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Siebentes Kapitel.
Die Anwerbung.

Friedensrichter.

Gieb die Statuten, hier – lies die Artikel –
Schwör', küß' das Buch, schreib' ein – und sei ein Held;
Vom Staatsschatz nimmst du einen Theil für Thaten
Des Muthes, die erst zu verrichten sind;
Sechs Pence den Tag und Unterhalt und was
Noch etwa bleibt.

Der Werboffizier.

Nachdem ein Diener der Bogenschützen abgesessen war, wurde mit dessen Pferd Quentin Durward versehn, und ritt in Gesellschaft seiner kriegerischen Landsleute rasch dem Schlosse von Plessis zu, um, wiewohl seinerseits unfreiwillig, ein Bewohner der düstern Festung zu werden, deren Außenseite ihn diesen Morgen mit so viel Staunen erfüllt hatte.

Um unterdessen des Oheims wiederholte Fragen zu beantworten, gab er ihm eine genaue Nachricht von dem Vorfalle, der ihn diesen Morgen mit so viel Staunen erfüllt hatte. Obwohl er selber in dieser Erzählung nur das Rührende sah, fand er doch, daß sie von seiner Begleitung mit Gelächter aufgenommen wurde.

»Und doch ist gar kein Scherz dabei,« sagte der Oheim, »denn was in des Teufels Namen konnte den unsinnigen Knaben mit dem Leibe eines verfluchten jüdischen Mohrenheiden zusammenführen?«

»Hätt' er mit des Profoß Leuten um ein artig Mädchen gestritten, wie Michael Moffat that, dann hätte die Sache doch Verstand,« sagte Cunningham.

»Aber ich denke doch, das greift unsre Ehre an, daß sich Tristan und sein Volk untersteht, unsere schottischen Mützen mit dieser spitzbübischen Vagabunden Tocques und Turbands, wie sie sie nennen, zu verwechseln,« sagte Lindesay – »haben sie keine Augen, den Unterschied zu sehen, so muß er ihnen Kraft der Faust gelehrt werden. Doch mein Glaube ist, Tristan beabsichtigt diese Mißverständnisse, damit er die guten Schotten wegschnappen könne, die da zu ihren Verwandten kommen.«

»Darf ich fragen, Vetter,« sagte Quentin, »was das für Leute sind, von denen Ihr sprecht?«

»Fragen kannst du,« sagte sein Oheim, »aber ich weiß nicht, lieber Neffe, wer da wird antworten können. Ich kann es nicht, wie wohl ich vielleicht so viel weiß, als manch' andere Leute. Sie sind seit ein Paar Jahren in diesem Lande erschienen, grade wie ein Schwarm Heuschrecken.«

»Ja,« sagte Lindesay; »und Jacques Bonhomme, (das ist unser Name für das Landvolk, junger Mann, Ihr werdet mit der Zeit schon auf unsre Weise reden lernen,) der ehrliche Jacques, sag' ich, kümmert sich wenig darum, welcher Wind sie oder die Heuschrecken bringt, wenn er nur einen Wind kennt, der sie wieder fortführt.«

»Thun sie so viel Uebles?« fragte der junge Mann.

»Uebles? Ei, Bursch, sie sind ja Heiden, oder Juden, oder Muhamedaner wenigstens, und verehren weder unsre Frau, noch die Heiligen,« (sich bekreuzigend,) »und stehlen, was sie erlangen können, und singen, und sagen wahr,« fügte Cunningham hinzu.

»Und es sollen einige hübsche Mädchen unter diesen Weibern sein,« sagte Guthrie; »aber Cunningham weiß das am Besten.«

»Wie, Bruder?« sagte Cunningham, »ich denke du wirst mir nicht Vorwürfe machen wollen?«

»Ich hab' Euch wahrlich keine gemacht,« antwortete Guthrie.

»Ich will mich nur von der Compagnie richten lassen,« sagte Cunningham. »Ihr sagtet so viel, als ich hätte, als ein schottischer Edelmann und im Schooß der heiligen Kirche lebend, eine Liebste unter diesen Sprößlingen des Heidengesindels gehabt.«

»Ei,« sagte Balafré, »er scherzte nur – wir wollen unter Kameraden keinen Zwist haben.«

»Dann müssen wir auch nicht so scherzen,« sagte Cunningham, murmelnd, als spräche er nur in seinen Bart.

»Gibt's denn auch solche Vagabunden in andern Ländern, außer Frankreich?« fragte Lindesay.

»Ja wohl, es sind ganze Haufen in Deutschland, in Spanien, in England erschienen,« antwortete Balafré. »Durch die Gnade des heiligen Andreas blieb Schottland noch frei von ihnen.«

»Schottland,« sagte Cunningham, »ist zu kalt für Heuschrecken und zu arm für Diebe.«

»Oder vielleicht mag John Hochländer keine Diebe dort leiden, außer seine eignen,« sagte Guthrie.

»Wißt allesammt,« sagte Balafré, »ich bin von den Braes von Angus, und habe hübsche Hochlandverwandte in Glen-Isla, und ich lasse die Hochländer nicht beschimpfen.«

»Ihr werdet nicht läugnen, daß sie Viehwegtreiber sind?« sagte Guthrie.

»Einige Stück Vieh wegtreiben, oder so was, ist keine Dieberei,« sagte Balafré, »und das werd' ich behaupten, wann und wie Ihr Lust habt.«

»Schämt Euch, Kameraden,« sagte Cunningham; »wozu streiten? der junge Mann sollte solches tolle Betragen gar nicht zu sehen haben. – Kommt, hier sind wir beim Schlosse. Ich gebe ein Fäßchen Wein für unsern Kreis, wir trinken auf Schottland, Hochland und Niederland, wenn Ihr in mein Quartier zum Mittagessen kommen wollt.«

»Angenommen – angenommen,« sagte Balafré; »und ich spendire ein zweites, um alle Unfreundlichkeit abzuspülen, und auf das Wohl meines Neffen, bei seinem ersten Eintritt in unser Corps, zu trinken.«

Bei ihrer Annäherung öffnete sich das Pförtchen, und die Zugbrücke fiel. Einer nach dem Andern trat ein; als aber Quentin erschien, kreuzten die Schildwachen ihre Piken und hießen ihn stehn, während von den Wällen Bogen gespannt und Arquebusen auf ihn gerichtet waren, – eine Strenge der Wachsamkeit, die man übte, obwohl der junge Fremde in Gesellschaft eines Theils der Besatzung, ja, desselben Corps kam, zu dem die Schildwachen auf diesem Posten gehörten.

Le Balafré, der absichtlich an seines Neffen Seite geblieben war, gab die nöthigen Erklärungen, und nach beträchtlichem Zaudern und Verzug ward der Jüngling mit starker Bedeckung nach der Wohnung des Lord Crawford geführt.

Dieser schottische Edelmann war einer der letzten Ueberreste der tapfern Schaar schottischer Lords und Ritter, die Karl dem VI. so lange und so treu in den blutigen Kriegen gedient hatten, welche die Unabhängigkeit der französischen Krone und die Vertreibung der Engländer entschieden. Er hatte noch als Knabe neben Douglas und Buchan gefochten, hatte unter der Fahne des Mädchens von Orleans gestanden, und war vielleicht einer der letzten von den Verbündeten der schottischen Ritter gewesen, die so bereitwillig ihre Schwerter für die Lilie gegen ihre »Erbfeinde von England« gezogen hatten. Veränderungen, die im schottischen Königreiche stattgefunden hatten, und vielleicht seine Gewöhnung an die Sitten und das Klima Frankreichs, hatten den alten Baron veranlaßt, jedem Gedanken an Rückkehr in sein Vaterland zu entsagen, und zwar um so mehr, da das hohe Amt, welches er im Haushalte Ludwigs verwaltete, so wie sein offener, freimüthiger Charakter, ihm bei dem Könige bedeutenden Einfluß verliehen hatten, welcher, im allgemeinen zwar eben nicht geneigt, an menschliche Ehre und Tugend zu glauben, doch auf beide bei dem Lord Crawford vertraute, und ihm daher gern den größern Einfluß gestattete, weil er ihn nie geltend zu machen pflegte, außer in Dingen, die sein Amt betrafen.

Balafré und Cunningham folgten Durward und der Wache nach der Wohnung ihres Offiziers, dessen würdiges Aeußere, so wie die Achtung, die ihm diese stolzen Krieger erwiesen, die Niemand sonst zu achten schienen, auf den jungen Mann einen tiefen Eindruck machte.

Lord Crawford war groß und durch vorgerücktes Alter mager und dürre geworden; indeß behaupteten seine Glieder doch noch wenigstens die Stärke, wenn auch nicht mehr die Elasticität, der Jugend, und er vermochte das Gewicht seiner Rüstung während eines Zuges eben so gut zu ertragen, wie der jüngste Mann seines Gefolges. Er hatte harte Züge und ein narbenvolles, sehr sonnengeschwärztes Gesicht, einen Blick, der in dreißig heißen Schlachten auf den Tod als einen Spielgesellen geblickt hatte, der aber trotzdem mehr eine ruhige Verachtung der Gefahr, als den rohen Muth eines Miethsöldners anzeigte. Seine hohe gerade Gestalt war gegenwärtig in einen weiten Hausrock gehüllt, den sein Gürtel von Büffelleder umschloß, von welchem ein Dolch mit reichem Griffe niederhing. Um den Hals trug er die Kette und das Ordenszeichen des heiligen Michael. Er saß auf einem Kissen, mit einer Rehhaut bedeckt, eine Brille auf der Nase, (damals eine neue Erfindung,) und las mit Anstrengung ein großes Manuscript, genannt der Rosier de la guerre, ein Gesetzbuch für militärische und bürgerliche Politik, welches Ludwig zum Besten seines Sohnes, des Dauphin, hatte zusammentragen lassen, und worüber er die Meinung dieses erfahrenen schottischen Kriegers wünschte.

Lord Crawford legte sein Buch etwas verdrießlich bei Seite, als die unerwarteten Gäste eintraten, und fragte in seinem breiten Nationaldialekt: »was in des bösen Feindes Namen gibt es jetzt?«

Der Balafré berichtete, mit mehr Ehrerbietung als er vielleicht Ludwig selbst bewiesen hätte, der Länge nach alle Umstände, in die sein Neffe gerathen war, und bat demüthig um seiner Lordschaft Schutz. Lord Crawford hörte sehr aufmerksam zu. Er konnte die Einfalt nur belächeln, mit welcher sich der Jüngling in das Henkeramt gemischt hatte, doch schüttelte er sein Haupt bei der Nachricht von dem Streite zwischen den schottischen Bogenschützen und des Generalprofoß Wache.

»Wie oft,« sagte er, »werdet ihr mir noch solche schlechtgewundene Knäuel aufzuwickeln geben? Wie oft muß ich euch sagen, und vorzüglich euch Beiden, Ludwig Lesly und Euch, Archie Cunningham, daß sich der fremde Krieger bescheiden und anständig gegen das Volk des Landes betragen müsse, wenn ihr nicht bald alle Hunde der Stadt an euren Fersen haben wollt? Wenn ihr indeß einmal Händel haben mußtet, so sehe ich lieber, daß Ihr mit dem Profoß, als mit Jemand anders angebunden habt; und ich tadle Euch um diesen Streit weniger, als wegen andrer Streiche, die Ihr angestiftet habt, Ludwig, denn es war ganz natürlich und freundlich, Eurem jungen Verwandten zu helfen. Dieser einfältige Bursch konnte sich nicht retten; so reicht mir die Compagnieliste dort aus dem Fache, und wir wollen seinen Namen gleich darauf setzen, damit er Eure Privilegien mit genieße.«

»Wenn Ew. Lordschaft erlauben wollen« – sagte Durward – –

»Ist der Bursche verrückt?« rief sein Oheim. – »Willst du zu seiner Lordschaft sprechen, ohne gefragt worden zu sein?«

»Geduld, Ludwig,« sagte Crawford, »und laßt uns hören, was der Bursche zu sagen hat.«

»Bloß das, wenn mir Ew. Herrlichkeit erlauben,« antwortete Quentin, »was ich meinem Oheim schon früher sagte, daß ich meine Bedenklichkeit hatte, in diesen Dienst zu treten. Ich kann nun sagen, daß sie gänzlich beseitigt sind, seit ich den edlen und erfahrnen Führer, unter dem ich dienen werde, gesehen habe; denn in Eurem Blicke liegt etwas, was Ehrfurcht gebietet.«

»Wohlgesprochen mein Bursch,« sagte der alte Lord, nicht unempfindlich für das Kompliment; »wir haben einige Erfahrung erworben, und Gott hat uns die Gnade erwiesen, sie im Dienst, wie im Befehl zu zeigen. Ihr steht nun, Quentin, in unserem ehrenwerthen Korps der schottischen Leibgarde, als Knappe Eures Oheims und unter seiner Lanze dienend. Ich glaube, es wird gut mit Euch gehn, denn Ihr müßt ein tüchtiger Kriegsmann werden, wenn alles gut ist, was aufkeimt, und Ihr seid aus einem wackern Geschlecht. – Ludwig, laßt Euren Verwandten fleißig in seinen Exercitien sein, denn wir werden dieser Tage ein Lanzenbrechen haben.«

»Bei meinem Degenknopf, das freut mich, Mylord! dieser Friede macht uns alle feig. Ich fühle selbst so etwas von sinkendem Muthe, da ich so in dies verwünschte Burggefängniß eingeschlossen bin.«

»Wohl, ein Vogel hat mir in's Ohr gezwitschert,« fuhr Lord Crawford fort, »daß die alte Fahne bald wieder im Felde flattern wird.«

»Ich will einen tiefern Trunk thun bei diesem Tone heut Abend,« sagte Balafré.

»Du wirst bei jedem Tone trinken,« sagte Lord Crawford; »und ich fürchte, Ludwig, du wirst einen bittern Schluck in deinem eigenen Gebräu trinken.«

Lesly erwiederte ein wenig beschämt, daß er schon seit so manchem Tage nichts dergleichen gethan habe; aber Seine Herrlichkeit kenne ja den Gebrauch der Compagnie, ein Gelag auf die Gesundheit eines neuen Kameraden zu halten.

»Wahr,« sagte der alte Führer, »ich hatte die Veranlassung vergessen. Ich will einige Maaß Wein zu Eurem Gelag senden; doch laßt es mit Sonnenuntergang enden. Und hört wohl: – laßt die für den Dienst bestimmten Soldaten sorgfältig in Ordnung halten; und seht, daß keiner von denselben mehr oder minder an Eurem Gelage Theil nehme.«

»Eurer Herrlichkeit Befehle sollen pünktlich nachgehandelt werden,« sagte Ludwig; »und Eurer Gesundheit werden wir gebührend gedenken.«

»Vielleicht,« sagte Lord Crawford, »thu ich selber einen Blick auf Eure Belustigung – nur um zu sehen, daß Alles schicklich hergeht.«

»Eure Herrlichkeit soll herzlich willkommen sein,« sagte Ludwig; und die ganze Schaar zog sich in heiterster Stimmung zurück, um das militärische Banket vorzubereiten, zu dem Lesly ein paar Dutzend seiner Kameraden lud, die immer ihre Mahlzeiten zusammen zu halten pflegten.

Ein Soldaten-Fest entsteht gewöhnlich aus dem Stegreif, wofern nur eben genug zu essen und zu trinken da ist; aber bei gegenwärtiger Gelegenheit bemühte sich Ludwig, etwas bessern als den gewöhnlichen Wein zu verschaffen, und er bemerkte, daß der »alte Lord gewiß bei der Hand sein werde, der, während er ihnen Mäßigkeit predige, doch selber, wenn er auch schon an der königlichen Tafel so viel Wein getrunken hätte, als auf anständige Weise thunlich wäre, des Abends dann keine schickliche Gelegenheit vorüberlasse, ferner dem Weinkruge zu huldigen; drum müßt Ihr Euch bereit machen, Kameraden,« sagte er, »die alten Geschichten von der Schlacht bei Vernoil und Beaugé anzuhören.«

Das gothische Gemach, wo sie gewöhnlich zusammen kamen, wurde daher schleunig in beste Ordnung gebracht; die Diener wurden ausgeschickt, grüne Reiser zu sammeln, um die Flur damit zu bestreuen; und Fahnen, unter denen die schottische Garde zur Schlacht gegangen war, oder die sie aus den feindlichen Reihen erbeutet hatte, wurden als Teppich über die Tafel und rings an den Wänden des Zimmers ausgebreitet.

Der nächste Punkt war, den jungen Rekruten so schnell als möglich mit der Kleidung und den eigenthümlichen Waffen der Leibwache zu versehen, damit er in jeder Hinsicht als Theilhaber ihrer wichtigen Privilegien erscheinen möchte, Kraft deren, wie durch die Unterstützung seiner Landsleute, er guten Muthes der Gewalt und dem Mißfallen des Generalprofoß trotzen könnte – obwohl die eine als furchtbar, das andre als unversöhnlich bekannt war.

Das Banket war im höchsten Grade fröhlich, und die Gäste überließen sich ganz dem Drange ihrer landsmannschaftlichen Vorliebe, indem sie in ihre Reihen einen Rekruten aus ihrer geliebten Heimath aufnahmen. Alte schottische Lieder wurden gesungen, alte Geschichten von schottischen Helden erzählt – die Thaten ihrer Väter, und die Scenen, wo diese geschehen waren, wurden in's Gedächtniß gerufen: und so wurden auf einige Zeit die reichen Ebenen von Tours in die gebirgigen und öden Gegenden Kaledoniens verwandelt.

Als ihre Begeisterung auf's höchste gestiegen war und jeder sich bemühte, etwas zum theuren Andenken an Schottland vorzubringen, empfing ihr Enthusiasmus neue Nahrung durch die Ankunft des Lord Crawford, der, wie Balafré richtig prophezeiht hatte, an der königlichen Tafel wie auf Dornen saß, bis sich ihm eine Gelegenheit bot, zu entschlüpfen, und sich beim Gelage seiner Landsleute einzufinden. Ein stattlicher Sitz war für ihn am obern Ende der Tafel bewahrt, denn gemäß den Sitten des Zeitalters und der Constitutionen dieses Corps, konnte der Hauptmann, obwohl er als Führer und Befehlshaber desselben nur unter dem König und dem Großconnetable stand, doch, da alle Mitglieder (wie wir jetzt sagen, die Gemeinen,) des Corps den Rang als Edelleute von Geburt besaßen, mit ihnen ohne Unschicklichkeit am nämlichen Tische sitzen, und sich nach Gefallen bei ihren Festlichkeiten einfinden, ohne seiner Befehlshaberwürde etwas zu vergeben.

Dießmal lehnte es indeß Lord Crawford ab, den für ihn bereiteten Sitz einzunehmen, empfahl ihnen »sich lustig zu machen,« und sah stehend dem Schmause zu, mit einer Miene, die große Freude darüber auszudrücken schien.

»Laß ihn für sich,« flüsterte Cunningham dem Lindesay zu, als der letztere ihrem edlen Hauptmann den Wein darbot, – »laß ihn für sich – jage nicht eines andern Vieh – laß ihn selber thun, wie ihm beliebt.«

In der That schüttelte auch der alte Lord, der erst gelächelt hatte, das Haupt und stellte den unberührten Weinbecher vor sich hin; dann begann er, als geschähe es in einer Art von Geistesabwesenheit, ein wenig davon zu nippen, und dabei besann er sich zum Glück, daß es unschicklich sein würde, wenn er nicht die Gesundheit des wackern Jünglings trinken wollte, der sich mit ihnen heute vereinigt hate. Die Gesundheit ward gebracht und erwiedert, wie sich erwarten läßt, mit manch' fröhlichem Rufe; dann berichtete der alte Führer, daß er den Meister Oliver mit dem bekannt gemacht habe, was an diesem Tage geschehen sei: »und wie nun,« sagte er, »die Bartscheerer keine große Liebe zu den Halsumdrehern haben, so hat er sich mit mir vereinigt, einen Befehl vom König zu erlangen, welcher dem Profoß gebietet, jedes Verfahren gegen Quentin Durward, sei der Vorwand dazu, welcher er wolle, einzustellen, und bei jeder Gelegenheit die Privilegien der schottischen Leibwache zu respectiren.«

Von neuem brach der Jubel aus, die Becher wurden wieder gefüllt, bis sie überlaufen wollten, und man trank auf das Wohl des edlen Lord Crawford, des tapfern Erhalters der Privilegien und Rechte seiner Landsleute. Der gute alte Lord konnte nicht umhin, aus Höflichkeit darauf Bescheid zu thun, er sank, ohne daran zu denken, in den für ihn bereit stehenden Stuhl, ließ Quentin an seine Seite kommen, und überhäufte ihn so mit Fragen über den Zustand Schottlands, die dort lebenden großen Familien, daß er kaum fähig war, alle zu beantworten; während dem berührte der gute Lord im Laufe der Fragen gleichsam parenthesenartig zuweilen den Becher, indem er bemerkte, die Geselligkeit gezieme schottischen Edelleuten, nur sollten junge Leute, wie Quentin, dieselbe mit einer gewissen Vorsicht üben, damit sie nicht zur Ausschweifung ausarte; bei dieser Gelegenheit brachte er noch so manches Treffliche vor, bis seine eigene Zunge, obwohl mit dem Lobe der Mäßigkeit beschäftigt, etwas schwerer als gewöhnlich zu werden anfing. Jetzt, als die militärische Begeisterung der Compagnie mit jeder Flasche, die geleert wurde, sich vermehrte, forderte sie Cunningham auf, auf das baldige Erheben der Oriflamme (das königliche Banner von Frankreich) zu trinken.

»Und auf eine burgundische Luft, sie zu entfalten,« setzte Lindesay hinzu.

»Mit ganzer Seele, die noch in diesem abgenutzten Körper übrig ist, thue ich den Bescheid, ihr Bursche,« rief Lord Crawford, »und so alt ich bin, glaub' ich doch, sie noch flattern zu sehen. Hört an, Kameraden,« (der Wein hatte ihn etwas mittheilend gemacht,) »ihr seid Alle treue Diener der französischen Krone, und warum solltet ihr es daher nicht wissen, daß eine Botschaft vom Herzog Karl von Burgund angekommen ist, die nicht eben Freundliches überbringt.«

»Ich sah des Grafen von Crèvecoeur Equipage, Pferde und Gefolge,« sagte einer von den Gästen, »dort unten im Wirthshaus an der Maulbeerpflanzung. Man sagt, der König wolle sie nicht im Schlosse zulassen.«

»Nun, der Himmel schick' ihm eine ungnädige Antwort!« sagte Guthrie; »doch worüber beklagt er sich denn?«

»Ueber eine Masse unangenehmer Vorfälle auf den Gränzen,« sagte Lord Crawford; »und zuletzt darüber, daß der König eine Dame seines Landes, eine junge Gräfin, unter seinen Schutz genommen habe, die von Dijon geflohen war, weil sie der Herzog, als seine Pflegbefohlene, mit seinem Günstling Campo-Basso vermählen wollte.«

»Und ist sie wirklich ganz allein hieher gekommen, Mylord?« fragte Lindesay.

»Nicht ganz allein, sondern mit der alten Gräfin, ihrer Verwandten, die sich in dieser Sache den Wünschen ihrer Base gefügt hatte.«

»Und wird der König,« sagte Cunningham, »da er des Herzogs Lehnsherr ist, sich zwischen den Herzog und dessen Mündel drängen, über die Karl das nämliche Recht hat, das, wenn er gestorben wäre, der König über die Erbin von Burgund haben würde?«

»Der König wird sich, wie immer, durch die Regeln der Politik bestimmen lassen; und ihr wißt,« fuhr Crawford fort, »daß er diese Damen weder öffentlich empfangen, noch sie unter den Schutz seiner Töchter, der Frau von Beaujeu oder der Prinzessin Johanna, gestellt hat; daher läßt er sich wahrscheinlich durch die Umstände leiten. Er ist unser Herr – aber deswegen ist es kein Verrath, zu sagen, daß er mit den Hunden jagen und mit den Hasen laufen wird, wie ein jeder Fürst in der Christenheit.«

»Doch der Herzog von Burgund versteht solch' doppelsinniges Zeug nicht,« sagte Cunningham.

»Nein,« antwortete der alte Lord; »und daher ist wahrscheinlich, daß Beide an einander gerathen werden.«

»Gut – St. Andreas wird weiter helfen!« sagte der Balafré. »Ich habe es mir schon seit zehn, ja zwanzig Jahren vorhergesagt, daß ich das Glück meines Hauses noch durch Heirathen mache. Wer weiß, was geschehen kann, wenn wir einmal dahin kommen, für Ehre und Frauenliebe zu fechten, wie es in den alten Balladen geschieht?«

»Du sprichst von Frauenliebe, mit einer solchen Furche im Gesicht?« sagte Guthrie.

»Das ist doch zum mindesten nicht schlimmer, als ein heidnisches Zigeunerweib zu lieben?« erwiderte Balafré.

»Halt, Kameraden,« sagte Lord Crawford; »nicht mit scharfen Waffen gefochten, nicht mit spitzen Pfeilen geschossen – seid Freunde! Und was die Dame betrifft, so ist sie zu reich für einen armen schottischen Edelmann, sonst würde ich, trotz meiner Last Jahre, selber noch Ansprüche auf sie machen. Doch, wie dem sei, hier auf ihre Gesundheit! denn, wie man sagt, ist sie ein Licht an Schönheit.«

»Ich glaube, ich sah sie,« sagte ein anderer Krieger, »als ich diesen Morgen an der innern Barriere auf Wache war; aber sie sah mehr aus wie eine dunkle Laterne, als wie ein Licht, denn sie und die andere wurden in verschlossenen Sänften in's Schloß gebracht.«

»Pfui, Arnot!« sagte Lord Crawford; »ein Soldat auf dem Posten darf nichts von dem sagen, was er sieht. Ueberdies,« fügte er nach einer Pause hinzu, als seine eigne Neugier über den Schein von Disciplin siegte, den zu zeigen ihm als nöthig erschienen war, »warum sollen diese Sänften dieselbe Gräfin Isabelle de Croye umschlossen haben?«

»Ja, Mylord,« erwiderte Arnot, »ich weiß nur so viel davon, daß mein Coutelier gerade meine Pferde auf der Straße zum Dorfe herumführte, und mit Doguin dem Eseltreiber zusammenkam, der die Sänften nach dem Wirthshaus zurückbrachte, denn sie gehören dem Kerl bei der Maulbeerpflanzung drüben, ich meine den von der Fleur de Lys; und da bat Doguin den Saunders Steed, ein Glas Wein anzunehmen, weil sie Bekannte waren, und dazu war er auch recht gern bereit« –

»Ohne Zweifel – ohne Zweifel!« sagte der alte Lord, »das ist Etwas, was ich gern anders unter euch werden sähe, Gentlemen! Denn alle eure Diener, Couteliers und Jackmen, wie man sie in Schottland nennen würde, sind leider immer nur allzugern bereit, mit aller Welt ein Glas Wein zu genießen. In Kriegszeiten ist dies jedoch ein gefährlicher Umstand, und es muß anders damit werden. Doch hört, Andreas Arnot, Eure Erzählung ist ein wenig zu lang, und ich dächte, wir kürzten sie mit einem Trunke ab, wie der Hochländer zu sagen pflegt: Skeoch doch nan skial, und das ist gut Gälisch. – Hier, dies trink' ich aufs Wohl der Gräfin Isabelle von Croye, und möge ihr ein besserer Gemahl zu Theil werden, als der Campobasso, der ein elender italienischer Schuft ist. – Und nun, Arnot, was sagte der Maulthiertreiber zu deinem Yeoman?«

»Er erzählte ihm ganz in's Geheim, wenn es Eure Herrlichkeit erlauben,« sagte Arnot, »daß diese beiden Damen, die er so eben in den verschlossenen Sänften in's Schloß geführt habe, sehr vornehme Damen wären, die im Hause seines Herrn incognito gelebt hätten, wo sie der König selber einigemal ganz heimlich besucht und ihnen dabei große Ehre angethan habe, und daß sie sich nun, wie er glaube, in's Schloß geflüchtet hätten, aus Furcht vor dem Grafen Crèvecoeur, dem Gesandten des Herzogs von Burgund, dessen Ankunft eben ein vorausgeeilter Courier gemeldet habe.«

»Ei, Andreas, verhält sich die Sache so?« sagte Guthrie; »dann will ich schwören, es war die Gräfin, deren Stimme ich zur Laute singen hörte, als ich eben über den Hof ging; der Ton kam von den Nebenfenstern des Dauphinthurmes, und solch' eine Melodie war drin, wie man noch nie zuvor im Schlosse Plessis am Park gehört hat. Meiner Treu, ich glaubte, es sei Musik aus der Fee Melusina Bereich. Dort stand ich, obwohl ich wußte, euer Tisch sei gedeckt und ihr Alle wartet ungeduldig – still stand ich dort, wie –«

»Wie ein Esel, Guthrie,« sagte sein Befehlshaber, »deine lange Nase witterte die Mahlzeit, deine langen Ohren hörten die Musik, und deine kurze Verstandeskraft war nicht fähig, dir zu rathen, was du thun solltest. – Horch! ist das nicht die Kathedralenglocke, die zur Vesper ruft? – Doch unmöglich kann es schon so spät sein. – Der verrückte alte Küster hat eine Stunde zu früh Abend geläutet.«

»In der That,« sagte Cunningham, »die Glocke sagt die Stunde nur allzurichtig; dort sinkt die Sonne schon auf der Westseite der schönen Ebene.«

»Ist es wirklich so?« fragte Lord Crawford; »nun, Bursche, wir müssen nach der Uhr leben – sanft und schön kann weit kommen – Gelindes Feuer macht süßes Malz – Lustig und weise, das ist ein gutes Sprichwort. – Noch Eins auf's Wohl von Alt-Schottland, und dann Jeder auf seinen Posten.«

Der Abschiedsbecher war geleert und die Gäste zogen sich zurück. Der stattliche alte Baron nahm des Balafré's Arm, unter dem Vorwande, ihm einige Instruktionen auf seinen Neffen bezüglich zu geben, in Wahrheit aber wohl nur, damit sein eigner schwanker Schritt weniger unsicher scheinen sollte, als es sich für seinen Rang und sein Amt schicken mochte. Er zeigte ein ernstes Gesicht, während er durch die beiden Höfe schritt, die seine Wohnung von dem Festsaale trennten, und feierlich, wie die Würde eines Weinfasses, war die Abschiedswarnung, die er an Ludwig richtete, mit der Bitte, auf seines Neffen Bewegungen zu achten, vorzüglich was Mädchen und Wein betreffe.

Indessen war kein Wort, das in Bezug auf die schöne Gräfin Isabella gesprochen worden war, dem jungen Durward entgangen, der, in eine kleine Zelle geleitet, die er mit seines Oheims Pagen theilen sollte, seinen neuen unansehnlichen Aufenthalt zur Scene hoher Gedanken machte. Der Leser wird sich leicht vorstellen, daß der junge Krieger sich ein schönes Luftschloß auf einen solchen Grund zu bauen wußte, wie die vermeinte oder wahr geglaubte Identität des Mädchens vom Thurme, deren Gesange er mit so großer Theilnahme gelauscht hatte, und der schönen Mundschenkin des Meister Peter, mit einer flüchtigen Gräfin von Stand und Vermögen war, die vor den Verfolgungen eines verhaßten Liebhabers, dem Günstlinge eines tyrannischen Vormundes, floh, der seine Lehensgewalt mißbrauchte. Dann kam in Quentin's Träumen ein Zwischenspiel vor, welches von Meister Peter handelte, der selbst ein hohes Ansehen über den furchtbaren Beamten zu behaupten schien, aus dessen Händen er heute mit so großer Schwierigkeit entschlüpft war. Endlich aber wurden die Träumereien des Jünglings, welche der kleine Will Harper, sein Zeltgenosse, geachtet hatte, durch die Rückkehr seines Oheims unterbrochen, der Quentin zu Bett gehen hieß, damit er morgen bei Zeiten auf sein möchte, um ihn in Seiner Majestät Vorzimmer zu begleiten, wohin ihn seine Pflicht, nebst fünf andern seiner Kameraden, rufen würde.



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