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Eilftes Kapitel.

Sechs Treue tragen ihn
Zur letzten Ruhstatt hin,
Und manche Herzen grämen sich,
Und manches Aug' weint bitterlich.

Der Klosterbruder.

Während dieß in dem Schloßhofe vorging, erhielt der junge Ritter, Damian Lacy, die verlangte Audienz. Eveline Berenger empfing ihn in der großen Halle der Burg unter dem Thronhimmel sitzend, und von Rosa und andern Dienerinnen umgeben. Nur Rosa war es erlaubt, sich in ihrer Gegenwart eines Tabourets oder kleinen Stuhls zu bedienen; so strenge behaupteten die normännischen Mädchen von vornehmer Geburt ihre Ansprüche auf hohen Rang und ehrfurchtsvolle Rücksichten.

Der Jüngling ward von dem Beichtvater und Wilkin Flammock eingeführt, da den Einen sein geistlicher Charakter und den Andern das Amt, das Evelinens Vater ihm anvertraut hatte, berechtigte, bei dieser Gelegenheit gegenwärtig zu sein. Eveline erröthete unwillkührlich, als sie zwei Schritte vorwärts trat, um den schönen jungen Abgesandten zu empfangen. Ihre Schüchternheit schien sogar eine ansteckende Kraft zu besitzen; denn nicht ohne einige Verwirrung vermochte Damian die Hand zu küssen, die sie ihm, als Zeichen der Bewillkommung, entgegenreichte. Eveline sah sich gezwungen, zuerst zu reden.

»Wir treten,« sagte sie, »so weit vor, als es uns Gesetze, die wir beobachten müssen, erlauben, um dem Abgesandten, der uns erfreuliche Botschaft bringt, unsern Gruß und Dank darzubringen. Wir sprechen, wenn wir nicht irren, mit dem edeln Damian von Lacy.«

»Mit dem demüthigsten Eurer Diener,« erwiederte Damian, nicht ohne einige Mühe den ehrerbietigen Ton annehmend, den seine Botschaft und sein Charakter erforderte, »der sich Euch naht als Abgesandter seines edlen Oheims, Hugo von Lacy, des Konstabels von Chester.«

»Will unser edler Befreier die arme Wohnung, die er gerettet hat, nicht mit seiner eigenen Gegenwart beehren?«

»Mein edler Verwandter,« antwortete Damian, »ist jetzt Gottes Krieger, und durch ein Gelübde verpflichtet, unter kein Dach zu kommen, ehe er sich nach dem heiligen Lande einschifft; allein er wünscht Euch durch meine Stimme zu der Niederlage Eurer grausamen Feinde Glück, und sendet Euch diese Gegenstände zum Zeichen, daß der Freund und Gefährte Eures edlen Vaters seinen kläglichen Tod nicht lange ungerächt gelassen hat.« Mit diesen Worten zog er die goldenen Armbänder und die Eudorchawg, oder Kette von geflochtenem Golde, die den Rang des walliser Fürsten bezeichnet hatten, hervor und legte sie zu Evelinens Füßen nieder.

»So ist also Gwenwyn gefallen?« rief Eveline aus – und ein unwillkührlicher Schauder rang mit dem süßen Gefühle befriedigter Rache, als sie sah, daß die Trophäen mit Blut befleckt waren – »der Mörder meines Vaters ist nicht mehr!«

»Meines Vaters Lanze durchbohrte den Britten, als er sein fliehendes Volk wieder zu sammeln bemüht war. – Seine letzte Kraft zu einem wüthenden aber unwirksamen Streiche mit seiner Keule zusammenraffend, starb er ächzend durch die Waffe, die ihm den Körper über eine Armeslänge durchbohrt hatte.«

»Der Himmel ist gerecht!« sagte Eveline. »Mögen dem blutdürstigen Manne seine Sünden vergeben werden, weil er eines so blutigen Todes gestorben ist! Nur um Eines möchte ich Euch noch fragen, edler Herr! Meines Vaters irdische Ueberreste.« – Sie hielt inne, unfähig weiter zu reden.

»Die nächste Stunde wird sie Eurer Verfügung anheimstellen, geehrtes Fräulein,« entgegnete der Ritter in einem Tone des tiefsten Mitleids, das der Anblick des Kummers einer so jungen und schönen Waise unwiderstehlich erregte. »Als ich das Heer verließ, traf man gerade alle Anstalten, die die Zeit erlaubte, um die irdische Hülle des edlen Berenger von dem Schlachtfelde wegzubringen, auf welchem wir ihn neben einem Haufen erschlagener Feinde fanden, den sein Schwert sich zum würdigen Denkmale emporgethürmt hatte. Meinem Vetter erlaubt sein Gelübde nicht, über Eure Zugbrücke zu gehen; allein, wenn es Euer Wille ist, so will ich, da mein Vetter mich damit beauftragt hat, bei diesem ehrenvollen Leichenbegängnisse statt seiner erscheinen.«

»Mein tapferer und edler Vater,« sagte Eveline, indem sie die Fluth ihrer Thränen zu hemmen suchte, »wird am besten von den Tapfern und Edeln betrauert werden.« Sie würde fortgefahren sein, allein die Stimme versagte ihr, und sie sah sich genöthigt, sich eiligst zurückzuziehen, theils um ihrem Kummer freien Lauf lassen zu können, theils aber auch, um zur bevorstehenden Todtenfeier alle Anstalten, welche die Umstände erlaubten, zu treffen. Damian verbeugte sich vor der abtretenden Trauernden so ehrfurchtsvoll, wie vor einer Göttin, und sein Pferd wieder besteigend, kehrte er zum Heere seines Oheims zurück, das sich auf dem ehemaligen Schlachtfelde eiligst gelagert hatte.

Die Sonne stand jetzt hoch, und auf der ganzen Ebene gewahrte man ein wogendes Gedränge, das eben so sehr von der einsamen Stille, die am frühen Morgen da geherrscht hatte, als von dem Gelärm und der Wuth des darauf gefolgten Kampfes verschieden war. Die Kunde von Hugo de Lacy's Sieg hatte sich weit umher auf den Flügeln des Triumphes verbreitet und viele Bewohner des Landes, die vor der Wuth des Wolfs von Plinlimmon geflohen waren, zur Rückkehr nach ihren zerstörten Wohnungen vermocht. Auch hatte sich eine bedeutende Anzahl jener lüderlichen Landstreicher, die in einem dem Wechsel des Krieges fortwährend preisgegebenen Lande sicherlich nicht unter die seltenen Erscheinungen gehören können, entweder aus Gewinnsucht oder aus bloßer Neugierde hierher gezogen. Die Juden und den Lombarden, die da, wo etwas zu gewinnen war, jeder Gefahr trotzten, konnte man bereits an den siegreichen Krieger Getränke und Waaren gegen den blutbefleckten goldenen Schmuck, den die kurz zuvor erschlagenen Britten getragen hatten, austauschen sehen. Andere machten die Mäckler zwischen den wallisischen Gefangenen und ihren Siegern, und konnten sie sich auf das Vermögen oder die Redlichkeit eines Wallisers verlassen, so verbürgten sie sich manchmal für die zu seiner Loskaufung nöthigen Summen oder schoßen sie sogar baar vor. Ein noch größerer Theil endlich kaufte selbst diejenigen Gefangenen an sich, welche die Mittel, wodurch sie sich mit ihren Siegern hätten abfinden können, nicht sogleich bei der Hand hatten.

Damit das auf diese Art erworbene Geld den Soldaten nicht lange belästigen oder seinen Muth zu ferneren Unternehmungen lähmen möchte, waren die gewöhnlichen Mittel zur Verschwendung kriegerischer Beute bereits bei der Hand. Feile Dirnen, Possenreißer, Taschenspieler, Minstrels und Mährchen-Erzähler aller Art hatten den nächtlichen Zug begleitet und waren, auf den militärischen Ruf des berühmten de Lacy vertrauend, furchtlos, in geringer Entfernung von dem Schlachtfelde geblieben, bis die Schlacht gekämpft und gewonnen war. Sie näherten sich nun in verschiedenen fröhlichen Gruppen, um die Sieger zu beglückwünschen. Dicht neben den Parthien, welche sich zum Tanze, Gesange oder zum Erzählen auf der noch blutigen Ebene bildeten, gruben Landleute große Gruben für die Erschlagenen – Aerzte sah man die Verwundeten verbinden – Priester und Mönche die Beichte der Sterbenden hören – Soldaten die Leichname der Geehrteren unter den Gefallenen wegtragen – Bauern über ihre zerstampften Saaten und geplünderten Wohnungen jammern – und Wittwen und Waisen die Körper ihrer Gatten und Väter unter den vermischten Ueberresten zweier Schlachten suchen. So vermischte der Schmerz seine wildesten Klänge mit den jubelvollsten Ausbrüchen einer bachantischen Freude und Siegeswonne, und die Ebene von Garde doloureuse bot ein wunderbares Bild des Wirrwarrs des menschlichen Lebens dar, in welchem Freude und Gram sich so sonderbar mischen, und die Gränzen der Freude und des Glücks nicht selten mit denen des Kummers und des Todes zusammentreffen.

Um die Mittagsstunde verstummten plötzlich alle diese verschiedenen Stimmen, und die Aufmerksamkeit der Fröhlichen wie der Klagenden ward durch den lauten und trauervollen Klang von sechs Trompeten gefesselt, die ihre schmetternden Töne zu einem wilden melancholischen Todtengesange vereinigend, allen Anwesenden verkündeten, daß die Leichenfeier des tapferen Raymond Berenger beginne. Aus einem Zelte, das in aller Eile zum unmittelbaren Empfange des Leichnams errichtet worden war, schritten zwölf schwarze Mönche, die Bewohner eines benachbarten Klosters, paarweise hervor. An ihrer Spitze stand ihr Abt, ein großes Kreuz tragend, und das erhabene katholische Miserere me Domine mit donnernder Stimme anstimmend. Dann kam eine auserwählte Schaar Bewaffneter, die ihre Lanzen mit zur Erde gekehrter Spitze nach sich zogen. Ihnen folgte der Leichnam des tapfern Berenger, in sein ritterliches Banner gehüllt, das, den Händen der Walliser wieder entrissen, jetzt seinem edlen Eigenthümer als Leichentuch diente. Die tapfersten Ritter vom Hofstaate des Constabel (denn gleich andern großen Edeln jener Zeit hatte er Alles auf einen beinahe königlichen Fuß eingerichtet) gingen ihm als Leidtragende oder Träger des auf Lanzen ruhenden Körpers zur Seite; der Constabel von Chester folgte nun allein mit entblößtem Haupte, sonst aber in voller Rüstung als Hauptleidtragender. Eine auserwählte Schaar Knappen, Gewappneter und Pagen von edler Abkunft beschloß den Zug; und ihre Trommeln und Trompeten hallten von Zeit zu Zeit den melancholischen Gesang der Mönche durch ihre gleich kläglichen Töne zurück.

Gelähmt war der Freude Schwung, und selbst der Bekümmerte wandte sein Auge einige Augenblicke lang von seinem Schmerze ab, um die letzten Ehren zu schauen, die dem erwiesen wurden, der während seines Lebens der Vater und Beschützer seines Volkes gewesen war.

Der Leichenzug zog langsam über die Ebene, die innerhalb weniger Stunden der Schauplatz so mannigfacher Ereignisse gewesen war. Vor dem Außenthore der Pallisaden der Veste angekommen, machte er Halt, und lud die Festung durch einen langen und feierlichen Tusch ein, die irdischen Ueberreste ihres tapfern Vertheidigers aufzunehmen. Der melancholische Aufruf wurde vom Horne der Wächter beantwortet – die Zugbrücke sank – das Fallgatter stieg empor – und Vater Aldrovand stand in der Mitte des Thorweges in seinem priesterlichen Ornate da. Einige Schritte hinter ihm stand die verwaiste Jungfrau, in so tiefe Trauer gehüllt, als es ihr die kurze Zeit gestattet hatte. Sie war von den Frauen des Haushalts umgeben, und dicht neben ihr befand sich Rosa Flammock.

Der Constabel von Chester blieb an der Schwelle des Außenthors stehen, und auf das an seiner linken Schulter befestigte Kreuz von weißem Tuche deutend, verbeugte er sich tief und überließ es seinem Neffen Damian, die Ueberbleibsel Raymond Berengers bis in die Schloßkapelle zu begleiten. Hugo von Lacy's Krieger, die größtentheils durch dasselbe Gelübde gebunden waren, machten ebenfalls vor dem Schloßthore Halt und blieben unter den Waffen, während von innen die Trauerschläge der Glocke der Kapelle das Fortschreiten der Prozession verkündeten.

Sie wand sich durch einen jener engen Eingänge, die mit so großer Geschicklichkeit angebracht waren, um das Vordringen des Feindes, selbst nach der Erstürmung des Außenthores noch zu hemmen, und kam endlich auf dem großen Schloßhofe an, wo die meisten Bewohner der Veste, so wie diejenigen, welche in Folge der letzten Ereignisse hier eine Zufluchtsstätte gesucht hatten, versammelt waren, um ihren verstorbenen Herrn zum Letztenmale zu sehen. Unter ihnen befanden sich auch einige Wenige von der außerhalb der Thore sich umhertreibenden bunten Menge, die durch Neugierde oder die Hoffnung eines Almosens an das Schloßthor getrieben, unter verschiedenen Vorwänden von den Wächtern Einlaß begehrt und erhalten hatten.

Der Leichnam wurde hier vor der Pforte der Kapelle, deren alte gothische Fronte eine Seite des Schloßhofes bildete, so lange niedergelegt, bis die Priester gewisse Gebete hergesagt hatten, die, wie es schien, von der umstehenden Menge mit der geziemenden Ehrfurcht nachgebetet wurden.

Während dieser Zeit nun geschah es, daß ein Mann, dem sein Stutzbart, sein gestickter Gürtel und hochgekrämpter Filzhut das Ansehen eines lombardischen Kaufmanns gab, sich an Margery, Evelinens Amme, wendete und ihr mit fremder Aussprache die Worte zuflüsterte: »Ich bin ein reisender Kaufmann, gute Schwester, und hierher gekommen, um gute Geschäfte zu machen – könnt Ihr mir nicht sagen, ob ich nicht einige Abnehmer in diesem Schlosse finden könnte?«

»Ihr seid zu einer bösen Stunde gekommen, und werdet selbst einsehen, daß hier ein Ort zum Trauern, nicht aber zum Handeltreiben ist.«

»Allein Trauerzeiten haben ihren eigenen Handel,« sagte der Fremde, noch näher zu Margery tretend und seine Stimme in ein noch traulicheres Geflüster umwandelnd: »Ich habe schwarze Mäntelchen von persischer Seide – schwarze Korallen, mit denen eine Prinzessin einen verstorbenen Monarchen betrauern könnte – Trauerflor, wie er selten aus dem Oriente gekommen ist, – schwarzes Tuch zu Trauertapeten – kurz Alles, was in Kleidung und Putz Kummer und Ehrfurcht auszudrücken vermag; auch weiß ich mich dankbar gegen Diejenigen zu beweisen, welche mir zu Kunden verhelfen. – Kommt, bedenkt Euch, gute Dame – solche Dinge muß man haben. – Ich habe so gute und wohlfeile Waare, als irgend ein Anderer, und ein Mieder, oder wenn Ihr wollt, ein Beutelchen mit 5 Gulden soll der Lohn für Eure Güte sein.«

»Seid still Freund, ich bitte Euch,« sagte Margery, »und wählt eine günstigere Zeit zum Anpreisen Eurer Waare – Ihr berücksichtigt Ort und Zeit nicht; und wenn Ihr nicht aufhört mich zu belästigen, so muß ich mich an Leute wenden, die Euch zeigen werden wo der Weg zur Burg hinaus geht. Ich wundere mich, daß die Wächter an einem solchen Tage Hausirer einlassen. – Sie würden, denke ich, am Todtenbette ihrer Mutter schachern, wenn sie etwas zu gewinnen hofften.« Nach diesen Worten kehrte sie ihm zornig den Rücken.

Während nun der Kaufmann einerseits auf diese etwas unzarte Weise abgewiesen wurde, fühlte er anderseits, daß ihn Jemand bedeutungsvoll am Mantel zupfte. In Folge dessen rings umherblickend, um den Urheber dieses Ziehens zu erspähen, gewahrte er eine Dame, deren schwarzes Schleiertuch absichtlich so angelegt war, daß es lächelnden und schelmischen Gesichtszügen, die ehedem sehr einnehmend gewesen sein mußten, weil ihnen 40 über sie hingeschwungene Jahre noch manche Reize gelassen hatten, einen Anschein von feierlichem Ernste lieh. Sie winkte dem Kaufmann und berührte zu gleicher Zeit ihre Unterlippe mit dem Zeigefinger, ihm dadurch Schweigen und Verheimlichung anempfehlend. Dann schlich sie sich von der Menge weg, und zog sich in einen durch einen vorspringenden Strebepfeiler der Kapelle gebildeten Winkel zurück, als wolle sie sich dem Gedränge entziehen, das, wie leicht vorauszusehen war, durch die Wiederaufhebung der Bahre entstehen mußte. Der Kaufmann ermangelte nicht, ihrem Beispiele zu folgen, und sobald er sich an ihrer Seite befand, begann sie die Unterredung, und ersparte ihm so die Mühe, ihr seinen Antrag zu eröffnen. »Ich habe gehört,« sagte sie zu ihm, »was Ihr zur Dame Margery – zur manierlichen Margery, wie ich sie nenne, – gesagt habt. – Wenigstens hörte ich so viel davon, daß ich das Uebrige leicht errathen konnte; denn ich habe ein Auge im Kopfe, das versichere ich Euch.«

»Zwei sogar, meine schöne Frau, und so hell und glänzend wie Thautropfen an einem Maimorgen.«

»O das sagt Ihr, weil ich geweint habe,« sagte die scharlachstrümpfige Gillian, – denn sie war die Sprechende – »und gewiß habe ich auch alle Ursache dazu; denn unser verstorbener Herr war immer ein sehr guter Herr gegen mich. Er griff mir manchmal sanft unter das Kinn und nannte mich die schelmische Gillian von Croydon – nicht, als ob der gute Herr jemals unhöflich gewesen wäre; denn er drückte mir manchmal dabei ein paar Silberpfennige in die Hand. – O was habe ich für einen Freund verloren! – Doch habe ich deßwegen oft auch Verdruß gehabt; denn dem alten Raoul ging dies manchmal so zu Herzen, das er mir ein essigsaures Gesicht machte, und nirgends hin als in den Hundsstall taugte; allein es schickte sich doch, wie ich ihm auch oft sagte, für eine Person meines Standes wahrlich nicht, unsern Herrn und einen großen Baron, wegen eines Griffs unter das Kinn oder eines Kusses, oder sonst etwas der Art, anzufahren.«

»Jetzt nimmt es mich auch nimmer Wunder, daß ihr um einen so gütigen Herrn so betrübt seid,« sagte der Kaufmann. –

»In der That, es darf Euch nicht Wunder nehmen,« entgegnete die Dame mit einem tiefen Seufzer. »Und was wird nun aus uns werden? – Wahrscheinlich geht meine junge Gebieterin zu ihrer Tante – oder sie heirathet einen von den Lacy's, von denen man so viel spricht – auf jeden Fall wird sie das Schloß verlassen, und dann wird wahrscheinlich der alte Raoul und ich mit den alten Schlachtpferden des verstorbenen Herrn auf's Gras gehen müssen. Gott weiß, sie könnten den Raoul meinetwegen eben sowohl mit den alten Hunden aufhängen; denn er kann nimmer laufen und nimmer beißen, und taugt überhaupt zu nichts mehr in der Welt.«

»Ist jene Dame dort in dem Trauermantel, die sich eben so tief auf den Leichnam niederbeugte, Eure Gebieterin?« fragte der Kaufmann.

»Ja in der That, Herr, sie ist es, – und wohl hat sie Ursache, sich so tief niederzubeugen. Ich bin versichert, daß sie lange suchen kann, bis sie wieder einen solchen Vater findet.«

»Ich sehe, Ihr seid eine sehr verständige Frau, Gevatterin Gossip,« sagte der Kaufmann, »und ist wohl jener Jüngling, an den sie sich stützte, ihr Bräutigam?«

»Wohl hat sie es nöthig, daß sie Jemand unterstützt; und ach! auch ich habe es gar wohl nöthig; denn was kann der alte verrostete Raoul thun?«

»Allein was für eine Bewandtniß hat es denn mit der Heirath Eurer jungen Gebieterin?« sagte der Kaufmann.

»Niemand weiß mehr davon, als daß eine solche Sache von unserem verstorbenen Herrn und dem großen Constabel von Chester beabsichtigt ward, welcher Letztere heute gerade noch zur rechten Zeit gekommen ist, um die Walliser zu hindern, uns allen die Kehle abzuschneiden und Gott weiß was sonst noch für Unheil zu stiften. – Allein von einer Heirath ist die Rede, das ist gewiß. – Und die meisten Leute glauben, es gelte dem glattwangigen Knaben Damian, wie sie ihn nennen; denn der Constabel hat zwar den Bart vor ihm voraus, allein derselbe ist ein wenig zu grau für eines Bräutigams Kinn – zudem zieht er ja in's heilige Land – das der beste Ort für alle alten Soldaten ist. – Ich wollte, er nähme meinen Raoul mit sich. – Allein was hat alles das mit dem zu schaffen, was Ihr von Euern Trauerwaaren gesagt habt? – Es ist eine traurige Wahrheit, daß mein armer Herr fort ist. – Allein was kann man da machen? – Ihr kennt ja den guten alten Spruch:

Ja Kleider brauchen wir,
Auch Fleisch und gutes Bier,
Steht selbst die Bahre hier.

Und was nun Euern Verkauf betrifft, so kann ich Euch mit meinem guten Worte eben so viel nützen, als die manierliche Margery, vorausgesetzt, daß Ihr Euch darnach zu benehmen wißt, denn wenn ich bei der Lady auch nicht so sehr in Gunsten stehe, so kann ich doch den Haushofmeister um den Finger wickeln.«

»Nehmt dies einstweilen, schöne Dame,« sagte der Kaufmann; »und wenn meine Wagen heraufkommen, so will ich Euch noch reichlicher bedenken, falls ich durch Eure gütige Verwendung gute Geschäfte mache. – Allein wie komme ich wieder in die Burg? Denn ich möchte Euch, da Ihr eine verständige Frau seid, zu Rathe ziehen, ehe ich mit meinem Gepäcke komme.«

»Nun,« antwortete die gefällige Dame, »wenn unsere Engländer auf der Wache sind, so braucht Ihr bloß nach Gillian zu fragen, und gerne werden sie Euch das Pförtchen öffnen; denn wir Engländer halten Alle zusammen, wäre es auch nur den Normannen zum Trotze; – allein, wenn ein Normann den Dienst hat, so müßt Ihr nach dem alten Raoul fragen und sagen, Ihr kommt, um ihm Hunde und Falken zum Kaufe anzubieten, und ich stehe Euch dafür, Ihr bekommt mich auf diese Art auch zu sprechen – steht aber endlich ein Flamänder Schildwache, so dürft Ihr nur sagen, Ihr seid ein Kaufmann, und gerne werden sie Euch aus bloßer Handelssucht einlassen.«

Der Kaufmann wiederholte ihr die Versicherung, daß sie ihn nicht undankbar finden werde, schlich sich von ihr weg und mischte sich sodann unter die Zuschauer, es ihr überlassend, sich dazu Glück zu wünschen, daß sie durch ihre Redseligkeit, die ihr bei andern Gelegenheiten oft so theuer zu stehen gekommen war, ein paar Gulden gewonnen hatte.

Das Schweigen der gewichtigen Schloßglocke deutete jetzt an, daß der edle Raymond Berenger in die Gruft seiner Väter aufgenommen sei. Diejenigen Leichenbegleiter, welche zum Heere des Constabel von Chester gehörten, begaben sich jetzt in die Schloßhalle und genossen daselbst, jedoch mit Mäßigung, einige Erfrischungen, die ihnen als Leichenmahl dargeboten wurden. Unmittelbar darauf verließen sie, den jungen Damian an ihrer Spitze, das Schloß, auf dieselbe langsame und melancholische Weise, auf die sie es betreten hatten. Die Mönche blieben zurück, um für die Seele des edlen Raymond, so wie für die seiner getreuen mit ihm gefallenen Krieger Messen zu lesen. So sehr waren die Letztern während und nach der Schlacht von den Wallisern verstümmelt worden, daß es unmöglich war, ein Individuum von dem andern zu unterscheiden; sonst würde Dennis Morolts Körper, wie dessen Treue es auch wohl verdiente, die Ehre eines besondern Begräbnisses zu Theil geworden sein.



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