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Zweites Kapitel.

Aus Madoks Zelt das Kriegslied schallt;
Weit dringt der Klang mit rascher Macht,
Daß Thal und Hügel wiederhallt.
Doch wann kehrt heim der Sohn der Schlacht?
Das Thal weicht deinem Machtgebot,
Du Friede! Sohn der ernsten Noth;
Und hüllt in düstre Trauer sich.

Walliser Lied.

Die Gastmahle der alten brittischen Fürsten boten gewöhnlich den ganzen rohen Glanz und die ausschweifende Größe der Gastfreundschaft der Bergbewohner dar, und Gwenwyn war es bei dieser Gelegenheit sehr daran gelegen, sich durch eine verschwenderische Freigebigkeit die Herzen seiner Untergebenen geneigt zu machen; denn er fühlte wohl, der Bund, den er zu schließen gedenke, werde von seinen Unterthanen und Anhängern zwar geduldet, keineswegs aber gebilligt werden. Der folgende, an und für sich unbedeutende Vorfall bestätigte seine Besorgniß. Als er eines Abends bei einbrechendem Dunkel an dem offenen Fenster einer Wachtstube vorbeiging, in welcher sich stets einige seiner besten Krieger befanden, die abwechslungsweise seinen Palast bewachten, so hörte er, wie Morgan, ein durch Kraft, Muth und Wildheit ausgezeichneter Kriegsmann, zu seinem Gefährten, der mit ihm am Wachtfeuer saß, sagte: »Gwenwyn ist zum Priester oder zum Weibe geworden. Wann, außer seit einigen Monaten, war einer seiner Kriegsgefährten genöthigt, so sauber einen Knochen abzunagen, als ich jetzt mit dem Bissen, den ich in meiner Hand halte, thun muß?«

»Warte nur noch ein Weilchen,« entgegnete sein Gefährte, »bis die normännische Heirath vollzogen ist. Die Beute, welche wir alsdann den sächsischen Flegeln werden abjagen können, wird so karg sein, daß wir uns glücklich schätzen werden, wenn wir nur, gleich hungrigen Hunden, die Knochen selbst verschlingen dürfen.«

Gwenwyn hörte nichts weiter von ihrer Unterhaltung; allein dies Wenige reichte hin, um seinen Stolz als Krieger und seine Besorgniß als Fürst zu erwecken. Es war ihm nicht unbekannt, daß das Volk, über welches er herrschte, wankelmüthig in seinen Neigungen, dauernder Ruhe abhold, und voll Haß gegen seine Nachbarn war; er fürchtete daher, aus der Unthätigkeit, in die sie ein langer Waffenstillstand versetzen mußte, möchten schlimme Folgen entspringen. Jedoch war der Wurf einmal gewagt, und eine außergewöhnliche Freigebigkeit und Pracht schien ihm das beste Mittel zur Wiedererlangung der schwankenden Liebe seiner Unterthanen zu sein.

Ein Normann würde die barbarische Pracht eines Schmauses verachtet haben, der aus unzerlegt gebratenen Kühen und Schafen, und mit sammt der Haut gekochtem Ziegenfleische und Wildpret bestand; denn die Normannen hielten mehr auf die Qualität als auf die Quantität ihrer Speisen, und mehr gut als viel speisend, verspotteten sie den grobem Geschmack der Britonen, obschon die letztern bei ihren Gastereien mäßiger waren, als die Sachsen; auch würden ihnen die Meere von Crw Nationalgetränk des alten Britten. und Meth, die die Gäste gleich einer Sündfluth überströmten, eine schlechte Entschädigung für die feinern und kostbarern Getränke, an die sie sich im Süden von Europa gewöhnt hatten, gewesen sein. Milch, auf verschiedene Art zubereitet, war ein anderer Bestandtheil des Gastmahls, der ihren Beifall eben so wenig erhalten haben würde, obschon dieses Nahrungsmittel oft den Mangel aller andern bei den alten Britten ersetzte, deren Land reich an Heerden, aber arm an Erzeugnissen des Ackerbaues war.

Das Gastmahl hatte in einer langen und niedrigen Halle statt, die aus unbehauenem Holze erbaut, und mit Schindeln gedeckt war. An jedem Ende der Halle brannte ein Feuer, und die Rauchsäulen, die daraus emporstiegen, wogten, unvermögend, durch die ungenügenden Dachöffnungen einen Weg zu finden, in hochaufgethürmten Wolken über den Häuptern der Schmausenden hin, die auf niedrigen Sitzen saßen, um, so viel möglich, dem erstickenden Dampfe zu entgehen. Die Mienen und das Aussehen der versammelten Gesellschaft trugen den Charakter der Wildheit, und waren selbst in ihren gesellschaftlichen Stunden fast furchtbar. Ihr Fürst besaß ganz die gigantische Gestalt und den Feuerblick, die beide so geeignet sind, ein unbändiges Volk, das seine höchste Freude auf dem Schlachtfelde findet, zu beherrschen. Die langen Knebelbärte, welche er und die meisten seiner Krieger trugen, vermehrten noch die furchtbare Würde seiner Erscheinung. Gleich den meisten der Anwesenden war Gwenwyn in eine einfache Tunika von weißer Leinwand gekleidet, ein Ueberbleibsel der Kleidung, welche die Römer in der brittischen Provinz eingeführt hatten; ihn zeichnete die Eudorchawg, oder eine Kette von geflochtenen goldenen Gliedern aus, mit der die keltischen Stämme ihre Häuptlinge stets zu schmücken pflegten. Der Halsschmuck unterschied sich zwar in nichts von dem geringerer Häuptlinge, die ihn nicht selten ihrer edlen Abkunft wegen, oder als Preis hoher Waffenthaten trugen; allein ein goldner, sein Haupt umzingelnder, Ring war in sein Haar verflochten – denn er machte stets Ansprüche auf den Rang eines der drei gekrönten Fürsten, und seine Arm- und Knöchelbänder, von demselben Metall, waren ein eigenthümlicher Schmuck des Fürsten von Powys, als eines unabhängigen Souveräns. Zwei Leibjunker, die seiner Bedienung ihre ganze Aufmerksamkeit widmeten, standen im Rücken des Fürsten, und zu seinen Füßen saß ein Page, der die Obliegenheit hatte, sie durch Reiben und Einhüllen in seinen Mantel warm zu erhalten. Dasselbe Recht der Oberherrlichkeit, das Gwenwyn sein goldenes Diadem zuerkannte, ermächtigte ihn auch, die Bedienung des Fußträgers oder des Knaben zu verlangen, der auf der Matte lag, und dessen Geschäft es war, des Fürsten Füße in seinem Schooße, oder an seinem Busen zu erwärmen.

Ungeachtet der militärischen Stimmung der Gäste und der Gefahr, die aus den vielen Fehden, in welche sie mit einander verwickelt waren, leicht entspringen konnte, trugen wenige der Schmauser Vertheidigungswaffen, den leichten ziegenledernen Schild, der hinter eines Jeden Sitze hing, ausgenommen. Andererseits aber waren sie mit einem bedeutenden Vorrathe von Angriffswaffen versehen; das breite, scharfe, kurze und zweischneidige Schwert war ein anderes Vermächtniß der Römer. Die Meisten hatten auch noch ein Jagdmesser oder einen Dolch. Ueberdieß hatten sie Vorräthe von Wurfspießen, Bogen und Pfeilen, Picken, Hellebarden, dänischen Aexten und Walliser Streitäxten bei der Hand, so daß es ihnen, im Falle bei dem Mahle Streitigkeiten entstehen sollten, nicht an Waffen fehlte, um Unheil zu stiften.

Allein, obschon das Aeußere des Festes etwas ungeordnet war, und die Gäste den von der Ritterlichkeit auferlegten strengen Regeln der guten Lebensart eben nicht sehr gehorchten, so besaß doch Gwenwyns Ostergastmahl an der Gegenwart zwölf ausgezeichneter Barden eine Quelle des reinsten Vergnügens in einem weit höhern Grade, als die stolzen Normänner sich dessen rühmen konnten. Es ist wahr, die Letztern hatten ihre Minstrels, eine der Poesie, dem Gesange und der Musik eigens geweihte Zunft; allein, obschon diese Künste hochverehrt waren, und die sie ausübenden Individuen, wenn sie sich zur Meisterschaft emporschwangen, oft reichlich belohnt wurden, so war doch der Stand der Minstrels, als solcher, wenig geachtet, da er meistens aus werthlosen und liederlichen Landläufern bestand, die sich dieser Kunst widmeten, um nicht arbeiten zu dürfen und einen unstäten und zerstreuten Lebenswandel führen zu können. So verhielt es sich zu allen Zeiten mit denen, welche sich dem öffentlichen Vergnügen weihten; diejenigen unter ihnen, welche durch individuelle Vortrefflichkeit glänzen, werden oft im gesellschaftlichen Kreise hoch erhoben, allein bei weitem der größere Theil bleibt in Verachtung. Doch dieß war nicht der Fall bei den walliser Barden, die, den Druiden in ihrer Würde folgend, unter denen sie anfänglich eine untergeordnete Brüderschaft bildeten, manche Gerechtsame besaßen, sich der höchsten Achtung und Ehrerbietung erfreuten, und einen großen Einfluß auf ihre Landsleute ausübten. Ihre Gewalt über das Volk wetteiferte sogar mit der der Priester selbst, mit denen sie in der That einige Aehnlichkeit hatten; denn sie trugen nie Waffen, wurden durch geheime und mystische Feierlichkeiten in ihren Orden eingeweiht, und ihrem Awen, oder dem Strome ihrer poetischen Begeisterung, wurde tiefe Achtung gezollt, als ob er wirklich göttlicher Natur gewesen wäre. Auf diese Art im Besitze einer ansehnlichen Macht, verschmähten es die Barden nicht, Gebrauch von ihren Privilegien zu machen; und oft, wenn sie dieß thaten, schien ihr Benehmen einen Anstrich von Eigensinn oder Laune zu haben.

Dieß galt vielleicht auch von Codwallon, Gwenwyns Hauptbarden, von welchem, als solchem, erwartet wurde, daß er dem Strome des Gesanges in seines Fürsten gastlicher Halle Bahn brach. Allein weder die ängstliche und athemlose Erwartung der versammelten Häuptlinge und Kriegshelden – noch die Todtenstille, welche die lärmende Halle verstummen machte, als seine Harfe von seinem Diener ehrfurchtsvoll vor ihn hingestellt wurde, – noch auch die Befehle oder Bitten des Fürsten selbst – konnten dem Barden mehr als ein kurzes und unterbrochenes Vorspiel entlocken, dessen Töne in eine unaussprechlich düstre Melodie zusammenflossen, und bald in eine tiefe Stille hinstarben. Finster blickte der Fürst den Barden an; dieser war aber zu tief in düstre Gedanken versunken, als daß er eine Entschuldigung hätte vorbringen, oder auch nur das Mißvergnügen des Fürsten gewahren können. Wieder entlockte er seiner Harfe einige wilde Klänge, und seinen Blick erhebend schien er auf dem Punkte zu sein, in jenen Strom des Gesanges auszubrechen, mit dem dieser Meister seiner Kunst seine Zuhörer zu bezaubern gewohnt war; allein vergebens war seine Anstrengung – er erklärte, seine rechte Hand sei ganz kraftlos, und stieß das Instrument von sich.

Ein lautes Murren durchlief die ganze Gesellschaft, und Gwenwyn las auf ihren trüben Gesichtern, daß sie die ungewöhnliche Stille Cadwallons bei dieser feierlichen Gelegenheit als ein böses Vorzeichen betrachteten. Er rief daher eiligst einen jungen und ehrgeizigen Barden, mit Namen Caradoc von Menwygent, herbei, dessen steigender Ruhm nahe daran war, mit dem schon festbegründeten Rufe Cadwallons zu wetteifern, und forderte ihn auf, ein Lied anzustimmen, das ihm seines Herrn Beifall und den Dank der ganzen Gesellschaft erwerben könnte. Der junge Mann war ehrsüchtig und wohl bekannt mit den Künsten eines Höflings. Er begann ein Gedicht, mit welchem er, obschon unter einem andern Namen, ein so poetisches Gemälde von Eveline Berenger entwarf, daß Gwenwyn darüber entzückt war; und während Alle, welche das schöne Original gesehen hatten, sogleich die Aehnlichkeit erkannten, zeugten des Fürsten Augen sowohl von seiner Leidenschaft für den Gegenstand, als auch von seiner Bewunderung für den Dichter. Der erhabene Schwung der Phantasie, der die celtische Poesie auszeichnete, genügte dem Enthusiasmus des ehrgeizigen Barden kaum, der seinen Ton noch mehr steigerte, als er den günstigen Eindruck gewahrte, den sein Gesang hervorbrachte. Das Lob des Fürsten vermengte sich in seinem Gesange mit dem der normännischen Schönheit, und wie der Löwe, sagte der Dichter, sich nur von der Hand einer keuschen und schönen Jungfrau leiten läßt, so kann auch ein Fürst nur die Herrschaft der tugendhaftesten und liebenswürdigsten ihres Geschlechts anerkennen. Wer fragt die Mittagssonne, in welchem Theile der Welt sie geboren wurde? und wer wollte solche Reize, wie die ihrigen, fragen, welchem Lande sie ihr Dasein verdanken?

Begeistert für die Freude wie für den Krieg, und mit einer Einbildungskraft ausgestattet, welche dem Fluge ihrer Dichter leicht folgen konnte, brachen die walliser Häuptlinge in ein einstimmiges Beifallrufen aus; und der Sang des Barden vermochte ihren Sinn weit günstiger für die beabsichtigte Verbindung des Fürsten zu stimmen, als alle die gewichtigen Gründe seines geistlichen Fürsprechers.

Gwenwyn selbst riß im Taumel der Freude seine goldnen Armbänder ab, um sie einem Barden zu schenken, dessen Gesang einen so wünschenswerthen Eindruck hervorgebracht hatte, und sagte, auf den stummen und trübsinnigen Cadwallon blickend: »Die stumme Harfe ward nie mit goldenen Saiten bezogen.«

»Fürst,« antwortete der Barde, der wenigstens so viel Stolz besaß, als Gwenwyn selbst, »Ihr verfälscht das Sprüchwort Taliessins. – ›Die schmeichelnde Harfe ist's, der es nie an goldenen Saiten gebrach.‹«

Gwenwyn warf einen finstern Blick auf ihn, und war eben im Begriffe, ihm eine zornige Antwort zu ertheilen, als ihn die plötzliche Erscheinung Jorworths, des Boten, den er zu Raymond Berenger abgeschickt hatte, von seinem Vorsatze abbrachte. Dieser rauhe Abgesandte trat barfüßig in die Halle; nur leichte ziegenlederne Sandalen bedeckten seine Fußsohlen; er hatte einen Mantel von gleichem Felle über seine Schultern geworfen und einen kurzen Wurfspieß in der Hand. Der auf seinen Kleidern liegende Staub, und die Gluth seines Gesichtes zeigten, wie eifrig er seine Botschaft ausgerichtet hatte. Gwenwyn fragte ihn rasch: »Was für Neuigkeiten bringst du von Garde doloureuse, Jorworth von Jevan?«

»Ich trage sie in meinem Busen,« sagte der Sohn Jevans; und mit der größten Ehrerbietung übergab er dem Fürsten ein Packet, das mit Seide zusammengebunden und mit einem Siegel versehen war, das einen Schwan, das uralte Wappen des Hauses Berenger, zeigte. Da Gwenwyn selbst weder lesen noch schreiben konnte, so reichte er in eiliger Hast den Brief Cadwallon hin, der gewöhnlich, wenn der Kaplan nicht anwesend war, was eben jetzt auch statt hatte, das Amt eines Sekretärs versah. Cadwallon warf einen Blick auf den Brief und sagte in trockenem Tone: »ich lese kein Latein. Uebel ergehe es dem Normannen, der einem Fürsten von Powys in einer andern als der brittischen Sprache schreibt! und fürwahr, glücklich war die Zeit, in der diese allein von Tintadgel bis Cairlevil gesprochen wurde.«

Gwenwyn antwortete ihm bloß durch einen zornigen Blick.

»Wo ist Vater Hugo?« sagte der ungeduldige Fürst.

»Er ist in der Kirche; denn es ist heute das Fest des St …«

»Und wäre es selbst das Fest des heiligen David,« sagte Gwenwyn, »und hätte er selbst die Monstranz in den Händen, er müßte dennoch augenblicklich hierher kommen.«

Einer seiner ersten Diener sprang auf, um den Kaplan herbeizurufen, und mittlerweile betrachtete Gwenwyn den Brief, der das Geheimniß seines Schicksals enthielt, zu dessen Verständniß er aber einen Dollmetscher bedurfte, mit so ungeduldigen und ängstlichen Blicken, daß Caradoc, durch sein früheres Glück ermuthigt, einige Klänge ertönen ließ, um, wo möglich, während der Zwischenzeit den Gedanken seines Gebieters eine andere Richtung zu geben. Eine leichte und lebensvolle Weise, von einer Hand gespielt, die, gleich der demüthigen Stimme eines Untergebenen, der das Nachsinnen seines Herrn zu stören fürchtet, etwas zu zagen schien, begleitete einige auf den Gegenstand sich beziehende Stanzen.

»Und was ist's, wenn du, o Schrift,« begann er, den Brief, der auf dem Tische vor seinem Herrn lag, anredend, »in der Sprache des Fremdlings mit uns sprichst? Tönt nicht des Kukuks Stimme rauh und hart, und doch verkündigt er uns grüne Knospen, und keimende Blumen? Ist deine Sprache nicht die Sprache des Priesters, durch die Herz und Hand am Altar vereint wird? Und zögerst du auch, uns deine Schätze zu übergeben, werden denn nicht alle Freuden durch die Erwartung erhöht? Was wäre die Jagd, wenn der Hirsch vor unsern Füßen niederfiele, sobald er aus dem Dickicht aufgesprungen ist? oder welchen Werth hätte die Liebe der Jungfrau, würde sie ohne schamhafte Zögerung gewährt?«

Der Gesang des Barden wurde hier durch den Eintritt des Priesters unterbrochen, der in der großen Eile, mit der er den Befehlen seines ungeduldigen Herrn gehorchte, sich nicht einmal Zeit genommen hatte, die Stola abzulegen, die er bei dem Gottesdienste trug; und viele der Aeltesten hielten es für kein gutes Vorzeichen, daß ein Priester so gekleidet bei einem Festgelage und unter profanen Sängern erschien.

Der Priester öffnete den Brief des normännischen Barons, und über seinen Inhalt höchst erstaunt, blickte er schweigend auf.

»Leset!« rief der ungestüme Gwenwyn aus.

»Mit Eurer Erlaubniß,« erwiederte der Kaplan, »ein engerer Kreis würde sich besser hiezu eignen.«

»Leset ihn laut!« wiederholte der Fürst mit verstärktem Tone; »es sitzt kein Mann hier, der nicht die Ehre seines Fürsten achtete, oder sein Zutrauen verdiente. Leset ihn laut, sage ich! und beim heiligen David, wenn Raymond der Normann es gewagt hätte –«

Er brach hier plötzlich ab, und sich auf seinen Sitz zurücklehnend nahm er eine aufmerksame Miene an; allein leicht konnten sich seine Anhänger die Lücke ausfüllen, die er in seiner Ausrufung gelassen hatte.

Mit gedämpfter und schwankender Stimme las der Kaplan folgenden Brief: –

 

»Raymond Berenger, der edle normännische Ritter, Seneschal der Garde doloureuse, entbeut Gwenwyn, dem Fürsten von Powys, (Friede sei zwischen ihnen!) seinen Gruß.

»Euer Brief, in welchem Ihr um die Hand meiner Tochter Eveline Berenger anhaltet, wurde uns wohlbehalten von Eurem Diener, Jorworth von Jevan, überbracht, und wir danken Euch herzlich für die wohlwollenden Gesinnungen, die Ihr in demselben gegen uns und die Unsrigen an den Tag leget. Allein in unsrem Herzen die Verschiedenheit des Blutes und der Abkunft, so wie die Schwierigkeiten und Anlässe zu Beleidigungen, welche oft aus ähnlichen Verbindungen entsprangen, erwägend, halten wir es für besser, unsre Tochter mit einem Gatten ihres Volkes zu vermählen. Wir thun dieß durchaus nicht, um Euch zu kränken, sondern einzig und allein aus Besorgniß für Euer eigenes Wohl, so wie für das unsrige und das unsrer Untergebenen, die desto sicherer gegen die Gefahren eines Streites zwischen uns sind, je weniger wir es versuchen, die Bande unsrer Freundschaft enger zu knüpfen, als es sich geziemt.

»Schafe und Ziegen waiden friedlich neben einander, allein sie vermischen sich nicht in Blut oder Geschlecht mit einander. Zudem hat ein edler und mächtiger Gränzlord, Hugo von Lacy, der Constabel von Chester, um die Hand unsrer Tochter Eveline angehalten, und wir haben seiner ehrenvollen Werbung eine günstige Antwort ertheilt. Unmöglich können wir Euch daher in dieser Sache willfahren; allein Ihr werdet uns zu allen Zeiten bereit finden, Euch in andern Dingen gefällig zu sein. Hiezu nehmen wir zu Zeugen Gott, die heilige Jungfrau und die heilige Maria Magdalena von Quatford, deren Obhut wir Euch von Herzen empfehlen.«

»Geschrieben auf unser Geheiß auf unsrem Schlosse Garde doloureuse, innerhalb der Gränzen von Wales durch einen ehrwürdigen Priester, den Vater Aldrovand, einen schwarzen Mönch aus dem Hause Wenlock. Wir haben auch unser Siegel beigefügt am Abend des heiligen Märtyrers St. Alphegius, welchem sei Ehre und Ruhm.«

 

Die Stimme des Vaters Hugo stockte und der Brief, welchen er in der Hand hielt, zitterte wie Espenlaub, als er an das Ende des Briefs kam; denn er wußte nur zu gut, daß weit geringere Beleidigungen, als das geringste Wort dieses Briefs Gwenwyn erscheinen werde, jeden Tropfen seines brittischen Bluts in die heftigste Wallung bringen würden. Er täuschte sich nicht. Der Fürst hatte sich allmählig aus der Stellung aufgerichtet, die er, um den Inhalt des Briefes anzuhören, angenommen hatte; und als der Priester mit dem Lesen desselben zu Ende war, sprang er gleich einem aufgeschreckten Löwen auf, den Fußträger von sich schleudernd, daß er weithin auf den Boden rollte. »Pfaffe,« schrie er, »hast du den verdammten Brief treu gelesen? Denn hast du nur einen einzigen Buchstaben davon oder dazu gethan, so werde ich dir deine Augen so zurichten lassen, daß du nie mehr einen Brief lesen wirst.«

Der Mönch antwortete zitternd (denn er wußte wohl, daß die priesterliche Würde von den zornsüchtigen Wallisern nicht immer geachtet wurde): »Bei meinem heiligen Orden schwöre ich dir, daß ich Wort für Wort, und Buchstaben für Buchstaben gelesen habe.«

Eine augenblickliche Stille erfolgte, während welcher die Wuth Gwenwyns über diesen unerwarteten in Gegenwart aller seiner Uckelwyr's (d. h. edlen Häuptlinge, wörtlich, hochgestalteter Männer) ihm angethanen Schimpf, ihres Uebermaßes wegen, nicht zum Ausbruche kommen zu können schien, als die Stille plötzlich durch einige Töne der bisher stummen Harfe Cadwallon's unterbrochen wurde. Der Fürst blickte anfänglich, entrüstet über diese Unterbrechung, wilden Blicks umher; denn er war gerade im Begriff zu reden; allein als er den Barden voll Begeisterung sich über seine Harfe hinbeugen und mit beispielloser Kunst die wildesten und erhabensten Töne in schönen Einklang bringen sah, so wurde er Zuhörer statt Sprecher, und Cadwallon, nicht aber der Fürst, schien der Centralpunkt der Versammlung geworden zu sein. Aller Augen waren auf ihn gerichtet, und jedes Ohr lauschte seinem Sange mit athemloser Aufmerksamkeit; gleich als ob ein Orakel Antwort ertheilt hätte.

»Nicht mit dem Fremdling vermählen wir uns,« so entströmte der Gesang den Lippen des Barden. »Vortigern vermählte sich mit dem Fremdlinge; das brachte das erste Wehe über Britannien, das Schwert über seine Söhne, und den Donnerstreich über seine Paläste. – Wir vermählen uns nicht mit den sklavischen Sachsen – der freie fürstliche Hirsch wählt die Färse, deren Nacken das Joch getragen hat, nicht zu seiner Braut. Wir vermählen uns nicht mit den räuberischen Normannen – der edle Hund verschmäht es, sich eine Gefährtin in der Heerde räuberischer Wölfe zu suchen. Seit wann hörte man, daß die Cymrier, Brute's Abkömmlinge, die ächten Kinder der schönen brittischen Erde geplündert, unterdrückt, ihres Geburtsrechts beraubt und in ihren letzten Zufluchtsstätten beschimpft wurden? – Seit wann, als seit sie dem Fremdlinge freundlich die Hand reichten, und die Tochter des Sachsen an ihre Brust drückten? Welches von beiden fürchtet man, den vertrockneten Sommerbach, oder den wild dahinrauschenden Winterstrom? Lächelnd geht die Jungfrau über das leere Beet des von der Sommerhitze aufgezehrten Baches, allein Roß und Reiter scheuen sich, der aufgeschwollenen Winterfluth entgegen zu rennen. Männer von Mathraval und Powys, seid die gefürchtete Winterfluth! Gwenwyn, Sohn von Cyverliock! deine wallende Feder sei die tobendste ihrer Wogen!«

Alle friedlichen Gedanken, die ohnehin dem Herren der kriegerischen Britten fremd waren, verschwanden vor dem Gesange Cadwallons, wie Staub vor dem Wirbelwinde, und mit einstimmigem Jubelrufe erklärte sich die Versammlung für augenblicklichen Krieg. Der Fürst selbst sprach nichts, allein, stolz um sich herumblickend, erhob er wild den Arm, wie Einer, der die Seinigen zum Angriffe auffordert.

Hätte es der Priester gewagt, so würde er Gwenwyn erinnert haben, daß das Kreuz, das er auf seine Schultern genommen hatte, seinen Arm dem heiligen Kriege weihete, und ihm verbot, sich in irgend einen weltlichen Streit einzulassen; allein eine solche Aufgabe war ein zu großes Wagstück für Vater Hugo; er zog sich daher in aller Stille aus der Halle in die Einsamkeit seines Klosters zurück. Caradoc, dessen Herrlichkeit nur von kurzer Dauer gewesen war, entfernte sich ebenfalls demüthig und niedergeschlagen, und nicht, ohne einen Blick des Unwillens auf seinen triumphirenden Gegner zu werfen, der so klug gewesen war, seine Begeisterung für das Kriegsthema aufzusparen, das den wilden Sinn der Versammelten stets am meisten ansprach.

Die Häuptlinge nahmen ihre Sitze wieder ein, nicht aber, um das Festgelage fortzusetzen, sondern um auf die, diesen ungestümen Kriegern eigene, rasche Weise den Punkt zu bestimmen, auf welchem sie ihre Streitkräfte versammeln wollten, die bei solchen Gelegenheiten fast aus allen waffenfähigen Männern des Landes bestanden – (denn Alle, die Priester und Barden ausgenommen, waren Krieger) – und um ferner die Art des Einfalls in die dem Verderben geweihten Gränzen festzusetzen, wo sie den ihrem Fürsten angethanen Schimpf durch eine allgemeine Verheerung rächen wollten.



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