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Zweites Kapitel.

– – Ich fange an, den jungen Menschen von einem
furchtbaren Uebel befallen zu sehen – Poesie; ist er mit der
eitlen Krankheit behaftet, so ist keine Hoffnung in der Staats-Carrière
auf ihn zu setzen. Actum est für den Staatsmann,
wenn er noch ein Mal Verse macht.

Ben Johnson's Bartholomäus-Messe.

 

Mein Vater besaß nach der gewöhnlichen Redensart eine vollkommene Selbstbeherrschung, und sein Zorn verrieth sich selten durch Worte, ausgenommen in einem trockenen, mürrischen Wesen gegen Die, welche sein Mißfallen erregt hatten. Nie brauchte er Drohungen oder Ausbrüche lauten Unwillens. Alles war bei ihm systematisch geordnet, und er pflegte das Nöthige bei jeder Gelegenheit ohne überflüssige Worte zu thun. Mit bitterem Lächeln hörte er daher auf meine unvollkommenen Antworten über den Zustand des Handels in Frankreich, und unbarmherzig ließ er mich immer tiefer und tiefer in die Geheimnisse des Agio, des Tarifes, der Tara und Tratten verwickeln; auch kann ich mich nicht erinnern, daß er wirklich zornig aussah, bis er mich unfähig fand, die Wirkung auseinanderzusetzen, welche die Entwerthung der Louisd'ore auf den Umsatz der Wechsel gehabt hatte. »Die merkwürdigste Nationalbegebenheit in meiner Zeit,« sagte mein Vater (der gleichwohl die Revolution gesehen hatte), »und er weiß so wenig davon, wie ein Meilenstein am Wege.«

»Mr. Frank,« bemerkte Owen in seiner schüchternen, aussöhnenden Manier, »kann nicht vergessen haben, daß durch ein Arret des Königs von Frankreich, datirt vom 1. Mai 1700, bestimmt wurde, der Porteur sollte binnen zehn Tagen« –

»Mr. Frank,« sagte mein Vater, ihn unterbrechend, »wird sich, wie ich behaupten darf, für den Augenblick an Alles erinnern, worauf Ihr so gütig seid, ihn aufmerksam zu machen. Aber, mein Himmel, wie konnte Dubourg zugeben – Hört, Owen, was für eine Art ist denn der Clemens Dubourg, sein Neffe hier, der schwarzhärige Bursche?«

»Einer der tüchtigsten Commis, Sir; ein ausgezeichneter junger Mann für seine Zeit,« antwortete Owen. Denn die Heiterkeit und Artigkeit des jungen Franzosen hatten sein Herz gewonnen.

»Ja, ja, ich glaube, er weiß Etwas von dem Cours. Dubourg wollte, daß ich wenigstens einen jungen Menschen hier haben sollte, der das Geschäft verstände; aber ich sehe seine Absicht, und er soll finden, daß ich sie sehe, wenn er auf den Abschluß blickt. Owen, laßt Clemens' Salär am nächsten Zahltage berichtigen, und er mag dann in seines Vaters Schiff, das dort klar gemacht wird, nach Bordeaux gehen.«

»Clemens Dubourg entlassen?« sagte Owen mit bebender Stimme.

»Ja, Sir, augenblicklich entlassen; es ist genug, in dem Comtoir einen dummen Engländer zu haben, der alberne Streiche macht; wir brauchen nicht auch noch einen klugen Franzosen, um daraus Nutzen zu ziehen.«

Ich hatte lange genug auf dem Gebiete des grand Monarque gelebt, um einen herzlichen Widerwillen gegen willkürliche Entscheidungen zu fassen, wäre er mir nicht auch schon mit der Muttermilch beigebracht worden, und ich konnte mich der Einmischung nicht enthalten, um zu verhindern, daß ein unschuldiger und verdienstlicher junger Mann dafür bestraft würde, die Kenntnisse erworben zu haben, die mein Vater für mich gewünscht hätte.

»Ich bitte um Verzeihung, Sir,« sagte ich, als Mr. Osbaldistone gesprochen hatte, »aber ich finde es nur gerecht, daß ich selbst die Strafe trage, wenn ich meine Studien vernachlässigte. Ich habe keine Ursache, Herrn Dubourg darüber anzuklagen, daß er es vernachlässigte, mir Mittel zur Ausbildung zu geben, wie wenig ich auch dadurch gewonnen haben mag; und was Herrn Clemens Dubourg betrifft –«

»Was ihn und dich betrifft, so werde ich die Maßregeln ergreifen, die ich für nöthig halte,« entgegnete mein Vater. »Aber es ist schön von dir, Freund, daß du deinen eigenen Tadel auf deine eigenen Schultern nimmst, recht schön, das läßt sich nicht läugnen. Ich kann den alten Dubourg nicht freisprechen,« sagte er mit einem Blicke auf Owen, »daß er Frank nur die Mittel zur Erwerbung nützlicher Kenntnisse gab, ohne darauf zu sehen, daß er auch Vortheil daraus zog, oder es mir anzeigte, wenn er das nicht that. Ihr seht, Owen, er hat Nationalbegriffe der Redlichkeit, wie sie einem brittischen Kaufmann geziemen.«

»Mr. Frank,« sagte der erste Commis mit seiner gewöhnlichen Beugung des Kopfes, und einer leichten Erhebung der rechten Hand, daraus entstanden, daß er die Gewohnheit hatte, seine Feder hinter das Ohr zu stecken, ehe er sprach, »Mr. Frank scheint den Grundsatz aller moralischen Rechenkunst zu verstehen, der großen moralischen Regel de Tri. A sei gegen B, wie er wünscht, daß B gegen ihn sei; das Produkt wird dann die Regel des Benehmens geben.«

Mein Vater lächelte über diese Anwendung der goldenen Regel auf die arithmetische Form, fuhr aber augenblicklich fort:

»Das Alles sagt nichts, Frank; du hast deine Zeit fortgeworfen, wie ein Knabe, und mußt in Zukunft lernen, wie ein Mann zu leben. Ich werde dich einige Zeit unter Owens Aufsicht stellen, um den verlorenen Boden wiederzugewinnen.«

Ich wollte Etwas antworten, aber Owen sah mich mit einer so bittenden und warnenden Bewegung an, daß ich unwillkürlich schwieg.

»Wir wollen also,« fuhr mein Vater fort, »den Gegenstand meines Briefes vom 1. ultimo wieder vornehmen, auf den du mir eine unüberlegte und ungenügende Antwort gabst. So, jetzt fülle dein Glas, und schiebe Owen die Flasche hin.«

Mangel an Muth – an Verwegenheit – wenn du willst – war nie mein Fehler. Ich antwortete fest: »Es thäte mir leid, daß mein Brief ungenügend sei; unüberlegt wäre er nicht, denn ich hätte dem Vorschlage, den seine Güte gemacht, meine vollständigste Aufmerksamkeit gewidmet, und nicht ohne Ueberwindung hätte ich mich verpflichtet gefunden, ihn abzulehnen.«

Mein Vater richtete sein scharfes Auge einen Moment auf mich, und wendete es dann sogleich wieder ab. Da er nicht antwortete, hielt ich mich für verpflichtet, fortzufahren, obgleich mit Zaudern; er unterbrach mich nur durch einzelne Wörter.

»Es ist unmöglich,« sagte ich, »eine höhere Achtung vor irgend einem Stande zu haben, als vor dem Handelsstande, wäre es auch nicht der Ihrige.«

»In der That!«

»Er verbindet Nationen mit Nationen, hilft dem Mangel ab, und trägt zum Reichthum Aller bei; er ist für die allgemeine Republik der civilisirten Welt, was der tägliche Verkehr des gewöhnlichen Lebens für den Privatumgang ist, oder vielmehr, was Luft und Nahrung für unsern Körper sind.«

»Nun?«

»Und dennoch sehe ich mich gezwungen, dabei zu beharren, einen Stand zurückzuweisen, zu dem ich so wenig befähigt bin.«

»Ich will dafür Sorge tragen, daß du die nöthigen Fähigkeiten erwirbst. Du bist nicht mehr der Gast und Zögling Dubourgs.«

»Aber, mein theurer Vater, es ist nicht Mangel des Unterrichts, über den ich mich beklage, sondern meine eigene Unfähigkeit, diesen Unterricht zu benutzen.«

»Unsinn! Hast du das Tagebuch auf die von mir gewünschte Weise geführt?«

»Ja.«

»Sei so gut, und bring es her.«

Das so geforderte Buch, welches ich auf meines Vaters Rath führte, war eine Art von Collectaneenbuch, in das ich Anmerkungen über die verschiedenen Kenntnisse einschrieb, welche ich im Verlaufe meiner Bildung erwarb. Da ich voraussah, daß er die Einsicht dieses Buches verlangen würde, war ich darauf bedacht gewesen, solche Dinge einzuschreiben, die ihm am meisten gefallen mußten, aber nur zu oft hatte die Feder die Aufgabe erfüllt, ohne in großer Uebereinstimmung mit dem Kopfe zu sein. Auch hatte es sich, da das Buch mir am meisten zur Hand, zugetragen, daß ich mehrmals Dinge darin aufnahm, die mit dem Handel wenig oder nichts zu thun hatten. Ich gab es jetzt meinem Vater in die Hände, und hoffte aufrichtig, daß er nichts entdecken möchte, was seinen Unwillen gegen mich vergrößern könnte. Owens Gesicht, das etwas lang geworden war, als die Frage erfolgte, heiterte sich bei meiner bereitwilligen Antwort auf, und zeigte ein Lächeln der Hoffnung, als ich es aus meinem Zimmer brachte, und vor meinen Vater hinlegte, einen handelsmäßigen Band, mehr breit als lang, mit kupfernen Spangen und kalbledernem Einbande. Das sah ganz geschäftsmäßig aus, und war ermuthigend für meinen wohlwollenden Freund. Er lächelte vor Vergnügen, als er meinen Vater einige Theile des Inhalts überlesen hörte.

» Branntwein – Barils, Barricants, auch Fässer. – In Nanty 29 – Barique in Cognac und Rochelle 27 – in Bordeaux 32 – sehr richtig Frank – Abgabe für Tonnengehalt und Zollhaus, siehe Saxby's Tabellen – das ist nicht recht; du hättest das einschreiben sollen; das prägt die Sache dem Gedächtnisse ein. – Ein- und Ausfuhr – Korn-Rückzoll – überseeische Zollscheine – Leinwand – Tsingham – Gent – Stockfisch – Mittelfisch – Klippfisch. – Du hättest bemerken sollen, daß sie dennoch alle unter dem Namen des Stockfisches eingeführt werden. – Wie lang ist ein Stockfisch?«

Owen, der sah, daß ich mir nicht zu helfen wußte, wagte, es mir zuzuflüstern, und zum Glück verstand ich ihn.

»Achtzehn Zoll! – Und ein Mittelfisch 24.«

»Sehr recht. Es ist wichtig, das zu behalten wegen des portugiesischen Handels. – Aber was haben wir hier? – Bordeaux, gegründet im Jahr – Trompetenschloß – Palast des Galienus. – Gut, gut, auch das ist ganz recht. – Das ist eine Art von Cladde, Owen, in welche alle Vorfallenheiten des Tages eingetragen sind, Maaße, Gewichte, Zahlungen, Vorschriften, Accepte, Aufträge, Rathschläge, bunt untereinander.«

»Damit sie der Ordnung gemäß in das Tagebuch und Hauptbuch eingetragen werden können,« sagte Owen. »Es freut mich, daß Mr. Frank so methodisch verfährt.«

Ich bemerkte, wie ich so schnell in der Gunst stieg, daß ich zu fürchten begann, die Folge davon möchte meines Vaters größere Hartnäckigkeit in dem Vorsatze sein, mich zum Kaufmanne zu machen; und da ich zum Gegentheile entschlossen war, fing ich an, zu wünschen, um meines Freundes Owen Redensart beizubehalten, daß ich nicht so methodisch verfahren sein möchte, aber ich hatte keinen Grund zu einer Besorgniß der Art, denn ein einzelnes Stück Papier fiel aus dem Buche, und als mein Vater es aufhob, unterbrach er einen Wink Owens über die Zweckmäßigkeit, lose Blätter mit einem Stückchen Oblate einzuheften, durch den Ausruf: » Dem Andenken Edward's, des schwarzen Prinzen«. Was ist das? – Verse? – Beim Himmel, Frank, du bist ein größerer Dummkopf, als ich glaubte.« –

Als ein Geschäftsmann blickte mein Vater, wie du dich erinnern mußt, mit Verachtung auf die Arbeit der Dichter, und als ein religiöser Mensch, vom Glauben der Dissenter, fand er alle solche Dinge eben so unnütz, als profan. Ehe du ihn verdammst, mußt du dich daran erinnern, wie zu Ende des siebzehnten Jahrhunderts nur zu viele Dichter ihr Leben und ihre Talente anwendeten. Auch die Sekte, zu der mein Vater gehörte, fühlte oder erheuchelte vielleicht einen puritanischen Widerwillen gegen die leichtern Uebungen der Literatur. Viele Ursachen vereinigten sich daher, die unangenehme Ueberraschung zu erhöhen, welche durch die unzeitige Entdeckung dieser unglückseligen Abschrift von Versen herbeigeführt wurde. Hätte die Perücke, welche der arme Owen trug, sich selbst entlocken, und das Haar sich mit Entsetzen sträuben können, so würde gewiß die Morgenarbeit des Friseurs durch den Schrecken über diese Entsetzlichkeit vernichtet worden sein. Ein Einbruch in die Kasse, oder eine Radirung im Hauptbuche, oder ein Verrechnen in einem Abschlusse hätte ihn kaum unangenehmer überraschen können. Mein Vater las das Gedicht zuweilen, als könnte er den Sinn nicht verstehen – zuweilen in einem spöttisch heroischen Tone, stets aber mit dem Ausdrucke der bittersten Ironie, welche die innersten Nerven des Dichters erschüttern mußte.

Weh sei dem Horn, das wild ertönet,
An Fontarabias Echo dröhnet
  Des wunden Helden Rufes-Schall,
Das Kaiser Karl dem Großen sagte,
Daß Spaniens brauner Götz-Sohn wagte,
  Zu sehen seines Kämpfers Fall.

»Fontarabias Echo,« fuhr mein Vater, sich selbst unterbrechend, fort; »die Fontarabia-Messe wäre zweckmäßiger gewesen. – Götz-Sohn? – Was ist Götz-Sohn? – Weshalb sagst du nicht wenigstens heidnisch, wenn du denn doch einmal Unsinn schreiben mußt?«

Trüb' über Land und Meer erklingen
Die Töne, welche Kunde bringen,
  Die hin zu Englands Klippen dringt:
Wie Frankreichs Furcht, Britanniens Hoffen,
Der Sieger bei Poitier, getroffen,
  In Bordeaux mit dem Tode ringt.

»Poitiers wird, beiläufig gesagt, hinten immer mit einem s geschrieben, und ich sehe keinen Grund, weshalb die Orthographie dem Versmaaß weichen soll.«

»Erhebt mein mattes Haupt, Ihr Ritter,«
Sagt' er; »macht auf die Fenstergitter;
  Noch einmal möcht' ich den Genuß,
Daß auf dem Spiegel der Garonne
Ich seh' den Glanz der Abendsonne
  Des schönen Blaye's Purpurkuß.

»Das ist wieder ein schlechter Reim. Ei, Frank, du verstehst nicht einmal den bettelhaften Handel, den du erwähnt hast.«

»Gleich mir zum Ruhmes-Schlaf sie scheidet,
Der Thau als Thränen sie begleitet,
  Als weinte er dem Abendroth;
So werden Thränen auch mich ehren,
Wenn Englands Frau'n und Mädchen hören
  Von ihres schwarzen Eduard's Tod.

Will meinen Ruhm die Nacht auch decken,
Sie tilgt nicht meines Namens Schrecken;
  In Frankreich wird er nicht vergehn. –
Im Süden sehet Ihr nicht selten,
Gleich neuen Sternen, Englands Helden
  Durch flammenblut'ge Wolk' erstehn.«

»Eine Wolke von Flammenblut ist etwas Neues. – Guten Morgen, meine Herren, und ein fröhliches Weihnachtsfest! – Ei, da macht ja der Ausrufer bessere Verse.«

Er warf hierauf das Blatt mit dem Ausdrucke der höchsten Geringschätzung von sich, und schloß mit dem Ausrufe: »Bei meinem Credit, Frank, du bist ein größerer Dummkopf, als ich glaubte.«

Was konnte ich darauf sagen, mein lieber Tresham? Da stand ich, verzehrt von Unwillen und Demüthigung, während mein Vater mich mit einem ruhigen, doch strengen Blicke des Zornes und Mitleides ansah; und der arme Owen erhob Augen und Hände, und gab ein solches Bild des Entsetzens, als hätte er den Namen seines Prinzipales unter den Falliten in der Zeitung gelesen. Endlich faßte ich den Muth, zu sprechen, und suchte durch den Ton meiner Worte meine Gefühle so wenig als möglich zu verrathen.

»Es ist mir wohl bewußt, wie wenig ich befähigt bin, in der Gesellschaft die Rolle zu spielen, zu der Sie mich bestimmt haben, und zum Glück bin ich nicht begierig nach dem Reichthume, den ich erwerben könnte. Mr. Owen würde ein viel wirksamerer Beistand sein.« Ich sagte das mit einiger Bosheit, da ich fand, daß Owen meine Sache etwas zu schnell verlassen hatte.

»Owen!« sagte mein Vater. »Der Junge ist verrückt, vollkommen toll. Und ich bitte, Sir, wenn ich so kühn sein darf, zu fragen, da Sie mich trocken an Mr. Owen verwiesen haben (obgleich ich von Jedermann mehr Aufmerksamkeit erwarten darf, als von meinem Sohne), welches sind denn Ihre eigenen weisen Absichten?«

»Ich wünschte, mein Vater,« sagte ich, wieder einigen Muth gewinnend, »zwei oder drei Jahre zu reisen, wenn das Ihre Genehmigung hätte; sonst möchte ich diese Zeit, wenn auch freilich spät, in Oxford oder Cambridge zubringen.«

»Im Namen des gesunden Verstandes, – wurde je so Etwas gehört? – Dich zu Pedanten und Jakobiten in die Schule schicken, während du dein Glück in der Welt befördern könntest? Weshalb willst du nicht nach Westminster und Eaton zugleich gehen, Mensch, und die Grammatik studiren, und dir wohl gar auch die Ruthe geben lassen, wenn es dir Vergnügen macht?«

»Wenn Sie glauben, daß es für meinen Plan zu spät ist, bin ich gern bereit, auf den Continent zurückzukehren.«

»Du hast dort schon zu viel Zeit unnütz zugebracht.«

»Dann würde ich die Armee unter jeder andern thätigen Lebensbeschäftigung wählen.«

»Wähle den T–,« antwortete mein Vater hastig; aber sich sogleich wieder fassend, sagte er: »Ich gestehe, du machst mich zu einem eben so großen Narren, wie du selbst bist. – Ist es nicht, um verrückt zu werden, Owen?« – Der arme Owen schüttelte den Kopf, und sah zu Boden. »Höre, Frank,« fuhr mein Vater fort, »ich will der ganzen Sache kurz ein Ende machen. – Ich war in deinem Alter, als mein Vater mich aus dem Hause stieß, und mein Erbe auf meinen jüngern Bruder übertrug. Ich verließ Osbaldistone-Hall auf einem abgetriebenen Jagdklepper, und mit zehn Guineen in meinem Beutel. Ich habe seitdem die Schwelle nie wieder übertreten, und werde es auch nie thun. Ich weiß nicht, und frage nicht darnach, ob mein fuchsjagender Bruder noch lebt, oder ob er den Hals gebrochen hat; aber er hat Kinder, Frank, und eines derselben soll mein Sohn sein, wenn du mir in dieser Sache noch ferner zuwider handelst.«

»Es steht Ihnen frei, mit dem, was Ihr ist, zu schalten,« antwortete ich, wie ich fürchte, mit mehr mürrischer Gleichgültigkeit als Achtung.

»Ja, Frank, was ich habe, ist mein, wenn Arbeit, es zu erwerben, und Sorge, es zu vermehren, das Recht des Besitzes geben können; und keine Drohne soll sich in meinem Honigstocke mästen. Bedenke das wohl; was ich sagte, war nicht ohne Ueberlegung gesprochen; und was ich beschließe, werde ich auch ausführen.«

»Geehrter Sir – theurer Sir,« rief Owen, und Thränen rannen ihm über die Wangen, »Ihr seid nicht gewöhnt, Geschäfte von Wichtigkeit mit solcher Hast abzumachen. Laßt Mr. Frank die Bilance ziehen, ehe Ihr die Rechnung schließet; er liebt Euch, davon bin ich überzeugt; und wenn er seinen kindlichen Gehorsam als per contra einträgt, dann wird sein Widerspruch gewiß verschwinden.«

»Glaubt Ihr,« sagte mein Vater strenge, »daß ich ihn zwei Mal bitten würde, mein Freund, mein Beistand, mein Vertrauter zu sein? Ein Theilnehmer meiner Sorgen und meines Vermögens? – Owen, ich hätte geglaubt, Ihr kenntet mich besser.«

Er sah mich an, als wollte er noch Etwas sagen, aber er wendete sich plötzlich ab, und verließ schnell das Zimmer. Ich war, wie ich gestehe, durch diese Ansicht der Dinge, die mir noch nicht eingefallen war, ergriffen; und mein Vater würde wahrscheinlich wenig Ursache gehabt haben, sich über mich zu beklagen, hätte er den Streit mit diesem Argumente begonnen.

Aber es war zu spät. Ich hatte viel von seinem eigenen Starrsinn, und der Himmel hatte entschieden, daß meine Sünde meine Strafe sein sollte, obgleich nicht in dem Grade, wie ich es verdiente. Als wir allein waren, fuhr Owen fort, mich mit Augen anzusehen, welche von Zeit zu Zeit durch Thränen benetzt wurden, als wollte er, bevor er das Geschäft eines Vermittlers versuchte, entdecken, auf welchem Punkte er meine Hartnäckigkeit am erfolgreichsten angreifen könnte. Endlich begann er mit abgebrochener, bebender Stimme: »O Herr, Mr. Frank, – gerechter Himmel, Sir! – Mein Stern, Mr. Osbaldistone! – Daß ich diesen Tag erleben mußte – und Ihr, ein so junger Herr, Sir – Um des Himmels willen, seht beide Seiten der Rechnung nach – Denkt daran, was Ihr zu verlieren im Begriffe steht – ein schönes Vermögen, – eines der besten Häuser in der City, schon unter der alten Firma Tresham und Treat, und nun Osbaldistone und Tresham – Ihr könntet Euch im Golde wälzen, Mr. Frank. – Und mein theurer junger Mr. Frank, wenn unter den Geschäften des Hauses irgend Etwas wäre, so wollte ich (hier sank seine Stimme zum Geflüster herab) es für Euch in Ordnung bringen, quartaliter, oder wöchentlich, oder täglich, wenn Ihr wollt. – Denket, mein theurer Mr. Frank, an die Ehre, die Eurem Vater gebührt, damit Ihr lange lebet auf Erden.«

»Ich bin Euch sehr verpflichtet, Mr. Owen,« sagte ich, »wirklich sehr verpflichtet, aber mein Vater ist der beste Richter darüber, wie er sein Geld zu verwenden hat. Er spricht von einem meiner Vettern – möge er über seine Reichthümer verfügen, wie es ihm beliebt – Ich werde nimmermehr meine Freiheit für Gold verkaufen.«

»Gold, Sir? – Ich wünschte, Ihr hättet den letzten Abschluß des Gewinnes gesehen. – Er war von fünf Stellen – fünf Stellen für jeden Theilnehmer, Mr. Frank. – Und das Alles soll auf einen Papisten übergehen – einen Nordlandsbuben, – und einen Mißvergnügten noch überdies. – Es würde mir das Herz brechen, Mr. Frank, mir, der ich mehr wie ein Hund als wie ein Mensch gearbeitet habe, und das Alles aus Liebe zur Firma. – Denkt nur, wie es klingen würde: Osbaldistone, Tresham und Osbaldistone – oder – vielleicht – wer weiß (hier dämpfte er seine Stimme abermals zum Geflüster), Osbaldistone, Osbaldistone und Tresham, denn unser Mr. Osbaldistone kann sie Alle auskaufen.«

»Aber, Mr. Owen, da meines Vetters Name ebenfalls Osbaldistone heißt, wird die Compagnie in Euren Ohren vollkommen eben so gut klingen.«

»O, pfui über Euch, Mr. Frank, – wenn Ihr wüßtet, wie ich Euch liebe – Euer Vetter, in der That – ohne Zweifel ein Papist, wie sein Vater – und ein Mißvergnügter mit der protestantischen Thronfolge – das ist zweifelsohne ein anderes item

»Manche sehr gute Menschen sind Katholiken, Mr. Owen,« entgegnete ich.

Owen wollte mir eben mit ungewöhnlicher Lebhaftigkeit Etwas antworten, als mein Vater wieder hereintrat.

»Ihr hattet Recht, Owen,« sagte er, »und ich hatte Unrecht. Wir wollen uns mehr Zeit nehmen, um über die Sache nachzudenken. – Junger Mann, Ihr werdet Euch darauf vorbereiten, mir binnen heut und einem Monat Antwort auf diese wichtige Sache zu geben.«

Die Prüfungszeit ging langsam vorüber, durch kein Ereigniß bezeichnet. Ich ging und kam, und verfügte über meine Zeit ganz nach Gefallen, ohne Frage oder Tadel von Seiten meines Vaters. Ich sah ihn in der That selten, außer während des Essens, wo er sorgfältig jedes Gespräch vermied, welches ich, wie du dir wohl denken kannst, keineswegs herbeizuführen bemüht war. Unsre Unterhaltung betraf die Tagesneuigkeiten, oder solche allgemeine Dinge, über welche auch Fremde miteinander sprechen können; auch würde darnach Niemand vermuthet haben, daß ein so wichtiger Punkt zwischen uns noch unentschieden war. Es beschlich mich jedoch mehr als ein Mal wie der Alp. War es möglich, daß er seinen einzigen Sohn zu Gunsten eines Neffen enterbte, von dessen ganzer Existenz er vielleicht nicht einmal überzeugt war? Meines Großvaters Benehmen bei ähnlicher Gelegenheit hätte mir nichts Gutes prophezeiht, hätte ich die Sache ernsthaft überlegt. Aber ich hatte mir von dem Charakter meines Vaters einen falschen Begriff gemacht, indem ich mich erinnerte, welche Wichtigkeit ich bei ihm und der ganzen Familie vor meiner Reise nach Frankreich besaß. Ich wußte nicht, daß es Menschen gibt, die gegen ihre Kinder in früherem Alter sehr nachsichtig sind, weil sie das interessirt und amusirt, und die doch hinlänglich strenge sein können, wenn eben diese Kinder in späterem Alter ihre Pläne durchkreuzen. Im Gegentheil überredete ich mich, daß Alles, was ich zu fürchten hätte, eine zeitweilige Entziehung der Zuneigung sei; – vielleicht ein Landleben von einigen Wochen, was mir eher angenehm als unangenehm sein konnte, da es mir Gelegenheit bot, meine unvollendete Bearbeitung des Orlando furioso zu beendigen, ein Gedicht, das ich in das Englische zu übersetzen bemüht war. Ich ließ diesen Glauben so ausschließlichen Besitz von meinem Verstande nehmen, daß ich meine vergrabenen Papiere wieder vorgesucht hatte, und über die oft wiederkehrenden Reime der Spenserischen Stanze nachdachte, als ich leise und vorsichtig an die Thür meines Zimmers klopfen hörte. »Herein!« rief ich, und Owen trat ein. So regelmäßig waren die Bewegungen und Gewohnheiten dieses würdigen Mannes, daß er aller Wahrscheinlichkeit nach zum ersten Male das zweite Stockwerk von dem Hause seines Patrones betrat, wie lange er auch schon in dem ersten verkehrte; und ich weiß noch jetzt nicht, wie er mein Zimmer entdeckte.

»Mr. Frank,« sagte er, meine Ausdrücke des Staunens und der Freude, ihn zu sehen, unterbrechend, »ich weiß nicht, ob ich bei dem, was ich zu sagen im Begriffe stehe, recht thue, – es ist nicht recht, außerhalb von dem zu sprechen, was auf dem Comtoir vorgeht – man sollte, wie es heißt, im Waarenhause nicht sagen, wie viele Contis im Hauptbuche stehen. Aber der junge Twineall ist bis vor zwei Tagen auf vierzehn Tage verreist gewesen.«

»Recht gut, mein lieber Sir; aber was geht das mich an?«

»Halt, Mr. Frank – Euer Vater gab ihm einen Privatauftrag; und ich bin überzeugt, er ging nicht nach Falmouth in Rauchwaaren-Geschäften; und die Exeter-Angelegenheit mit Blockwell & Comp. war schon abgemacht, – und die Grubenleute in Cornwall, Trevanion und Treguilliam haben Alles bezahlt, was sie wahrscheinlich zu zahlen vermögen; und jedes andere Geschäft hätte durch meine Bücher gehen müssen. Kurz, es ist mein aufrichtiger Glaube, daß Twineall im Norden war.«

»Vermuthet Ihr das wirklich?« fragte ich, durch die Nachricht etwas beunruhigt.

»Er hat, seit er zurück ist, von nichts gesprochen, Sir, aber seine neuen Stiefel, und seine Sporen, und ein Hahnenkampf in York, – das ist so zuverlässig, wie die Multiplicationstabelle. – Der Himmel beschütze Euch, mein theures Kind; entschließt Euch, Eurem Vater zu gefallen, und seid ein Mann und ein Kaufmann zugleich.«

Ich fühlte in diesem Augenblicke eine starke Neigung, mich zu unterwerfen, und Owen dadurch zu beglücken, daß ich ihn bat, meinem Vater zu sagen, ich fügte mich seinem Verlangen. Aber Stolz – Stolz, die Quelle so manches Guten und Bösen in unserem Leben, hielt mich ab. Mein Zugeständniß blieb mir in der Kehle stecken, und während ich hustete, um es herauszubringen, rief meines Vaters Stimme nach Owen. Dieser verließ hastig das Zimmer, und die Gelegenheit war verloren.

Mein Vater war in allen Dingen pünktlich. Zu derselben Tageszeit, in demselben Zimmer, mit demselben Ton und Wesen, wie einen Monat zuvor, wiederholte er seinen Vorschlag, mich zum Compagnon anzunehmen, und mir eine Abtheilung des Geschäftes zu übertragen, und forderte dann meine entscheidende Antwort. Ich dachte damals, es läge darin etwas Unfreundliches, und ich denke noch jetzt, daß meines Vaters Benehmen nicht richtig war. Eine versöhnendere Behandlung würde aller Wahrscheinlichkeit nach zu seinem Zwecke geführt haben. Wie die Sachen waren, stand ich fest, und lehnte, so ehrfurchtsvoll als möglich, das Anerbieten ab. Vielleicht – denn wer kann von seinem eigenen Herzen urtheilen, – fand ich es unmännlich, der ersten Aufforderung nachzugeben, und erwartete eine weitere, um wenigstens einen Vorwand für meine Fügsamkeit zu haben. That ich das, so täuschte ich mich, denn mein Vater wendete sich ruhig zu Owen, und sagte: »Ihr seht, daß es so ist, wie ich vermuthete. – Gut, Frank,« wendete er sich dann zu mir, »du bist bald majorenn, und also so befähigt, als du je sein wirst, über das, was zu deinem eigenen Glücke führt, zu urtheilen; ich sage daher weiter nichts. Aber da ich eben so wenig gezwungen bin, in deine Pläne einzustimmen, wie du, dich den meinigen zu fügen, darf ich wohl fragen, ob du irgend einen entworfen hast, der sich auf meine Unterstützung gründet?«

Ich antwortete, nicht wenig niedergebeugt: Da ich zu keinem Handwerke erzogen sei, und kein eigenes Vermögen besäße, sei es mir offenbar unmöglich, ohne einen Zuschuß von meinem Vater zu bestehen; meine Wünsche wären sehr bescheiden; und ich hoffe, mein Widerwille gegen das Geschäft, dem er mich bestimmte, würde ihn nicht veranlassen, mir seinen väterlichen Schutz und seine Unterstützung ganz zu entziehen.

»Das heißt, du willst dich auf meinen Arm lehnen, und doch deinen eigenen Weg gehen? – Das kann kaum geschehen, Frank, – indeß nehme ich an, daß du meinen Weisungen gehorchen willst, in sofern sie deine Pläne nicht hindern?«

Ich wollte sprechen. »Still, wenn es gefällig ist!« sagte er. »In der Voraussetzung, daß dies der Fall ist, wirst du unverzüglich nach dem Norden aufbrechen, um deinem Oheim einen Besuch zu machen, und seine Familie kennen zu lernen. Ich habe von seinen Söhnen (er hat sechse, glaube ich) einen gewählt, der, wie ich höre, am würdigsten ist, den Platz auszufüllen, den ich auf dem Comtoir für dich bestimmt hatte. Aber es können noch einige andere Anordnungen erforderlich sein, und die möchten deine Anwesenheit fordern. In Osbaldistone-Hall wirst du weitere Instructionen erhalten, und dort bleiben, bis du von mir hörst. Morgen früh wird zu deiner Abreise Alles in Stand gesetzt sein.«

Mit diesen Worten verließ mein Vater das Zimmer.

»Was bedeutet das Alles, Mr. Owen?« sagte ich zu meinem theilnehmenden Freunde, dessen Gesicht den Ausdruck der tiefsten Niedergeschlagenheit trug.

»Ihr habt Euch zu Grunde gerichtet, Mr. Frank, das ist Alles. Wenn Euer Vater auf so bestimmte Weise spricht, dann ist an seinem Willen eben so wenig Etwas zu ändern, als an einer abgeschlossenen Rechnung.«

Und so war es; denn am nächsten Morgen um fünf Uhr befand ich mich auf der Straße nach York, auf einem leidlich guten Pferde, und mit 50 Guineen in der Tasche; wie es schien, zu dem Zwecke reisend, selbst bei der Adoption eines Nachfolgers für mich in meines Vaters Haus und Gunst zu sorgen, und möglicher Weise auch in sein Vermögen.


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