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Einleitung


Sitzungsprotokoll

einer allgemeinen Versammlung der Mitglieder eines Actienvereins zur Abfassung und Bekanntmachung derjenigen Klasse von Werken, welche unter dem Namen Waverley-Novellen bekannt sind,

gehalten

in der Waterloo-Schenke, an der Regentenbrücke.

Edinburgh, 1. Junius 1825.

(Die Leser müssen bemerkt haben, daß die verschiedenen Berichte über die Verhandlungen dieser Versammlung in den öffentlichen Blättern mit mehr als gewöhnlicher Ungenauigkeit gegeben wurden. Der Grund hievon lag in keinem unzeitigen Zartgefühle von Seiten der Zeitungsschreiber, die ja bekanntlich sich immer das Recht anmaßen, überall zu erscheinen, wo irgend eine, wenn auch noch so kleine Versammlung, zusammentritt, und dem öffentlichen Drucke auch die geheimsten Dinge, die da oder dort vorgehen, zu übergeben. Allein bei dieser Gelegenheit wurden sehr ungewöhnliche und eigenmächtige Maßregeln ergriffen, um die Berichterstatter zu hindern, ein Recht zu gebrauchen, das ihnen von beinahe allen Versammlungen, mögen diese sich nun mit politischen oder merkantilischen Angelegenheiten beschäftigen, allgemein zugestanden wird. Unser eigener Berichterstatter hatte die Kühnheit, sich hinter den Tisch des Sekretärs zu verstecken, und wurde nicht eher entdeckt; als bis die Verhandlungen beinahe beendigt waren. Leider müssen wir bekennen, daß er viel durch Faustschläge und Fußtritte litt, ja es wurden ihm sogar zwei oder drei der wichtigsten Blätter aus seinem Notizenbuche gerissen, was ihn seinen Bericht so plötzlich abzubrechen nöthigte. Wir können nicht umhin, dieses Betragen für um so unliberaler zu erklären, als diese Herren selbst eine Art von Publicisten sind, besonders wenn man sich der häufigen und langweiligen Ankündigungen erinnert, die sie selbst in periodische Schriften einschalten; und sie sollten sich noch glücklich schätzen, daß der mißhandelte Berichterstatter sich nur durch den bittern Ton rächte, mit der er seine Darstellung ihrer Verhandlungen gewürzt hat.)

 

[Edinburger Zeitung.]

Durch eine öffentliche Anzeige zusammenberufen, hatte eine Versammlung der an der Herausgabe der so berühmten, unter dem Namen Waverley-Novellen bekannten, Schriften theilhabenden Herren statt; ihr wohnten auch mehrere ausgezeichnete literarische Personen bei. Vor Allem erklärte man, daß einige Individuen mit den ihnen in den fraglichen Schriften beigelegten Namen benannt werden sollen, und nun wurde Eidolon einstimmig zum Präsidenten und Jonathan Oldbuck, Esquire von Monkbarns, zum Sekretär ernannt. Der Präses redete hierauf die Versammlung in folgenden Worten an:

 

»Meine Herren!

Ich habe kaum nöthig, Sie zu erinnern, daß das werthvolle Eigenthum, welches unsere gemeinschaftliche Arbeiten zusammengehäuft haben, uns Alle gleich nahe angeht. Das Publikum war so albern, dem einen oder dem andern Individuum, die ungeheure Masse mannigfaltiger und durch das vereinte Streben Vieler erzeugter Dinge zuzuschreiben; allein Sie, meine Herrn, wissen gar wohl, daß jedes Individuum dieser zahlreichen Gesellschaft bisher seinen Antheil an der Ehre und dem Nutzen unseres gemeinschaftlichen Glückes gehabt hat. Es ist mir in der That unerklärlich, wie die luchsäugigen Kritiker auch nur annehmen konnten, eine so ungeheure Masse von Sinn und Unsinn, von Scherz und Ernst, Humor und Pathos, von Gutem, Schlechtem und Gemeinem, die eine Unzahl von Bänden anfüllt, könne das Werk einer einzigen Hand sein, besonders wenn wir uns an die vortreffliche Lehre des unsterblichen Adam Smith, die Eintheilung der Arbeit betreffend, erinnern. Wußten denn diejenigen, welche sich zu einer so sonderbaren Meinung bekannten, nicht, daß zwanzig Paar Hände nöthig find, um ein so unbedeutendes Ding, als eine Stecknadel ist, zu verfertigen, – und zwanzig Kuppeln Hunde, um ein so unbedeutendes Thier, als ein Fuchs, zu tödten?«

»Halt!« rief ein stämmiger Landmann aus, »ich habe einen Jagdhund zu Hause, der Euch den besten Fuchs in Pomaragaires erwürgt, ehe Ihr Dumpling sagen könnt.«

»Wer ist dieser Mann?« sagte der Präsident mit einiger Wärme, wie es uns wenigstens schien.

»Ein Sohn Dandie Diamont's,« antwortete der unerschrockene Landmann: »Mein Gott! Ihr solltet Euch, denke ich, seiner erinnern – fürwahr, einer der besten unter Euch. Und seht, da habe ich die Pachtung übernommen, und kann vielleicht auch noch etwas mehr sein, und bin auch Theilhaber an diesem Eurem Buchhandel.«

»Gut, gut,« erwiederte der Präsident, »Ruhe, ich bitte dich, Ruhe!«

»Meine Herrn, als ich so unterbrochen ward, stand ich auf dem Punkte, den Zweck dieser Zusammenkunft zur Sprache zu bringen, der, wie den meisten von Ihnen bekannt ist, in der Berathung über einen Vorschlag besteht, der sich gegenwärtig auf Ihrem Tische befindet, und den ich selbst bei unserer letzten Zusammenkunft Ihnen vorzulegen die Ehre hatte, nämlich, daß wir uns an die Regierung wenden wollen, um eine Parlamentsacte zu erhalten, die uns in einen Korpus vereinigt, und uns eine persona standi in judicio zuerkennt mit der Vollmacht, alle diejenigen, welche sich Eingriffe in unser ausschließliches Privilegium erlauben, gerichtlich zu verfolgen. In einem Briefe, den ich von dem sinnreichen Herrn Dousterswivel erhalten habe –«

Mit Wärme schrie Oldbuck: »Ich dulde nicht, daß dieses Burschen Name genannt wird; er ist ein gemeiner Gauner.«

»Pfui! Herr Oldbuck,« sagte der Präsident, »pfui, daß Sie sich solcher Ausdrücke gegen den sinnreichen Erfinder der großen zu Groningen errichteten Patentmaschine bedienen, wo man auf der einen Seite rohen Hanf hineinlegt, und auf der andern schön gekrauste Hemder herausnimmt, ohne daß man dabei einer Hechel, eines Webestuhls, eines Weberschiffs, eines Webers, einer Scheere, Nadel oder Nähterin bedürfte. Er hat so eben sein Meisterwerk durch ein neues Maschineriestück vervollständigt, das den Dienst der Wäscherin versieht; als aber vor Sr. Ehrwürden, dem Bürgermeister, eine Probe damit gemacht wurde, so fand es sich, daß die Bügeleisen zu heiß wurden; diesen unbedeutenden Umstand ausgenommen, fiel der Versuch höchst günstig aus. Er wird so reich werden wie ein Jude.«

»Gut,« setzte Herr Oldbuck hinzu, »wenn der Schuft –«

»Schuft, Herr Oldbuck,« sagte der Präsident, »ist ein höchst ungeziemender Ausdruck, und ich muß Sie zur Ordnung rufen. Herr Dousterswivel ist bloß ein excentrisches Genie.«

»Ungefähr dasselbe im Griechischen,« murmelte Herr Oldbuck, und sagte hierauf ganz vernehmlich, »und wenn dieses excentrische Genie mit dem Versengen der holländischen Leinwand genug zu thun hat, was zum Teufel hat er hier zu schaffen?«

»Ei nun, er meint, durch einen kleinen Mechanismus könne ein Theil der Arbeit bei der Abfassung dieser Novellen durch den Gebrauch des Dampfes erspart werden.«

Ein allgemeines mißbilligendes Murren durchlief bei diesem Vorschlage die Versammlung, und deutlich vernahm man die Worte: »Fort damit, – das heißt uns das Brod aus dem Munde gestohlen, – Sie mögen eben so leicht einen Pfarrer aus Dampf schaffen.« Und nur, nachdem der Präsident die Versammlung zu wiederholten Malen zur Ordnung gerufen hatte, konnte er in seiner Rede weiter fortfahren.

»Zur Ordnung! zur Ordnung! Achtung dem Rednerstuhle! Hört, hört, hört den Präsidenten!«

»Meine Herrn, es muß die Bemerkung vorausgeschickt werden, daß diese mechanische Operation nur auf diejenigen Theile der Erzählung angewendet werden kann, welche aus Gemeinplätzen bestehen, als da sind: die Liebesgespräche des Helden, die Beschreibung der Gestalt der Heldin, die moralischen Beobachtungen aller Art, und die Vertheilung der Glückseligkeit am Schlusse des Stückes.«

»Herr Dousterswivel hat mir einige Zeichnungen geschickt, aus welchen deutlich erhellt, daß wenn man die bei diesen Gegenständen technisch gebrauchten Wörter und Phrasen in eine Art von Rahmen, gleich dem des Weisen von Laputa faßt, und sie durch eben den mechanischen Prozeß, vermöge dessen die Damastweber ihre Muster verändern, ihre Stelle verändern läßt, unfehlbar viele neue und glückliche Combinationen entstehen müssen, während der Verfasser, müde, sein Gehirn auszupumpen, in dem Gebrauche seiner Finger eine angenehme Erholung finden kann.«

»Ich spreche, um mich belehren zu lassen, Herr Präsident,« sagte der ehrwürdige Herr Lawrence Templeton, »aber ich bin zu glauben geneigt, daß das unlängst erschienene Werk Walladmor durch Dousterswivel mit Hülfe der Dampfmaschine zu Tag gefördert worden ist.«

»Schämen Sie sich, Herr Templeton,« sagte der Präsident, »der Walladmor enthält gute Sachen, das versichere ich Sie, wenn nur der Verfasser etwas von dem Lande gewußt hätte, in welches er den Schauplatz verlegte.«

»Oder wäre er, gleich einigen von uns, so verständig gewesen, den Schauplatz in eine so entfernte Gegend zu verlegen, daß Niemand im Stande gewesen wäre, ihn zu widerlegen,« sagte Herr Oldbuck.

»Ei,« sagte der Präsident, »Sie müssen bedenken, daß die Sache für den deutschen Markt bestimmt ist, wo die Leute ebenso wenig von den walliser Sitten, als von dem walliser Crw Nationalgetränk der alten Britten. wissen.«

»Der Himmel verhüte, daß ein solcher Vorwurf auch unsere nächste literarische Erscheinung trifft,« sagte Dr. Dryasdust, auf einige Bücher deutend, die auf dem Tische lagen. »Ich fürchte fast, daß die Sitten, welche in unsern Verlobten geschildert sind, sich kaum des Beifalls der Cymmerodioner zu erfreuen haben werden; ich hätte gewünscht, daß man auch einen Blick in den Lihuyd geworfen, – daß man Powel zu Rathe gezogen, ferner Lewis' Geschichte und besonders die vorläufigen Erörterungen derselben genau erforscht hätte, um dem Werke das gebührende Gewicht zu geben.«

»Gewicht,« sagte Kapitän Clutterbuck! »Bei meiner Seele, Doctor, es ist schon schwer genug!«

»Wenden Sie sich an den Rednerstuhl,« sagte der Präsident, etwas verdrießlich.

»So wende ich mich denn an den Rednerstuhl,« sagte Kapitän Clutterbuck, »und behaupte, daß die Verlobten schwer genug sind, den Stuhl Johann von Gaunts oder des Cador-Evris selbst niederzudrücken. Ich muß jedoch hinzufügen, daß meiner unbedeutenden Ansicht nach der Talisman sich weit leichter bewegt!«

»Es geziemt mir zwar nicht, hierüber zu sprechen,« sagte der würdige Geistliche vom St. Ronansbrunnen; »allein doch muß ich gestehen, daß, da ich mich schon so lange mit der Belagerung von Ptolemais beschäftige, mein Werk, so geringfügiger Art es auch sein mag, doch früher hätte erscheinen sollen, als irgend ein anderes über einen ähnlichen Gegenstand.«

»Ihre Belagerung, Herr Pfarrer,« sagte Herr Oldbuck in einem verächtlichen Tone. »Wollen Sie in meiner Gegenwart von Ihrem armseligen prosaischen Pfuschwerke reden, da mein großes historisches Gedicht in zwanzig Büchern mit verhältnißmäßigen Anmerkungen ad Graecas Kalendas verschoben worden ist?«

Der Präsident, der während dieser Discussion sehr ungehalten zu sein schien, sprach jetzt in einem würdevollen und entschlossenen Tone: »Meine Herrn, diese Art von Erörterung ist in einem hohen Grade der Ordnung zuwider; Sie haben hier einen bestimmten Gegenstand zu behandeln, und auf diesen muß sich Ihre Aufmerksamkeit beschränken. Streitigkeiten wegen des frühern oder spätern Erscheinens eines Werkes gehören, wie Sie wissen werden, meine Herrn, stets vor den Richterstuhl des kritischen Ausschusses, von dessen Ausspruche hinsichtlich dieser Gegenstände, nie eine Appellation stattfinden kann. Ich erkläre nun Ein- für Allemal, daß ich den Rednerstuhl verlassen werde, wenn fürder noch ein nicht hierher gehörender Gegenstand zur Sprache gebracht wird, – und nun, meine Herren, da wir nun wieder einmal zur Ordnung zurückgekehrt sind, so wünschte ich, daß einige von Ihnen in die Frage eingingen, ob wir, die wir uns zur Betreibung eines Handels mit Erdichtungen in Prosa sowohl als in Versen vereint haben, nicht durch eine Parlamentsakte für eine eigene Körperschaft erklärt werden sollten? Vis unita fortior ist ein altes und wahres Sprichwort.«

» Societas mater discordiarum ist ein eben so alter und wahrer Spruch,« sagte Oldbuck, der bei dieser Gelegenheit entschlossen zu sein schien, keinen von dem Präsidenten vorgebrachten Vorschlag zu billigen.

»Kommen Sie, Monkbarns,« sagte der Präsident, in einem höchst schmeichelhaften Tone. »Sie haben die mönchischen Institutionen gründlich studirt, und werden wissen, daß zur Ausführung jedes achtbaren Unternehmens so wie zur Erlangung eines gebührenden Einflusses auf den Geist der Zeit eine Vereinigung von Personen und Talenten unumgänglich nothwendig ist. Tres faciunt Collegium – Drei Mönche sind nöthig, um ein Kloster zu bilden.«

»Und neun Schneider, um einen Mann zu bilden,« rief Oldbuck aus, noch immer bei seiner Opposition verharrend. »Diese Citation paßt eben so wenig zu dem Gegenstände, der hier abgehandelt wird, als die vorige.«

»Kommen, kommen Sie,« sagte der Präsident, »Sie wissen, der Prinz von Oranien sagte zu Herrn Seymour, ohne Bündniß sind wir ein Sandkorn.«

»Ich weiß,« erwiederte Oldbuck, »es würde sich wohl geschickt haben, daß bei dieser Gelegenheit nichts von dem alten Sauerteig an den Tag gekommen wäre, obschon Sie der Verfasser einer Jacobitischen Novelle sind. Mir ist nach dem Jahre 1688 kein Prinz von Oranien bekannt, aber ich habe sehr viel von dem unsterblichen Wilhelm dem Dritten gehört.«

»Und so gut ich mich erinnern kann,« flüsterte Templeton Herrn Oldbuck zu, »war es Seymour, der jene Bemerkung dem Prinzen, nicht aber der Prinz, der sie Seymour machte. Allein das ist ein Pröbchen von unseres Freundes Genauigkeit; der arme Herr! Er verläßt sich zu sehr auf sein Gedächtniß. Seit einigen Jahren verläßt es ihn ganz.«

»Was kann man auch,« sagte Herr Oldbuck, »von einem Manne erwarten, der viel zu sehr in seine übereilten und oberflächlichen Gehirnsgeburten verliebt ist, als daß er sich des Beistandes belesener und gründlich gebildeter Leute bedienen könnte.«

»Kein Zuflüstern – keine Kabalen – keine Geheimnißkrämerei – meine Herren,« rief der unglückliche Präsident aus, der uns ein wenig an einen hochländischen Viehhirten erinnerte, der sein auseinanderlaufendes schwarzes Vieh zusammenzuhalten und auf den geraden Weg zu lenken bemüht ist. »Ich habe,« fuhr er fort, »noch keinen einzigen vernünftigen Einwurf gehört, der auf die Parlamentsakte, deren Entwurf hier auf dem Tische liegt, anwendbar wäre. Sie müssen die Bemerkung gemacht haben, daß die Extreme der rohen und civilisirten Gesellschaft in unsern Tagen auf dem Punkte stehen, sich einander zu nähern. In dem patriarchalischen Zeitalter ist ein Jeder sein eigener Weber, Schneider, Schlächter, Schuhwacher u. s. w., und in dem Zeitalter der Aktienvereine, wie das gegenwärtige genannt werden könnte, kann man in einem gewissen Sinne behaupten, daß ein Individuum ebenfalls alle diese Gewerbe in sich vereinigt. In der That ein Mann, der sich recht tief in diese Spekulationen eingelassen hat, kann seine eigenen Ausgaben zur Erhöhung seines Einkommens verwenden, gerade wie die sinnreiche hydraulische Maschine, die durch den Verlust ihres Wassers ihre Wasservorräthe ersetzt. Ein solcher Mensch kauft sein Brod von seiner eigenen Bäckergesellschaft, und schafft sich ein neues Kleid zum Vortheile seiner Kleidungsgesellschaft an, illuminirt sein Haus, um seine Gasgesellschaft in Flor zu bringen, und trinkt ein Fläschchen Wein noch obendrein zum Nutzen der allgemeinen Weineinfuhrsgesellschaft. Jede Handlung, die sonst bloß eine übertriebene Verschwendung wäre, ist bei einer solchen Person mit dem odor lucri gewürzt, und auf diese Art mit den Regeln der Klugheit in Einklang gebracht. Selbst wenn der Preis des gekauften Artikels übermäßig und die Qualität schlecht ist, so wird doch derjenige, der sein eigener Kunde ist, nur zu seinem eigenen Nutzen betrogen. – Ja, wenn die vereinte Aktiengesellschaft der Leichenbesorger sich mit der medicinischen Facultät vereinigen wollte, wie der weiland witzige Doctor G. – vorschlug – unter der Firma Tod und Doctor; so könnte ein Theilnehmer seinen Erben wohl so viel hinterlassen, daß man gar füglich Doctor und Apotheker damit bezahlen, und seine Leichenkosten bestreiten könnte. Kurz, Aktiengesellschaften sind gegenwärtig an der Tagesordnung, und eine Parlamentsakte, die eine eigene Korporation aus uns schafft, wird besonders deßwegen heilbringend sein, weil sie der Gesellschaft, die ich zu präsidiren die Ehre habe, wieder jenen Geist der Unterwürfigkeit einflößen wird, der zu dem Gelingen jeder Unternehmung, bei welcher eine Vereinigung von Weisheit, Talent und Arbeit erfordert wird, so höchst nothwendig ist. Leider muß ich gestehen, daß, abgerechnet von den vielen Streitigkeiten, welche unter Ihnen selbst Statt hatten, ich seit einiger Zeit nicht mit der Achtung von Ihnen behandelt worden bin, die mir nach den Verhältnissen, in denen ich zu Ihnen stehe, gebührt.«

» Hinc illae lacrymae,« murmelte Herr Oldbuck.

»Ich sehe,« fuhr der Präsident fort, »daß andere Herren ihre Meinung zu äußern wünschen, und ich möchte Niemanden im Wege stehen. Ich bitte daher – da mir die Stelle, die ich in dieser Versammlung einnehme, verbietet, den Vorschlag zu machen, daß einige unter Ihnen auf die Ernennung eines Ausschusses antragen, der sich mit der Durchsicht des auf dem Tische liegenden Gesetzesentwurfs, den man bei allen dabei betheiligten Personen hat circuliren lassen, beschäftigen, und dafür sorgen soll, daß die Bill in der nächsten Sitzung vor das Parlament gebracht wird.«

Ein kurzes Murren erfolgte in der Gesellschaft, und endlich begann Oldbuck, an den Präsidenten sich wendend, also wieder: »Es scheint, daß keiner der hier Anwesenden Willens ist, den Antrag zu machen, auf den Sie hindeuten. Ich bedaure sehr, daß keine talentvollere Person es auf sich genommen hat, einige Gegengründe anzuführen, und mir die Aufgabe zu Theil geworden ist, mit Ihnen, wie wir Schotten uns ausdrücken, ein Katzengeschrei zu verführen, ein Ausdruck, in Betreff dessen Pitscottie einen witzigen Scherz des großen Grafen von Angus mittheilt.«

Hier flüsterte ein Gentleman dem Redner zu: »Nehmen Sie sich vor Pitscottie in Acht,« und Herr Oldbuck fuhr, den Wink beachtend, fort.

»Allein dieß gehört nicht zur Sache. – Wohl denn, meine Herrn, um es kurz zu machen, muß ich erklären, daß ich es für unnöthig halte, in die allgemeinen Betrachtungen einzugehen, die uns heute so zu sagen ex cathedra, zugeschickt worden sind; auch will ich unsern würdigen Präsidenten nicht der Absicht beschuldigen, per ambages, und vermöge einer Parlamentsakte eine despotische, mit unserer Freiheit unverträgliche Gewalt über uns zu erlangen: Aber das will ich noch sagen, daß sich die Zeiten im obern Stockwerke so gewaltig geändert haben, daß, obschon Sie im vorigen Jahre eine Akte zur Einverleibung einer zu dem Zwecke, Asche zu sieben, gebildeten Aktiengesellschaft erlangt haben würden, Sie doch in diesem Jahre keine zum Behuf des Einsammelns der Perlen erhalten würden. Was nützt es also, daß wir die Zeit der Sitzung mit der Untersuchung zubringen, ob wir in eine Thüre, die uns verschlossen und verriegelt ist, eintreten sollen oder nicht, besonders wenn wir uns auch noch an alle jene Feuer-, Luft-, Wasser- oder Landgesellschaften erinnern, die seit Kurzem zu Grunde gegangen sind?«

Nun erfolgte ein allgemeines beifälliges Geschrei, bei welchem man die Worte unterscheiden konnte: »Hieran ist nicht zu denken – das heißt das Geld weggeworfen u. s. w.« Allein das Geräusch wurde übertönt von den Stimmen zweier Mitglieder der Gesellschaft, die einander in zwei entgegengesetzten Ecken des Zimmers laut und deutlich antworteten, gleich den Schlägen der beiden Figuren an der Uhr von St. Dunstan; der Sprecher suchte sie zwar, lebhaft seine Stimme erhebend, zum Schweigen zu bringen, allein sein Dazwischenschreien hatte keine andere Wirkung, als daß es ihre Worte in Sylben zertheilte:

Erste Stimme. »Der Lord Kan–«

Zweite Stimme. »Der Lord Lau–«

Der Präsident. » Scandalum magnatum –«

Erste Stimme. »Der Lord Kanz–«

Zweite Stimme. »Der Lord Lauder–«

Der Präsident (mit erhöhter Stimme). »Verletzung der Privilegien!«

Erste Stimme. »Der Lord Kanzler –«

Zweite Stimme. »Der Lord Lauderdale –«

Der Präsident (mit der vollen Kraft seiner Stimme). »Sie sind vor die Kammer geladen.«

Beide Stimmen (zugleich). »Wir werden nie einen solchen Gesetzesvorschlag billigen.«

Dieser Ausspruch fand allgemeinen Beifall. Denn ein lautes Bravorufen erschallte einstimmig aus aller Munde.

Mehrere Mitglieder betrachteten die Verhandlungen als beendet und griffen bereits nach Hut und Stock, als der Präsident, der sich höchst mißvergnügt und unmuthig in seinen Stuhl zurückgeworfen hatte, wieder aufstand und Aufmerksamkeit forderte. Alle blieben stehen, obschon einige die Achseln zuckten. Allein bald erregte der Inhalt seiner Rede die gespannteste Aufmerksamkeit.

»Ich bemerke, meine Herren,« sagte er, »daß Ihr den jungen Vögeln gleichet, die ihrer Mutter Nest sehnlichst zu verlassen wünschen; sorgt dafür, daß Eure eigenen Flügel stark genug sind, um Euch zu tragen; denn ich bin es müde, fürder einen solchen Schwarm von Möwen auf meinen Schwingen zu haben. Allein alles Gerede ist umsonst. – Ich will mich nicht mehr so schwacher Diener, wie Ihr seid, bedienen – ich will Euch entlassen – ich will Euch ungeboren machen, wie der alte Absolute sagt – und will meine Hand von Euch und Eurem ganzen Trödelkram abziehen – ich will nichts mehr von Euren Höhlen und Euren Schlössern – von Eurem modern Antiken, von Eurem antik Modernen – Eurer Verwirrung der Zeiten, Sitten und Umstände – von dem ganzen Plunder Eurer abgenützten Pfiffe – und alles das den Thoren überlassen, die sich damit abgeben mögen. Mit meiner eigenen Rechte will ich meinen eigenen Ruhm begründen, ohne an so lahmen Dienern eine Stütze zu suchen, deren ich mich mehr aus Scherz als aus Noth bedient habe. Ich will mein Haus nicht auf Flugsand bauen – nicht aus Karten will ich mein Gebäude aufführen; – mit einem Worte, ich will Geschichte schreiben.«

Ein lauter Tumult verkündete das allgemeine Erstaunen der Anwesenden; unser Berichterstatter vernahm während desselben folgende Worte: »Der Teufel auch, daß Sie das wollen! Sie, mein werther Herr, Sie? Der alte Herr vergißt, daß er nach Sir John Mandeville der größte Lügner ist.«

»Daraus folgt noch nicht, daß er der schlechteste Geschichtschreiber ist,« sagte Oldbuck, »denn Geschichte ist, wie Ihr wißt, stets zur Hälfte Erdichtung.«

»Ich stehe für diese Hälfte,« sagte der vorige Sprecher; »allein das Bischen Wahrheit, das denn doch nothwendig ist! – Da helfe uns Gott. Geoffrey von Monmouth wird ihm Lord Clarendon sein.«

Als die Verwirrung allmählig verschwand, sah man mehr als ein Mitglied sich bedeutungsvoll die Stirne reiben, während Kapitän Clutterbuck summte:

»So nimm von Freunden Rath doch an
Zu rasch! zu schnell! Papa;
Und sei'st du auch ein weiser Mann,
Man nennt dich toll, Papa.«

»Die Welt und Sie meine Herren, mögen denken, was Ihnen beliebt,« sagte der Präsident, seine Stimme erhöhend; »allein ich habe im Sinne, das wundervollste Buch zu schreiben, das die Welt je gelesen hat, ein Buch, in welchem jeder Vorfall unglaublich und doch im strengsten Sinne wahr sein soll – ein Buch, das Erinnerungen zurückruft, die einst gellend in den Ohren dieser Generation nachklangen, und die unsere Kinder mit einer an Unglaublichkeit gränzenden Bewunderung lesen werden. Ein solches Buch soll das Leben Napoleon Bonaparte's vom Verfasser des Waverley werden.«

Während der allgemeinen Bestürzung und der vielen Ausrufe, welche auf diese Ankündigung folgten, ließ Herr Oldbuck seine Schnupftabackdose fallen, und der schottische Rapé, der sich in Folge dessen zerstreute, wirkte auf die Nasenorgane unseres unter des Sekretärs Tische verborgenen Berichterstatters so sehr, daß er entdeckt, auf die weiter oben von uns angegebene unliberale und unfreundliche Weise zur Thüre hinausgestoßen und ihm noch mit fernern Beschädigungen an Nase, Ohren und andern Theilen seines Körpers, gedroht wurde. Allein diese Drohungen, denen in der That Leute seines Handwerks Trotz zu bieten gewohnt sind, nicht achtend, lauschte der junge Mann noch einige Zeit lang an der Thüre der Schenke, allein er konnte uns keine weitere Nachricht bringen, als die, daß die Versammlung eine Viertelstunde nach seiner gewaltsamen Entfernung in wunderbarer Unordnung auseinander gegangen sei.



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