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Siebenzehntes Kapitel.

Lady Eveline blieb ungefähr vier Monate bei ihrer Tante, der Aebtissin des Klosters der Benediktinerinnen. Unter ihren Auspicien sah der Constabel von Chester seine Bewerbung vorwärtsschreiten und gedeihen, wie dieß wahrscheinlich unter der Leitung des verstorbenen Raymond Berenger, ihres Bruders, geschehen sein würde. Wahrscheinlich ist es, daß wenn das Andenken an die geglaubte Erscheinung der heiligen Jungfrau, und das Gelübde der Dankbarkeit, welches diese Erscheinung veranlaßt hatte, nicht in Evelinens Seele vorgewaltet hätte, die natürliche Abneigung einer so jungen Person gegen eine in Betreff des Alters so ungleiche Verbindung ihrem Gelingen nicht geringe Hindernisse in den Weg gestellt haben würde. In der That, während Eveline die Tugenden des Constabels ehrte, seinem hohen Charakter Gerechtigkeit wiederfahren ließ, und seine Talente bewunderte, konnte sie sich nie ganz von einer geheimen Furcht vor ihm lossagen, die sie verhinderte, seine Bewerbung geradezu zurückzuweisen, sie aber auch manchmal mit einem unwillkürlichen Schauder erfüllte, wenn ihr der Gedanke, daß sie seine Gattin werden sollte, in den Sinn kam.

Die unheilvollen Worte: Verrätherin und verrathen, traten dann vor ihre Seele; und als ihre Tante (denn die Zeit der tiefsten Trauer war nun vorüber) den Zeitpunkt ihrer Verlobung festgesetzt hatte, so sah sie ihm mit einem gewissen Entsetzen entgegen, von welchem sie sich selbst keine Rechenschaft ablegen konnte, und das sie, so wie ihren Traum, sogar dem Vater Aldrovand bei der Beichte verhehlte. – Es war kein Widerwille gegen den Constabel – noch viel weniger Vorliebe für irgend einen andern Bewerber – sondern eine jener instinktmäßigen Regungen und Empfindungen, durch welche die Natur uns vor einer herannahenden Gefahr zu warnen scheint, ob sie uns schon über ihre Beschaffenheit keine näheren Aufschlüsse ertheilt, noch uns die Mittel, ihr zu entrinnen, an die Hand gibt.

So erschütternd waren diese Anwandlungen von Furcht und Besorgniß, daß wären sie, wie früher, durch die Vorstellungen Rosa Flammocks unterstützt worden, sie vielleicht jetzt noch Evelinen bewogen haben würden, einen der Bewerbung des Constabel ungünstigen Entschluß zu fassen. Allein noch besorgter für die Ehre ihrer Gebieterin, als selbst für ihre Glückseligkeit, hatte sich Rosa strenge jeden Versuch untersagt, Evelinens Vorsatz anzugreifen, als sie einmal de Lacy's Bewerbungen genehmigt hatte; und was sie auch hinsichtlich der beabsichtigten Vermählung dachte oder anticipirte, – von diesem Augenblicke an – schien sie sie als ein Ereigniß zu betrachten, das nothwendig statt haben müsse.

De Lacy selbst, als er den Werth des Preises, nach dessen Besitze er strebte, genauer kennen lernte, sah der Verbindung mit andern Gefühlen als denen entgegen, mit denen er die Sache zuerst seinem Freunde Raymond Berenger vorgeschlagen hatte. Es war damals blos eine Heirath des Interesses und der Convenienz, die einem stolzen und klugen Lehnsherrn als das beste Mittel zur Befestigung der Macht seines Hauses und der Fortpflanzung seines Stammes erschienen war. Auch machte der Glanz der Schönheit Evelinens nicht jenen Eindruck auf de Lacy, den er auf den leidenschaftlichen und ritterlichen Geist jener Zeit zu machen geeignet war. Er war über jene Lebenszeit hinaus, in der sich der Weise durch äußere Reize bestechen läßt, und hätte vielleicht mit eben so viel Wahrheit als Bescheidenheit gestehen können, er wünschte, seine schöne Braut wäre um einige Jahre älter, und besäße einen mäßigern Antheil an persönlichen Reizen, damit die Verbindung seinem Alter und seiner Sinnesart angemessener erfunden worden wäre. Dieser Stoicismus verschwand jedoch, als er in Folge häufiger Zusammenkünfte mit seiner Braut fand, daß sie zwar keine Welterfahrenheit besitze, allein durch höhere Weisheit geleitet zu werden wünsche, und daß sie, obschon mit einem hohen Geiste und einer Gemüthsart begabt, die ihre leichte natürliche Fröhlichkeit wieder zu erlangen begann, sanft und gelehrig sei, und besonders einen ungemein festen Charakter besitze, der dafür zu bürgen scheine, daß sie die schlüpfrigen Pfade, auf welchen Jugend, Schönheit und ein hoher Rang wandeln müssen, ohne Straucheln betreten werde. Als in Lacy's Brust wärmere und leidenschaftlichere Gefühle für Eveline zu erwachen begannen, wurden ihm seine Verpflichtungen als Kreuzfahrer von Tag zu Tag lästiger. Die Benediktiner-Aebtissin, die natürliche Schirmerin der Glückseligkeit Evelinens, erhöhte diese Gefühle durch ihre einleuchtenden Vorstellungen. Obwohl sie eine Nonne und Gottgeweihte war, so hielt sie doch den heiligen Stand der Ehe in Ehren, und begriff so viel von ihm, daß sie einsah, seine wichtigen Zwecke können nicht erreicht werden, so lange das ganze europäische Festland das Ehepaar trenne; denn was einen Wink betraf, wodurch der Constabel den Wunsch verrieth, seine junge Gattin möchte ihn in die gefährlichen und sittenlosen Umkreise des Lagers der Kreuzfahrer begleiten, so kreuzte sich die gute Dame mit Abscheu, als sie den Vorschlag hörte, und gestattete nie, daß man ihn ein zweites Mal in ihrer Gegenwart zur Sprache brachte.

Es war jedoch nichts Ungewöhnliches, daß Könige, Fürsten und andere Personen von hohem Range, die sich durch ein feierliches Gelübde zur Befreiung Jerusalems verpflichtet hatten, auf gehöriges Ansuchen bei der römischen Kirche Aufschub, ja selbst eine gänzliche Freisprechung von ihren eingegangenen Verpflichtungen erlangten. Der Constabel war überzeugt, daß seine Bitte, in England bleiben zu dürfen, durch das Ansehen und den Einfluß seines Souverains nicht wenig unterstützt werden würde; denn er war der Edle, dessen Tapferkeit und Klugheit Heinrich hauptsächlich die Vertheidigung der vielbewegten walliser Gränzen anvertraut hatte, und es war ihm überhaupt keineswegs lieb, daß ein so nützlicher Unterthan je das Kreuz nahm.

Es wurde daher zwischen der Aebtissin und dem Constabel im Geheimen beschlossen, daß der Letztere in Rom und bei dem päpstlichen Legaten in England um eine wenigstens zweijährige Lossprechung von seinem Gelübde nachsuchen sollte. Kaum hielt man es für möglich, daß diese Bitte einem Manne seines Einflusses und Reichthums verweigert werden könne, um so weniger, als sie durch die freigebigsten Anerbietungen unterstützt war. Er versprach nämlich, wenn man seine persönliche Gegenwart nicht fordere, 100 Lanzen auf seine Kosten zu schicken, und jeder Lanze zwei Knappen, drei Bogenschützen und einen Troßknecht beizugeben – eine Schaar die doppelt so groß war, als die, welche seine eigene Person begleitet haben würde. Zu diesem erbot er sich, eine Summe von 2000 Byzantinern zum allgemeinen Besten der Expedition herzuschießen, und dem Gebrauche des christlichen Heeres jene ausgerüsteten Schiffe zu überlassen, die, mit allem reichlich versehen, zu seiner und seines Gefolges Einschiffung bereit lagen.

Allein während der Constabel diese freigebigen Anerbietungen machte, drang sich ihm unwillkürlich der Gedanke auf, daß sie keineswegs den Erwartungen des strengen Prälaten Baldwin entsprechen werden, der, da er selbst den Kreuzzug gepredigt, und den Constabel, so wie manche Andere bewogen hatte, das Kreuz zu nehmen, nothwendig mit großem Mißfallen das Werk seiner Beredtsamkeit, durch den Rücktritt eines so wichtigen Verbündeten von seiner Lieblingsunternehmung, gefährdet sehen mußte. Um daher seinen Mißmuth so viel als möglich zu besänftigen, versprach der Constabel dem Erzbischof, daß, falls ihm erlaubt werden sollte, in Britannien zu bleiben, seine Streitkräfte von seinem Neffen, Damian Lacy, angeführt werden sollten, der bereits durch frühe ritterliche Thaten berühmt, die gegenwärtige Hoffnung seines Hauses, und im Falle er keine Leibeserben erhalten sollte, das künftige Haupt und die künftige Stütze desselben war.

Der Constabel theilte dem Erzbischofe Baldwin diesen Vorschlag auf die klügste Weise mit; denn er that dieß durch einen gemeinschaftlichen Freund, auf dessen gute Dienste er rechnen konnte, und der bei dem Prälaten in großem Ansehen stand. Allein trotz des Glanzes der Anerbietung vernahm ihn der Prälat mit finsterem und hartnäckigem Schweigen, und trug zur Beantwortung desselben auf eine persönliche Zusammenkunft mit dem Constabel an einem bestimmten Tage an, wo kirchliche Angelegenheiten den Bischof nach Gloucester riefen. Der Bericht des Vermittlers ließ den Constabel einen harten Kampf mit dem stolzen und mächtigen Geistlichen erwarten; aber selbst stolz und mächtig, und durch die Gunst seines Monarchen unterstützt, erwartete er nicht, daß er unterliegen werde.

Die Nothwendigkeit, daß diese Sache vorerst beigelegt war, sowie der erst kürzlich erfolgte Tod des Vaters der Eveline, gaben de Lacy's Bewerbung einen Anstrich von Heimlichkeit, und verhinderten, daß sie durch Turniere und kriegerische Uebungen, bei denen er sonst seine Geschicklichkeit vor den Augen seiner Geliebten an den Tag zu legen gestrebt haben würde, verherrlicht wurde. Die klösterlichen Regeln verboten ihm, Tanz- und Musikunterhaltungen oder andere friedlichere Vergnügungen zu veranstalten; und obschon der Constabel seine Liebe durch die glänzendsten Geschenke an seine Braut und ihre Dienerschaft zu erkennen gab, so schritt doch die ganze Sache, nach der Meinung der erfahrenen Dame Gillian, mehr mit der Feierlichkeit eines Leichenbegängnisses, als mit dem geflügelten Schritte eines herannahenden Hochzeitfestes vorwärts.

Die Braut selbst fühlte etwas der Art, und war manchmal der Meinung, die Sache hätte durch die Besuche des jungen Damian ein fröhlicheres Ansehen gewinnen können, da sein mit dem ihrigen so sehr übereinstimmendes Alter nicht wenig geeignet war, ihr einige Erholung von der förmlichen Bewerbung seines ernsthaften Oheims zu gewähren. Allein er kam nicht; und aus dem, was der Constabel in Betreff seiner sagte, schloß sie, daß die Verwandten auf einige Zeit wenigstens, Beschäftigung und Charakter vertauscht hatten. Der ältere de Lacy fuhr in der That, seine Gelübde buchstäblich erfüllend, fort, in einem Pavillon zu wohnen, das in der Nähe der Thore von Gloucester aufgeschlagen war; allein selten legte er seine Rüstung an, und setzte an die Stelle seines abgenützten gemsledernen Wamms, köstlichen Damast und Seide. So zeigte er in seinem vorgerückteren Alter mehr Putz- und Prachtliebe, als, nach dem Zeugnisse seiner Altersgenossen, in seiner frühern Jugend. Sein Neffe hingegen hielt sich beinahe immer an den walliser Gränzen auf, um die verschiedenen Unruhen, welche diese Provinzen bewegten, entweder durch Klugheit zu stillen, oder durch Waffengewalt zu unterdrücken, und mit Erstaunen erfuhr Eveline, daß sein Oheim ihn nur mit Mühe beredet hatte, ihrem Verlöbnisse, oder mit den Normannen zu reden, ihren fiançailles beizuwohnen. Diese Ceremonie, die der wirklichen Vermählung, je nach den Umständen, eine kürzere oder längere Zeit voranging, hatte gewöhnlich mit einer dem Range der sich verlobenden Theile angemessenen Feierlichkeit statt.

Der Constabel fügte mit Bedauern hinzu, daß sich Damian, in Betracht seiner großen Jugend, zu wenig Ruhe und Schlaf gönne, daß seine Gesundheit darunter leide, und ein gelehrter jüdischer Arzt, dessen Rath in dieser Sache eingeholt worden sei, erklärt habe, die Wärme eines freundlichen Klima's sei zur Wiederherstellung seiner Gesundheit unumgänglich nöthig.

Eveline vernahm dieß mit großem Bedauern, denn sie erinnerte sich Damians als eines Glücksboten, der ihr zuerst die Nachricht von der Errettung aus der Gewalt der Walliser überbracht hatte; und die Gelegenheiten, bei denen sie mit einander zusammengetroffen waren, hatten, so traurig sie auch waren, eine gewisse angenehme Erinnerung in ihr zurückgelassen: so einnehmend war des Jünglings Benehmen, und so tröstend der Ausdruck seiner Theilnahme gewesen. Sie wünschte ihn zu sehen, um selbst über die Natur seiner Krankheit urtheilen zu können; denn, gleich andern Frauen ihrer Zeit, war sie mit der Heilkunde nicht ganz unbekannt, und hatte von Vater Aldrovand, der selbst kein gemeiner Arzt war, gelernt, wie aus Pflanzen und Kräutern, die in planetarischen Stunden gesammelt worden waren, Heilkräfte gezogen werden mußten. Sie hielt es daher für nichts Unmögliches, daß ihre Kenntnisse in dieser Kunst, so gering sie auch waren, dem Jünglinge, welcher bereits ihr Freund und Befreier war, und in Kurzem ihr sehr naher Verwandter werden sollte, einigen Nutzen gewähren könnten.

Nicht ohne ein gewisses freudiges Gefühl, mit welchem sich einige Verwirrung paarte (ohne Zweifel hatte diese ihre hauptsächlichste Quelle in dem Gedanken, daß sie einem so jungen Patienten gegenüber als ärztliche Rathgeberin auftreten wolle), vernahm sie daher eines Abends, als das Kloster sich gewisser Angelegenheiten wegen versammelt hatte, von Dame Gillian, daß der Vetter des Lord Constabel sie zu sprechen wünsche. Hastig ergriff sie den Schleier, den sie in Gemäßheit der Sitte des Hauses trug, und stieg eilends in das Sprechzimmer hinab. Dame Gillian hieß sie ihr zu folgen; allein diese fand nicht für gut, ihrem Befehle zu gehorchen.

Als sie in das Gemach trat, nahete sich ihr ein Mann, den sie zuvor nie gesehen hatte. Sich unverzüglich auf ein Knie niederlassend, ergriff er den Saum ihres Schleiers und küßte ihn mit der tiefsten Ehrerbietung. Eveline trat erstaunt und erschrocken zurück, obwohl in dem Aussehen des Fremden nichts lag, das ihre Furcht hätte rechtfertigen können. Er schien ungefähr dreißig Jahre alt zu sein. Seine Gestalt war hoch und edel, obschon etwas verwelkt, und seine Gesichtsbildung schien entweder in Folge großer Leiden oder frühzeitiger Ausschweifungen zu früh gealtert zu sein. Sein Benehmen war fast bis zur Uebertreibung höflich und ehrerbietig. Er bemerkte Evelinens Erstaunen, und sagte in einem stolzen, zugleich aber gerührten Tone: »Ich fürchte, man hat sich in mir geirrt, und hält meinen Besuch für eine unwillkommene Aufdringlichkeit.«

»Steht auf,« antwortete Eveline, »und laßt mich Euren Namen und Eure Angelegenheit wissen. Man hat mich zu einem Verwandten des Constabel von Chester berufen.«

»Und Ihr erwartetet den jugendlichen Damian,« antwortete der Fremde; allein die Heirath, von der ganz England wiederhallt, wird Euch mit noch andern Mitgliedern seines Hauses bekannt machen, und unter diesen auch mit Randal von Lacy. Vielleicht,« fuhr er fort, »hat die schöne Eveline Berenger seinen Namen noch nie aus dem Munde seines glücklicheren Verwandten vernommen – ja glücklicher ist er in jeder Hinsicht, allein höchst glücklich nach seinen gegenwärtigen Aussichten.«

Dieses Compliment war mit einer tiefen Verbeugung begleitet, und Eveline sehr verlegen, wie sie seine Höflichkeiten erwiedern sollte; denn obschon sie sich jetzt sehr wohl erinnerte, daß sie den Constabel diesen Randal obenhin erwähnen gehört hatte, so geschah es doch in Ausdrücken, die zu erkennen gaben, daß sie in keinem guten Einverständnisse mit einander stehen. Sie beantwortete daher seine Artigkeit bloß durch allgemeine Danksagungen für die Ehre seines Besuches, in der Hoffnung, er werde sich dann zurückziehen; allein dieß war nicht seine Absicht.

»Die Kälte,« sagte er, »mit welcher mich Lady Eveline Berenger empfängt, beweist mir, daß, was sie von meinem Verwandten über mich gehört hat (wenn er mich je für würdig fand, überhaupt mit ihr über mich zu sprechen), zum wenigsten nicht günstig war, und doch gab es eine Zeit, wo mein Name im Felde und an den Höfen eben so hoch stand, als der des Constabel; auch hält mich nichts Unglücklicheres, als was in der That oft als das höchste Unglück betrachtet wird – nämlich die Armuth, ab, jetzt noch nach ehrenvollen und glänzenden Aemtern zu streben. Wenn meine jugendlichen Thorheiten zahlreich gewesen sind, so habe ich durch den Verlust meines Vermögens und durch die herabgewürdigte Lage, in die ich gerathen bin, dafür gebüßt; und hierin könnte mir mein glücklicher Verwandter, wenn es ihm gefiele, einigen Beistand leisten. – Ich meine nicht mit seinem Beutel, oder seinen Gütern; denn so arm ich bin, so möchte ich doch nicht von Almosen leben, die ich der widerstrebenden Hand eines entfremdeten Freundes mühsam entwinden müßte; allein sein Schutz würde ihm keine Kosten verursachen, und in dieser Hinsicht glaube ich einige Vergünstigungen von ihm erwarten zu dürfen.«

»Darüber,« sagte Eveline, »kann bloß der Lord Constabel selbst entscheiden. Ich habe, bis jetzt wenigstens, kein Recht, mich in seine Familienangelegenheiten zu mischen; und sollte ich je ein solches Recht erlangen, so würde es mir wohl anstehen, es vorsichtig zu gebrauchen.«

»Das ist klug geantwortet,« entgegnete Randal. »Allein meine Bitte an Euch besteht bloß darin, daß es Euch in Eurer Güte gefallen möge, meinem Vetter ein Gesuch vorzutragen, das meine rauhere Zunge nicht wohl mit der gehörigen Unterthänigkeit vorzubringen im Stande sein würde. Die Wucherer, deren Habgier mein Vermögen gleich einem Krebse zerfressen hat, drohen mir jetzt mit Gefängniß. Diese Drohung würden sie nicht auszusprechen wagen, viel weniger in Ausführung zu bringen suchen, wenn sie in mir nicht einen Verstoßenen gewahrten, der der Beschützung des natürlichen Oberhauptes seiner Familie beraubt ist, und mich nicht mehr für irgend einen geächteten Landstreicher, als für einen Abkömmling des mächtigen Hauses de Lacy, hielten.«

»Das ist traurig,« erwiederte Eveline, »allein ich sehe nicht, wie ich Euch aus dieser Noth helfen kann.«

»Sehr leicht,« entgegnete Randal von Lacy. »Der Tag Eurer Verlobung ist, wie ich gehört habe, festgesetzt, und Ihr seid berechtigt, zu dieser Feierlichkeit, welche die Heiligen segnen mögen, Jeden einzuladen, dem Ihr diese Gunst erweisen wollt; für Jeden, ausgenommen für mich, ist die Gegenwart oder Abwesenheit bei dieser Gelegenheit bloß eine Sache der Ceremonie; für mich ist sie beinahe Leben oder Tod. So ist meine Lage, daß die durch meine Ausschließung von diesem Feste gegen mich an den Tag gelegte Geringschätzung oder Verachtung für das Zeichen meiner gänzlichen Vertreibung aus dem Hause der de Lacys gelten würde. Tausend Bluthunde würden ohne Gnade und Erbarmen über mich herfallen, obschon die geringste Rücksicht meines mächtigen Verwandten gegen mich die Memmen bewegen würde, die Nasen einzuspannen. Allein warum sollte ich Euch durch solches Gerede um Eure Zeit bringen. Lebt wohl, Madame – seid glücklich – und denkt nicht ungünstiger von mir, weil ich einige Minuten lang den Lauf Eurer glücklichen Gedanken unterbrochen habe, um Euch die Kenntniß meines Unglücks aufzudringen.«

»Bleibt, Herr!« sagte Eveline, durch den Ton und das Benehmen des edlen Bittenden gerührt. »Ihr sollt nicht sagen können, daß Ihr Evelinen Berenger Euer Unglück geklagt habt, ohne von ihr die Hülfe zu erlangen, die sie zu gewähren im Stande war. Ich will Euer Gesuch dem Constabel von Chester vortragen.«

»Ihr müßt noch mehr thun, wenn Ihr mir wirklich beistehen wollt,« sagte Randal von Lacy, »Ihr müßt dieses Gesuch zu Eurem eigenen machen. Ihr wißt nicht,« sagte er, sie fortwährend fest und ausdrucksvoll anblickend, »wie schwer es ist, den einmal gefaßten Entschluß eines de Lacy zu ändern – in zwölf Monaten werdet Ihr ohne Zweifel mit dem festen Gewebe unserer Entschließungen besser bekannt sein. Allein was vermag gegenwärtig Eurem Wunsche zu widerstehen, sobald Ihr ihn auszusprechen die Güte haben wollt?«

»Wenn mein gutes Wort und meine guten Wünsche etwas vermögen, Sir,« entgegnete Eveline, »so wird Eure Bitte nicht umsonst sein; allein Ihr müßt nicht vergessen, daß ihr Erfolg oder ihr Fehlschlagen von dem Constabel selbst abhängt.«

Randal von Lacy verabschiedete sich mit derselben tiefen Ehrerbietung, die seinen Eintritt bezeichnet hatte, nur daß er dießmal, statt den Saum von Evelinens Gewande zu küssen, ihre Hand mit seinen Lippen berührte. Sie sah ihn mit gemischten Empfindungen, unter denen das Mitleid die vorherrschende war, sich entfernen; gleichwohl aber lag in seinen Klagen über des Constabels unfreundliches Betragen gegen ihn etwas Beleidigendes, und das Geständniß seiner Thorheiten und Excesse verrieth mehr gekränkten Stolz, als tiefe und wahre Reue.

Sobald Eveline den Constabel wieder sah, machte sie ihn mit Randals Besuche und seiner Bitte bekannt. Sie heftete während des Sprechens den Blick fest auf seine Miene, und bemerkte, daß, als sie zuerst seines Vetters Namen aussprach, ein Strahl des Unwillens über sein Gesicht hinglitt. Bald bezwang er jedoch seinen Zorn, heftete seinen Blick starr auf den Boden und hörte Evelinens umständlichen Bericht über Randals Besuch und ihre Bitte an, »Randal möchte einer der eingeladenen Zeugen ihrer fiançailles sein.«

Der Constabel schwieg einen Augenblick, als überlege er, wie er die Bitte zurückweisen könne. Endlich erwiederte er: »Ihr wißt nicht, für wen Ihr bittet, sonst würdet Ihr ihm vielleicht Eure Fürsprache verweigert haben; eben so wenig kennet Ihr die volle Bedeutung Eurer Bitte, obschon mein schlauer Vetter wohl weiß, daß wenn ich ihm die verlangte Gunst erweise, ich mich, so zu sagen, in den Augen der Welt noch einmal verpflichte – und zum dritten Male schon tritt dieser Fall ein – mich Seiner anzunehmen und seine Angelegenheiten auf einen solchen Fuß zu stellen, daß er sein gesunkenes Ansehen wieder herstellen und seine zahllosen Irrthümer gut machen kann.«

»Und warum das nicht, Mylord,« sagte die großmüthige Eveline. »Wenn er sich bloß durch Thorheiten zu Grunde gerichtet hat, so ist er jetzt in einem Alter, in welchem sie ihm keine Schlingen mehr legen; ist daher Herz und Hand gut, so kann er vielleicht dem Hause der de Lacy noch Ehre machen.«

Der Constabel schüttelte den Kopf. »Er hat in der That,« sagte er, »ein Herz und eine Hand, die zu Diensten geschickt sind, Gott weiß aber, ob zu guten oder bösen. Allein nie soll man sagen, Ihr, meine schöne Eveline, habet von Hugo de Lacy etwas begehrt, das er Euch nicht bereitwillig zu gewähren gestrebt hätte. Randal soll unserem Verlöbnisse beiwohnen; – auch ist in der That um so mehr Grund für seine Gegenwart vorhanden, als ich fast fürchte, wir werden die unseres werthen Neffen Damian entbehren müssen, da seine Krankheit mehr zu- als abnimmt, und sie, wie ich höre, mit befremdenden Anzeichen ungewohnter Geistesverwirrung und plötzlichen, jähen Anfällen begleitet ist, denen bisher kein Jüngling weniger unterworfen war, als er.



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