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Fünfzehntes Kapitel.
Der Wegweiser.

Er war ein Sohn Aegyptens, wie er sagte,
Ein Abkömmling der schreckenvollen Zaubrer,
Die harten Krieg im Lande Gosen führten
Mit Israel und seinem Seher – dort
Der Söhne Levi's spottend, und begegnend
Jehovah's Wundern mit dem Zauberspiel; –
Bis auf Aegypten kam der Racheengel,
Und um die Erstgeburt die stolzen Weisen,
Gleich wie der ungelehrte Landmann, weinten.

Ungenannter.

Die Ankunft des Lord Crawford und seiner Garde machte unmittelbar dem Kampf ein Ende, den wir im vorigen Kapitel zu beschreiben versuchten; der Ritter, seinen Helm abwerfend, gab rasch dem alten Lord sein Schwert, indem er sagte: »Crawford, ich ergebe mich – aber dort – höre mich an – ein Wort, um Gottes willen – rette den Herzog von Orleans!«

»Wie? – was? – der Herzog von Orleans!« rief der schottische Befehlshaber. – »Wie geschah das, im Namen des Teufels? das wird ihn mit dem König auf immer und ewig entzweien.«

»Frage nicht lange,« sagte Dunois – denn kein Andrer als er war es – »Alles ist meine Schuld. – Sieh, er kommt zu sich. Ich kam heraus, um jenes Dämchen wegzufangen und mich zu einem begüterten und verheiratheten Mann zu machen – und sieh', was draus geworden ist. Halte dein Gesindel zurück – laß keinen Menschen auf ihn sehen.« So sagend, öffnete er das Visir Orleans, und spritzte ihm Wasser in's Gesicht, welches aus dem nahen See geholt worden war.

Quentin Durward stand indessen wie vom Donner gerührt; so schnell strömten neue Abenteuer auf ihn ein. Er hatte jetzt, wie ihm die bleichen Züge seines ersten Gegners versicherten, den ersten Prinzen vom Geblüt in Frankreich zur Erde geworfen, und hatte sein Schwert mit dem besten Kämpen des Landes, mit Dunois, gemessen; – beides an und für sich ehrenvolle Thaten; aber ob der König sie schätzen und als guten Dienst betrachten werde, das war eine ganz andre Frage.

Der Herzog war nun wieder zu Athem gekommen, und war im Stande, auf das zu merken, was zwischen Dunois und Crawford vorging; der erstere behauptete eifrig, es sei unnöthig, in dieser Sache den Namen des edlen Orleans zu erwähnen, da er bereit sei, den ganzen Tadel auf seine eignen Schultern zu nehmen, und zu erklären, der Herzog sei nur aus Freundschaft zu ihm hieher gekommen.

Lord Crawford hörte zu, die Augen auf den Boden geheftet, und von Zeit zu Zeit seufzte er und schüttelte das Haupt. Endlich sagte er, aufblickend: »Du weißt, Dunois, daß ich deines Vaters, so wie auch deinetwegen, dir recht gern gefällig sein würde.«

»Für mich selbst verlange ich gar nichts,« antwortete Dunois. »Du hast mein Schwert und ich bin dein Gefangener – was braucht es mehr? – Aber es ist dieses edlen Prinzen wegen, der einzigen Hoffnung Frankreichs, wenn Gott den Dauphin zu sich nehmen sollte. Er kam nur mir zu Gefallen hieher – um sich um mein Glück zu bemühn – in einer Sache, wozu der König gewissermaßen aufgemuntert hatte.«

»Dunois,« erwiderte Crawford, »wenn mir ein Andrer erzählt hätte, du habest den edlen Prinzen in diese mißliche Lage gebracht, um dir bei deinem eignen Plane behilflich zu sein, so hätte ich ihm geantwortet, es ist Lüge. Und nun, da du selbst es behauptest, kann ich kaum glauben, es geschehe, um die Wahrheit zu sagen.«

»Edler Crawford,« sagte Orleans, der sich nun völlig von seiner Ohnmacht erholt hatte, »Ihr seid an Charakter Eurem Freund Dunois zu ähnlich, um ihm nicht Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Allerdings war ich es, der ihn hieher schleppte, ganz gegen seinen Willen, zu einem Unternehmen, das thörichte Leidenschaft eingab, und das schnell und unüberlegt unternommen ward – Seht mich Alle an, wer da will,« fügte er hinzu, sich aufrichtend und an die Soldaten wendend – »ich bin Ludwig von Orleans, willig, die Buße meiner Thorheit zu tragen. Ich hoffe, der König wird sein Mißfallen auf mich beschränken, wie es gerecht ist. – Indessen, da ein Sohn Frankreichs sein Schwert Keinem – selbst Euch nicht, tapferer Crawford – übergeben darf – so fahre wohl, guter Stahl.«

Bei diesen Worten zog er sein Schwert aus der Scheide und warf es in den See. Es flog durch die Luft wie ein Blitzstrahl, und sank in die Fluth, die sich schnell darüber schloß. Alle blieben unentschlossen und staunend stehen, so hoch war der Rang und so geachtet war der Charakter des Schuldigen; doch war sich zu gleicher Zeit ein Jeder bewußt, daß die Folge dieses vorschnellen Unternehmens, in Betracht der Absichten, die der König mit dem Prinzen hatte, wahrscheinlich dessen gänzliches Verderben sein werde.

Dunois war der Erste, welcher sprach, und es geschah in dem zürnenden Tone eines beleidigten und durch Mißtrauen gekränkten Freundes: – »So! Ew. Hoheit findet für gut, Euer bestes Schwert wegzuwerfen, an demselben Morgen, wo es Euch gefiel, des Königs Gunst aufzuopfern und Dunois' Freundschaft zu verschmähen?«

»Liebster Vetter,« sagte der Herzog, »wann oder wie war es meine Absicht, Eure Freundschaft zu verschmähen, indem ich die Wahrheit sagte, wie ich es Eurer Sicherheit und meiner Ehre schuldig war?«

»Was hattet Ihr mit meiner Sicherheit zu thun, mein fürstlicher Vetter, das möcht' ich wohl wissen?« antwortete Dunois unmuthig. »Was, in Gottes Namen, ging es Euch an, wenn ich Lust hatte, gehängt, erdrosselt, in der Loire ertränkt, erdolcht, gerädert, lebendig im eisernen Käfig aufgehangen oder lebendig im Schloßgraben bestattet, oder sonst auf eine Weise abgethan zu werden, wie es König Ludwig gefallen möchte, seinen getreuen Unterthan zu beseitigen? – (Ihr braucht nicht zu winken und auf Tristan l'Hermite zu zeigen, – ich sehe den Schuft so gut als Ihr.) Doch es würde nicht so schlimm mit mir gestanden haben: – soviel, was meine Sicherheit anlangt. Und sodann, was Eure eigne Ehre betrifft, – beim Erröthen St. Magdalenens, ich glaube, die Ehre hätte Euch befehlen sollen, das Werk dieses Morgens zu unterlassen, oder Euch geheim zu halten. Da hat sich Ew. Hoheit von einem wilden schottischen Knaben entsatteln lassen.«

»Still! Still!« rief Lord Crawford; »das bringt Seiner Hoheit keine Schmach. Es ist nicht das erste Mal, daß ein schottischer Knabe eine gute Lanze gebrochen hat. – Mich freut, daß sich der junge Mann so brav gehalten hat.«

»Ich will das Gegentheil nicht behaupten,« sagte Dunois; »doch, wäret Ihr etwas später hier angekommen, so wäre in Eurem Bogenschützencorps wahrscheinlich eine Stelle frei geworden.«

»Ja, ja,« antwortete Lord Crawford; »ich kann Eure Handschrift in der gespaltenen Pickelhaube lesen. – Nehme sie einer dem Burschen ab, und gebt ihm eine Mütze, die mit ihrem Stahlfutter sein Haupt besser als der zerbrochene Helm schützen wird. – Und laßt mich Ew. Gnaden sagen, daß Eure eigne erprobte Rüstung auch nicht ohne einige Zeichen von guter schottischer Handschrift ist. – Doch, Dunois, ich muß nun den Herzog von Orleans und Euch ersuchen, zu Pferde zu steigen, und mich zu begleiten, da ich Vollmacht und Auftrag habe, Euch zu einem Orte zu bringen, der sehr von dem verschieden ist, den mein guter Wille Euch lieber anweisen möchte.«

»Darf ich nicht ein Wort zu jenen schönen Damen sprechen, Mylord von Crawford?« sagte der Herzog von Orleans.

»Keine Sylbe,« antwortete Lord Crawford; »ich bin zu sehr der Freund Ew. Hoheit, um solch' eine thörichte Handlung zu gestatten.« – Darauf sagte er noch, zu Quentin gewandt: »Ihr, junger Mann, habt Eure Schuldigkeit gethan. Geht, um das Amt zu verwalten, welches Euch anvertraut ist.«

»Mit Gunst, Mylord,« sagte Tristan, in seiner gewöhnlichen rauhen Weise, »der junge Mann muß einen andern Wegweiser haben. Ich kann ohne Petit-André nicht sein, da wahrscheinlich viel für ihn zu thun sein wird.«

»Der junge Mann,« sagte Petit-André, der nun hervortrat, »braucht nur dem Wege zu folgen, der grade vor ihm liegt, und dieser wird ihn zu einem Orte führen, wo er den bestimmten Wegweiser finden wird. – Nicht um tausend Dukaten möcht' ich heute von meinem Obern fern sein! – Ich habe so manchen Ritter und Knappen gehangen, manch' reichen Schöppen und Bürgermeister obendrein – selbst Grafen und Marquis haben mein Handwerk geschmeckt – aber, einen – hm!« – er blickte nach dem Herzog, als wolle er andeuten, daß er das Verzeichniß mit einem Prinzen vom Geblüt vervollständigen möchte. – »Ho ho! Petit-André, von dir wird man noch in Chroniken lesen!«

»Erlaubt Ihr Euren Schuften solche Sprache in solcher Gegenwart zu führen?« sagte Crawford mit ernstem Blicke zu Tristan.

»Warum züchtigt Ihr selbst ihn nicht, Mylord?« sagte Tristan mürrisch.

»Weil deine Hand unter allen hier die einzige ist, die ihn schlagen kann, ohne durch solche Handlung entwürdigt zu werden.«

»Dann haltet Eure eignen Leute im Zaum, Mylord, und ich will verantwortlich für die meinigen sein,« sagte der Generalprofoß.

Lord Crawford schien im Begriff eine heftige Antwort zu geben; doch, als ob er sich schnell besser besinne, wandte er Tristan den Rücken zu, ersuchte den Herzog von Orleans und Dunois ihm zur Rechten und Linken zu reiten, machte den Damen ein Abschiedszeichen, und sagte zu Quentin: »Gott behüte dich, mein Kind; du hast deinen Dienst tapfer begonnen; obwohl in einer unseligen Sache.« Er war im Begriff sich zu entfernen, als Quentin Dunois leise Crawford fragen hörte: »Führt Ihr uns nach Plessis?«

»Nein, mein unglücklicher und unbedachter Freund,« antwortete Crawford mit einem Seufzer, »nach Loches.«

»Nach Loches!« Der Name eines Schlosses, oder vielmehr Gefängnisses, noch weit gefürchteter als Plessis selbst, tönte wie eine Todtenglocke in das Ohr des jungen Schotten. Er hatte es als einen Ort beschreiben hören, der zum Schauplatz jener geheimen Handlungen der Grausamkeit bestimmt war, womit selbst Ludwig das Innere seiner Residenz zu besudeln sich schämte. An diesem Schreckensort befanden sich Kerker unter Kerkern, deren einige selbst den Gefangenwärtern unbekannt waren. Gräber für Lebende, die für den Rest ihres Lebens nicht viel mehr erwarten durften, als unreine Luft zu athmen, und von Brod und Wasser zu leben. In diesem schrecklichen Schloß befanden sich auch die furchtbaren Behältnisse, Käfige genannt, worin der arme Gefangene weder aufrecht stehn, noch sich ausstrecken konnte, eine Erfindung, wie man sagt, des Cardinal Balue. Es ist kein Wunder, daß der Name dieses Schreckensortes, und das Bewußtsein, daß er zum Theil das Mittel gewesen war, zwei solche vornehme Opfer dorthin zu bringen, das Herz des jungen Schotten so schwermüthig machte, daß er eine Zeit lang mit gesenktem Haupt, die Augen zu Boden geheftet und das Herz mit peinlichen Empfindungen erfüllt, dahinritt.

Als er nun wieder an der Spitze des kleinen Trupps war, und die bezeichnete Straße verfolgte, nahm die Dame Hameline Gelegenheit ihm zu sagen:

»Mich dünkt, lieber Herr, Ihr bereut den Sieg, den Eure Tapferkeit zu unsern Gunsten erlangte?«

Es war etwas in der Frage, was wie Ironie klang, aber Quentin hatte Takt genug, um einfach und aufrichtig zu antworten:

»Ich kann nichts bereuen, was im Dienste solcher Damen, wie Ihr, geschehen ist; doch wollt' ich, wenn sich das mit Eurer Sicherheit vertragen hätte, lieber durch das Schwert eines so guten Kriegers, wie Dunois, gefallen sein, als daß ich das Mittel sein mußte, diesen berühmten Ritter und seinen unglücklichen Obern, den Herzog von Orleans, nach jenen furchtbaren Kerkern zu bringen.«

»Also war es der Herzog von Orleans,« sagte die ältere Dame, sich zu ihrer Nichte wendend. »Ich dachte mir das, selbst aus der Ferne, von wo wir dem Streit zusahen. – Ihr seht, Nichte, was wir hätten sein können, hätte dieser listige und geizige Monarch uns an seinem Hofe sehen lassen. Der erste Prinz vom Geblüt in Frankreich und der tapfere Dunois, dessen Name so weit bekannt ist, wie der seines heldenmüthigen Vaters – dieser junge Herr erfüllte seine Pflicht tapfer und gut; aber mich dünkt, es ist schade, daß er nicht mit Ehren unterlag, da seine übelangebrachte Tapferkeit sich zwischen uns und diese fürstlichen Befreier stellte.«

Die Gräfin Isabelle erwiderte in einem festen und fast unwilligen Tone, überhaupt mit einer Energie, die Quentin noch nicht an ihr beobachtet hatte.

»Madame,« sagte sie, »wüßt'ich nicht, daß Ihr scherzt, so würde ich sagen, daß Eure Rede undankbar gegen unsern tapfern Vertheidiger ist, dem wir vielleicht weit mehr verdanken, als Euch bewußt ist. Wären diese Herren in ihrem unbedachten Unternehmen so weit gekommen, daß sie unsre Begleitung überwältigt hätten, ist es nicht offenbar, daß wir alsdann bei Ankunft der königlichen Garde ihre Gefangenschaft hätten theilen müssen? Was mich betrifft, so weihe ich dem braven Manne, der gefallen ist, Thränen, und werde bald Messen für ihn lesen lassen, und ich hoffe, daß der,« (hier fuhr sie schüchterner fort,) »welcher noch lebt, meinen herzlichen Dank annehmen wird.«

Als Quentin sein Gesicht nach ihr wandte, um etwas Passendes zu erwidern, erblickte sie das Blut, welches von seiner Wange strömte, und rief, im Tone des tiefsten Gefühls: »Heilige Jungfrau, er ist verwundet, er blutet! – Steigt ab, Herr, und laßt Eure Wunde verbinden.«

Trotz Allem, was Durward sagen mochte, daß seine Verletzung gering sei, ward er genöthigt, abzusteigen, sich auf eine Bank zu setzen und den Helm abzunehmen, während die Damen von Croye, die nach einer damals noch nicht veralteten Mode, Anspruch auf einige Kunde der Heilkunst machten, die Wunde wuschen, das Blut stillten, und mit dem Taschentuche der jüngern Gräfin verbanden, um die Einwirkung der Luft abzuhalten, wie es ihre Kunst vorschrieb.

In neuern Zeiten empfangen Ritter selten oder nie Wunden für Damen, und die Dämchen befassen sich ihrerseits nie mit der Heilung von Wunden. Beide haben eine Gefahr weniger. Diejenige, welche die Männer vermieden, wird allgemein anerkannt sein; aber die Gefahr, eine so leichte Wunde, wie die Quentins, zu verbinden, die selbst weder furchtbar noch gefährlich war, hatte vielleicht so viel Drohendes, als diejenige, wodurch er verletzt worden war.

Wir haben bereits gesagt, daß der Patient außerordentlich hübsch war; nun machte die Entfernung seines Helms, oder eigentlicher seiner Sturmhaube, die Fülle seiner schönen Locken sichtbar, welche ein Gesicht umwogten, in welchem die Jugendheiterkeit noch anziehender wurde durch ein Erröthen der Bescheidenheit und des Entzückens. Auch die Gefühle der jüngern Gräfin, die genöthigt war, ihr Tuch an die Wunde zu halten, während ihre Muhme ihr Gepäck nach einem Heilmittel durchsuchte, waren ein Gemisch von Zartsinn und Verlegenheit, von Mitleid mit dem Patienten und von Dankbarkeit für seine Dienste, welche in ihren Augen sein gutes Aeußere und seine hübschen Züge noch erhöhten. Kurz, der ganze Vorfall schien vom Schicksal angeordnet, um das geheimnißvolle gegenseitige Verständniß vollkommen zu machen, das es durch viele kleine und scheinbar zufällige Umstände zwischen zwei Personen gestiftet hatte, die, obwohl weit verschieden an Rang und Vermögen, sich doch an Jugend, Schönheit und der romantischen Zärtlichkeit eines gefühlvollen Gemüths glichen. Es war daher kein Wunder, daß von diesem Augenblick an die Gedanken an die Gräfin Isabelle, die seiner Phantasie bereits so vertraut waren, Quentins ganze Seele erfüllten, und daß auch die Gefühle der Jungfrau, obwohl minder entschiedener Art, wenigstens so weit sie sich derselben bewußt war, für ihren jungen Vertheidiger, dem sie eben einen so interessanten Dienst erwiesen hatte, weit lebhafter waren, als für irgend einen der ganzen Schaar hochgeborner Edelleute, die sie seit zwei Jahren mit ihren Huldigungen belagert hatten. Vor Allem aber mußte, wenn sie an Campobasso dachte, den unwürdigen Günstling des Herzogs Karl, mit seinem heuchlerischen Wesen, seiner schlechten verrätherischen Gesinnung, seinem schiefen Hals und schielenden Blicke, vor Allem, wenn sie an diesen dachte, mußte ihr sein Bild häßlicher denn je erscheinen, und sie faßte den festen Entschluß, daß keine Tyrannei sie zu so einem verhaßten Bündniß bewegen solle.

Unterdessen, sei es nun, daß die gute Gräfin Hameline männliche Schönheit so gut zu bewundern verstand, als zur Zeit, da sie fünfzehn Jahre jünger war, (denn die gute Gräfin zählte wenigstens fünf und dreißig, wenn anders die Geschlechtsregister des edlen Hauses von Croye die Wahrheit reden), oder sei es, daß sie glaubte, sie habe ihrem jungen Vertheidiger auf die Art, wie sie Anfangs seinen Dienst betrachtete, nicht gehörige Gerechtigkeit widerfahren lassen, genug, er begann unterdessen auch vor ihren Augen Gnade zu finden.

»Meine Nichte,« sagte sie, »hat Euch ein Tuch zum Verband Eurer Wunde gegeben; ich will Euch eines als Dank für Eure Tapferkeit geben, und zugleich um Euch zu fernerem ritterlichen Betragen aufzumuntern.«

So sagend gab sie ihm ein blaues, reich in Silber gesticktes Tuch, und indem sie auf die Decke ihres Zelters und auf die Federn ihres Reitbaretts deutete, machte sie ihm bemerklich, daß die Farben die nämlichen wären.

Die Mode der Zeit schrieb eine bestimmte Weise vor, wie man eine solche Gunst anzunehmen habe, und dem kam Quentin alsbald nach, indem er das Tuch um den Arm band; aber seine Anerkennung des Geschenks hatte mehr Linkisches und weniger von Galanterie, als es vielleicht zu anderer Zeit und in anderer Gesellschaft der Fall gewesen wäre; denn obwohl das freundliche Geschenk einer Dame, auf solche Weise gegeben, nur als ein Kompliment im Allgemeinen galt, so hätte er doch lieber das Recht in Anspruch genommen, jenes Tuch um seinen Arm zu winden, womit die durch Dunois Schwert empfangene Wunde verbunden war.

Indessen setzten sie ihren Zug fort, und Quentin ritt zur Seite der Damen, in deren Gesellschaft er stillschweigend aufgenommen zu sein schien. Er sprach jedoch nicht viel, indem ihn das stille Bewußtsein eines Glückes erfüllte, welches sich scheut, seine Gefühle zu verrathen. Die Gräfin Isabelle sprach noch weniger, so daß die Unterhaltung hauptsächlich von Dame Hameline geführt wurde, die keine Neigung zeigte, sie aufhören zu lassen; denn um den jungen Bogenschützen, wie sie sagte, in die Grundsätze und die Uebung der Chevalerie einzuweihen, erzählte sie ihm einzeln und der Länge nach den Hergang des Kampfspiels zu Haflinghem, wo sie die Preise unter die Sieger vertheilt hatte.

Da, wie ich zu meinem Leidwesen sagen muß, Quentin wenig Interesse an der Schilderung dieser glänzenden Scene, so wie an den Wappenschildern der verschiedenen flämischen und deutschen Ritter fand, welche die Dame mit erbarmungsloser Genauigkeit beschrieb, so begann er die Besorgniß zu äußern, er möchte an dem Orte vorüber sein, wo der Wegweiser zu ihm stoßen sollte – ein ernstliches Mißgeschick, woraus, sollte es wirklich statt gefunden haben, sich die schlimmsten Folgen entwickeln konnten.

Während er so überlegte, ob es gerathen sein möchte, einen seiner Gefährten zurückzusenden, um Gewißheit zu erlangen, hörte er den Schall eines Horns, und als er nach der Richtung schaute, von wo der Klang kam, sah er einen Reiter schnell heransprengen. Der niedrige Bau, so wie das wilde, ungezähmte Ansehn des Thieres erinnerte Quentin an die Gebirgsrasse der Pferde seiner eignen Heimath; aber dieses war feiner von Gliedern, und, bei demselben Anschein der Dauerhaftigkeit, rascher in seinen Bewegungen. Der Kopf besonders, der bei den schottischen Kleppern oft plump und schwerfällig ist, war klein und in gutem Verhältnisse zum Halse des Thieres, mit dünnen Kinnbacken, großen lebhaften Augen und weiten Nasenlöchern.

Der Reiter war in seinem Aeußern noch eigenthümlicher, als das Thier, weiches er ritt, obwohl dies von den französischen Pferden ganz verschieden war. Er regierte sein Thier mit großer Geschicklichkeit, ruhte mit dem Fuß aber in breiten, fast schaufelförmigen Steigbügeln, deren Riemen so kurz waren, daß seine Knie mit dem Sattelknopf fast in gleicher Höhe waren. Seine Kleidung bestand in einem kleinen rothen Turban, geschmückt mit einer schmutzigen Feder, die durch eine silberne Schnalle befestigt war; ferner in einem Leibrock, dessen Form denen der Estradioten glich, (einer Truppengattung, welche die Venetianer damals in den Provinzen an der Ostseite ihres Meerbusens aushoben,) grün von Farbe und mit verblichenen Goldtressen besetzt war. Er trug sehr weite Hosen, die weiß, aber nicht besonders reinlich, und übrigens um die Kniee festgebunden waren; seine schwarzen Füße waren nackt, und nur einigermaßen durch die kreuzenden Bänder bedeckt, wodurch ein Paar Sandalen festgehalten wurden. Er trug keine Sporen, da der scharfe Rand seiner breiten Steigbügel genügend war, um das Pferd anzutreiben. In einem hochrothen Gürtel trug dieser sonderbare Reiter einen Dolch an der rechten, und einen kurzen, krummen Mohrensäbel an der linken Seite; an einem schmutzigen Wehrgehenk um die Schulter hing das Horn, welches seine Annäherung verkündigte. Er hatte ein geschwärztes, sonnverbranntes Gesicht, einen dünnen Bart, dunkle stechende Augen, wohlgeformten Mund und Nase, und überdieß Züge, die hübsch hätten heißen können, wären die schwarzen, struppigen Locken rings um sein Gesicht und das Ansehn von Wildheit und Abzehrung nicht gewesen, wodurch er mehr wie ein Kannibale, denn als ein civilisirter Mensch erschien.

»Er ist auch ein Zigeuner!« sagten die Damen zu einander; »heilige Marie, will der König wieder diesen Auswürflingen Vertrauen schenken?«

»Wenn Ihr es erlaubt, will ich den Mann befragen,« sagte Quentin, »und mich seiner Treue, so gut ich vermag, versichern.«

Durward sowohl als die Damen von Croye hatten an der Kleidung und dem Ansehn dieses Mannes das Benehmen und die Manieren jener Landstreicher wieder erkannt, mit denen Jener durch das hastige Verfahren des Trois-Echelles und Petit-André beinah' verwechselt worden wäre, und auch Durward trug daher sehr natürliches Bedenken, sich auf Einen dieses Landstreichergeschlechts zu verlassen.

»Bist du hieher gekommen, uns zu suchen?« war seine erste Frage.

Der Fremde nickte.

»Und in welcher Absicht?«

»Euch zum Palaste dessen von Lüttich zu führen.«

»Des Bischofs?«

Der Zigeuner nickte wieder.

»Welches Zeichen kannst du mir geben, daß wir dir glauben dürfen?«

»Eben den alten Reim, und kein andres,« antwortete der Zigeuner: –

»Den Eber traf des Pagen Speer,
Der Ritter aber hat die Ehr'.«

»Ein richtiges Zeichen,« sagte Quentin; »führ' uns, guter Bursch – ich werde gleich weiter mit dir sprechen.« Dann begab er sich zu den Damen zurück, und sagte: »Ich bin überzeugt, daß dieser Mann der erwartete Wegweiser ist, denn er hat mir ein Losungswort gegeben, welches, denk' ich, nur mir und dem König bekannt ist. Aber ich will noch weiter mit ihm reden, und zu erforschen suchen, wie weit ihm zu trauen ist.«



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