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Viertes Kapitel.

Dort neben der Brücke, wo glänzend und hell
Das Bächlein hinrollet die flüchtige Well',
Wird stürzen zu Boden manch' stattliches Roß
Und treffen den Ritter das Todesgeschoß.

Prophezeiungen Thomas des Sängers.

Die Tochter Raymond Berengers verweilte noch immer mit den bereits genannten Begleitern auf den Zinnen der Garde doloureuse, ungeachtet der Priester ihr stets zu Gemüthe führte, daß es besser wäre, wenn sie den Ausgang des furchtbaren Kampfes in der Kapelle abwarten würde. Endlich bemerkte er, daß Angst und Furcht sie unfähig machten, seinem Rathe Folge zu leisten, oder ihn auch nur zu verstehen; er setzte sich daher neben sie, während der Jäger und Rosa Flammock neben ihr standen, und suchte sie durch Trostgründe zu ermuthigen, die ihm wahrscheinlich selbst nicht recht einleuchteten.

»Es ist bloß eine Laune Ihres edlen Vaters,« sagte er, »und ob es schon scheinen mag, sein Unternehmen sei ein großes Wagstück, so wird doch Niemand Sir Raymond Berengers große Erfahrenheit im Kriegswesen in Zweifel ziehen. Er ist verschlossen und geheimnißvoll in seinem Thun, und würde sicherlich nicht ausgerückt sein, wenn er nicht wüßte, daß der edle Graf von Arundel, oder der mächtige Constabel von Chester ganz nahe ist.«

»Glaubet Ihr das im Ernste, guter Vater?« sagte Eveline. »Geht, Raoul, geht, meine theuerste Rosa, seht nach Osten, seht, ob ihr keine Banner oder Staubwolken gewahrt. – Horcht, horcht, hört ihr keine Trompeten aus dieser Gegend?«

»Ach, meine Gebieterin,« sagte Raoul, »den Donner des Himmels selbst würde man kaum vernehmen können vor dem Geheule jener walliser Wölfe.« Eveline wandte sich bei diesen Worten um, und, nach der Brücke blickend, gewahrte sie ein herzzerreißendes Schauspiel.

Der Fluß, dessen Wellen den Fuß des stolzen Hügels, auf welchem die Burg liegt, von drei Seiten bespülen, macht auf der westlichen Seite eine Krümmung, durch die er sich von der Festung und dem mit derselben in Verbindung stehenden Dorfe entfernt, und der Hügel senkt sich in eine ganz flache und ausgedehnte Ebene hinab. Weiter unten, an dem Ende dieser Ebene, wo der Fluß wieder von Anhöhen und Felsen eingeengt ist, lagen die nunmehr in lichten Flammen stehenden Gewerkhäuser der kräftigen Flamänder. Die Brücke, die aus hohen und eng aneinander stehenden Bogen von ungleicher Größe bestand, lag ungefähr eine halbe Stunde von dem Schlosse entfernt, in dem Mittelpunkte der Ebene. Der Fluß selbst strömte in einem tiefen felsigten Bette. Der Uebergang über ihn war zu jeder Zeit mit großen Schwierigkeiten verbunden, was der Besatzung des Schlosses, die früher bei der Vertheidigung des Passes, den Raymond Berenger dießmal aus fantastischen Bedenklichkeiten unbesetzt ließ, manchen Tropfen Blutes gekostet hatte, große Vortheile gewährte. Die Walliser machten von der sich ihnen darbietenden Gelegenheit mit der gierigen Hast Gebrauch, mit der die Menschen nach einem unerwarteten Glücke greifen. Sie drängten sich, Mann an Mann, über die hohen und steilen Bogen der Brücke, und immer neue Haufen, von verschiedenen Punkten auf dem jenseitigen Ufer ankommend, erneuerten unaufhörlich den ungestörten Zug der Krieger, die sich nun auf der der Burg gegenüberliegenden Ebene in Schlachtordnung aufstellten.

Anfänglich sah Vater Aldrovand ihren Bewegungen nicht nur ohne Bangigkeit, sondern auch mit dem höhnischen Lächeln eines Menschen zu, der einen Feind auf dem Punkte sieht, sich in die ihm von einer geschicktern Hand gelegte Schlinge zu verstricken.

Raymond Berenger hatte sich mit seinem kleinen, theils aus Fußvolk, theils aus Reiterei bestehenden Häuflein auf dem kleinen Hügel aufgestellt, der zwischen der Burg und der Ebene lag; und der Dominikaner, der seine früheren Kenntnisse im Kriegswesen in dem Kloster nicht ganz vergessen hatte, war überzeugt, daß der Ritter die Absicht habe, die Feinde anzugreifen, wenn ein Theil derselben über den Fluß gesetzt habe, und die andern noch in dem langsamen und beschwerlichen Uebergange begriffen seien. Als aber starke Abtheilungen der weißgekleideten Walliser, ohne auf irgend eine Weise unterbrochen zu werden, auf der Ebene diejenige Stellung annahmen, die ihrer Art zu kämpfen angemessen war, so nahmen die Züge des Mönchs einen andern Ausdruck, nämlich den der Besorgniß und des Trübsinns an, obwohl er noch immer dem erschrockenen Mädchen Muth einzusprechen suchte, und sein an Ergebung gewöhnter Geist kämpfte einen gewaltigen Kampf mit seiner lange schon erloschenen, nun aber wieder neu auflebenden kriegerischen Begeisterung.

»Sei geduldig, meine Tochter, und gutes Muths,« sagte er; »deine Augen werden jene barbarischen Feinde zagen sehen. Ehe eine Minute vergeht, werden sie wie Staub in alle vier Winde zerstreut sein. – Heiliger Georg! sicherlich werden sie jetzt deinen Namen anrufen oder nimmer.«

Der Rosenkranz des Mönchs glitt inzwischen rasch durch seine Hände; allein manche Ausdrücke militärischer Ungeduld mischten sich in sein Gebet. Er konnte nicht begreifen, warum eine Schaar der Bergbewohner nach der andern, mit ihrem besondern Banner und Häuptlinge, ungestört durch den schwierigen Engpaß ziehen und sich diesseits des Flusses in Schlachtordnung aufstellen durfte, während die englische oder vielmehr anglo-normännische Reiterei regungslos stehen blieb, und nicht einmal ihre Lanzen einlegte. Es gab nun seiner Meinung nach nur noch eine einzige Hoffnung – nur noch eine einzige Erklärung dieser unbegreiflichen Unthätigkeit, die freiwillig alle Vortheile des Bodens preisgab, während doch der Vortheil der Mehrzahl in einem so furchtbaren Grade auf der Seite des Feindes war. Vater Aldrovand glaubte, der Constabel von Chester und andere Gränzritter müssen mit ihren Leuten in der Nähe sein, und man setze dem Uebergange der Walliser deßwegen keinen Widerstand entgegen, weil man die Absicht habe, ihnen den Rückzug abzuschneiden, um ihre Niederlage dadurch um so vollständiger zu machen. Allein als der Mönch, von dieser Hoffnung belebt, nach allen Seiten blickend, nicht das geringste Zeichen von der Annäherung der erwarteten Hülfe weder sehen noch hören konnte, so sank ihm der Muth gänzlich zu Boden. In einer Stimmung, die der Verzweiflung näher kam, als der Hoffnung, fuhr der alte Mann fort, seinen Rosenkranz zu beten, und blickte dabei bald mit ängstlichen Blicken um sich her, und bald richtete er einige trostvolle Worte in abgebrochenen Phrasen an das Fräulein, bis der allgemeine Jubelruf der Walliser, der von den Ufern des Flusses gegen die Zinnen der Burg emporstieg, ihm sagte, daß der letzte der Britten durch den Engpaß gezogen sei, und ihre ganze furchtbare Schlachtordnung auf dem diesseitigen Ufer des Flusses schlagfertig dastehe.

Dieses gellende und betäubende Geschrei, zu dem jeder einzelne Walliser mit der ganzen Kraft seiner durch Kampfeslust und Durst nach Beute verstärkten Stimme mitwirkte, wurde endlich durch den Schall der normännischen Trompeten, – dem ersten Lebenszeichen, das Raymond Berenger's Krieger von sich gaben, erwiedert. Allein, so kräftig sie auch schmetterten, so konnten sie doch dem Jubelruf, den sie beantworteten, eben so wenig die Wage halten, als das Pfeifen des kräftigen Seemanns dem Geheule des Sturmes.

In dem Augenblicke, in welchem die Trompeten zu schmettern begannen, gab Berenger den Bogenschützen das Zeichen zum Absenden ihrer Pfeile, und ließ die Gewappneten unter einem Hagel von Wurfspießen und Steinen, die die Walliser gegen ihre stahlbedeckten Angreifer abschickten, vorrücken.

Raymond's Veteranen griffen, von manchen siegreichen Erinnerungen angespornt, und auf die kriegerischen Talente ihres Anführers vertrauend, ja selbst durch die verzweifelten Umstände, in denen sie sich befanden, uneingeschüchtert, die ungeheuren Massen der Walliser mit ihrer gewohnten entschlossenen Tapferkeit an. Es war ein schöner Anblick, dieses kleine Corps, die stattlichen Federn über ihren Helmen wogend, und mit eingelegten Lanzen, die sechs Fuß vor der Brust ihrer Rosse hervorragten, zum Angriffe stürmen zu sehen. Ihre Schilder hingen an ihrem Nacken, damit sie mit der linken Hand ihre Pferde gehörig lenken konnten; und das ganze Häuflein rannte in gleicher Linie und mit einer jeden Augenblick sich vergrößernden wunderbaren Schnelligkeit daher. Ein solcher Anfall war wohl geeignet, nackte Leute (denn das waren die Walliser in Vergleichung mit den gepanzerten Normannen) in Bestürzung zu setzen; aber gleichwohl vermochte er den alten Britten keinen Schrecken einzujagen, da sie sich's von jeher zum Ruhm gerechnet hatten, ihre unbedeckte Brust und ihre weißen Oberkleider den Lanzen und Schwertern der Gewappneten so zutrauensvoll darzubieten, als wären sie unverwundbar zur Welt gekommen. Es stand auch in der That nicht in ihrer Macht, der Gewalt des ersten Stoßes zu widerstehen, der ihre Reihen, so dicht sie auch geschlossen waren, durchbrechend, die wilden Rosse bis in den Mittelpunkt des Feindes, und beinahe bis zu dem unheilvollen Banner trug, dem Raymond Berenger, in Folge seines unseligen Gelübdes, an diesem Tage hinsichtlich des Terrains so große Vortheile zugestanden hatte. Allein sie wichen, wie die Wogen, die zwar dem rüstigen Schiffe Platz machen, aber nur um dessen Seiten desto kräftiger anzufallen, und mit vereinigter Macht auf die von demselben gezogene Furche loszustürmen. Mit wildem, entsetzlichem Gebrüll schlossen sie ihre lärmenden Reihen dicht um Berenger und seine Getreuen, und nun begann ein furchtbarer Kampf.

Die besten Krieger von Wales hatten sich bei dieser Gelegenheit unter Gwenwyn's Banner gereiht; die Pfeile der Männer von Gwentland, die im Bogenschießen es beinahe mit den Normännern selbst aufnehmen konnten, rasselten auf die Helme der Gewappneten, und die durch die Schärfe und die Härte ihrer Stahlspitzen berühmten Speere der Bewohner von Deheubarth wurden, nicht ohne großen Schaden anzurichten, gegen die Panzer gebraucht, trotz des Schutzes, welchen diese dem Reiter gewährten.

Umsonst war es, daß die zu Raymonds kleiner Schaar gehörenden Bogenschützen, kräftige Freisassen, die größtentheils Ländereien gegen die Verpflichtung, Kriegsdienste zu thun, besaßen, ihre Köcher auf das breite Ziel, das ihnen das Heer der Walliser darbot, erschöpften. Wahrscheinlich trug jeder Pfeil eines Wallisers Leben auf seiner Spitze hinweg; allein, um der Reiterei, die in der größesten Klemme war, einige Hülfe zu verschaffen, hätten die Bogenschützen ein zwanzigmal größeres Blutbad anrichten müssen. Inzwischen antworteten ihnen die Walliser, durch diesen unaufhörlichen Pfeilregen erbittert, durch die Pfeile ihrer eigenen Schützen, deren geringere Geschicklichkeit einen Ersatz in ihrer überlegenen Zahl fand, und die von zahlreichen Schleuderern und Wurfspießwerfern unterstützt wurden. Die normännischen Bogenschützen, die mehr als einmal ihre Stellung zu verlassen versucht hatten, um eine Diversion zu Gunsten Raymond's und seiner getreuen Schaar zu bewerkstelligen, mußten daher jetzt zu sehr auf ihr eigenes Heil bedacht sein, als daß sie noch an eine solche Bewegung hätten denken können.

Indessen bot der ritterliche Führer, der von Anbeginn an nichts als einen ehrenvollen Tod gesucht hatte, Alles auf, um den Walliser Fürsten, der den Krieg veranlaßt hatte, in seinen Fall zu verwickeln. Vorsichtiger Weise vermied er es, seine Kraft im Kampfe mit den Britten zu vergeuden; allein plötzlich sein geübtes Roß anspornend, drängte er die ihn umgebenden feindlichen Schaaren zurück, und den Pöbel der Walliser den Schwertern seiner Gefährten überlassend, erhob er ein lautes Kriegsgeschrei und nahm seine Richtung nach dem unheilvollen Banner Gwenwyn's, neben das sich der Fürst, die Pflichten eines klugen Anführers und eines tapfern Soldaten zugleich erfüllend, selbst gestellt hatte. Raymond, wohl bekannt mit dem Charakter der Walliser, der der höchsten Energie, so wie der plötzlichsten Erschlaffung gleich fähig war, hoffte, ein glücklicher Angriff auf diesen Punkt, verbunden mit dem Tode oder der Gefangennehmung des Fürsten, und der Fall seiner Standarte werden einen panischen Schrecken unter den Wallisern verbreiten, und dem verzweifelten Schicksale des Tages eine andere Wendung geben. Er munterte daher seine Kriegsgefährten durch Wort und Beispiel zum Angriffe auf, und näherte sich, trotz alles Widerstandes, allmählig dem Banner. Allein, so unerschrocken und muthig sein Angriff war, so hartnäckig vertheidigte sich der von seinen besten und edelsten Kriegshelden umgebene Gwenwyn. Umsonst war es, daß die Britonen von den gepanzerten Pferden zu Boden getreten, oder von den unverwundbaren Reitern niedergehauen wurden. Verwundet und zu Boden gestürzt, setzten die Britonen ihren Widerstand fort, sich an die Füße der normännischen Pferde anklammernd und so ihr Fortschreiten hindernd, während ihre Brüder mit ihren Piken nach jeder Fuge oder Spalte der Rüstung stachen, oder mit den Gewappneten rauften, und sie durch die Kraft ihrer Arme von ihren Pferden zu reißen suchten, oder sie endlich mit ihren walliser Aexten niederschlugen. Und wehe denen, die durch diese verschiedenen Mittel vom Pferde gerissen wurden; denn die Walliser brachten ihnen sogleich unzählige Stiche mit ihren langen scharfen Messern bei, und glücklich war noch derjenige, den der erste Stich tödtete.

So stand die Schlacht, die bereits schon eine halbe Stunde gewüthet hatte, als Berenger nur noch zwei Speereslängen von dem brittischen Banner entfernt, und so nahe bei Gwenwyn war, daß sie herausfordernde Worte mit einander wechseln konnten.

»Kehre dich hieher, Wolf von Wales,« sagte Berenger, »und ertrage, wenn du es wagst, den Streich eines guten Ritterschwertes! Raymond Berenger speit dich und dein Banner an.«

»Falscher normännischer Schurke!« sagte Gwenwyn, eine bereits mit Blut befleckte Keule von ungeheurem Gewichte um sein Haupt schwingend. »Dein eiserner Helm wird deine lügende Zunge schlecht beschützen, ich werde sie heute den Raben zum Fraße vorwerfen.«

Raymond antwortete nichts, sondern trieb sein Roß auf den Fürsten an, der mit gleicher Bereitwilligkeit auf ihn los ging. Allein ehe sie noch einander mit ihren Waffen erreichen konnten, weihte sich ein walliser Krieger, gleich jenen Römern, die den Elephanten des Pyrrhus Widerstand leisteten, dem Tode. Als er nämlich fand, daß die Rüstung, mit der Raymonds Pferd bedeckt war, den wiederholten Stößen seines Spießes widerstand, so warf er sich unter das Thier, und stach es mit seinem langen Messer in den Bauch. Das edle Roß bäumte sich und stürzte zu Boden, den Britten, der es verwundet hatte, mit der Last seines Leibes erdrückend. Der Helm des Reiters zerbrach seine Spangen durch den Fall, und entrollte dem ehrwürdigen Haupte, dessen edle Züge und graue Haare entblößend. Raymond strengte alle seine Kräfte an, um sich von dem gefallenen Pferde loszumachen, allein, ehe ihm dies gelang, erhielt er den Todesstreich von der Hand Gwenwyn's, der kein Bedenken trug, ihn mit seiner Keule niederzuschmettern, während er im Aufstehen begriffen war.

Während dieses ganzen blutigen Kampfes war Dennis Morolt nicht von der Seite seines Herrn gewichen, und allen seinen Bewegungen, so zu sagen, taktmäßig gefolgt. Es schien, als ob zwei verschiedene Körper nur von einer Willenskraft geleitet würden. Er schonte seine Kraft oder strengte sie an, je nachdem er es seinen Gebieter thun sah, und war dicht neben ihm, als er sein letztes tödtliches Wagstück ausführte. In dem unheilvollen Augenblick, in welchem Raymond Berenger sich auf den Fürsten stürzte, drang der tapfere Knappe bis zu der Standarte vor, und sie mit kräftiger Hand fassend, rang er um ihren Besitz mit einem gigantischen Britten, dessen Obhut sie anvertraut worden war, und der jetzt seine äußerste Kraft anstrengte, um sie zu behaupten. Allein selbst während er diesen tödtlichen Kampf focht, wich sein Auge nicht von seinem Herrn; und als er ihn fallen sah, schien seine Kraft ihn, so zu sagen durch eine sympathetische Einwirkung, plötzlich verlassen zu haben, und dem brittischen Kriegsmanne war es nun ein Leichtes, ihn niederzuschmettern.

Der Sieg der Britten war nun vollständig. Nach dem Falle ihres Anführers würden Raymonds Krieger gerne geflohen sein, oder sich ergeben haben. Allein das erste war unmöglich, weil sie zu eng eingeschlossen waren, und in den grausamen Kriegen, welche die Walliser auf ihren Gränzen führten, gab es keine Begnadigung für die Besiegten. Einigen wenigen der Gewappneten gelang es, aus dem Getümmel zu entkommen; allein sie wagten es nicht, sich in die Burg zu werfen, sondern flohen nach verschiedenen Richtungen, und theilten ihre Furcht den Gränzbewohnern mit, indem sie ihnen den Verlust der Schlacht und das Schicksal des weitberühmten Raymond Berenger verkündeten.

Die Bogenschützen des gefallenen Ritters, die bisher nicht so tief in den Kampf, den hauptsächlich die Reiterei gefochten hatte, verwickelt gewesen waren, wurden jetzt das allgemeine Ziel des feindlichen Angriffs. Als sie aber die wilden Schaaren der Walliser gleich den brausenden Wogen des erzürnten Meeres, mit aller Macht auf sich losstürmen sahen, so verließen sie den Hügel, den sie bisher so tapfer vertheidigt hatten, und begannen einen regelmäßigen Rückzug in die Burg in der bestmöglichen Ordnung, was in ihrer Lage das einzige Rettungsmittel war. Ein Theil ihrer leichtfüßigen Feinde suchte ihnen, während sie dieses kluge Manöver ausführten, den Weg abzuschneiden, und warf sich eilends in einen Hohlweg, der zur Burg führte, um sich dort ihrem Rückzuge zu widersetzen. Allein den englischen Bogenschützen, die an das Aeußerste jeder Art gewöhnt waren, kam auch bei dieser Gelegenheit ihre Kaltblütigkeit zu Hülfe. Während ein Theil derselben mit seinen Hellebarden und Streitäxten die Walliser aus dem Hohlwege verjagte, boten die Andern, in Abtheilungen getrennt, welche abwechslungsweise Stand hielten und sich zurückzogen, in der entgegengesetzten Richtung dem Feinde die Stirn, und behaupteten eine so feste Haltung, daß sie den Verfolgungen des Feindes Einhalt zu thun und mit den Wallisern einen Hagel von Wurfgeschoßen zu wechseln vermochten, der auf beiden Seiten ansehnliche Verluste verursachte.

Endlich erreichten die Bogenschützen, nachdem sie zwei Dritttheile ihrer tapfern Gefährten verloren hatten, den Punkt, der von den Pfeilen und Kriegsmaschinen der Belagerer beschützt war, und ihnen daher vergleichungsweise Sicherheit gewährte. Ein Regen von großen Steinen und viereckigen Bolzen von ungeheurer Dicke hemmte wirksam die weitern Fortschritte der Verfolger. Die Anführer derselben zogen ihre wankende Macht nach der Ebene zurück, wo ihre Landsleute unter lautem Jubel und Siegesgeschrei damit beschäftigt waren, sich die Kriegsbeute zu sichern; einige derselben zerstümmelten und zerhackten, von Haß und Rache angespornt, die Glieder der erschlagenen Normannen auf eine ihrer Sache und ihres Muthes unwürdige Weise. Das fürchterliche Gebrüll, mit welchem dieses gräßliche Werk vollbracht wurde, erfüllte die kleine Besatzung von Garde doloureuse mit Grauen und Entsetzen, und befestigte in ihr den Entschluß, lieber die Festung bis aufs Aeußerste zu vertheidigen, als sich der Gnade eines so rachsüchtigen Feindes zu ergeben.



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