Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Drittes Kapitel.
Das Schloß.

Inmitten ragt ein mächtiger Bau; es weisen
Zurück die starken Pforten dort, von Eisen,
Wer einzudringen wagt; stark und erhaben
Hebt sich die Wand, und tief senkt sich der Graben.
Von träger Fluth ist rings das Schloß umgeben.
Hoch oben glänzend sieht des Wächters Thurm man schweben.

Ungenannter.

Während Durward und sein neuer Bekannter so miteinander sprachen, trat ihnen endlich die ganze Fronte des Schlosses Plessis les Tours vor's Auge, welches sich sogar in jenen gefahrvollen Zeiten, wo sich die Großen genöthigt sahen, an stark befestigten Orten zu wohnen, durch die außerordentliche und ängstliche Sorgfalt auszeichnete, mit der es bewacht und geschützt ward.

Von dem Rande des Waldes, wo der junge Durward mit seinem Begleiter stehen blieb, um diese königliche Residenz in Augenschein zu nehmen, erstreckte oder erhob sich vielmehr, wenn auch nur ganz allmählig, ein offener Platz, frei von allen Bäumen oder Gebüschen, eine einzige riesenhafte und halb verwitterte Eiche ausgenommen. Man hatte diesen Raum, nach den Regeln der Befestigungskunst aller Zeiten, deßhalb frei gelassen, daß sich der Feind nicht mit einigem Schutze oder unbemerkt von den Befestigungswerken denselben nahen könne, jenseit deren sich das Schloß selbst erhob.

Es befanden sich da drei äußere Mauern, die von Zwischenraum zu Zwischenraum auf jeder Ecke mit Basteien und Thürmen versehen waren; die zweite Umschließung war höher als die erste, und konnte diese, im Fall daß sie der Feind genommen hätte, noch beherrschen; und auf gleiche Weise wurde sie selbst wieder von der dritten und innersten Mauer beherrscht. Rings um die Mauer lief, wie der Franzose seinen jungen Gefährten berichtete, (denn da sie niedriger standen als die Grundmauer des Walls, konnten sie es nicht sehen,) ein Graben, der etwa zwanzig Fuß tief sein mochte, den ein Kanal aus dem Flusse Cher, oder vielmehr aus einem Arme desselben, mit Wasser versah. Vor der zweiten Einschließung befand sich, wie er sagte, ein anderer Graben, und ein dritter, gleich jenem von ungewöhnlicher Breite, floß zwischen der zweiten und innersten Einschließung hin. Der Rand, sowohl der äußere als innere dieses dreifachen Grabens, war stark mit eisernen Pallisaden besetzt, welche die Stelle der sogenannten chevaux-de-frise der neuern Fortification vertraten; die Spitze jedes dieser Pfähle theilte sich in viele scharfe Enden, die jeden Versuch, darüber zu klimmen, zu einer Handlung der Selbstvernichtung zu machen schienen.

Innerhalb der innersten Einschließung erhob sich das Schloß selbst, Bauwerke aus verschiedenen Zeiträumen enthaltend, untereinander zusammengehäuft und vereinigt mit dem alten mürrischblickenden Gefängnißgebäude, welches eigentlich das älteste von allen war, und sich erhob, wie ein schwarzer äthiopischer Riese, wobei der Mangel an allen Fenstern, die breiter gewesen wären als Schießscharten, die man unregelmäßig zur Vertheidigung angebracht hatte, dem Auge des Beschauers das unangenehme Gefühl erregte, welches uns beim Anblicke eines blinden Menschen befällt. Die andern Gebäude schienen kaum besser für Bequemlichkeit eingerichtet zu sein, denn ihre Fenster öffneten sich auf einen innern umschlossenen Hofraum, so daß die ganze äußere Fronte mehr wie ein Gefängniß als wie ein Palast aussah. Der jetzt regierende König hatte diese Wirkung noch erhöht, denn da er wünschte, daß diese Zusätze, die er selbst zu den Fortificationen machte, ein Ansehen haben sollten, welches sie nicht leicht von den ursprünglichen Gebäuden unterscheiden ließe, (denn, gleich vielen eifersüchtigen Personen wollte er nicht, daß man seinen Verdacht bemerke,) waren dazu die dunkelfarbigsten Steine angewandt und so mit dem Mörtel verrieben worden, daß das ganze Schloß das gleichförmige Ansehen eines hohen und rohen Alterthums hatte.

Dieser furchtbare Ort hatte nur einen Eingang, wenigstens sahe Durward an der geräumigen Nordseite keinen, außer wo, in der Mitte der ersten und äußern Umgebung, zwei hohe, feste Thürme emporragten, die gewöhnlichen Vertheidigungen eines Thores; und er konnte das Zubehör desselben, Fallgatter und Zugbrücke bemerken, wovon das erstere niedergelassen, die letztere aber aufgezogen war. Aehnliche Eingangsthüren waren auch an der zweiten und dritten Einschließung sichtbar, aber nicht in derselben Linie mit denen der äußersten Umschließung, denn der Weg ging nicht gerade durch alle drei Mauern, sondern der Eintretende mußte etwa dreißig Ellen zwischen der ersten und zweiten Mauer hingehen, ausgesetzt, wenn er in feindlicher Absicht kam, den Geschoßen von beiden; war er alsdann auch durch die zweite Mauer gekommen, so mußte er eine zweite Abweichung von der direkten Linie machen, um zum Thore der dritten und innersten Mauer zu gelangen; so daß also, ehe der äußere Hof zu erreichen war, welcher der Fronte des Gebäudes entlang lief, zwei enge und gefährliche Defileen zu durchschreiten waren, unter dem Seitenfeuer der Artillerie, und drei Thore, die nach der Art des Zeitalters auf's stärkste befestigt waren, nach einander genommen werden mußten.

Aus einem Lande kommend, welches durch äußern Krieg so wie durch innere Fehden verwüstet war – einem Lande überdies, dessen unebene bergige Oberfläche, reich an Abgründen und Sturzbächen, so mancherlei Gelegenheit zur Befestigung darbietet, war der junge Durward zwar genügend bekannt mit den verschiedenen Erfindungen, wodurch die Menschen in jener finstern, ernsten Zeit ihre Wohnungen zu schützen suchten; aber dennoch gestand er offen seinem Begleiter, er habe nicht gedacht, daß die Kunst fähig sei, so viel zur Vertheidigung zu thun, wo die Natur so wenig gethan hätte. Denn die Situation, wie wir bereits andeuteten, war nur der Gipfel einer sanften Anhöhe, die sich von dem Ort aus erhob, wo sie standen.

Um sein Erstaunen zu erhöhen, sagte sein Begleiter, daß die Umgebungen des Schlosses, mit alleiniger Ausnahme des gewundenen Pfades, auf welchem man sicher dem Eingange nahen könne, gleich dem Gehölz, durch welches sie gekommen waren, mit aller Art von versteckten Fallgruben, Schlingen und Fußangeln erfüllt wären, um den Unglücklichen zu fangen, der es wagen sollte, ohne Führer hieher zu gehen; daß auf den Mauern gewisse eiserne Behältnisse angebracht waren, Schwalbennester genannt, von wo die Schildwachen, welche dort regelmäßig postirt wurden, sich ohne alle Gefahr einen Jeden zum Ziele nehmen konnte, der es wagte, ohne das besondere Zeichen oder für jeden Tag bestimmte Losungswort, hereindringen zu wollen; und daß die Bogenschützen der königlichen Leibwache diesen Dienst Tag und Nacht zu versehen pflegten, wofür sie hohe Löhnung, reiche Kleidung, und viel Ehre und Vortheil aus den Händen des Königs Ludwig empfingen. »Und nun sagt mir, junger Mann,« fuhr er fort, »habt Ihr je ein so starkes Schloß gesehn, und glaubt Ihr, daß es Männer gibt, die kühn genug wären, es zu stürmen?«

Der junge Mann schaute lange und fest auf das Schloß, dessen Anblick ihn so sehr interessirte, daß er, im Eifer seine jugendliche Neugier zu befriedigen, die Nässe seiner Kleidung vergessen hatte. Sein Auge glänzte und das Blut stieg ihm in die Wangen, wie einem kühnen Manne, der über einer ehrenvollen That sinnt, als er erwiderte: »Es ist ein starkes Schloß, und stark bewacht; doch für tapfere Männer ist nichts unmöglich.«

»Und gibt es dergleichen in Eurer Heimath, die so etwas unternehmen könnten?« sagte der Aeltere, etwas verächtlich.

»Ich will das nicht behaupten,« antwortete der Jüngling; »aber tausende sind dort, die in einer guten Sache eine kühne That versuchen würden.«

»Hm!« sagte der ältere, »vielleicht seid Ihr selber solch ein Tapferer?«

»Ich würde sündigen, wenn ich prahlen wollte, wo keine Gefahr ist,« antwortete der junge Durward; »aber mein Vater hat eine so kühne That vollbracht, und ich denke, ich bin kein Bastard.«

»Wohl,« sagte sein Gefährte lächelnd, »Ihr würdet Eures Gleichen und all' Eure Verwandten bei dem Versuche finden; denn die schottischen Bogenschützen von König Ludwigs Leibwache stehen Schildwache auf jenen Mauern – dreihundert Herren vom besten Blut Eures Vaterlandes.«

»Und wäre ich König Ludwig,« gab der Jüngling zur Antwort, »ich würde meine Sicherheit der Treue der dreihundert schottischen Edeln anvertrauen, meine Mauern niederreißen, um den Morastgraben auszufüllen, meine Pairs und Paladine berufen, und leben, wie mir's behagte, unter Lanzenbrechen in stattlichen Turniren, des Tages bankettiren mit den Edeln, des Nachts tanzen mit den Damen, und vor dem Feinde nicht mehr Furcht, als vor einer Fliege haben.«

Sein Gefährte lächelte wieder, und dem Schlosse den Rücken wendend, dem, wie er bemerkte, sie sich ein wenig zu sehr genähert hatten, führte er ihn wieder in den Wald auf einen breiteren und betreteneren Pfad, als sie ihn bis jetzt gegangen waren. »Dieser,« sagte er, »führt uns zu dem Dorfe Plessis, wie es heißt, wo Ihr, als Fremder, billige und anständige Bequemlichkeit finden werdet. Etwa zwei Meilen entfernt liegt die schöne Stadt Tours, welche dieser schönen und reichen Grafschaft den Namen gibt, aber das Dorf Plessis oder Plessis am Park, wie man es zuweilen wegen der Nachbarschaft der königlichen Residenz und des umgebenden Jagdgeheges nennt, wird Euch nähere und bequemere Bewirthung gewähren.«

»Ich danke Euch, lieber Herr, für Eure Belehrung,« sagte der Schotte, »aber ich werde hier nicht lange weilen; wenn ich einen Bissen zu essen und einen etwas bessern Trunk als Wasser erhalte, so sind meine Bedürfnisse in Plessis, mag sie der Park oder der Fischteich liefern, reichlich befriedigt.«

»Ei,« antwortete sein Gefährte, »ich dachte, Ihr wolltet hier etwa einen Freund besuchen.«

»Ich habe einen hier, meiner Mutter Bruder ist es,« antwortete Durward; »ein recht stattlicher Mann, eh' er den Bezirk von Angus verließ, wie je einer Holzschuh über die Heide trug.«

»Wie nennt er sich?« fragte der ältere; »wir wollen doch nach ihm fragen. Denn es ist nicht räthlich für Euch, nach dem Schlosse zu gehen, wo man Euch für einen Spion halten könnte.«

»Nun, bei meines Vaters Hand!« rief der Jüngling; »mich für einen Spion halten! – Beim Himmel, der soll mein kaltes Eisen kosten, der mir eine solche Schmach zufügt! Was meines Oheims Namen betrifft, den kann ich Jedermann sagen – Lesly heißt er. Lesly – ein ehrenwerther und edler Name.«

»Gewiß, ich zweifle nicht,« sagte der alte Mann; »aber es gibt drei dieses Namens in der schottischen Leibwache.«

»Meines Oheims Name ist Ludwig Lesly,« sagte der junge Mann.

»Von den drei Lesly's,« sagte der Kaufmann, »nennen sich zwei Ludwig.«

»Sie nannten meinen Verwandten Ludwig mit der Narbe,« sagte Quentin. – »Unsere Familiennamen sind so gemeinsam in einem schottischen Hause, daß, wo keine Landbesitzung vorhanden ist, wir stets einen Zunamen geben.«

»Einen nom de guerre, meint Ihr wahrscheinlich,« antwortete der Gefährte; »und den Mann, von dem Ihr sprecht, nennen wir, glaub ich, Le Balafré, von der Narbe in seinem Gesicht – ein stattlicher Mann und wackerer Krieger. Ich wünsche, Euch zu einer Unterredung mit ihm helfen zu können, denn er gehört zu einem Corps von Herren, deren Pflichten streng sind, und die nicht oft aus der Garnison kommen, außer unmittelbar im Dienste bei des Königs Person. – Und nun, junger Mann, beantwortet mir eine Frage! Ich will wetten, Ihr wünscht mit Eurem Oheim Dienst in der schottischen Leibwache zu nehmen. Es ist ein großes Vorhaben, zumal da Ihr noch sehr jung seid; und einige Jahre Erfahrung ist vonnöthen für den hohen Posten, nach dem Ihr strebt.«

»Vielleicht hab' ich an so etwas gedacht,« sagte Durward leicht hin; »wenn ich es aber that, so ist der Einfall wieder hin.«

»Wie so? junger Mann!« sagte der Franzose, etwas ernst; »sprecht Ihr so von einem Posten, um dessen Erlangung die Edelsten Eurer Landsleute wetteifern?«

»Ich wünsche ihnen Glück dazu,« sagte Quentin sehr gelassen. – »Um offen zu sprechen, muß ich Euch sagen, der Dienst des Königs von Frankreich wäre mir schon gelegen, aber, trotz Eurer feinen Kleidung und guten Nahrung, lobe ich mir doch die freie Luft, statt dort in einem Käfig oder Schwalbenneste zu stecken, wie Ihr Eure vergitterten Pfefferbüchsen nennt. Ueberdies,« fügte er mit leiserer Stimme hinzu, »um aufrichtig zu sein, liebe ich das Schloß nicht, wenn der tückische Baum ( covin-tree,) der große Baum vor der Fronte eines schottischen Schlosses ward bisweilen so genannt. Es ist schwierig, den Grund dafür zu finden; doch bis zu dieser Entfernung vom Schloß empfing der Laird seine Gäste von Stande und begleitete sie auch bis dorthin beim Abschiede. solche Eicheln trägt, wie ich dort sehe.«

»Ich ahne, was Ihr meint,« sagte der Franzose, »doch redet deutlicher.«

»Nun, um deutlicher zu sprechen,« sagte der Jüngling, »dort wächst etwa einen Pfeilschuß vom Schloß eine recht stattliche Eiche, – und an dieser Eiche hängt ein Mann in einer grauen Jacke, so wie die, welche ich trage.«

»Ei, in der That!« sagte der Franzmann; – » pasques-dieu! sieh doch, was es hübsch ist, ein so junges Auge zu haben! Zwar sah ich so etwas, doch hielt ich es für einen Raben zwischen den Zweigen. Doch der Anblick ist gar nicht seltsam, junger Mann; wenn der Sommer zum Herbste wird, die Mondnächte lang und die Straßen unsicher werden, da könnt Ihr oft ein Bündel von zehn, ja zwanzig solcher Eicheln an der alten verwitterten Eiche hängen sehen. – Doch was thut's? es sind das eben so viele Fahnen, um die Schufte zu verscheuchen, und für jeden Schurken, der dort hängt, kann der ehrliche Mann einen Dieb, einen Verräther, einen Räuber weniger auf der Heerstraße, und einen Unterdrücker und Plagegeist des Volks weniger in Frankreich erwarten. Diese, junger Mann, sind Zeichen von der Gerechtigkeit unsers Herrschers.«

»Wär' ich König Ludwig, würd' ich sie doch weiter von meinem Palast aufgehangen haben,« sagte der Jüngling. »In meiner Heimath hängt man tobte Raben auf, wo lebendige hausen, aber nicht an Gärten oder Taubenhäuser. Der Aasgeruch hat wirklich – pfui! – meine Nase erreicht, selbst bis zu der Entfernung, wo wir stehen.«

»Wenn Ihr als ein ehrlicher und treuer Diener Eures Fürsten lebt, mein guter Jüngling,« antwortete der Franzose, »so werdet Ihr begreifen, daß es keinen angenehmern Geruch geben kann, als den eines todten Verräthers.«

»Ich werde nie wünschen, länger zu leben,« sagte der Schotte, »wenn ich den Geruch meiner Nase und das Gesicht meiner Augen verlieren soll; – zeigt mir einen lebendigen Verräther, und hier ist meine Hand und meine Waffe; aber wenn sein Leben hin ist, sollte auch der Haß nicht länger leben. Aber hier, denk' ich, kommen wir ja in's Dorf. Da hoff' ich Euch zu zeigen, daß weder Nässe noch Unmuth mir den Appetit zum Frühstück genommen haben. Daher, mein guter Freund, zum Wirthshause, so schnell Ihr vermögt. – Doch eh' ich Eure Bewirthung annehme, laßt mich wissen, wie ich Euch nennen soll.«

»Nennt mich Meister Peter,« antwortete der Begleiter. »Ich gebe nichts auf Titel. Ein freier Mann, der von dem Seinigen leben kann – das ist mein Titel.«

»Gut denn, Meister Peter,« sagte Quentin, »und es freut mich, daß uns unser gutes Glück zusammengeführt hat; denn ich bedarf einen guten Rath und werde dankbar dafür sein.«

Während sie so sprachen, zeigte der Kirchthurm, und ein hohes hölzernes Cruzifix, welches sich über die Bäume erhob, daß sie am Eingange des Dorfes waren.

Aber Meister Peter, ein wenig vom Wege abbeugend, der sich jetzt mit einer offenen und öffentlichen Heerstraße vereinigte, sagte zu seinem Gefährten, der Gasthof, zu dem sie gehen wollten, stehe etwas abgeschieden, und empfange nur die bessere Sorte von Reisenden.

»Wenn Ihr die meint, die mit dem besser gefüllten Beutel reisen,« sagte der Schotte, »so gehöre ich nicht zu ihnen, und will es lieber mit Euren Schindern auf der Heerstraße, als mit Euren Schindern im Wirthshaus versuchen!«

» Pasques-dieu!« sagte sein Führer, »wie vorsichtig ihr Leute von Schottland seid! Ein Engländer stürzt kopfüber in's Wirthshaus, ißt und trinkt auf's Beste, und denkt nicht eher an die Rechnung, als bis der Magen voll ist. Doch Ihr vergeßt, Meister Quentin, da Quentin einmal Euer Name ist, Ihr vergeßt, daß ich Euch ein Frühstück schuldig bin für das Naßwerden, das Euch mein Mißverständniß bereitete – es wird die Buße für mich sein, weil ich Euch beleidigte.«

»Wahrhaftig,« sagte der leichtherzige junge Mann, »ich hatte Naßwerden, Beleidigung, Buße und Alles vergessen. Ich habe meine Kleider wieder trocken gegangen, oder beinahe; aber doch will ich Euer freundliches Anerbieten nicht abschlagen. Denn mein gestriges Mittagessen war ein sehr leichtes, und Abendbrod hab' ich gar nicht gehabt. Ihr scheint mir ein alter achtbarer Bürger, und ich sehe nicht ein, warum ich Eure Höflichkeit nicht annehmen sollte.«

Der Franzose lächelte seitwärts, denn er sah wohl, daß der Jüngling, während er jedenfalls halb verhungert war, doch einige Schwierigkeit fand, sich mit dem Gedanken zu versöhnen, daß er auf eines Fremden Kosten speisen sollte, und daß er es versuchte, seinen innern Stolz durch die Ueberlegung zurückzuweisen, daß, bei so geringer Gefälligkeit, der Empfänger eben so gefällig sei, als jener, der die Höflichkeit anbiete.

Indessen stiegen sie einen schmalen Abhang hinab, von großen Ulmen beschattet, an dessen Ende sie durch ein Thor in den Hofraum eines Gasthofes von ungewöhnlicher Größe gelangten, welcher zu Beherbergung von Edelleuten und deren Dienerschaft eingerichtet zu sein schien, die in dem benachbarten Schlosse Geschäfte hatten, wo nur selten, und überhaupt nur, wo solche Gastfreundschaft nicht zu vermeiden war, Ludwig XI. einigen von seinem Hofe die Ausnahme erlaubte. Ein Schild, welches die Lilie zeigte, hing über dem Hauptthore des großen, unregelmäßigen Gebäudes; aber weder im Hofe noch in den Gemächern war etwas von jenem Gedränge zu sehen, welches in jenen Tagen, wo das Gefolge sowohl in öffentlichen als Privathäusern untergebracht wurde, anzeigte, daß das Geschäft schwunghaft und Wohlstand vorhanden war. Es schien, als ob der düstre, ungesellige Charakter des königlichen Aufenthalts in der Nähe, sein feierliches und schreckliches Wesen zum Theil auch dem Orte mitgetheilt habe, der doch sonst allgemein als Tempel geselliger Freundlichkeit, heitern Treibens und froher Tafel galt.

Meister Peter öffnete, ohne Jemand zu rufen, indem er sich dem Haupteingange näherte, eine Seitenthüre, und betrat ein geräumiges Gemach, wo ein Reisbündel auf dem Herde flammte und alle Anstalten zu einem tüchtigen Frühstück getroffen waren.

»Mein Gevatter hat gut gesorgt,« sagte der Franzose zu dem Schotten, – »Ihr werdet frieren, und ich habe Feuer befohlen; Ihr werdet hungrig sein, und Ihr sollt sogleich Frühstück haben.«

Er hustete und der Wirth trat ein, – beantwortete Peter's »guten Tag« mit einem Bückling, – zeigte aber in keiner Hinsicht etwas von schwatzhafter Laune, die den französischen Wirthen zu allen Zeiten eigen war.

»Ich erwartete, ein Herr,« sagte Meister Peter, »hätte ein Frühstück bestellt – hat er dies gethan?«

Der Wirth machte als Antwort nur eine Verbeugung; und während er fortfuhr herbeizuschaffen und die Tafel damit zu decken, was Alles zu einem comfortabeln Mahl gehört, unterließ er's, dessen Trefflichkeit auch nur durch ein Wort zu erheben. Und gleichwohl verdiente das Frühstück solche Lobsprüche, wie sie französische Wirthe ihren Mahlzeiten zu ertheilen gewohnt sind, wie der Leser im nächsten Kapitel erfahren wird.



 << zurück weiter >>