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Sechstes Kapitel.


Halt! – Denn der König hat hin seinen Stab geworfen.

Richard II.

Die Kämpfer thaten einige Gänge, dem Anschein nach mit gleicher Geschicklichkeit und gleichem Muthe. Karl war zu oft im Kampf, und zu lange sowohl Theilnehmer als ein Opfer des Bürgerkriegs gewesen, um etwas Neues oder Ueberraschendes daran zu finden, daß er sich selbst vertheidigen mußte, und Everard hatte sich sowohl durch seine persönliche Tapferkeit, als die Eigenschaften eines Befehlshabers ausgezeichnet. Aber die Ankunft eines Dritten verhinderte den tragischen Ausgang eines Kampfes, in welchem das Glück eines Jeden ihm viel Veranlassung gegeben hätte, seinen Sieg zu bereuen.

Es war der alte Ritter selbst, der auf einem Buschklepper angeritten kam; denn der Krieg und die Sequestration hatten ihm kein besseres Roß übrig gelassen. Er stürzte zwischen die Kämpfenden, und gebot ihnen bei ihrem Leben innezuhalten. Sobald er sich durch einen Blick von Einem zum Andern überzeugt hatte, mit wem er es zu thun habe, fragte er, »ob die Teufel von Woodstock, worüber die Leute so viel sprächen, in sie Beide gefahren wären, daß sie innerhalb des Burgfriedens des königlichen Geheges auf einander loshieben? Laßt Euch Beide sagen,« fuhr er fort, »daß, so lange der alte Heinrich Lee in Woodstock ist, die Vorrechte des Parks erhalten werden sollen, wie wenn der König noch auf dem Throne säße. Hier soll Niemand Zweikampf halten, ausgenommen die Hirsche in der Brunstzeit. Steckt Beide ein, oder ich fahre als Dritter dazwischen, und werde mich vielleicht als den schlimmeren Teufel erweisen! – Wie Wilhelm sagt –

»Zudecken will ich Euch und Eure Klingen,
Daß Ihr schier glaubt, es sey der Teufel selbst.«

Die Kämpfer standen ab von weiteren Gängen, sahen aber einander finster an, wie Menschen in einer solchen Lage thun, wo Keiner gern das Ansehen haben will, den Frieden mehr als der Andere zu wünschen, und daher nicht geneigt ist, das Schwert zuerst in die Scheide zu stecken.

»Steckt Eure Waffen ein, Ihr Herren, auf der Stelle, « sagte der Ritter in noch gebieterischern Tone, »Ihr alle Beide, oder Ihr habt es mit mir zu thun, das versichere ich Euch. Ihr könnet Gott danken, daß die Zeiten sich verändert haben. Ich habe sie so gekannt, daß Eure Frechheit jedem von Euch die Hand hätte kosten können, wenn dieselbe nicht mit einer runden Summe wieder ausgelöst worden wäre, – Neffe, wenn Ihr mich nicht für immer aufbringen wollt, so gebiete ich Euch, sogleich einzustecken. – Herr Kerneguy, Sie sind mein Gast, ich ersuche Sie, mir nicht den Schimpf anzuthun, da mit Ihrem gezogenen Schwerte zu bleiben, wo es meine Pflicht ist, darauf zu sehen, daß der Friede erhalten werde.«

»Ich gehorche Ihnen, Sir Heinrich,« sagte der König, indem er sein Schwert einsteckte – »weiß ich doch in der That kaum, warum ich von diesem Herrn hier angefallen wurde. Niemand ehrt, das versichere ich Ihnen, des Königs Person oder seine Privilegien mehr als ich, obwohl die Ehrerbietung etwas aus der Mode gekommen ist.«

»Wir werden schon einen Ort finden, um uns wieder zu treffen, Herr, wo weder die Person des Königs noch seine Vorrechte beleidigt werden können,« erwiederte Everard.

»Wahrhaftig! das möchte schwer seyn,« sagte Karl, der unfähig war, den Scherz, der sich ihm darbot, zu unterdrücken. – »Ich meine, der König hat so wenig Anhänger, daß der Verlust eins der geringsten unter ihnen, immer noch ein kleiner Schade für ihn seyn dürfte; doch will ich mich über das Alles hinaussetzen, und mit Ihnen da zusammenkommen, wo freies Feld zur Flucht für einen armen Cavalier sich findet, wenn er Sieger im Kampfe ist. «

Sir Heinrich Lees erster Gedanke war die Beleidigung gewesen, die dem königlichen Jagdgehege wiederfuhr. Jetzt fing er an, sie auf die Sicherheit seines Verwandten und des jungen Königlichen, für den er ihn hielt, zu verwenden. »Meine Herren,« sagte er, »ich muß darauf bestehen, daß die Sache zu Ende kommt, Neffe Markham, ist dies Euer Dank für meine Willfährigkeit, auf Eure Aufforderung nach Woodstock zurück zu kommen, daß Ihr eine Gelegenheit ergreift, meinem Gaste die Kehle abzuschneiden?«

»Wenn Sie seine Absicht so kennten, wie ich« – sagte Markham, und hielt dann inne, in dem Gefühl, daß er seinen Oheim aufbringen könne, ohne ihn zu überzeugen, indem Alles, was er von Kerneguy's Bewerbungen um Alexia sagen konnte, wahrscheinlich seinem eigenen eifersüchtigen Verdacht beigemessen werden dürfte – er schlug also die Augen nieder und war still.

»Und Sie, Herr Kerneguy, können Sie mir irgend einen Grund angeben, warum Sie diesem jungen Manne, an dem ich, obwohl er unglücklicher Weise seine Unterthanstreue und Pflicht vergessen, doch noch als an meinem leiblichen Neffen Theil nehmen muß, nach dem Leben stehen?«

»Ich wußte nicht, daß der Herr diese Ehre genoß, was ihn gewiß vor meinem Schwerte sicher gestellt hätte. Aber den Streit hat er angefangen, auch kann ich nicht angeben warum, es müßte denn wegen unsrer verschiedenen politischen Meinungen seyn.«

»Sie wissen das Gegentheil,« sagte Everard, »Sie wissen recht wohl, daß ich Ihnen erklärte, als ein flüchtiger Königlichgesinnter hätten Sie nichts von mir zu besorgen – und ihre letzten Worte zeigten, daß Ihnen meine Verwandtschaft mit Sir Heinrich keineswegs unbekannt war. Das ist übrigens von keiner Bedeutung. Ich würde mich herabwürdigen, wenn ich die Verwandtschaft als Schutzmittel gegen Sie oder irgend Einen gebrauchen wollte.«

Während sie so stritten und Keiner Lust hatte, die wahre Ursache des Streits anzugeben, sah Sir Heinrich von Einem auf den Andern mit einem friedemachenden Gesicht und rief:

»Sagt, welch verwickelt Hinderniß ist dies?
Ich mein', Ihr Beide trankt aus Circe's Schale.«

Kommt, Ihr jungen Herren, laßt einen alten Mann den Vermittler zwischen Euch machen. Ich bin nicht kurzsichtig in solchen Dingen – die Mutter alles Bösen ist nicht größer als ein Mückenflügel, und es sind mir wohl funfzig Beispiele in meinem Leben vorgekommen, wo, wie Wilhelm sagt –

Tapfre Ritter mit einander kämpften,
Mann gegen Mann, Faust gegen Faust –

und wo, nachdem der Streit ausgefochten war, sich Keiner der Veranlassung des Zanks erinnern konnte. – Stille! dazu gehört eine große Kleinigkeit – das Obenangehen – oder das Anstoßen mit der Schulter, wenn man bei einem Andern vorübergeht, oder ein übereiltes Wort, oder eine falschverstandene Geberde. – Kommt, vergeßt die Ursache Eures Zankes, es mag seyn was es will, Ihr habt Euch eine Bewegung gemacht, und wenn Ihr gleich Eure Degen ohne Blut wieder einsteckt, so war das nicht Eure Schuld, sondern es geschah auf Befehl eines Aelteren, der ein Recht hatte, sein Ansehn zu gebrauchen. In Malta, wo man es doch mit dem Zweikampf sehr genau nimmt, sind die darin begriffenen Personen verbunden, auf Befehl eines Ritters, eines Priesters oder einer Dame inne zu halten, und der so unterbrochene Streit gilt für eben so ehrenvoll abgemacht, als der andere, und kann nicht wieder angefangen werden. – Neffe, mich dünkt, es ist unmöglich, daß Ihr einen Groll gegen diesen jungen Herrn haben solltet, weil er für seinen König gefochten hat. Hört meinen ehrlichen Vorschlag, Markham – Ihr wißt, ich hege keinen Groll, obwohl ich einige Ursach hätte, bös auf Euch zu seyn. – Gebt dem jungen Manne freundschaftlich Eure Hand, und wir wollen alle drei mit einander ins Jagdschloß zurück, und zum Pfande der Aussöhnung ein Glas Sekt mit einander trinken.«

Markham Everard fühlte sich unfähig, dieser wieder erwachten Güte von Seiten seines Oheims zu widerstehen. Er vermuthete freilich, was zum Theil auch der Fall war, daß es nicht ganz aus wiedererwachtem Wohlwollen geschah, sondern auch, daß sein Oheim durch eine solche Aufmerksamkeit sich wenigstens seine Neutralität, wenn nicht seinen Beistand für die Sicherheit des flüchtigen Königlichgesinnten zu sichern meinte. Er fühlte, daß er in einer wunderlichen Lage sey, und daß er den Verdacht seiner eigenen Parthei auf sich ziehen könnte, wenn er mit einem nahen Verwandten verkehrte, der solche Gäste habe. Andererseits aber meinte er, die Dienste, die er der Republik geleistet, wären bedeutend genug, um Alles zu überwiegen, was der Neid hierüber vorbringen könnte. In der That, obwohl der Bürgerkrieg die Familien sehr und auf mannichfache Weise entzweit hatte, so fing doch die Wuth des politischen Hasses an nachzulassen, als er mit dem Triumphe der Republikaner geendet schien, und die alten Bande der Verwandtschaft und Freundschaft gewannen wenigstens einen Theil ihres Einflusses wieder. Viele Verbindungen wurden wieder neu geschlossen, und solche, die wie Everard, der siegenden Parthei anhingen, bemühten sich oft, ihre abgefallnen Verwandten zu schützen.

Während diese Dinge ihm durch den Sinn gingen, in Verbindung mit der Aussicht auf einen neuen Umgang mit Alexia Lee, wodurch er bei der Hand seyn könnte, um sie gegen Unehre oder Beleidigung zu schützen, reichte er dem vermeintlichen schottischen Pagen die Hand und sagte zugleich: »er für seinen Theil sey vollkommen bereit, die Ursache des Streits zu vergessen, oder ihn vielmehr als aus einem Mißverständniß entsprungen zu betrachten, und Herrn Kerneguy eine Freundschaft anzubieten, die unter ehrliebenden Männern bestehen könne, wenn sie auch verschiedene Partheien in der Politik ergriffen hätten.«

Unfähig das Gefühl persönlicher Würde zu überwältigen, das die Klugheit ihm zu vergessen empfahl, verneigte sich Louis Kerneguy dagegen, doch ohne Everards dargebotene Hand anzunehmen.

»Er für seine Person,« sagte er, »brauche sich gar nicht anzustrengen, die Ursache des Streits zu vergessen; denn er sey noch gar nicht im Stande gewesen, sie zu begreifen. So wie er indes der Empfindlichkeit des Herrn nicht aus dem Wege gegangen sey, so sey er auch jetzt geneigt, den Grad des Wohlwollens, mit dem es ihm belieben möchte, ihn zu beehren, anzunehmen und zu erwiedern.«

Everard zog seine Hand lächelnd zurück und verneigte sich auf den Gruß des Pagen, dessen steifes Benehmen bei seinem Entgegenkommen er der stolzen Empfindlichkeit eines jungen Schotten zuschrieb, der in hohen Begriffen von der Wichtigkeit seiner Familie und seiner eigenen Person auferzogen worden ist, welche seine geringe Bekanntschaft mit der Welt bis jetzt noch nicht völlig habe zerstreuen können.

Sir Heinrich Lee, sehr erfreut, daß der Streit beigelegt war, was er der tiefen Achtung für sein Ansehen zuschrieb, und dem die Gelegenheit nicht unlieb war, die Bekanntschaft mit seinem Neffen zu erneuen, an dem er, ungeachtet seiner politischen Vergehungen, wärmeren Antheil nahm, als er es sich vielleicht selbst gestehen mochte, sagte mit tröstendem Tone: »Rechnets Euch nicht zur Schande, Ihr jungen Herrn – ich versichere Euch, es ging mir zu Herzen, Euch zu trennen, als ich Euch so aus reiner Liebe zur Ehre, ohne boshafte oder blutdürstige Gedanken, so schön fechten sah. Ich versichere Euch, ohne meine Pflicht als Aufseher hier und als Geschworner, hätte ich lieber Euer Schiedsrichter seyn, als Euch hindern mögen. – Aber ein beigelegter Streit ist ein vergessener, und Euer Fechten sollte auch keine weiteren Folgen haben, als etwa den Appetit, den es in Euch erregt haben kann.«

Hiermit bestieg er seinen Klepper und ritt im Triumph die nächste Allee nach dem Jagdschlosse zu. Seine Füße berührten beinah die Erde, der Ballen des großen Zehes ruhte im Steigbügel – der Vordertheil des Schenkels umschloß den Sattel – die Fersen auswärts und so viel als möglich gesenkt – der Körper schnurgerade – die Zügel schulgerecht und der Vorschrift nach in der linken Hand vertheilt, indeß die Rechte eine Reitgerte, in diagonaler Richtung nach des Pferdes linkem Ohre zu, hielt – so glich er einem Helden der Reitbahn, fähig den Bucephalus selbst zu bändigen. Seine jungen Begleiter, die ihm gleichsam als Stallmeister zu beiden Seiten gingen, konnten kaum ein Lächeln über die schulgerechte, systematische Haltung des Reiters unterdrücken, die so ganz im Widerspruch mit dem rohen und kleinen Klepper, seinem haarigen Fell und langem Schweif und Mähne stand, indeß seine scharfen Augen, wie glühende Kohlen unter seinen buschigen Haaren hervorleuchteten, die über das kleine Gesicht herab fielen. Wenn der Leser des Herzogs von Newcastle Buch über die Reiterkunst (splendida moles) bei der Hand hat, so kann er sich einen Begriff von der Gestalt des guten Ritters machen, wenn er sich eine solche Gestalt wie einen der dort abgebildeten Reiter in aller Zierlichkeit seiner Kunst auf einem Klepper aus Wales oder Exmoor in seinem rohen Zustande, ohne im geringsten zugeritten zu seyn, vorstellen kann, wobei das Lächerliche der Erscheinung noch sehr durch das Mißverhältniß in der Größe des Thieres und des Reiters erhöht wurde.

Vielleicht bemerkte der Ritter ihre Verwunderung, denn die ersten Worte, die er sagte, waren: »Pixie ist zwar klein, aber voll Feuer, Ihr Herren – (hier versuchte er, ob Pixie nicht diese Behauptung durch einen Sprung würde bestätigen wollen) er ist klein, aber gar munter – ich bin nur etwas zu groß für einen Elfenreiter (der Ritter war über sechs Fuß hoch), sonst würde ich mir, wenn ich ihn besteige, wie der Elfenkönig vorkommen, wie Mike Drayton ihn beschreibt:

»Drauf sich auf einen Ohrwurm schwang,
Doch fest zu sitzen kaum gelang,
Weil gar zu hoch das Würmlein sprang
      Eh' fest er saß im Bügel.
Er hielt ihn an, da bäumt er sich,
Im Trab, Galopp kein Roß ihm glich,
Schnell seinem Fuß der Boden wich,
      Es schien, als hätt' er Flügel.«

»Mein alter Freund Pixie,« sagte Everard, indem er des Kleppers Hals klopfte, »es freut mich, daß er alle diese unruhigen Tage überlebt hat – Pixie muß ja über zwanzig Jahr alt seyn, Sir Heinrich.«

»Ueber zwanzig Jahr ganz gewiß. Ja, Neffe Markham, der Krieg ist wie ein Wirbelwind in einer Pflanzung, er schont nur das, was am wenigsten der Mühe werth ist. Der alte Pixie und sein alter Herr haben manchen schlanken Burschen überlebt, und manches größere Pferd – obwohl keiner von beiden für sich viel zu brauchen ist. Doch, wie Wilhelm sagt, ein alter Mann kann immer noch etwas thun. – So leben denn also der alte Pixie und ich noch immer.«

Wie er das sagte, gab er sich wieder Mähe, Pixien einige Spuren seiner früheren Gewandtheit zeigen zu lassen.

»Leben noch?« sagte der junge Schotte, indem er den Satz fortsetzte, den der gute Ritter unvollendet gelassen hatte – »ja, ja, leben noch

»Uns zu ergötzen stets durch edle Reiterkunst.«

Everard erröthete, denn er fühlte den Spott, doch nicht so sein Oheim, dessen einfache Eitelkeit ihm nie erlaubte, an der Aufrichtigkeit eines Compliments zur zweifeln.

»Merken Sie das?« sagte er. »Zu König Jakobs Zeiten freilich, da erschien ich auf dem Turnier-Platze, und Sie hätten sagen können:

»Ihr seht den jungen Heinrich da mit off'nem Helm«

was aber den alten Heinrich betrifft, je nun« – hier hielt der Ritter inne, und sah aus, wie ein schüchterner Mann, der sich plagt, um ein Wortspiel zu machen – »was den alten Heinrich betrifft – je nun, da möchte man wohl eben so gern den Teufel sehen wollen. Versteht mich recht, Herr Kerneguy – Ihr wißt doch, der Teufel ist mein Namensvetter – ha ha ha! – Neffe Everard, ich hoffe, Ihr werdet doch nicht stutzig werden über einen unschuldigen Scherz?«

Der Beifall seiner beiden Gefährten erfreute ihn so, daß er die berühmte eben angedeutete Stelle ganz hersagte, und damit schloß, daß er das gegenwärtige Zeitalter herausforderte, wenn es alle seine Witzlinge, Donne, Cowley, Waller und alle Uebrigen zusammen nähme, einen Dichter hervorzubringen, der nur den zehnten Theil so viel Genie hätte als der alte Wilhelm,

»Ei, es heißt ja, wir haben einen seiner Nachkommen unter uns – Sir William D'Avenant,« sagte Louis Kerneguy; »und Manche halten ihn für einen eben so artigen Burschen.«

»Was!« rief Sir Heinrich, »William D'Avenant, den ich im Norden kannte, ein Offizier unter Newcastle, als der Marquis vor Hull lag? – ja das war ein ehrlicher Cavalier, der ganz leidliche Knittelverse schrieb; aber wie kam er denn dazu, verwandt mit Wilhelm Shakespeare zu seyn?«

»Je nun,« erwiederte der junge Schotte, »auf eine unbezweifelte Weise, nach der alten Mode, wenn nämlich D'Avenant die Wahrheit sagt. Seine Mutter war eine wohlgebildete, muntere, lustige Gastwirthin zwischen Stratford und London, bei der sich Shakespeare oft einquartierte, wenn er in seine Vaterstadt ging, und aus Freundschaft und Gevatterschaft, wie wir in Schottland sagen, wurde Shakespeare Pathe von William D'Avenant; doch nicht zufrieden mit dieser geistigen Verwandtschaft, macht der jüngere Wilhelm auch Anspruch auf eine natürliche und behauptet, seine Mutter sey eine große Verehrerin des Witzes gewesen, und ihre Gefälligkeit für Leute von Genie habe keine Gränzen gekannt.«

»Pfui über den Hund!« sagte Oberst Everard, »will der den Ruf, als stamme er von einem Dichter oder von einem Prinzen ab, auf Kosten des guten Namens seiner Mutter erkaufen – dem sollte die Nase aufgeschlitzt werden.«

»Das möchte schwer seyn,« antwortete der verkleidete Prinz, der sich des Gesichts des Barden eben erinnerte.

»Wilhelm D'Avenant, der Sohn von Wilhelm Shakespeare!« sagte der Ritter, der sich noch nicht von seinem Erstaunen über die ungeheuren Ansprüche erholt hatte; »je das erinnert mich an einen Vers im Puppenspiele Phaeton, wo sich der Held gegen seine Mutter beklagt –

»Des Dorfes Knabenbrut behandelt mich mit Hohn.
Du wärst der Sonne Sohn? Du Schuft und H-sohn Dieser Vers befindet sich auch in Fielding's Posse Tumble down Dick, die sich auf dieselbe klassische Erzählung gründet. Da er zur Zeit der Republik sehr bekannt war, so hat ihn vermuthlich Fielding von daher durch mündliche Ueberlieferung – denn den gegenwärtigen Verfasser wird wohl Niemand dieses Anachronism wegen in Verdacht haben. Anm. d. Verf.

»Hab ich doch in meinem Leben keine so unverschämte Keckheit gesehen – Wilhelm D'Avenant, der Sohn des beßten und glänzendsten Dichters, der je war, ist oder seyn wird – aber ich bitte um Verzeihung, Neffe – Ihr liebt, glaube ich, keine dramatischen Stücke.«

»Nun ich bin auch nicht ganz so übertrieben gewissenhaft, wie Sie mich machen, Oheim. Ich habe sie in früherer Zeit nur zu lieb gehabt, und auch jetzt noch verdamme ich sie nicht Alle durchgehends, obwohl ich ihre Ausschweifungen und Thorheiten mißbillige. Ich kann nicht umhin, im Shakespeare Manches gewahr zu werden, das gegen den Anstand und den guten Sitten nachtheilig ist – Vieles, das dahin abzweckt, die Tugend lächerlich zu machen oder das Laster zu empfehlen – wenigstens das Abscheuliche seiner Züge zu mildern. Ich kann nicht diese schönen Gedichte für ein nützliches Studium halten, besonders für die Jugend beiderlei Geschlechts, indem Blutvergießen als die Hauptbeschäftigung der Männer, und Liebeshändel als die einzige der Weiber darin angegeben ist.«

Während Everard diese Bemerkungen aussprach, war er kurzsichtig genug, sich einzubilden, er gäbe blos seinem Oheim eine Gelegenheit, eine Lieblingsmeinung zu vertheidigen, ohne daß er ihn durch einen Widerspruch beleidigte, der so beschränkt und gemildert war. Aber hier, wie bei andern Gelegenheiten, vergaß er, wie hartnäckig sein Oheim in seinen Ansichten war, sie mochten nun Religion, Politik oder Geschmack betreffen, und daß es eben so leicht seyn würde, ihn zur presbyterianischen Regierungsform zu bekehren, oder ihn zu vermögen, die Abschwörungsformel auszusprechen, als seinen Glauben an Shakespeare zu erschüttern. Es war etwas Eigenthümliches in des guten Ritters Art, seine Beweise zu führen, welche Everard, der selbst ein einfacher und gerader Charakter war, und dessen religiöse Sätze einigermaßen den Unterlassungen und der Gleißnerei, die oft in der Gesellschaft angewandt werden, ungünstig waren, nie recht begreifen konnte. Sir Heinrich, der seine natürlich hitzige Gemüthsart wohl kannte, pflegte sich gewissenhaft dagegen zu verwahren, und zuweilen, wenn er wirklich sich sehr beleidigt fühlte, einen Streit mit scheinbarer Fassung fortzuführen, bis seine heftigen Empfindungen so überhand nahmen, daß sie die ihnen entgegen gestellten künstlichen Schranken überwältigten und hinwegrissen, und mit verdoppeltem Zorn über den Gegner herstürzten. So traf es sich oft, daß er gleich einem alten listigen General, sich im Angesicht seines Gegners in guter Ordnung, und nach und nach mit einem so mäßigen Grade des Widerstandes zurückzog, daß er die Verfolgung seines Widersachers bis auf den Punkt lockte, wo er durch einen plötzlichen und unerwarteten Angriff mit Reiterei, Fußvolk und schwerem Geschütz zugleich, selten ermangelte, den Feind in Verwirrung zu bringen.

Diesem Grundsatze gemäß, verbarg er daher, als er Everards letzte Bemerkung hörte, seinen Aerger, und antwortete in einem Tone, in dem die Höflichkeit über die Leidenschaft Wache hielt, »der presbyterische Adel habe unstreitig in diesen ganzen unglücklichen Zeiten solche Beweise eines bescheidenen, mit keiner Anmaßung und keinem Ehrgeize verbundenen Strebens nach dem Gemeinwohl gegeben, daß man wohl an die Aufrichtigkeit jener sehr starken Bedenklichkeiten glauben müsse, welche sie gegen Werke hegten, in welchen die edelsten Gesinnungen hinsichtlich der Religion und Tugend – Gesinnungen, die auch verhärtete Sünder bekehren, und sehr schicklich den sterbenden Heiligen und Märtyrern in den Mund gelegt werden könnten – zufällig, wegen des rohen und gemeinen Geschmacks jener Zeiten, mit einigen derben Späßen und ähnlichen Dingen gemischt wären, die Niemanden sehr im Wege lägen, ausgenommen denen, die sie mühsam aufsuchten, um sie zur Herabwürdigung dessen zu brauchen, was an sich selbst den höchsten Beifall verdiente. Was er aber besonders von seinem Neffen zu wissen wünschte, wäre, ob irgend einer von jenen begabten Männern, welche die gelehrten und tiefdenkenden Geistlichen der englischen Kirche von der Kanzel verdrängt hätten, und jetzt an ihrer Stelle prunkten, eine Begeisterung von Seiten der Musen erfahren hätten (wenn er anders einen so profanen Ausdruck gebrauchen dürfe, ohne den Oberst Everard zu beleidigen), oder ob sie, eben so einfältiger und thierischer Weise den schönen Wissenschaften abgeneigt wären, als der Menschlichkeit und dem gesunden Verstande?«

Oberst Everard hätte aus dem ironischen Tone, in dem dies gesagt wurde, schließen können, welch ein Sturm in der Brust seines Oheims tobte, ja er hätte sogar vermuthen können, wie es mit den Empfindungen des alten Ritters stand, aus dem Nachdruck, den er auf das Wort Oberst legte; denn mit diesem Beinamen, als dem, welcher am meisten seinen Neffen mit der ihm verhaßten Parthei verband, bezeichnete er Everarden nicht anders, als wenn sein Zorn ausbrach, indeß er ihn andererseits, wenn er günstig gegen ihn gesinnt war, gewöhnlich Vetter oder Neffe Markham nannte. In der That war es theilweise aus dem Gefühl, daß dies der Fall sey, und auch in der Hoffnung, seine Base Alexia zu sehen, daß der Oberst es unterließ, die Anrede seines Oheims zu beantworten, die eben schloß, als der alte Ritter vor der Thür des Jagdschlosses abstieg, und in die Halle trat, wohin ihm seine beiden Begleiter folgten.

Phöbe erschien zu gleicher Zeit in der Halle und erhielt Befehl, etwas zu trinken für die Herren zu bringen. Die Hebe von Woodstock erkannte Everarden, und versäumte nicht, ihn durch eine fast unmerkliche Verbeugung zu bewillkommen. Aber sie schmeichelte sich eben nicht, wie es ihre Absicht war, dadurch ein, daß sie den Ritter als eine Sache, die sich von selbst verstände, fragte, ob sie auch Fräulein Alexia rufen solle. Ein strenges Nein war die entschiedene Weigerung, und das unzeitige Einmischen schien seine vorherige Empfindlichkeit gegen Everard wegen seiner Herabsetzung Shakespear's noch zu vermehren. »Ich möchte« – sagte Sir Heinrich, indem er den besprochenen Gegenstand wieder aufnahm, »darauf bestehen – wenn es sich für einen armen abgedankten Cavalier schickt, eine solche Redensart gegen einen Befehlshaber der siegenden Armee zu gebrauchen – zu erfahren, ob die Erschütterung, die uns Heilige und Propheten ohne Ende zugeschickt hat, uns nicht auch einen Dichter gewährte, der zugleich Gaben und göttliche Gnade genug besitzt, um den armen alten Wilhelm, das Orakel und den Götzen von uns beiden irdischgesinnten Cavalieren zu überstrahlen?«

»Allerdings, Herr,« erwiederte Oberst Everard, »kenne ich Verse, die ein Freund der Republik geschrieben hat, und noch dazu dramatische, welche, wenn sie in unpartheiischer Wage abgewogen würden, selbst Shakespears Poesie gleichkommen möchten, und dabei frei sind von dem Bombast und der Unzartheit, womit der große Barde zuweilen die gröberen Neigungen seiner barbarischen Zuhörer abzuspeisen pflegte.«

»Wirklich!« sagte der Ritter, der nur mit Mühe seinen Zorn unterdrücken konnte: »Dies Meisterstück von Poesie möchte ich doch gern kennen lernen! – Dürfen wir nach dem Namen dieses ausgezeichneten Mannes fragen?«

»Das muß wenigstens Vicars oder Withers seyn,« sagte der vermeintliche Page.

»Nein, Herr,« erwiederte Everard, »auch nicht Drummond von Hawthornden, noch auch Lord Stirling – und doch werden die Verse, das was ich sagte, rechtfertigen, wenn Sie nämlich mein höchst mittelmäßiges Hersagen derselben dabei in Anschlag bringen; denn ich bin es mehr gewohnt, vor einem Bataillon zu sprechen, als vor denen, welche die Musen lieben. Die Sprecherin ist eine von der Nacht überraschte Frau, welche sich in einem unwegsamen Walde verirrt hat, und zeigt sich Anfangs von Furcht vor etwas Uebernatürlichem, was ihre Lage erzeugt, ergriffen.«

»Ein Schauspiel also gar, und von einem rundköpfigen Verfasser geschrieben!« sagte Sir Heinrich überrascht.

»Wenigstens ein dramatisches Produkt,« erwiederte sein Neffe, und fing an, einfach, aber mit Gefühl, die jetzt allgemein bekannten Zeilen, die aber damals noch keine Berühmtheit erlangt hatten, herzusagen, indem der Ruf des Verfassers sich mehr auf seine polemischen und politischen Schriften gründete, als auf die Poesie, die in späteren Zeiten bestimmt war, den Grundstein zu seiner Unsterblichkeit zu legen.

»Erschüttern kann wohl dieses Wort, betäuben nicht
Ein tugendhaft Gemüth, dem das Gewissen stets
Als rüstig treuer Kampfgenoß zur Seite geht .«

»Meine eigene Meinung, Neffe, meine eigene Meinung, nur besser ausgedrückt, aber gerade das, was ich sagte, als die bübischen Rundköpfe behaupteten, sie sähen Geister in Woodstock – Nur weiter, ich bitte Euch!«

Everard fuhr fort:

»Willkommen, frommer Glaube, süße Hoffnung, mir,
Die Ihr mit gold'nem Fittig hier mich stets umschwebt,
Doch, Engelsreine Keuschheit, sey auch Du gegrüßt!
Mit meinen Augen seh ich Euch und glaube nun,
Daß Er, das höchste Gut, dem alles Böse nur
Ein dienender Vollstrecker seiner Rache ist,
Wohl einem Engel anbeföhl, wenn's nöthig wär,
Das Leben und, die Ehre zu erhalten mir. –
Ist's Täuschung, oder hat ein düsteres Gewölk
Den innern Silberflor der Nacht jetzt zugewandt?«

»Das Uebrige ist mir entfallen, und ich wundere mich, daß ich mich noch dieser Zeilen erinnert habe.«

Sir Heinrich Lee, der einen ganz andern Erguß erwartet hatte, als diese klassischen und schönen Zeilen, verwandelte bald den spöttischen Ausdruck in seinem Gesicht, das höhnische Zucken seiner Oberlippe ließ nach, er strich mit der linken Hand über den Bart, und hielt den Zeigefinger der Rechten über seine Augenbraunen, zum Zeichen seiner tiefen Aufmerksamkeit. Als Everard aufgehört hatte zu sprechen, seufzte der alte Mann, wie am Schluß einer süßen Melodie, dann sprach er in milderem Tone als zuvor:

»Vetter Markham, diese Verse fließen sanft und tönen in meinen Ohren wie leises Lautenspiel. Aber Du weißt, es dauert etwas lang, ehe ich den vollen Sinn dessen auffasse, was ich zum erstenmal höre. Wiederhole mir diese Verse noch einmal langsam und ruhig, denn ich mag immer gern eine Poesie zweimal, das Erstemal um des Klanges, das Zweitemal um der Bedeutung willen, hören.«

So ermuntert sagte Everard die Zeilen noch einmal kühner und mit besserem Effect, indem der Ritter sie deutlich verstand und durch Blicke und Bewegungen sie höchlich billigte.

»Ja,« fing er an, als Everard wieder still war – »ja – das nenne ich Poesie – und hätte sie auch ein Presbyterianer oder ein Wiedertäufer geschrieben. Ei, es waren auch gute und rechtschaffne Leute, selbst in den sündigen Städten zu finden, die vom Feuer zerstört wurden, und ganz gewiß habe ich gehört, obwohl ich nicht sehr daran glaube ( Ihr werdet verzeihen, Vetter Everard), daß Menschen unter Euch sind, die das Irrige ihrer Wege eingesehen haben, indem sie sich gegen den beßten und gütigsten Herrn empörten, und ihn in eine solche Lage brachten, daß er von einer noch grimmigeren Diebesbande, wie sie selbst sind, gemordet wurde. Ja ohne Zweifel hat der milde Geist, die reine Seele, welche diese schönen Verse eingab, schon längst einen so liebenswürdigen Mann zu dem Geständniß gebracht, ich habe gesündigt, ich habe gesündigt! Ja ich zweifle nicht, eine so süße Harfe ist zerbrochen worden, aus Reue über die Verbrechen, von denen sie Zeuge war, und jetzt sitzt er da, voll Gram über die Schande und den Kummer Englands – indem alle seine edeln Reime, wie Wilhelm sagt,

»den süßen Glocken gleich, bald mild, bald rauh erklingen.«

Meinst Du nicht auch so, Kerneguy?«

»Nicht ich, Sir Heinrich,« antwortete der Page.

»Was, Du glaubst nicht, daß der Verfasser nothwendig besserer Art seyn, und sich zu unsrer Meinung hinneigen muß?«

»Ich glaube, Sir Heinrich, diese Poesie eignet den Verfasser, ein Schauspiel über den Stoff der Frau Potiphar und ihres widerspenstigen Geliebten zu schreiben, und was seinen Beruf betrifft – so würde diese letzte Metapher von der Wolke in einem schwarzen Kleide oder Mantel mit silbernem Futter, ihn nach meiner Meinung zu einem Schneider gestempelt haben, wenn ich nicht zufällig wüßte, daß er seines Gewerbes ein Schulmeister ist, und durch seine politischen Meinungen geeignet, Cromwells gekrönter Dichter zu seyn; denn was Oberst Everard da mit so vieler Salbung hergesagt hat, ist von keinem minder berühmten Verfasser als John Milton.«

»John Milton!« rief Sir Heinrich erstaunt – »was! John Milton, der gotteslästerliche und blutdürstige Verfasser der defensio populi anglicani! – Der Sachwalter des höllischen Obertribunals der Teufel – das Geschöpf und der Schmarotzer jenes Hauptbetrügers, jenes ekelhaften Heuchlers, jenes verabscheuungswürdigen Ungeheuers, das Wunderthier der Welt, das Scheusal des Menschengeschlechts, dieses Ungethüm der Gottlosigkeit, dieser Schandpfahl der Sünde, der Inbegriff aller Niederträchtigkeit, Olivier Cromwell!«

»Derselbe John Milton,« antwortete Karl, »Schulmeister kleiner Buben und Schneider der Wolken, die er mit schwarzen silberverbrämten Anzügen versieht, und das auf keine andere Unkosten, als die des gesunden Menschen-Verstandes.«

»Markham Everard,« sagte der alte Ritter, »das verzeih' ich Dir nie – nie – nie. Du hast mich Worte des Lobes von Einem sprechen lassen, an dessen Eingeweiden sich die Geier mästen sollten. – Sagt mir kein Wort, sondern geht! Bin ich, Euer Verwandter und Wohlthäter, geeignet, um zu einem Lobe verlockt und dazu gebracht zu werden, so ein übertünchtes Grab, wie der Sophist Milton, noch zu überpinseln?«

»Nun wahrlich,« sagte Everard, »das ist doch ein sehr hartes Verfahren, Sir Heinrich. Sie drangen in mich – Sie forderten mich auf, Ihnen eine eben so gute Poesie wie Shakespeare anzuführen. Ich habe dabei nur an Miltons Poesie, nicht an seine Politik gedacht.«

»O ja, Herr!« erwiederte Sir Heinrich, »wir kennen schon Eure Gabe Distinctionen zu machen, Ihr möchtet gegen des Königs Vorrechte Krieg führen, ohne die geringste Absicht gegen seine Person zu haben. O das verhüte der Himmel! Aber der Himmel wird Euch hören und richten! – Setz das Getränk nieder, Phöbe – (dies wurde so beiläufig zu Phöbe gesagt, die mit Erfrischungen hereintrat), Oberst Everard ist nicht durstig. – Ihr habt Euch das Maul gewischt, und sagt nun, Ihr hättet nichts Unrechts gethan. Aber ob Ihr gleich die Menschen betrogen habt, so könnt Ihr doch Gott nicht betrügen.«

Als ihm so auf einmal die Fehler seiner religiösen Sekte und seiner politischen Parthei zur Last gelegt wurden, fühlte Everard zu spät, welcher Unbesonnenheit er sich schuldig gemacht hatte, als er dadurch, daß er seines Oheims Geschmack in der dramatischen Poesie bestritt, Veranlassung dazu gab. Er versuchte sich zu erklären – sich zu entschuldigen.

»Ich verstand Ihre Absicht falsch, geehrter Herr, und glaubte wirklich, Sie wünschten etwas von unsrer Literatur zu kennen, und als ich Ihnen wiederholte, was Sie Ihres Ohrs für nicht unwürdig hielten, bekenne ich, ich glaubte Ihnen ein Vergnügen zu machen, statt Ihren Unwillen zu erregen.«

»O ja,« erwiederte der Ritter mit keineswegs gemildertem Groll – »bekennen – bekennen – ja, das ist die neue Redensart bei Betheuerungen statt des profanen Schwörens der Hofleute und Cavaliere – o Herr, bekennen Sie weniger und üben Sie mehr – und somit guten Tag. – Herr Kerneguy, Sie werden in meinem Zimmer etwas zu trinken finden.«

Während Phöbe mit offnem Munde da stand, von Verwunderung über den plötzlichen Streit, der entstanden war, wurden Oberst Everards Verdruß und Empfindlichkeit nicht wenig durch die Gleichgültigkeit des jungen Schotten gesteigert, der mit den Händen in der Tasche (eine höfische Manier jener Zeit) sich in einen der alten Stühle geworfen hatte, und obwohl er gewöhnlich zu höflich war, um laut zu lachen, und jene Art von innerem Gelächter besaß, womit ein Weltmann sich seiner Lust hinzugeben lernt, ohne in Streit zu gerathen, oder geradezu zu beleidigen, so bemühte er sich doch auf keine Weise es zu verbergen, daß ihn das Resultat von des Obersten Besuch in Woodstock unendlich belustige. Oberst Everards Geduld hatte jedoch Gränzen erreicht, über die sie, aller Wahrscheinlichkeit nach, nicht hinaus schreiten würde; denn so sehr sie auch in politischen Meinungen von einander abwichen, so war doch viel Aehnlichkeit in der Gemüthsart des Oheims und des Neffen.

»Verdammt!« rief der Oberst, in einem Tone, der sich so wenig für einen Puritaner schickte, als der Ausruf selbst.

»Amen!« sagte Louis Kerneguy, aber in einem so leisen Tone, daß der Ausruf ihm eher zu entfahren, als absichtlich ausgesprochen schien.

»Herr!« sagte Everard, indem er in jener Stimmung auf ihn zu schritt, in der ein empfindlich gereizter Mensch gern Einen findet, an dem er seine üble Laune auslassen kann.

»Plait-il?« sagte der Page in dem gleichmüthigsten Tone, indem er ihm mit dem arglosesten Ausdruck von Unschuld ins Gesicht sah.

»Herr, ich wünsche die Bedeutung von dem zu wissen, was Sie jetzt eben sagten.«

»Nur ein Erguß des Geistes, würdiger Herr,« entgegnete Kerneguy – »ein kleines Schiffchen, das auf meine eigne Rechnung zum Himmel abgesandt wurde, um Ihrer eben ausgesprochenen heiligem Bittschrift Gesellschaft zu leisten.«

»Herr, ich habe schon eher gesehen, daß einem Mann um eines solchen Lächelns willen, wie Ihres da die Knochen zerschlagen wurden,« erwiederte Everard.

»Da sehen Sie nun,« antwortete der boshafte Page, der dem Gedanken an seine Sicherheit, die Freude an seinem Spaß nicht aufopfern konnte – »wären Sie bei Ihren Bekenntnissen stehen geblieben, würdiger Herr, so hätten Sie jetzt schon ersticken müssen, aber Ihre runde Verwünschung knallte heraus, wie ein Stöpsel aus einer Flasche Apfelwein, und läßt nun Ihren Zorn schäumend in der ehrlichen ungetauften Sprache gemeiner Räuber heraus.«

»Ums Himmelswillen, Herr Girnegy,« sagte Phöbe, »sagen Sie doch dem Obersten nicht so bittre Worte, und Sie, guter Oberst Markham, ärgern Sie sich nicht über das, was er sagt – es ist ja ein bloßes Kind.«

»Wenn es dem Obersten oder Ihnen, Jungfer Phöbe, beliebt, so sollen Sie einen Mann an mir finden. – Ich glaube, der Herr da kann schon etwas über diesen Punkt sagen. – Vermuthlich wird er Ihnen die Rolle der Dame im Comus empfehlen, und ich hoffe nur, seine eigene Bewunderung John Miltons wird ihn nicht vermögen, die Rolle des Sampson Agonistes zu übernehmen, und dies alte Haus mit Verwünschungen in die Luft zu sprengen, oder es im Zorn über unsren Köpfen zusammenprasseln zu lassen.«

»Junger Mann,« sagte der Oberst, noch immer in aufgeregter Leidenschaft, »wenn Sie meine Grundsätze aus keinem andern Grunde ehren, so seyn Sie wenigstens dankbar für den Schutz, der Ihnen ohne sie nicht leicht werden würde.«

»Nun muß ich,« sagte die Dienerin, »Andere holen, die mehr Einfluß auf Sie haben, als ich,« und hinweg trippelte Phöbe, indeß Kerneguy Everarden in demselben beleidigenden Tone ruhiger Gleichgültigkeit antwortete:

»Ehe Sie mir mit etwas so Furchtbarem, wie Ihre Empfindlichkeit, drohen, sollten Sie auch gewiß seyn, ob ich nicht durch Umstände gezwungen werden könnte, Ihnen die Gelegenheit zu verweigern, auf die Sie anspielen.«

In diesem Augenblick trat Alexia, ohne Zweifel von ihrer Dienerin herbeigerufen, eilig in die Halle.

»Herr Kerneguy,« sprach sie, »mein Vater wünscht Sie in Viktor Lee's Zimmer zu sehen.«

Kerneguy stand auf und verneigte sich, schien aber entschlossen zu warten, bis Everard fort wäre, um jede Erklärung zwischen den beiden Verwandten zu verhindern.

»Markham,« sagte Alexia eilig – »Vetter Everard – ich kann nur einen Augenblick hier bleiben – um Gotteswillen, gehen Sie gleich! – Seyn Sie vorsichtig und geduldig – aber bleiben Sie nicht hier, mein Vater ist furchtbar aufgebracht.«

»Das habe ich schon von meinem Oheim selbst vernommen, Fräulein,« erwiederte Everard »sowohl als auch seinen Befehl zu gehen, dem ich unverzüglich Folge leisten will. Ich dachte nicht, daß Sie einen so harten Befehl so gern unterstützt haben würden; aber ich gehe, Fräulein, in dem Gefühle, daß hier Andere zurückbleiben, deren Gesellschaft Ihnen angenehmer ist. «

»Ungerechter – Unedler – Undankbarer!« sagte Alexia, aber aus Furcht, daß ihre Worte Ohren erreichen möchten, für die sie nicht bestimmt waren, sprach sie dieselben so leise aus, daß ihr Vetter, der sie hatte hören sollen, den Trost verlor, den sie berechnet waren, ihm zu ertheilen.

Er verneigte sich kalt gegen Alexia, um sich zu empfehlen, und sagte mit jener erzwungenen höflichen Miene, die zuweilen unter Leuten von Stande den tödtlichsten Haß verdeckt: »Ich glaube, Herr Kerneguy, ich muß für jetzt wohl meine eigenen besonderen Meinungen über das, worauf wir in unserm Gespräche anspielten, unterdrücken, in welchem Falle ich Ihnen einen Herrn zusenden will, der, wie ich hoffe, im Stande seyn wird, die Ihrigen zu besiegen. «

Der vermeintliche Schotte machte ihm eine vornehme, jedoch zugleich auch höfliche Verbeugung, sagte, er würde die Ehre seiner Befehle erwarten, bot Fräulein Alexia die Hand, um sie in ihres Vaters Zimmer zurückzuführen, und empfahl sich triumphirend seinem Nebenbuhler.

Everard andererseits, der aufs Tiefste verletzt war, und aus der Zierlichkeit und gefaßten Zuversicht in dem Benehmen des Jünglings immer noch schloß, es müßte Wilmot seyn, oder einer ihm an Rang und Verdorbenheit gleichstehender, kehrte in die Stadt Woodstock zurück, entschlossen, sich dies nicht gefallen zu lassen, sollte er auch sich solcher Mittel zur Genugthuung bedienen, die seinen Grundsätzen als unerlaubt schnurstracks entgegenliefen.


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