Verdienstes – ein Freund der Wissenschaften und Musen, aber streng gegen den Mißbrauch dieser Gaben – ein würdiger Edelmann – ein gütiger Herr – der beste Freund, der beste Vater, der beste Christ« – ihre Stimme fing an zu zittern, und ihr Vater hatte schon das Schnupftuch vor den Augen.

»Das war er, Mädchen – das war er,« rief Sir Heinrich, »aber nichts weiter, sage ich Dir – nichts weiter – genug; – wenn nur der Sohn seine Tugenden besitzt, dabei bessere Rathgeber und mehr Glück hat, so ist er Alles, was England in seinen wärmsten Wünschen nur verlangen kann.«

Es erfolgte eine Pause; denn es war Alexia'n, als hätte sie zu frei und eifrig für ihr Geschlecht und Alter gesprochen. Sir Heinrich war in melancholische Erinnerungen über das Schicksal seines ehemaligen Fürsten versenkt, indeß Kerneguy und sein vermeintlicher Patron sich verlegen fühlten, vielleicht aus dem Bewußtseyn, daß der wirkliche Karl von dem in so glühenden Farben gemalten Ideal weit entfernt war. In manchen Fällen wird übertriebenes oder unpassendes Lob die strengste Satyre.

Aber solche Betrachtungen waren nicht von einer Art, als daß der Mann, dem sie von großen Nutzen hätten seyn können, ihnen lange hätte Raum geben sollen. Er nahm einen scherzenden Ton an, was vielleicht die leichteste Weise ist, um dem Gefühl des Selbstvorwurfes zu entgehen. »Jeder Cavalier,« sagte er, »müsse sein Knie beugen, um Fräulein Alexia Lee zu danken, daß sie ein so schmeichelhaftes Bild von dem Könige, ihrem Herrn, entworfen, und dazu die Tugenden aller seiner Vorfahren zu Hülfe genommen habe; – nur ein Punkt sey, von dem er nicht erwartet hätte, daß eine Malerin ihn mit Stillschweigen übergehen würde. Als sie ihn, nach seinem Großvater und Vater, zu einem Muster menschlicher Vortrefflichkeit machte, hätte sie ihn da nicht zu gleicher Zeit mit den persönlichen Reizen seiner Mutter begaben können? – Warum sollte nicht der Sohn von Henriette Marie, der schönsten Frau ihrer Zeit, die Vorzüge eines schönen Aeußern zu den Eigenschaften seines Inneren hinzufügen können? – Er hätte dasselbe erbliche Recht auf ein gutes Aeußere wie auf geistige Vorzüge; und das Bild würde, mit einer solchen Zugabe, vollkommen in seiner Art seyn – Gott gebe dann nur, daß es ähnlich wäre.«

»Ich verstehe Sie, Herr Kerneguy,« sagte Alexia, »aber ich bin keine Fee, daß ich wie die in den Ammenmährchen Gaben ertheilen kann, welche die Vorsehung verweigert hat. Ich bin Mädchen genug, um Erkundigungen über diesen Gegenstand eingezogen zu haben, und ich weiß, es heißt allgemein, daß der König, als Sohn so schöner Eltern, ungewöhnlich häßlich ist.«

»Guter Gott, Schwester,« sagte Albert, indem er ungeduldig von seinem Sitze auffuhr.

»Je, das hast du mir ja selbst gesagt,« entgegnete Alexia, erstaunt über die Bewegung, die er äußerte, »und Du sagtest noch –«

»Das ist nicht auszustehen« murmelte Albert, »ich muß den Augenblick hinaus, um mit Josselin zu sprechen – Louis« (mit einem bittenden Blick auf Kerneguy) »Sie werden doch gewiß mitkommen?«

»Ich wollte herzlich gern,« sagte Kerneguy, boshaft lächelnd, »aber Sie sehen, wie lahm ich noch immer bin. – Ei, Albert,« flüsterte er, indem er den Bemühungen des jungen Lee widerstand, ihn aus dem Zimmer zu bringen, »können Sie mich für thöricht genug halten, daß mich dies verletzen sollte? Im Gegentheil, ich wünsche Nutzen daraus zu ziehen.«

»Das gebe Gott!« sagte Lee zu sich selbst, indem er aus dem Zimmer ging – »es wäre die erste Lehre, die Du je benutzt hättest, und hole der Henker die Pläne und Plänemacher, die mich antrieben, Dich hieher zu bringen.« Hiermit ging er mit seiner unzufriedenen Laune hinaus in den Park.


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