Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Dreizehntes Kapitel.
Die Reise.

Sprich nicht von Königen – denn die Vergleichung
Veracht' ich; und ein Weiser bin ich, der
Beherrscht die Elemente – mind'stens glauben
Die Menschen dies von mir; und auf den Glauben
Gründ' ich mein unbegränztes Reich.

Albumazar.

Beschäftigung und Abenteuer schien sich für den jungen Schotten mit der Gewalt eines Springquells zu häufen; denn eilig ward er jetzt in das Zimmer seines Hauptmanns, des Lord Crawford gerufen, wo er, zu seinem Erstaunen, wieder den König erblickte. Nach einigen Worten über die Ehre und das Vertrauen, was man ihm schenkte, und woraus Quentin schon besorgt schloß, daß Ludwig ihn wieder in einen solchen Hinterhalt, wie gegen den Grafen von Crèvecoeur stellen wolle, oder daß er ihm vielleicht einen andern, ihm noch mehr gehässigen Auftrag ertheilen wolle, – fand er sich nicht nur erleichtert, sondern sogar erfreut, als er hörte, er sei ausersehen, nebst vier unter seinem Befehl stehenden Gefährten, wovon einer als Wegweiser dienen solle, die Damen von Croye auf die möglichst sichere, bequeme, aber auch geheimste Weise an den kleinen Hof ihres Verwandten, des Bischofs von Lüttich, zu geleiten. Er erhielt eine schriftliche Anweisung über die Orte, die er zum Nachtquartier wählen solle, – meistens Dörfer, Klöster und andere von Städten entfernte Orte, – und über die allgemeinen Vorsichtsmaßregeln, die er hauptsächlich in der Nähe der burgundischen Gränzen zu befolgen habe. Er erhielt die Weisung, die Rolle eines Haushofmeisters zweier vornehmen englischen Damen zu übernehmen, die auf ihrer Wallfahrt nach St. Martin von Tours begriffen gewesen, und nun beabsichtigten, die heilige Stadt Cöln zu besuchen, und bei den Reliquien der drei Weisen aus Morgenland, die einst Christi Geburt zu Bethlehem feierten, zu beten: – denn unter solchem Charakter sollten die Damen von Croye reisen.

Ohne sich bestimmte Rechenschaft über die Ursache seines Entzückens geben zu können, war Quentin im höchsten Grade freudenvoll bei dem Gedanken, sich der Schönheit des Thurmes nahen zu können, und zwar in einer Lage, die ihn zu ihrem Vertrauen berechtigte, indem ihre Sicherheit größtentheils seinem klugen Benehmen und seinem Muthe anvertraut war; und er zweifelte nicht, sie glücklich durch die Gefahren ihrer Pilgerschaft zu geleiten. Selten denkt die Jugend an Gefahren, und besonders Quentin gedachte, im Gefühle der Freiheit, der Furchtlosigkeit und des Selbstvertrauens aufgewachsen, ihrer nicht anders, als um ihnen Trotz zu bieten. Er wünschte Befreiung vom Zwange der Nähe des Königs, um im Stillen der Freude zu genießen, womit diese unverhoffte Kunde sein Herz füllte, und die er in seiner Gegenwart nicht laut äußern durfte. Aber Ludwig war noch nicht mit ihm fertig. Dieser vorsichtige Monarch wollte sich noch mit einem Rathgeber anderer Art, als Oliver dem Teufel, besprechen, – einem Rathgeber, der, wie er wähnte, sein Wissen von der höhern Sternkunde entlehnte, so wie die Eingebungen Oliver's, nach ihren Früchten zu schließen, vom Teufel selber herrührten, wie die Leute glaubten.

Ludwig ging daher, während ihm der ungeduldige Quentin folgte, nach einem abgesonderten Thurme des Schlosses Plessis. Hier war, mit großer Bequemlichkeit und mit Glanz der berühmte Sterndeuter, Dichter und Philosoph Galeotti Marti, oder Martius, oder Martivalle, gebürtig aus Narni in Italien, eingerichtet, der Verfasser der berühmten Abhandlung: De vulgo Incognitis, und der Gegenstand der Bewunderung seiner Zeit. Er hatte lange am Hofe des berühmten Matthias Corvinus, Königs von Ungarn, in Ansehen gestanden, aber Ludwig, der den ungarischen König um die Gesellschaft und um die Rathschläge eines Weisen beneidete, dem man die Gabe zuschrieb, die Beschlüsse des Himmels in den Sternen zu lesen, hatte ihn an seinen Hof gezogen.

Martivalle war keiner der ascetischen, verdorrten, bleichen Lehrer mystischer Wissenschaft jener Zeit, die ihre Augen über dem mitternächtigen Schmelzofen trübten und ihre Leiber bei Beobachtung des Polarsterns abmagerten. Er genoß alle weltlichen Freuden, und hatte sich, eh' er corpulent wurde, in allen kriegerischen Vergnügungen und gymnastischen Uebungen ausgezeichnet, ebensowohl als im Gebrauch der Waffen; und dies zwar in dem Maße, daß Janus Pannonius ein lateinisches Epigramm auf einen Wettkampf im Ringen hinterlassen hat, welcher zwischen Galeotti und einem berühmten Kämpen in dieser Kunst, in Gegenwart des ungarischen Königs und Hofs, stattfand, und worin der Astrolog vollkommen obsiegte.

Die Zimmer dieses höfischen und martialischen Weisen waren weit glänzender ausgestattet, als irgend eines, welches Quentin bisher im königlichen Palast gesehen hatte; die Bildhauerarbeit und das Schnitzwerk seiner Bibliothek, so wie die prächtigen Tapeten, zeigten den feinen Geschmack des gelehrten Italieners. Aus seinem Studierzimmer öffnete sich eine Thür in's Schlafgemach, eine andere führte nach dem Thurm, der ihm als Observatorium diente. Ein großer eichener Tisch, in der Mitte des Zimmers, war mit einem türkischen Teppich bedeckt, der Beute aus dem Zelt eines Pascha, nach der großen Schlacht von Jaiza, wo der Astrolog neben dem tapfern Kämpen der Christenheit, Matthias Corvinus, gefochten hatte. Auf dem Tische lag ein Gemenge mathematischer und astrologischer Instrumente, alle aus dem kostbarsten Material und von kunstreicher Arbeit. Sein Astrolabium von Silber war ein Geschenk des deutschen Kaisers, und sein Jakobsstab von Elfenbein, mit Gold beschlagen und kunstreich ausgelegt, war ein Zeichen der Achtung des regierenden Papstes.

Noch verschiedene andere vermischte Gegenstände waren auf dem Tische ausgebreitet oder hingen rings an den Wänden; unter andern zwei vollständige Rüstungen, die eine ein Schuppenpanzer, die andre massiv, und beide schienen durch ihre Größe den gigantischen Astrologen als Eigner zu nennen; ein spanischer Toledo, ein schottisches Schlachtschwert, ein türkischer Säbel, nebst Bogen, Köchern und andern Kriegswaffen; musikalische Instrumente verschiedener Art; ein silbernes Crucifix, eine antike Graburne und verschiedene der kleinen ehernen Penaten der alten Heiden, nebst andern seltsamen, nicht beschriebenen Gegenständen, deren einige, nach der abergläubischen Meinung der Zeit, zu magischen Zwecken bestimmt schienen. Die Bibliothek dieses seltsamen Mannes hatte dieselbe gemischte Beschaffenheit, wie seine andern Effekten. Seltene Manuscripte des klassischen Alterthums lagen vermischt unter den voluminösen Arbeiten christlicher Gottesgelehrten und der betriebsamen Weisen, welche chemische Wissenschaften lehrten und die, mittelst der hermetischen Philosophie, ihre Schüler in die innersten Geheimnisse der Natur einzuführen versprachen. Einige waren mit orientalischen Lettern geschrieben, andere verbargen ihren Sinn oder Unsinn unter dem Schleier hieroglyphischer oder cabalistischer Figuren. Das ganze Zimmer, so wie das manchfache Geräthe darin, brachte einen bedeutenden Eindruck auf die Einbildungskraft hervor, weil damals der Glaube an Wahrheit der verborgenen Wissenschaften eben so allgemein als unbestreitbar war; und dieser Effekt ward noch durch die Manieren und das Aeußere des Bewohners gesteigert, der, in einem hohen Lehnstuhl sitzend, emsig beschäftigt war, ein eben zu Frankfurt erschienenes Specimen der neu erfundenen Buchdruckerkunst zu untersuchen.

Galeotti war ein großer, beleibter, doch stattlicher Mann, schon ziemlich bei Jahren, dessen jugendliche Leibesübungen, obschon er sie gelegentlich noch trieb, nicht fähig gewesen waren, seiner natürlichen Anlage zur Korpulenz Widerstand zu leisten, die durch seine sitzende Lebensart und seinen Hang zu den Freuden der Tafel noch vermehrt wurde. Seine Züge, obwohl fast überwachsen, besaßen Würde und Adel, und ein Santon möchte ihn um seinen dunkeln und reichen niederhängenden Bart beneidet haben. Seine Kleidung bestand in einem Hausrock vom feinsten Genuesersammet mit weiten Aermeln, die mit Goldspangen geheftet und mit Zobel verbrämt waren; er ward befestigt durch einen breiten Pergamentgürtel, worauf sich rings in rothen Charakteren die Zeichen des Thierkreises darstellten. Er stand auf und verbeugte sich vor dem König, doch mit der Miene Jemandes, dem so hohe Gesellschaft gewöhnlich ist, und der selbst in königlicher Gegenwart der Würde nichts vergeben mochte, welche die damaligen Gelehrten stets zeigten.

»Ihr seid beschäftigt, Vater,« sagte der König, »und wie mir scheint, mit der neumodischen Kunst, welche durch Maschinen Handschriften vervielfacht. Können so mechanische, irdische Dinge die Gedanken desjenigen erfüllen, vor dem der Himmel seine eigenen himmlischen Bücher entrollt?«

»Mein Bruder,« erwiderte Martivalle, »– denn so muß der Bewohner dieser Zelle selbst den König von Frankreich nennen, wenn er ihn als Schüler zu besuchen würdigt – glaubt mir, daß ich in den Folgen dieser Erfindung mit so gewissem Seherblick, als in einer Combination himmlischer Körper, die furchtbarsten und ungeheuersten Umwandlungen lese. Wenn ich erwäge, in wie trägem und beschränktem Laufe der Strom der Wissenschaft bisher auf uns niederfloß; wie schwierig er sich von den eifrigsten Forschern erlangen ließ; wie sicher er von denen, die ihre Ruhe lieben, vernachlässigt wird; wie leicht er durch die Einfälle der Barbaren abgeleitet oder ausgetrocknet werden konnte: – wenn ich dieß erwäge, kann ich dann ohne Bewunderung und Erstaunen das Loos künftiger Geschlechter betrachten, auf welche die Wissenschaften herabströmen werden, wie der erste und zweite Regen, ununterbrochen, unvermindert, unbeschränkt! einige Gegenden befruchtend, andere überfluthend, die ganze Gestalt des geselligen Lebens verwandelnd; Religionen gründend und stürzend; aufrichtend und zerstörend Königreiche.«

»Halt, Galeotti,« sagte Ludwig, – »werden diese Umwandlungen in unserer Zeit kommen?«

»Nein, mein königlicher Bruder,« erwiederte Martivalle; »diese Erfindung wird einem jungen Baume ähnlich sein, der kürzlich erst gepflanzt ist, aber den künftigen Geschlechtern Früchte tragen wird, so unheilvoll, aber auch kostbar, wie die des Gartens Eden; nämlich die Erkenntniß des Guten und Bösen.«

Nach kurzem Stillschweigen antwortete Ludwig: »Mag die Zukunft schauen, was sie betrifft – wir sind Menschen dieser Zeit, und dieser Zeit wollen wir unsre Sorgen widmen. Jeder Tag hat seine eigene Plage. – Sagt mir, seid Ihr weiter mit dem Horoskop gekommen, welches ich Euch schickte, und wovon Ihr mir schon Einiges mittheiltet? Ich habe die betreffende Person hierher gebracht, damit ihr die Chiromantie anwenden könnt, wenn dies Euch gut scheint. Die Sache fordert Eile.«

Der stämmige Weise erhob sich von seinem Sitze, und indem er sich dem jungen Krieger näherte, heftete er seine durchdringenden großen dunkeln Augen auf ihn, als wäre er im Begriff, alle Lineamente und Züge durch und durch zu erforschen. – Erröthend und verlegen durch diese genaue Prüfung von Seiten eines Mannes, der so ehrwürdig und zugleich so gebietend aussah, schlug Quentin seine Augen zu Boden, und erhob sie nicht eher wieder, als auf Verlangen des Astrologen, der mit gebietender Stimme sagte: »Blick' auf und sei nicht schüchtern, reiche mir deine Hand.«

Als Martivalle seine flache Hand nach den Regeln der geheimen Kunst, die er übte, betrachtet hatte, führte er den König einige Schritte bei Seite. – »Mein königlicher Bruder,« sagte er, »die Physiognomie dieses Jünglings, so wie die Linien seiner Hand bestätigen auf eine wunderbare Weise den Bericht, den ich auf sein Horoskop gründete, so wie auch das Urtheil, welches Eure Fortschritte in unserer erhabenen Kunst Euch sogleich zu bilden gestatteten. Alles verspricht, daß dieser junge Mann tapfer und glücklich sein wird.«

»Und treu?« sagte der König; »denn Muth und Glück können ohne Treue bestehen.«

»Und auch treu,« sagte der Astrolog; »denn da ist männliche Festigkeit in Blick und Auge, und seine linea vitae ist tief und deutlich gezeichnet, welches wahre und aufrichtige Anhänglichkeit an diejenigen anzeigt, die ihm Wohlthaten erweisen oder Vertrauen in ihn setzen. Dennoch –«

»Dennoch, was?« sagte der König, »Vater Galeotti, warum zögert Ihr jetzt?«

»Die Ohren der Könige,« sagte der Weise, »gleichen dem Gaumen verwöhnter Kranken, welche unfähig sind, die Bitterkeit der Kräuter zu ertragen, die zu ihrer Heilung nothwendig sind.«

»Meine Ohren und mein Gaumen sind nicht so empfindlich,« sagte der König; »laßt mich hören, was nützlicher Rath ist, und verschlucken, was heilsame Arznei ist. Ich scheue weder die Rauheit des einen, noch die Bitterkeit des andern. Ich bin nicht durch Ueppigkeit oder Nachsicht verzärtelt worden; meine Jugend bestand aus Verbannung und Leiden. Meine Ohren sind rauhen Rath gewohnt und werden nicht davon beleidigt.«

»Nun denn offen, Sire,« erwiederte Galeotti, »wenn irgend etwas in Eurem beabsichtigten Auftrag ist, was – was, nun mit einem Wort, was ein zartes Gewissen schrecken könnte – so vertraut es diesem Jüngling nicht an – wenigstens nicht eher, als bis ihn einige Jahre des Dienstes bei Euch so gewissenlos wie die Andern gemacht haben.«

»Und das war's, was Ihr nicht sagen mochtet, mein guter Galeotti? und glaubtest du, deine Worte würden mich beleidigen?« sagte der König. »Ach, ich weiß, daß dir wohl bekannt ist, der Weg königlicher Politik könne nicht immer (während der des Privatlebens unveränderlich sein soll,) mit den Grundsätzen der Religion und Sittlichkeit übereinstimmen. Warum stiften wir Fürsten der Erde Kirchen und Klöster, machen Wallfahrten, unterziehen uns Bußen und verrichten fromme Handlungen, deren Andere enthoben sein können, wenn es nicht geschieht, weil uns das öffentliche Wohl und die Wohlfahrt unserer Königreiche zu Maßregeln zwingt, welche unser Gewissen als Christen beschweren? Aber der Himmel hat Gnade – die Kirche, die unerschöpflich an Verdiensten ist, und die Verwendung unserer Frau von Embrun, und der gebenedeiten Heiligen, ist eindringend, ewig und allmächtig.« Er legte seinen Hut auf den Tisch, und andächtig vor den Bildern am Hutband niederknieend, wiederholte er in ernstem Tone: » Sancte Huberte, Sancte Juliane, Sancte Martine, Sancta Rosalia, Sancti quotquot adestis, orate pro me peccatore!« dann schlug er sich auf die Brust, stand auf, setzte den Hut wieder auf's Haupt und fuhr fort: – »Sei versichert, guter Vater, daß, was auch in unserm Auftrage von der von Euch angedeuteten Art sein möge, die Ausführung desselben nicht diesem Jüngling anvertraut werden soll; er soll eines solchen Theiles von unserm Plane nicht theilhaft sein.«

»Daran,« sagte der Astrolog, »werdet Ihr weise handeln, mein königlicher Bruder. – Einiges ließe sich auch von der Raschheit dieses jungen Mannes befürchten; ein Fehler, der sanguinischen Naturen gewöhnlich eigen ist. Doch ich halte dafür, daß, nach den Regeln der Kunst, dieser Fall im Verhältniß zu den übrigen Eigenschaften, die sein Horoskop und andere Mittel entdeckten, nicht in Betracht kommen kann.«

»Wird die nächste Mitternacht eine günstige Stunde sein, um eine gefährliche Reise zu beginnen?« sagte der König. – »Seht, hier Eure Ephemeriden – Ihr seht die Stellung des Mondes gegen den Saturn, und das Aufsteigen des Jupiter – das sollte, denk' ich, in Demuth vor Eurer bessern Einsicht demjenigen guten Erfolg versprechen, der die Expedition zu solcher Stunde abschickt.«

»Ihm, der sie abschickt,« sagte der Astrolog nach einer Pause, »verspricht die Stellung allerdings Erfolg; daß aber Saturn culminirt, droht, wie mich dünkt, den Abgeschickten Gefahr und Mißgeschick; daraus schließ' ich, daß das Geschäft für die Abreisenden gefährlich, ja selbst unheilvoll sein könne. Gewaltthat und Gefangenschaft werden ihnen, wie ich glaube, dadurch verkündigt.«

»Gewaltthat und Gefangenschaft denjenigen, die gesandt werden,« antwortete der König, »aber guter Erfolg den Wünschen des Absenders. – War es nicht so, mein gelehrter Vater?«

»Genau so,« erwiederte der Astrolog.

Der König schwieg, ohne weitere Andeutung zu geben, wie weit die Vorhersagung (wahrscheinlich auf gut Glück von dem Astrologen gewagt, indem er vermuthen konnte, daß sich das Unternehmen auf einen gefährlichen Plan gründete,) mit seiner wirklichen Absicht übereinstimmte, die, wie der Leser weiß, darin bestand, die Gräfin Isabelle von Croye in die Hände des Wilhelm von der Mark zu bringen, eines Edelmannes, der zwar von hoher Geburt, aber durch seine Verbrechen zu einem Banditenführer herabgewürdigt war, ausgezeichnet übrigens durch seinen heftigen Charakter und wilde Tapferkeit.

Dann nahm der König ein Papier aus der Tasche und sagte, eh' er es Martivalle gab, in einem Tone, der einer Entschuldigung ähnlich klang. – »Gelehrter Galeotti, wundert Euch nicht, daß ich, da ich an Euch ein Orakel, einen unvergleichlichen Schatz besitze, höher, als je in eines Manschen Brust lebte, den großen Nostradamus selbst nicht ausgenommen, mich häufig gern Eurer Geschicklichkeit zur Lösung jener Zweifel und Schwierigkeiten bediene, die jeden Fürsten umlagern, der mit Rebellion im Lande und mit äußern Feinden, beide mächtig und erbittert, zu kämpfen hat.«

»Als ich mit Eurer Einladung beehrt ward, Sire,« sagte der Philosoph, »und den Hof von Ofen mit dem zu Plessis vertauschte, so geschah dieß mit dem Entschlusse, dem Dienste meines königlichen Beschützers Alles zu widmen, was meine Kunst vermag.«

»Genug, guter Martivalle. – Ich bitte Euch, folgender Frage Eure Aufmerksamkeit zu schenken.« Hier begann er von dem Papier in seiner Hand abzulesen: – »Jemand, der in einer wichtigen Streitsache betheiligt ist, die entweder durch das Gesetz, oder durch Gewalt der Waffen entschieden werden muß, wünscht gegenwärtig dieselbe mittelst einer persönlichen Zusammenkunft mit seinem Gegner beizulegen. Er wünscht zu wissen, welcher Tag zur Ausführung dieser Absicht günstig sein mag; desgleichen, von welcher Art der Erfolg eines solchen Unternehmens sein möge, und ob sein Gegner geneigt sein wird, dem Vertrauen, welches man ihm entgegenbringt, dankbar und freundlich zu entsprechen, oder ob er vielmehr die Gelegenheit und den Vortheil, den ihm solche Zusammenkunft bieten kann, mißbrauchen wird?«

»Es ist eine wichtige Frage,« sagte Martivalle, als der König zu Ende gelesen hatte, »und sie erfordert, daß ich dabei mein Planetarium zu Rathe ziehe, und der Sache eine tiefe Betrachtung widme.«

»So sei es, mein guter, gelehrter Vater, und Ihr sollt erfahren, was es heißt, sich einen König von Frankreich verpflichten. Wir sind entschlossen, wenn es die Konstellation nicht verbietet, – und unsere bescheidenen Kenntnisse lassen uns glauben, daß sie unsern Plan billigen wird, – etwas zu wagen, und zwar in eigner Person, was diesen unchristlichen Kriegen Einhalt thun soll.«

»Mögen die Heiligen Eurer Majestät frommen Vorsatz fördern,« sagte der Astrolog, »und Eure geheiligte Person schützen.«

»Dank, gelehrter Vater. – Hier ist indeß etwas, um Eure herrliche Bibliothek zu bereichern.«

Er schob unter einen der Bände eine kleine Goldbörse; denn, ökonomisch selbst bei dem, was seinen Aberglauben betraf, glaubte Ludwig den Astrologen hinreichend durch die ihm angewiesenen Jahrgelder an seinen Dienst gefesselt, und hielt sich für berechtigt, dessen Geschicklichkeit selbst in sehr dringenden Fällen um einen mäßigen Preis zu benutzen.

Nachdem Ludwig so, nach juristischer Redeweise, seinem Generalbevollmächtigten etwas zur Aufmunterung zugestellt hatte, wendete er sich von ihm zu Durward. »Folge mir,« sagte er, »mein guter Schotte, als einer, der vom Geschick und einem Monarchen erlesen ist, ein kühnes Abenteuer zu bestehen. Alles muß bereit sein, daß du den Fuß in den Steigbügel setzen kannst, so wie die Glocke von St. Martin zwölf schlägt. Eine Minute früher oder später würde dich der günstigen Aspecten der Constellationen, die deinem Abenteuer lächeln, verlustig machen.«

Mit diesen Worten verließ der König das Gemach, und sein junger Gardist folgte; und kaum waren sie gegangen, als der Astrolog Gefühlen Raum gab, die von denen sehr verschieden waren, die ihn während des Königs Gegenwart zu beseelen schienen.

»Der niedrige Knicker!« sagte er, die Börse in der Hand wägend, – denn, da er großen Aufwand machte, so hatte er beständig Geld nöthig, – »der schlechte, schmutzige Geizhals! – Eines Matrosen Weib würde mehr geben, um zu erfahren, ob ihr Mann die Meerenge glücklich gekreuzt habe. Er hätte nur einen Schein humaner Wissenschaft! – ja, wenn die diebischen Füchse und heulenden Wölfe Musiker werden. Er die herrlichen Bilder des Firmamentes lesen! – ja, wenn schmutzige Maulwürfe Luchse werden. – Post tot promissa – nach so vielen Versprechungen, mich vom Hofe des herrlichen Matthias wegzulocken, wo Ungar und Türke, Christ und Ungläubiger, der Moskowiterczar und der Tartarchan, alle wetteiferten, mich mit Geschenken zu überhäufen, – denkt er, ich soll mich in dieß alte Schloß vergraben, wie ein Gimpel im Käfig, bereit zu singen, so oft ihm beliebt, zu pfeifen, und das Alles für Futter und Wasser? – Mit nichten – aut inveniam viam, aut faciam – ich will ein Mittel entdecken oder bereiten. Der Cardinal Balue ist politisch und freigebig – diese Befragung wird ihm mitgetheilt, und es wird Seiner Eminenz eigne Schuld sein, wenn die Sterne nicht so sprechen, wie er's haben will.«

Nochmals ergriff er den verschmähten Lohn und wog ihn in der Hand. »Vielleicht,« sagte er, »steckt ein Juwel oder eine werthvolle Perle in diesem schlechten Beutel. – Ich hörte, er könne freigebig, selbst bis zur Verschwendung, sein, wenn es seine Laune oder sein Interesse betreffe.«

Er leerte die Börse, die nicht mehr und nicht weniger als zehn Goldstücke enthielt. Der Unwille des Astrologen stieg auf's Höchste. – »Denkt er, ich soll für diesen schlechten Preis die himmlische Wissenschaft üben, die ich bei dem Armenischen Abt von Istrahoff, der vierzig Jahre die Sonne nicht sah, studirte, – bei dem Griechen Dubravius, der von den Todten auferstanden sein soll, – und der ich selbst den Scheik Ebn Hali in seiner Höhle in den Wüsten von Thebais besuchte! – Nein, beim Himmel! – er, der die Kunst verachtet, mag durch seine eigne Unwissenheit umkommen. – Zehn Stück! – ein Bettel, den ich mich fast schäme, Toinetten anzubieten, um sich einen neuen Brustlatz zu kaufen.«

So sagend steckte der unwillige Gelehrte trotzdem die verachteten Stücke in eine große Tasche, die er am Gürtel trug, und die Toinette, nebst anderen Theilnehmern seiner verschwenderischen Ausgaben, gewöhnlich weit schneller zu leeren wußte, als der Philosoph, bei aller seiner Kunst, die Mittel, sie zu füllen, finden konnte.



 << zurück weiter >>