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Siebenzehntes Kapitel.


So laßt uns jetzt, wie Krieger auf der Wache,
Wohl unsre Brust umpanzern, gleich gerüstet
Zu Allem, was der Kriegsdienst mit sich bringt.

Johanne Baillie.

Der Leser wird sich erinnern, daß, als Rochecliffe und Joliff gefangen genommen worden, das Corps, das sie geleitete, noch zwei andere Gefangene hatte, den Obersten Everard nämlich und Se. Wohlehrwürden, Herrn Nehemias Holdenough. Als sie in dem Woodstocker Schloß hinein waren, und ihre Nachsuchungen nach dem flüchtigen Prinzen anstellten, wurden die Gefangenen in eine ehemalige alte Wachstube gebracht, die durch ihre Festigkeit zu einem Gefängniß recht passend war, und Pearson stellte eine Schildwache dabei. Licht war ihnen nicht gestattet, das von einem glimmenden Kohlfeuer ausgenommen. Die Gefangenen blieben von einander getrennt, indem Oberst Everard sich mit Nehemias Holdenough, in einiger Entfernung von Doktor Rochecliffe, Sir Heinrich Lee und Josselin unterhielt. Die Gesellschaft wurde bald durch Wildrake vermehrt, der ins Jagdschloß hinunter geschafft und mit so wenig, Umständen hineingeschoben wurde, daß er, da ihm die Arme gebunden waren, beinahe mitten im Gefängnisse auf die Nase gefallen wäre.

»Ich danke Dir, guter Freund,« sagte er nach der Thür zurücksehend, die von denen, die ihn hineingeschoben hatten, wieder verschlossen wurde. – »Ohne Umstände – wie brauchen keine Entschuldigung, daß wir stolpern, wenn wir nur in gute Gesellschaft gerathen. – Gott grüße Euch! Gott grüße Euch, Ihr Herren alle! – Was! auf den Tod und nichts rührt sich, daß wir uns munter erhalten, und uns eine lustige Nacht machen? – vermuthlich die letzte, die wir haben werden; denn ich wette einen Kreuzer gegen eine Million, wir zieren morgen den Galgen. – Gönner! – edler Gönner, wie geht es? Das war ein schlechter Streich von Oliver, so weit es Dich betrifft, ich für meine Person habe denn schon etwas dergleichen von seinetwegen verdient.«

»Ich bitte Dich, Wildrake, setz Dich,« sagte Everard, »Du bist betrunken – störe uns nicht.«

»Betrunken! ich betrunken!« rief Wildrake. »Ich habe mir nur einen tüchtigen Strick zusammengeflochten, wie Jack zu Wapping sagt – ich habe Olivers Branntwein in einem Becher auf des Königs Gesundheit gekostet, und den andern auf das Verderben Sr. Excellenz, und noch einen auf die Vernichtung des Parlaments – und vielleicht auch wohl noch einen oder zwei, aber Alle zu verteufelt guten Gesundheiten. Aber betrunken bin ich nicht.«

»Ich bitte Dich, Freund, rede nicht gottlos,« sagte Nehemias Holdenough.

»Was, mein kleiner presbyterianischer Pfarrer, mein schlankes Pfäfflein? Du wirst auch gleich der Welt Amen sagen« – entgegnete Wildrake. »Ich habe doch eine schlimme Zeit darin gehabt. – Aha! edler Sir Heinrich, ich küsse Ihnen die Hand – ich sage Dir, Ritter, die Spitze meiner Toledoklinge war den Abend so nah an Cromwell's Herzen, wie nur der Knopf an seinem Wamms. Hol ihn der Teufel, er trägt eine verborgene Rüstung. – Er ein Soldat! Wäre das verwünschte Panzerhemde nicht gewesen, ich hätte ihn aufgespießt wie eine Lerche. – Aha! Doktor Rochecliffe – nun, Du weißt, daß ich meine Waffe zu führen verstehe.«

»Ja,« erwiederte der Doktor, »und Sie wissen auch, daß ich mit meiner umzugehen weiß.«

»Ich bitte, seyn Sie still,« sagte Sir Heinrich.

»Ei, guter Ritter,« antwortete Wildrake, »seyn Sie doch etwas herzlicher mit einem Kameraden in der Noth. Das ist jetzt ein ander Ding, als der Brentforder Sturm. Die alte Hexe, das Glück, ist eine wahre Stiefmutter gegen mich gewesen, ich will Ihnen ein Lied vorsingen, das ich auf mein eigenes Unglück machte.«

»In diesem Augenblick sind wir eben nicht in der Laune zu singen, Kapitain Wildrake,« sagte Sir Heinrich höflich und ernst.

»Ei, das unterstützt Sie in Ihrer Andacht. – Sapperment! es klingt wie ein Bußpsalm.«

      Als ich war ein junger Fant,
      Hab das Glück ich, nie gekannt,
Thu' ich gut, ist's nicht ein Wunder!
      Als ich Alles nun verspielt,
      Mich bei Weibern abgekühlt,
Hielt der Krieg mich nur noch munter.

      Strümpfe hab' ich, das ist wahr,
Hols der Teufel, Schuh' kein Paar,
Muß Euch Stiefeln immer tragen.
Teufel, nimm nun auch die Sohl'
Sporenräder dazu hol',
Kannst ins Oberleder schlagen.

Die Thür ging auf, als Wildrake eben diese Stanze, so laut er nur konnte, sang, und hinein stürzte eine Schildwache, die ihn mit dem Titel: »lästernder, brüllender Ochs von Baschan begrüßte, und dem Sänger einen derben Schlag mit seinem Pallasch über die Schultern versetzte, indeß seine Bande ihm nicht erlaubten, das Kompliment zu erwiedern.

»Abermals Ihr unterthäniger Diener,« sagte Wildrake, die Achselzuckend, »es thut mir leid, daß ich Ihnen meine Dankbarkeit nicht beweisen kann. Ich bin verbunden, Frieden zu erhalten, wie Kapitain Bobadil – Ha, Ritter! hörten Sie nicht, wie meine Knochen knackten? das klappte einmal – der Kerl könnte in Gegenwart des Großherrn die Bastonade ertheilen – der findet keinen Gefallen an der Musik, Ritter! – Der wird nicht bewegt durch »den Einklang süßer Töne.« Ich stehe dafür, der ist geschickt zu Verrath, Arglist und Raub – He! – Alles stumm – nun gut – ich will mich auf eine Bank schlafen legen, wie ich's manche Nacht gethan habe, da bin ich doch morgen bereit anständig gehangen zu werden, und das ist mir in meinem ganzen Leben noch nicht begegnet –

Als ich war ein junger Fant,
Hab das Glück ich, nie gekannt –

Pah! das ist die Melodie nicht.« Hier schlief er fest ein, und früher oder später folgten alle seine Unglücksgefährten seinem Beispiel.

Die Bänke, die zum Ausruhen der wachthabenden Soldaten bestimmt gewesen waren, gewährten den Gefangenen Bequemlichkeit genug, sich niederzulegen, obwohl, wie man leicht denken kann, ihr Schlummer weder fest noch ungestört war. Aber als der Tag erst ein wenig angebrochen war, hätte der Knall des auffliegenden Schießpulvers und das Einstürzen des Thurmes, bei dem die Mine angewandt wurde, wohl die Siebenschläfer oder Morpheus selber geweckt. Der Rauch, der durch die Fenster drang, ließ sie wegen der Ursache des Geräusches nicht lange in Zweifel.

»Da ging mein Schießpulver hin,« sagte Rochecliffe, »das hat gewiß so viele rebellische Buben in die Luft gesprengt, als es ihrer außerdem in einer ehrlichen Schlacht hätte zerstören können. Es muß durch Zufall Feuer gefangen haben.«

»Durch Zufall? nein,« sagte Sir Heinrich, »verlassen Sie sich drauf, mein kühner Albert hat es angezündet, und Cromwell fliegt mit jenem Knall zum Himmel, dessen Zinnen er nie erreichen wird. – Ach, mein braver Junge, und vielleicht bist Du selbst hingeopfert, wie ein jugendlicher Simson unter den rebellischen Philistern. – Aber ich komme Dir bald nach, Albert.«

Everard eilte zur Thür, indem er hoffte von der Wache, der sein Name und Rang bekannt seyn konnte, einige Erklärung des Geräusches zu erhalten, das eine fürchterliche Katastrophe zu verkünden schien.

Aber Nehemias Holdenough, dessen Ruhe durch die Trompete unterbrochen worden war, die das Zeichen zum Aufgehen der Mine gab, schien das höchste Grauen zu empfinden, – »Es ist die Posaune des Erzengels!« rief er – »es ist das Zertrümmern dieser Welt der Elemente – es ist der Ruf zum Richterstuhl! die Todten gehorchen dem Rufe – sie sind bei uns – sie sind mitten unter uns – sie erheben sich in körperlicher Gestalt – sie kommen uns zu mahnen!« –

Wie er so sprach, blieben seine Augen fest auf Doktor Rochecliffe geheftet, der ihm gerade gegenüber stand. Beim schnellen Aufstehen war das Käppchen, das er gewöhnlich trug, einer damals sowohl im geistlichen als Civilstande üblichen Sitte gemäß, ihm vom Kopfe gefallen, und hatte das große seidene Pflaster mit fortgenommen, das er vermuthlich trug um sich zu verstellen, denn der Backen hatte keine Narbe, und das Auge war so gesund als das andere.

Als Oberst Everard von der Thür zurückkam, versuchte er umsonst Herrn Holdenough begreiflich zu machen, was er von der Wache draußen gehört, daß nämlich der Knall nur den Tod von einem Soldaten Cromwell's zur Folge gehabt. Der presbyterianische Geistliche fuhr fort, wild auf den von der bischöflichen Parthei hinzustarren.

Aber Doktor Rochecliffe hörte und verstand die von Oberst Everard gebrachte Nachricht, und von der augenblicklichen Angst befreit, die ihn auf seinen Sitz gefesselt hatte, näherte er sich dem zurücktretenden Calvinisten, und streckte ihm seine Hand auf das freundschaftlichste entgegen. »Hinweg – hinweg!« – sagte Holdenough, »die Lebenden sollen nicht ihre Hände in die der Todten legen.«

»Aber ich,« sagte Rochecliffe, »bin ja so lebendig wie Du.«

»Du lebendig! – Du! Joseph Albany, den ich mit meinen Augen von den Zinnen des Schlosses Clidesthrow hinabstürzen sah?«

»Ja,« antwortete der Doktor, »aber Du sahst mich nicht über einen mit Schilf bedeckten Sumpf ans Ufer schwimmen – fugit ad salices – auf eine Weise, die ich Dir ein Andermal erklären will.«

Zweifelnd und ungewiß berührte Holdenough seine Hand. »Wahrlich Du bist warm und lebendig,« sagte er, »und doch nach so vielen Streichen, nach einem so fürchterlichem Fall – Du kannst mein Joseph Albany nicht seyn.«

»Ich bin Joseph Albany Rochecliffe,« sagte der Doktor, »dies geworden, kraft eines kleinen Guts meiner Mutter, das durch Geldbußen und Confiscationen ganz draufgegangen ist.«

»Und ist es denn wahr!« sagte Holdenough, »und habe ich meinen alten Stubenburschen wieder?«

»Ja freilich,« erwiederte Rochecliffe, »so gewiß ich Dir im Spiegelzimmer erschien. – Du warst so unerschrocken, Nehemias, daß unser ganzer Plan hätte scheitern müssen, wäre ich Dir nicht in der Gestalt eines abgeschiedenen Freundes erschienen. Aber, glaube mir, es ging mir nahe, das zu thun.«

»Pfui, pfui über Dich,« sagte Holdenough, indem er sich in seine Arme warf und ihn an seine Brust drückte, »Du warst immer ein Erzschelm. Wie konntest Du mir einen solchen Streich spielen? – Höre doch, Albany, denkst Du wohl noch an Doktor Purefoy und an die Cajusschule?

»Freilich, ich werde doch,« sagte der Doktor, indem er den presbyterianischen Geistlichen unter den Arm nahm, und ihn auf einen Sitz ein wenig entfernt von den andern Gefangenen führte, welche diese Scene mit großer Ueberraschung ansahen. »Ob ich an die Cajusschule denke?« sagte Rochecliffe, »ei und an das gute Bier, das wir tranken, und an unsre Ausflüge zur Mutter Huff-cap.«

»O, Eitelkeit der Eitelkeit, sagte Holdenough, indem er zugleich freundlich lächelte, und noch immer seines wieder erlangten Freundes Arm und Hand mit den seinigen verschlungen hielt.

»Aber wie wir des Principals Obstgarten so geschickt erbrachen,« sagte der Doktor; »das war der erste Streich, den ich ausführte, und es kostete mir viele Mühe, Dich dazu zu vermögen.«

»O nenne diese Gottlosigkeit nicht,« sagte Nehemias, »denn ich kann wohl wie der fromme Herr Baxter sagen, daß diese Knabenstreiche ihre Strafe in späteren Jahren gefunden haben; insofern diese ungeregelte Liebe zum Obste Magenbeschwerden verursacht hat, an denen ich noch jetzt leide.«

»Wahr, wahr, lieber Nehemias,« sagte Rochecliffe, »aber laß es gut seyn – ein Schnäpschen macht das Alles wieder gut. Herr Baxter war« – er wollte eben sagen ein Esel, doch besann er sich noch und füllte den Satz so aus, »ein guter Mann, ganz gewiß, nur zu gewissenhaft.«

So saßen sie als die besten Freunde zusammen, und sprachen eine halbe Stunde lang mit gegenseitigem Entzücken alte Schulgeschichten wieder durch. Nach und nach geriethen sie auf die politischen Ereignisse ihrer Zeit, und ob sie gleich nun ihre Hände los ließen, und zuweilen dergleichen Ausdrücke vorkamen, als: »Nein, lieber Bruder,« und »hierin muß ich nothwendig von Dir abweichen,« und »über diesen Punkt muß ich um Erlaubniß bitten zu meinen,« so stimmten sie doch, da sich ein Geschrei gegen die Independenten und andere Sektirer erhob, gleich Brüdern einen Ton an, und es war schwer zu errathen, wer der eifrigste war. Unglücklicherweise wurde im Lauf dieses freundschaftlichen Verkehrs etwas über die Bischoffswürde des Titus erwähnt, was sie auf einmal in einen Streit über kirchliche Regierung verwickelte. Nun öffneten sich leider die Schleusen und sie regneten griechische und hebräische Texte aufeinander, indeß ihre Augen flammten, ihr Gesicht glühte, ihre Hände sich ballten und sie mehr grimmigen Polemikern glichen, die im Begriff sind einander die Augen auszureißen, als christlichen Geistlichen.

Roger Wildrake suchte, indem er dem Streite zuhörte, die Heftigkeit desselben zu erhöhen, und nahm sehr entschiedenen Theil an einer Frage, deren Werth oder Unwerth ihm völlig unbekannt war. Etwas eingeschüchtert durch Holdenough's allzeit fertige Redekunst und Gelehrsamkeit, lauerte der Cavalier ängstlich auf den Ausdruck in Doktor Rochecliffe's Gesicht; aber als er das stolze Auge und das feste Benehmen des bischöfflichen Kämpfers sah, und ihn griechisch mit griechisch und hebräisch mit hebräisch beantworten hörte, unterstützte er seine Argumente, so wie er sie schloß, durch einen derben Schlag auf die Bank und ein frohlockendes Lachen in das Gesicht des Gegners. Mit einiger Mühe gelang es Sir Heinrich und dem Obersten Everard, die sich endlich wider Willen einmischten, die beiden erbitterten Freunde zu vermögen, ihren Streit aufzuschieben, wobei sie sich zugleich von einander entfernten, und sich mit Blicken ansahen, in denen die alte Freundschaft ganz einer gegenseitigen Erbitterung gewichen zu seyn schien.

Aber während sie so da saßen, einander grollend, und voll Verlangen einen Streit zu erneuern, worin Jeder sich den Sieg zuschrieb, trat Pearson in das Gefängniß und forderte mit leiser, unsicherer Stimme die darin befindlichen Personen auf, sich augenblicklich zum Tode zu bereiten.

Sir Heinrich Lee empfing dies Urtheil mit der ernsten Fassung, die er bisher immer gezeigt. Oberst Everard versuchte eine nachdrückliche Appellation an das Parlament gegen das Urtheil des Kriegsgerichts geltend zu machen. Aber Pearson weigerte sich, irgend eine solche Vorstellung anzunehmen oder weiter zu befördern, erneuerte mit niedergeschlagenem Blick und einem Unglück weissagenden Gesicht seine Ermahnung, sich zur Mittagsstunde dazu vorzubereiten, und entfernte sich aus dem Gefängnisse.

Die Wirkung, die diese Nachricht auf die beiden geistlichen Streiter machte, war auffallender. Sie blickten einander einen Augenblick an, mit Augen, in denen reuiges Wohlwollen und ein Gefühl edler Schaam jede noch zögernde Empfindlichkeit erstickte, und mit dem gegenseitigen Ausruf: »Mein Bruder – mein Bruder, ich habe gesündigt, ich habe gesündigt, daß ich Dich beleidigte!« stürzten sie einander in die Arme, vergossen Thränen, indem sie einander um Verzeihung baten, und gleich zwei Kriegern, die einen persönlichen Streit aufopfern, um ihrer Pflicht gegen den gemeinsamen Feind zu genügen, riefen sie die edleren Vorstellungen von ihrem heiligen Berufe zurück, und die Rolle annehmend, die sich bei einer so traurigen Gelegenheit für sie am Besten schickte, ermahnten sie nun ihre Umgebungen, dem ihnen angekündigten Urtheil mit der Festigkeit und Würde zu begegnen, welche das Christenthum allein geben kann.


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