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Zwölftes Kapitel.
Der Politiker.

In Politik ist dieser so erfahren,
Daß (ohne Satans List herabzusetzen)
Dem Teufel Vorlesung er halten könnte,
Versuchungen noch den Versucher lehrend.

Altes Schauspiel.

Als Ludwig die Gallerie betrat, zog er seine Brauen auf die früher beschriebene, ihm eigenthümliche Manier herab und sandte unter diesen buschigen düstern Brauen hervor einen durchdringenden Blick in der Runde umher; dabei schienen, wie Quentin später erklärte, seine Augen so klein, glühend und stechend zu werden, daß sie denen einer aufgeschreckten Natter glichen, die aus dem Gebüsch auf der Heide, wo sie liegt, hervorschaut.

Als der König mit diesem schnellen und scharfen Blick die Ursache der Unruhe, die im Zimmer herrschte, erforscht hatte, redete er zuerst den Herzog von Orleans an.

»Ihr hier, mein lieber Vetter?« sagte er; und sich zu Quentin wendend, fragte er streng: »Hattest du nicht Befehl?«

»Vergebt dem jungen Manne, Sire,« sagte der Herzog; »er hat seine Pflicht nicht vernachlässigt; aber ich hörte, die Prinzessin sei in dieser Gallerie.«

»Und sicher konntet Ihr da nicht umhin, hieher zu kommen, um ihr den Hof zu machen,« sagte der König, dessen abscheuliche Heuchelei dabei beharrte, den Herzog so darzustellen, als theile er eine Leidenschaft, die bloß von Seiten seiner unglücklichen Tochter gefühlt ward; »und dabei verführt Ihr die Schildwachen meiner Garde, junger Mann! – Doch, was muß man nicht einem Ritter verzeihen, der einzig par amours lebt?«

Der Herzog von Orleans erhob sein Haupt, als wolle er antworten, um damit die Meinung, die des Königs Bemerkung aussprach, zu berichtigen; aber die instinktmäßige Ehrfurcht, um nicht zu sagen Furcht, vor Ludwig, in welcher er von Kindheit an erzogen war, fesselte seine Zunge.

»Und Johanna ward unwohl?« sagte der König; »doch bekümmere dich nicht, Ludwig; es wird bald vorüber sein; geleite sie zu ihrem Zimmer, während ich diese fremden Damen zu dem ihrigen führe.«

Der Auftrag ward in einem Tone gegeben, der fast wie Befehl klang, und Orleans ging daher mit der Prinzessin an einem Ende der Gallerie ab, während der König, den Handschuh von seiner Rechten ziehend, höflich die Gräfin Isabelle und ihre Verwandte nach ihrem Zimmer führte, welches an der entgegengesetzten Seite lag. Er verbeugte sich tief, als sie hineintraten, und blieb eine Minute an der Schwelle stehn, nachdem sie verschwunden waren; dann schloß er mit großer Ruhe die Thür, durch welche sie eingetreten waren, drehte den Schlüssel herum, zog ihn ab, und steckte ihn in seinen Gürtel, – dies Anhängsel gab ihm vollkommen das Ansehen eines alten Geizhalses, der nicht ruhig gehen kann, ohne den Schlüssel seines Geldkastens bei sich zu tragen.

Langsam und nachdenkend, die Augen zu Boden geheftet, schritt Ludwig nun auf Quentin Durward zu, der, in Erwartung seines Antheils vom königlichen Mißfallen, seiner Annäherung mit nicht geringer Besorgniß entgegensah.

»Du hast unrecht gethan,« sagte der König, seine Augen erhebend und sie fest auf ihn richtend, als er bis auf zwei Schritt an ihn heran gekommen war. »Du hast sehr unrecht gethan und verdientest zu sterben. – Kein Wort zu deiner Verteidigung! – Was hattest du mit Herzögen oder Prinzessinnen zu schaffen? – Was mit irgend einem Andern, außer meinem Befehl?«

»Wenn Eure Majestät erlauben,« sagte der junge Krieger, »was konnte ich thun?«

»Was du thun konntest, wenn man deinen Posten gewaltsam passiren wollte?« antwortete der König höhnisch. – »Wozu trägst du dein Gewehr auf der Schulter? Du hättest die Waffe anlegen sollen, und wenn sich der verwegene Rebell nicht auf der Stelle zurückzog, so hätte er in dieser Halle hier sterben müssen! Geh – begib dich nach diesen nächsten Gemächern. Im ersten wirst du eine breite Treppe finden, die dich in den innern Hof führt; dort wirst du Oliver Dain finden. Send ihn zu mir – du aber geh nach deinem Quartier. – So lieb dir dein Leben ist, sei nicht so lose mit deiner Zunge, wie du heut saumselig mit deiner Hand gewesen bist.«

Froh, so leicht zu entkommen, doch im Innern empört über die kaltblütige Grausamkeit, die der König von ihm bei Erfüllung seiner Pflicht zu fordern schien, trat Durward den angezeigten Weg an, eilte die Treppe hinab, und theilte den königlichen Willen Oliver mit, der unten im Hof harrte. Der schlaue Barbier beugte sich, seufzte und lächelte, als er, mit fast noch sanfterer Stimme als gewöhnlich, dem Jüngling einen guten Abend wünschte; und sie schieden, Quentin nach seinem Quartier, Oliver um dem König aufzuwarten.

An dieser Stelle sind die Memoiren, die wir bei Abfassung dieser wahren Geschichte hauptsächlich benutzten, zum Unglück mangelhaft; denn, da sie sich vorzüglich auf Quentins Nachrichten gründen, erwähnen sie nichts von dem Gespräche, welches in seiner Abwesenheit zwischen dem Könige und seinem geheimen Rathe statt fand. Glücklicherweise enthält die Bibliothek von Hautlieu eine handschriftliche Kopie der Chronique Scandaleuse des Jean de Troyes, die weit vollständiger ist, als die gedruckte. Es sind ihr verschiedene seltsame Memoranda angehängt, die, wie wir zu glauben geneigt sind, von Oliver selbst niedergeschrieben sein müssen, und zwar nach dem Tode seines Herrn, bevor er das Glück hatte, selber mit dem so lange verdienten Stricke belohnt zu werden. Daraus konnten wir nun eine vollständige Nachricht vom Gespräche dieses niedrigen Günstlings ziehen, welches er mit Ludwig bei dieser Gelegenheit hielt, und das ein Bild auf die Politik dieses Fürsten wirft, wonach wir anderswo umsonst gesucht haben würden.

Als der Lieblingsdiener die Rolandsgallerie betrat, fand er den König nachdenkend auf dem Stuhle sitzend, den seine Tochter vor wenigen Minuten verlassen hatte. Genau bekannt mit seinem Charakter, schlich er lautlos heran, bis er in's Bereich der Augen des Königs gekommen war, um ihn von seiner Gegenwart zu benachrichtigen, dann zog er sich bescheiden wieder zurück, bis er zum Sprechen oder zum Hören aufgefordert werden würde. Des Monarchen erste Anrede war unerfreulich: – »Eure schönen Pläne, Oliver, schmelzen ja wie Schnee vorm Südwind! – Ich bitte unsre Frau von Embrun, daß sie den Eisballen nicht gleichen mögen, von denen die Schweizer so viel zu sagen wissen, und nicht etwa auf unsre Häupter niederrollen.«

»Ich hörte mit Bedauern, daß nicht Alles gut geht, Sire,« antwortete Oliver.

»Nicht gut!« antwortete der König, aufstehend und hastig in der Gallerie auf- und niedergehend, – »Alles geht schlecht, Mann – und so schlecht als nur möglich; – das kommt von deinem hübschen romantischen Rathe, daß ich vor allen Menschen der Beschützer betrübter Damen werden sollte. Ich sage dir, Bursche, Burgund rüstet und steht auf dem Punkte, ein Bündniß mit England zu schließen. Und Edward, der jetzt daheim die Hände in den Schooß legt, wird uns durch das unselige Thor von Calais seine Tausende über den Hals schicken. Einzeln könnt' ich ihnen schmeicheln oder Trotz bieten; aber vereinigt, vereinigt – sammt dem unzufriedenen und verrätherischen St. Paul! – Alles deine Schuld, Oliver, der du mir riethest, die Frauen aufzunehmen, und mich der Dienste des verdammten Zigeuners zu bedienen, um Botschaft an ihre Vasallen zu senden.«

»Mein Fürst,« sagte Oliver, »Ihr kennt meine Gründe. Die Güter der Gräfin liegen zwischen den Gränzen Burgunds und Flanderns – ihr Schloß ist fast unnehmbar – sie hat solche Gerechtsame in benachbarten Staaten, daß sie, wohl unterstützt, dem Burgunder viel zu schaffen machen würde, wäre die Dame nur an einen verheirathet, der Frankreich freundlich gesinnt ist.«

»Es ist freilich ein lockender Köder,« sagte der König; »und hätten wir sie hier verbergen können, wir würden schon eine solche Heirath mit dieser reichen Erbin zu Stande gebracht haben, woraus für Frankreich die besten Vortheile hätten erwachsen müssen. – Aber dieser verfluchte Zigeuner, wie konntest du solch' einen Heidenhund zu einer Sendung empfehlen, die Treue erfordert?«

»Beliebt Ew. Majestät sich zu erinnern,« sagte Oliver, »Ihr wart es selber, der ihm so viel vertraute – weit mehr, als ich rieth. Treulich genug würd' er ein Schreiben an den Verwandten der Gräfin gebracht haben, welches ihm sagte, ihr Schloß zu halten und schnelle Hülfe versprach; aber Ew. Majestät wollte durchaus seine prophetische Kraft prüfen; und so kam er in Besitz von Geheimnissen, welche es werth waren, dem Herzog Karl hinterbracht zu werden.«

»Ich bin beschämt – ich bin beschämt« – sagte Ludwig. »Und doch, Oliver, sagt man, dieses Heidenvolk stamme von den weisen Chaldäern, die in den Ebenen von Schinar Geheimnisse aus den Gestirnen lesen.«

Da er wohl wußte, daß sein Herr, bei all seinem Scharfsinn und seiner Klugheit, doch sehr geneigt war, sich von Wahrsagern, Astrologen, und der ganzen Rasse, die da geheime Wissenschaft zu besitzen vorgibt, sich täuschen zu lassen, und daß er sich sogar selbst einbildete, geschickt in diesen Künsten zu sein, so wagte es Oliver nicht, diesen Punkt weiter zu verfolgen; er bemerkte nur, der Zigeuner sei in seiner eignen Sache ein schlechter Prophet gewesen, sonst würde er die Rückkehr nach Tours vermieden und sich vom wohlverdienten Galgen gerettet haben.

»Es geschieht oft, daß diejenigen, die mit prophetischer Wissenschaft begabt sind,« antwortete Ludwig mit vieler Gravität, »nicht die Macht haben, solche Ereignisse voraus zu sehen, wobei sie selber persönlich betheiligt sind.«

»Mit Eurer Majestät Gunst,« erwiderte der Vertraute, »das scheint, als wenn ein Mann seine eigne Hand nicht sehen kann wegen des Lichts, das er in der Hand trägt, und das ihm jeden andern Gegenstand im Zimmer zeigt.«

»Er kann seine eignen Züge nicht sehn bei dem Lichte, das ihm die Gesichter der Andern zeigt,« erwiderte Ludwig; »und das ist die wahrhafte Erklärung dieser Sache; – doch das gehört jetzt nicht hieher. Der Zigeuner hat seinen Lohn und Friede sei mit ihm. – Aber diese Damen – nicht nur, daß Burgund uns wegen ihrer Beherbergung mit Krieg droht, ihre Gegenwart scheint auch meine Entwürfe in Bezug auf meine eigne Familie zu gefährden. Mein schlichter Vetter von Orleans hat nur dieses Dämchen gesehen, und ich wage zu prophezeien, daß ihr Anblick hinreicht, ihn minder fügsam in Hinsicht seiner Verbindung mit Johanna zu machen.«

»Ew. Majestät,« antwortete der Rathgeber, »mag die Damen von Croye zurück nach Burgund senden, und so Frieden mit dem Herzog schließen. Manche könnten dies als entehrend ansehn wollen; aber wenn die Nothwendigkeit das Opfer verlangt – –«

»Wenn ein Vortheil das Opfer verlangte, Oliver, so würde ich das Opfer ohne Zögern bringen,« antwortete der König. »Ich bin ein alter erfahrner Lachs, und pflege des Anglers Haken nicht zu verschlucken, weil daran eine Feder hängt, die man Ehre nennt; aber was schlimmer ist, als Verlust der Ehre, wir büßen, wenn wir die Damen zurückkehren lassen, die Aussichten auf Vortheil ein, die uns veranlaßten, ihnen ein Asyl zu geben. Es wäre herzbrechend, auf diese Gelegenheit zu verzichten, die uns gestattete, einen Freund von uns, der ein Feind Burgunds ist, mitten in sein Gebiet und so nahe zu den unzufriedenen Städten Flanderns zu pflanzen. Oliver, ich kann den Vortheilen nicht entsagen, die uns der Plan zu bieten scheint, wenn wir das Mädchen mit einem Freund unsers eignen Hauses vermählen.«

»Ew. Majestät,« sagte Oliver nach kurzem Nachdenken, »sollte ihre Hand einem recht treuen Freunde geben, der allen Tadel auf sich nähme, Eurer Majestät im Stillen diente und sich öffentlich von Euch verläugnen ließe.«

»Und wo find' ich einen solchen Freund?« sagte Ludwig. »Vermähle ich sie mit einem unsrer meuterischen, unlenksamen Edeln, würde ihn dies nicht unabhängig machen? und war es nicht seit Jahren meine Politik, dies zu verhindern? – Dunois allerdings – ihm, und ihm allein, könnte ich vielleicht trauen. – Er würde für die Krone von Frankreich fechten, sei seine Lage welche sie wolle. Aber Ehre und Reichthum ändern der Menschen Natur. – Selbst Dunois will ich nicht trauen.«

»Eure Majestät kann andre finden,« sagte Oliver auf die sanfteste Weise und in einem Tone, der vertraulicher war, als der, den er gewöhnlich annahm, wenn er mit dem Könige sprach, welcher ihm große Freiheit gestattete; »Menschen, die gänzlich von Eurer Gnade und Gunst abhängen, und die nicht mehr existiren könnten, ohne Euer Angesicht, denn ohne Luft und Sonne – Menschen die mehr Kopf haben, als Hände – Menschen, die« –

»Männer, die dir selbst gleichen, ha!« sagte der König Ludwig. – »Nein, Oliver, dieser Pfeil war wahrhaftig zu rasch geschossen! – Wie! weil ich dir mein Vertrauen schenke und dir zum Lohne dann und wann verstatte, meine Unterthanen ein wenig zu scheren, so glaubst du, dies mache dich geeignet, der Gemahl dieser schönen Erscheinung und ein Graf der höchsten Klasse überdies zu werden? – Du – du, sag' ich, der du niedrig geboren und schlecht erzogen, dessen Weisheit im besten Falle eine Art von List, und dessen Muth mehr als zweifelhaft ist?«

»Eure Majestät beschuldigt mich einer Anmaßung, deren ich nicht schuldig bin; ich will mich nie so hoch versteigen,« sagte Oliver.

»Das freut mich zu hören, Mann,« sagte der König, »und dein Verstand scheint mir um so gesünder, da du eine solche Träumerei in Abrede stellst. Doch mich dünkt, deine Rede klang recht seltsam, als du aus diesem Loche pfiffst. – Wohlan, zur Sache. Ich wage diese Schönheit an keinen meiner Unterthanen zu verheirathen – ich wage nicht, sie nach Burgund zurückzuschicken. – Ich wage nicht, sie nach England zu senden, oder nach Deutschland, wo sie wahrscheinlich die Beute eines Mannes würde, der sich lieber mit Burgund als mit Frankreich vereinigt, und der bereitwilliger sein würde, die achtbaren Mißvergnügten in Gent und Lüttich zu entmuthigen, als ihnen jene heilsame Unterstützung zu geben, die Karl dem Kühnen immer genug zu thun gibt, seinen Muth zu üben, ohne aus seinem eignen Gebiete herauszugehen. – Und sie waren so gut aufgelegt zum Aufstand, zumal die Männer von Lüttich, daß sie allein, tüchtig angefeuert und unterstützt, meinem lieben Vetter länger als zwölf Monate Arbeit geben könnten; – und gedeckt durch einen kriegerischen Grafen von Croye, – o, Oliver, der Plan ist zu hoffnungreich, um seiner ohne Kampf zu entsagen. – Kann dein fruchtbares Hirn keinen Plan ausdenken?«

Oliver schwieg lange, und endlich erwiderte er: »Wie, wenn eine Heirath zwischen Isabelle von Croye und dem jungen Herzog Adolf von Geldern gestiftet werden könnte?«

»Wie!« rief der König überrascht; »das liebenswürdige Geschöpf dem elenden Wütherich opfern, der seinen eignen Vater absetzte, gefangen hielt und oft zu ermorden drohte? – Nein, Oliver, nein – das wäre zu unaussprechlich grausam, selbst für dich und mich, die wir unsern trefflichen Zweck so fest im Auge haben, nämlich den Frieden und die Wohlfahrt Frankreichs, und uns wenig um die Mittel kümmern, die dabei angewandt werden. Ueberdies ist er uns zu fern, und das Volk von Gent und Lüttich verabscheut ihn. Nein, nein – ich will keinen Adolf von Geldern – denk' einen Andern aus.«

»Meine Erfindungskraft ist erschöpft, Sire,« sagte der Rathgeber; »ich kann mich auf Keinen besinnen, der als der Gräfin von Croye Gemahl Eurer Majestät Absichten zugleich entsprechen würde. Er müßte so verschiedene Eigenschaften vereinigen – ein Freund Eurer Majestät – ein Feind Burgunds – politisch genug, um die Genter und Lütticher zu verbinden, und hinlänglich tapfer, um sein kleines Gebiet gegen den mächtigen Herzog Karl zu vertheidigen – überdies von hoher Geburt – darauf besteht Ew. Majestät; und obendrein von trefflichem und tugendhaften Charakter.«

»Nein, Oliver,« sagte der König, »ich lege nicht so viel – oder doch nicht so sehr viel Gewicht auf seinen Charakter; aber ich meine, Isabellens Bräutigam müßte etwas weniger öffentlich und auch nicht so allgemein verabscheut sein, wie Adolf von Geldern. – Z. B., da ich einmal selbst einen ersinnen soll, – warum nicht Wilhelm von der Mark?«

»Meiner Treu, Sire,« sagte Oliver, »ich kann freilich nicht beklagen, daß Ihr für den glücklichen Mann einen zu hohen Maßstab moralischer Trefflichkeit bereit habt, wenn Euch mit dem wilden Eber der Ardennen gedient sein kann. Von der Mark! – er ist der verrufenste Räuber und Mörder an der ganzen Gränze – excommunicirt vom Papste wegen tausend Verbrechen.«

»Wir werden ihn davon lossprechen lassen, Freund Oliver – die heilige Kirche ist gnadenreich.«

»Fast ein Geächteter,« fuhr Oliver fort, »und vom Reichstage zu Regensburg in den Bann gethan.«

»Wir wollen den Bann aufheben lassen, Freund Oliver,« fuhr der König im nämlichen Tone fort; »der Reichstag wird Vernunft annehmen.«

»Und wenn er auch von edler Geburt ist,« sagte Oliver, »so hat er doch Maniern, Gesicht und Benehmen wie ein flämischer Fleischer – sie wird ihn nimmer annehmen.«

»Seine Art zu werben, wenn ich mich in ihm nicht irre,« sagte Ludwig, »wird ihr schwerlich die Wahl übrig lassen.«

»Ich fehlte freilich weit, wenn ich Ew. Majestät für übermäßig gewissenhaft hielt,« sagte der Rathgeber. »Bei meinem Leben, die Verbrechen Adolfs sind nur Tugenden gegen die des Herzogs von der Mark! – und dann, wie soll er mit seiner Braut zusammenkommen? – Ew. Majestät weiß, er darf sich nicht aus seinem Ardennenwalde wagen.«

»Dafür muß gesorgt werden,« sagte der König; »vor allen Dingen müssen die beiden Damen in's Geheim benachrichtigt werden, daß sie nicht länger an diesem Hofe bleiben können, außer auf Unkosten eines Kriegs zwischen Frankreich und Burgund, und daß ich, abgeneigt, sie meinem lieben Vetter von Burgund auszuliefern, sehr wünschte, sie möchten im Geheim aus meinem Reiche scheiden.«

»Sie werden verlangen, nach England geleitet zu werden,« sagte Oliver; »und wir werden sie nach Flandern zurückkehren sehn mit einem Inselherrn, der ein hübsches rundes Gesicht, langes braunes Haar und dreitausend Bogenschützen hinter sich hat.«

»Nein – nein,« erwiderte der König; »wir dürfen (du verstehst mich) unsern lieben Vetter von Burgund nicht so sehr beleidigen, daß wir sie nach England gehen ließen – das würde sein Mißfallen eben so sicher erregen, als wenn wir sie hier behalten. Nein, nein – blos dem Schutze der Kirche darf ich sie anzuvertrauen wagen; und das Höchste, was ich thun kann, ist, daß ich die Damen Hameline und Isabelle von Croye mit einem kleinen Gefolge verkleidet abziehn lasse, um beim Bischof von Lüttich Zuflucht zu suchen, der die schöne Isabelle einstweilen der Obhut eines Klosters anvertrauen wird.«

»Und wenn sie das Kloster vor Wilhelm von der Mark schützt, sobald dieser Ew. Majestät günstige Absichten erfährt, so hab' ich mich in dem Manne geirrt.«

»Nun, ja,« antwortete der König, »Dank unsern geheimen Geldunterstützungen, von der Mark hat einen Haufen so gewissenlosen Kriegsvolks, als nur je geächtet war; damit weiß er sich in den Wäldern zu behaupten, und zwar in einer Lage, die ihn sowohl dem Herzog von Burgund, als dem Bischof von Lüttich furchtbar macht. Es fehlt ihm nichts als ein Stück Land, welches er sein eigen nennen kann; und da sich eine so schöne Gelegenheit bietet, es durch Heirath zu erwerben, so denke ich, er wird, Pasques-dieu! Mittel finden, zu gewinnen und zu werben, ohne daß es von meiner Seite mehr als eines Winkes bedarf. Der Herzog von Burgund wird dann einen solchen Dorn in der Seite haben, als ihm keine Lancette unserer Tage aus dem Fleische wird schneiden können. Der Eber der Ardennen, den er bereits geächtet hat, laß den gestärkt sein durch den Besitz der Ländereien dieser schönen Dame, durch ihre Schlösser und Herrschaften, dazu durch die mißvergnügten Lütticher, die ihn wahrhaftig dann gern zu ihrem Haupt und Führer wählen werden – dann laß Karl an Krieg mit Frankreich denken, wenn er Lust hat, oder laß ihn vielmehr sein Geschick segnen, wenn Frankreich nicht ihn bekriegt. – Was sagst du zu diesem Plane, Oliver, wie?«

»Trefflich,« sagte Oliver, »mit Ausnahme des Verbannungsurtheils, welches die Dame dem wilden Eber der Ardennen übergibt. – Meiner Treu, besäß' er etwas mehr äußerliche Galanterie, so wäre Tristan, der Generalprofoß, der bessere Bräutigam von den Beiden.«

»Und eben erst schlugst du mir Meister Oliver, den Barbier, vor,« sagte Ludwig; »aber Freund Oliver und Gevatter Tristan, obwohl treffliche Männer wenn es Rath und Execution gilt, sind nicht der Stoff, um Grafen daraus zu machen. Weißt du nicht, daß die Bürger von Flandern hohe Geburt an andern Leuten schätzen, gerade weil sie ihnen selbst abgeht? – Ein Pöbelhaufen verlangt stets einen aristokratischen Führer. Jener Ked, oder Cade, oder – wie heißt er doch? – in England wußte den ganzen Pöbel um sich zu sammeln, weil er vorgab, er sei aus dem Blute der Mortimers. Wilhelm von der Mark stammt aus dem Blute der Fürsten von Sedan, das so edel als mein eignes. – Und nun zu unserm Geschäft. Ich muß die Damen von Croye zu schneller und geheimer Flucht unter sicherem Geleit bestimmen. Dieß wird leicht gethan sein – wir haben ihnen nur anzudeuten, daß wir sie sonst Burgund ausliefern müßten. Du mußt Mittel finden, Wilhelm von der Mark von ihren Bewegungen in Kenntniß zu setzen, und ihn Zeit und Ort seiner Bewerbung selber wählen lassen. Ich kenne eine passende Person, mit ihnen zu reisen.«

»Darf ich fragen, wem Ew. Majestät ein so wichtiges Geschäft anvertrauen will?« fragte der Barbier.

»Einem Fremden, der Sicherheit wegen,« erwiderte der König; »einem, der weder Verwandte noch sonst ein Interesse in Frankreich hat, was ihm an der Vollstreckung meines Willens hinderlich wäre; und der zu wenig vom Lande und seinen Factionen weiß, um von meinem Plane mehr zu ahnen, als ich ihm sagen werde – mit einem Wort, ich gedenke den jungen Schotten, der dich eben hieher sandte, damit zu beauftragen.«

Oliver schwieg auf eine Weise, die einigen Zweifel an der Klugheit der Wahl anzudeuten schien, und dann sagte er: »Ew. Majestät hat auf den fremden Knaben früher Vertrauen gesetzt, als sonst Eure Gewohnheit ist.«

»Ich habe meine Gründe,« antwortete der König. – »Du weißt,« (hier bekreuzte er sich,) »wie ergeben ich dem heiligen Julian bin. Ich hatte in vorletzter Nacht meine Gebete an diesen Heiligen gerichtet, worin (du weißt, daß er der Beschützer der Reisenden ist) ich ihn demüthig bat, daß er meinen Haushalt mit einigen jener wandernden Fremdlinge vermehren möchte, die am besten geeignet sind, durch's ganze Königreich unbegränzte Ergebenheit gegen unsern Willen zu schaffen; und dagegen gelobte ich dem guten Heiligen, sie in seinem Namen aufzunehmen und gut zu unterhalten.«

»Und schickte der heilige Julian,« sagte Oliver, »Eurer Majestät diesen langbeinigen Schotten als Antwort auf Euer Gebet?«

Obwohl der Barbier wußte, daß sein Herr statt der mangelnden Religion ein äußerst abergläubisches Gemüth besaß, und daß man ihn bei derartigen Gegenständen sehr leicht beleidigen konnte, – obwohl er, sag' ich, die Schwäche des Königs kannte, und mit Fleiß daher die obige Frage im sanftesten und unschuldigsten Tone that, so fühlte Ludwig doch den darin liegenden Spott, und blickte den Sprecher höchst mißfällig an.

»Kerl,« sagte er, »du bist mit Recht Oliver der Teufel genannt, der du wagst, auf einmal so deines Herrn und der gesegneten Heiligen zu spotten. Ich sage dir, wärst du mir um einen Gran minder nothwendig, ich ließe dich an jener Eiche vor'm Schlosse aufhängen, als ein Beispiel für Alle, die heilige Dinge verhöhnen. – Wisse, du ungläubiger Sklave, daß meine Augen kaum geschlossen waren, als mir der gebenedeite heilige Julian erschien, einen jungen Mann führend, den er mir mit den Worten vorstellte: sein Schicksal solle sein, dem Schwert, dem Strang, dem Wasser zu entgehn, und er würde der Partei, die er ergriffe, und den Unternehmungen, wobei er betheiligt, Glück bringen. Am folgenden Morgen ging ich aus, und begegnete diesem Jünglinge, dessen Bild ich im Traume gesehn hatte. In seiner eignen Heimath war er dem Schwert entgangen, während die ganze Familie hingeschlachtet ward, und hier, im kurzen Verlauf zweier Tage, ist er wunderbar dem Ertrinken und dem Galgen entgangen, und hat bereits bei einer besondern Gelegenheit, die ich dir schon andeutete, mir einen höchst wesentlichen Dienst geleistet. Ich empfange ihn, als vom heiligen Julian hieher gesandt, um mir in den schwierigsten, gefährlichsten und selbst in den verzweifeltsten Fällen zu dienen.«

Als sich der König so ausgesprochen hatte, nahm er den Hut ab, und wählte unter den zahlreichen kleinen Bleifiguren, womit das Hutband besetzt war, diejenige aus, die den heiligen Julian vorstellte, setzte sie auf den Tisch, wie es oft seine Gewohnheit war, wenn ein besonderes Gefühl der Hoffnung, oder vielleicht der Zerknirschung, seine Seele durchbebte, und, davor niederknieend, murmelte er, anscheinend in tiefer Frömmigkeit: » Sancte Juliane, adsis precibus nostris! Ora, ora, pro nobis!«

Dies war einer von den Fieberanfällen abergläubischer Frömmigkeit, die den König in dergleichen außerordentlichen Zeiten und Orten oft ergriffen, so daß sie einem der scharfsinnigsten Monarchen, die je regierten, das Ansehn eines Wahnsinnigen gaben, oder zum wenigsten eines Solchen, dessen Seele von tiefem Schuldbewußtsein erschüttert wird.

Während er so beschäftigt war, sah ihn sein Günstling mit einem Ausdruck sarkastischer Verachtung an, den er kaum zu verstellen suchte. Es war in der That eine von den Eigenheiten dieses Mannes, daß er, in dem ganzen Verkehr mit seinem Herrn, jene süßliche erkünstelte Dienstbeflissenheit und Demuth bei Seite setzte, die sein Betragen gegen Andere auszeichnete; und wenn er auch dann noch die Aehnlichkeit mit einer Katze beibehielt, so glich er ihr, wenn das Thier auf seiner Hut ist, – wachsam, gespannt, und bereit für plötzliche Kraftäußerung. Die Ursache dieser Umwandlung war wahrscheinlich Olivers Bewußtsein, daß sein Herr selbst ein zu ausgelernter Heuchler sei, um nicht die Heuchelei Anderer zu durchschauen.

»Die Züge dieses Jünglings, wenn mir erlaubt ist, zu sprechen,« sagte Oliver, »glichen also denen von jenem, den Euch der Traum zeigte?«

»Auf das Genaueste,« sagte der König, dessen Einbildungskraft, gleich der aller abergläubischen Leute, sich leicht selber täuschte – »ich habe überdies durch Galeotti Martivalle sein Horoskop stellen lassen, und habe deutlich erkannt, sowohl durch seine Kunst, als meine eigne Beobachtung, daß in vieler Hinsicht das Geschick dieses unbefreundeten Jünglings mit dem meinen unter gleicher Constellation steht.«

Was auch Oliver von den Ursachen denken mochte, die so kühn für den Vorzug eines unerfahrnen Jünglings angeführt wurden, so wagte er doch nicht fernere Einwürfe zu machen, weil er wohl wußte, daß Ludwig, der während seiner Verbannung der vermeintlichen Sterndeutekunst viel Aufmerksamkeit gewidmet hatte, durchaus keinen Scherz in Bezug auf seine Geschicklichkeit verstehen würde. Er antwortete daher blos, daß er hoffe, der Jüngling werde sich in Vollziehung eines so bedenklichen Geschäftes treu beweisen.

»Wir wollen dafür sorgen, daß er keine Gelegenheit findet, anders zu handeln,« sagte Ludwig, »denn er soll nichts weiter wissen, als daß er abgeschickt ist, die Damen von Croye zur Residenz des Bischofs von Lüttich zu geleiten. Von der wahrscheinlichen Zwischenkunft Wilhelms von der Mark soll er so wenig wissen, als sie selber. Niemand soll das Geheimniß wissen, als der Wegweiser; und Tristan oder du mußt ausfindig machen, wer zu diesem Zwecke paßt.«

»Aber in diesem Falle,« sagte Oliver, »wenn man ihn nach seiner Heimath und nach seinem Aeußern beurtheilt, wird der junge Mann wahrscheinlich zu den Waffen greifen, sobald der wilde Eber auf sie zukommt; und aus dessen Hauern mag er nicht so leicht davonkommen, wie diesen Morgen.«

»Wenn sie ihn zerreißen,« sagte Ludwig gefaßt, »so mag St. Julian, gepriesen sei sein Name! mir einen andern an seiner Statt senden. Es liegt so wenig daran, daß der Bote erschlagen wird, nachdem sein Auftrag vollzogen, als daß die Flasche zerbrochen wird, wenn der Wein heraus ist. – Unterdessen müssen wir den Abschied der Damen beschleunigen, und dann den Grafen von Crèvecoeur überreden, daß es ohne unsre Zustimmung geschehen sei; wir hätten sehr gewünscht, sie der Obhut unsers lieben Vetters wieder zu übergeben, was nun ihre Abreise zum Unglück verhindert hätte.«

»Der Graf ist vielleicht zu klug und sein Herr zu vorurtheilsvoll, um es zu glauben.«

»Heilige Mutter!« sagte Ludwig, »wie kann ein Christenmensch so ungläubig sein! Aber, Oliver, sie sollen uns glauben. Wir wollen in unserm ganzen Betragen gegen unsern lieben Vetter, den Herzog Karl, so völliges und unbegränztes Vertrauen zeigen, daß er, um nicht zu glauben, wir wären in jeder Hinsicht aufrichtig gegen ihn, schlimmer als ein Ungläubiger sein müßte. Ich sage dir, ich bin so fest überzeugt, daß ich Karl von Burgund glauben machen könnte, was ich nur wollte, daß ich, wär' es nothwendig, seine Zweifel zu beschwichtigen, unbewaffnet und auf einem Klepper zu ihm in sein Zelt reiten wollte, ohne eine bessere Schutzwache bei mir zu haben, als deine eigne schlichte Person, Freund Oliver.«

»Und ich,« sagte Oliver, »obwohl ich mich nicht rühme, den Stahl in einer andern Form als der eines Rasirmessers handhaben zu können, wollte lieber ein Bataillon Schweizerlanzknechte angreifen, ehe ich Ew. Majestät auf solch' einem Freundschaftsbesuch bei Karl von Burgund begleitete, wenn er so viele Gründe hätte, ihn der Feindschaft in Ew. Majestät Busen gegen ihn sicher zu machen.«

»Du bist ein Narr, Oliver,« sagte der König, »bei all deinen Ansprüchen auf Klugheit – und du weißt nicht, daß die tiefste Politik oft den Anschein äußerster Einfalt annehmen muß, wie Muth sich gelegentlich unter bescheid'ner Schüchternheit versteckt. Wär' es nöthig, ganz sicher wollt' ich thun, was ich sage – denn die Heiligen segnen stets unser Vorhaben, und die himmlischen Constellationen bringen in ihrem Laufe günstige Umstände für ein solches Unternehmen.«

In diesen Worten gab König Ludwig XI. den ersten Wink über jenen außerordentlichen Entschluß, den er später ausführte, um seinen großen Nebenbuhler zu täuschen, wobei er aber beinahe seinen eigenen Untergang fand.

Er schied von seinem Rathe und begab sich sogleich nach dem Zimmer der Damen von Croye. Außer seiner bloßen Erlaubniß würde wenig Ueberredung nöthig gewesen sein, sie zur Entfernung vom französischen Hofe zu bestimmen, sobald er ihnen nur zu verstehen gab, daß er sie vielleicht nicht gegen den Herzog von Burgund werde schützen können; aber es war nicht so leicht, sie zu vermögen, Lüttich zum Zufluchtsort zu wählen. Sie baten und flehten, nach Bretagne oder Calais gebracht zu werden, wo sie unter dem Schutze des Herzogs der Bretagne oder des Königs von England so lange in Sicherheit weilen könnten, bis der Herzog von Burgund seinen harten Plan gegen sie aufgeben würde. Aber keiner von diesen Zufluchtsörtern paßte überhaupt in die Pläne Ludwig's, und endlich gelang es ihm, sie zu dem zu vermögen, was er ihnen vorschlug.

Die Macht des Bischofs von Lüttich, sie zu vertheidigen, war nicht in Zweifel zu ziehen, da seine kirchliche Würde ihm die Mittel gab, die Flüchtlinge gegen alle christlichen Fürsten zu schützen, während andrerseits seine weltliche Macht, wenn nicht zahlreich, doch mindestens hinreichend schien, seine Person und Alle, die unter seinem Schutze standen, gegen plötzliche Gewaltthätigkeit zu vertheidigen. Die Schwierigkeit war, den kleinen Hof des Bischofs wohlbehalten zu erreichen; aber dafür versprach Ludwig zu sorgen, indem er das Gerücht verbreiten wollte, die Damen von Croye seien bei Nacht von Tours entflohen, weil sie gefürchtet hätten, dem burgundischen Gesandten ausgeliefert zu werden, und hätten den Weg nach der Bretagne eingeschlagen. Desgleichen versprach er ihnen eine kleine, aber zuverlässige Bedeckung, und Briefe an die Befehlshaber derjenigen Städte und Schlösser, die sie zu passiren hatten, mit der Weisung, ihnen jedmöglichen Schutz und Beistand auf ihrer Reise angedeihen zu lassen.

Obwohl die Damen von Croye im Innern das ungroßmüthige und unhöfliche Benehmen, wodurch sie Ludwig des versprochenen Asyls am Hofe beraubte, übel empfanden, so waren sie doch weit entfernt, Einwendungen gegen die eilige Abreise, die er vorschlug, zu machen, und kamen sogar seinem Willen durch die Bitte zuvor, noch in der nächsten Nacht abreisen zu dürfen. Die Dame Hameline war bereits eines Ortes müde, wo es weder bewundernde Höflinge gab, noch Feste, wo sie glänzen konnte; und Dame Isabelle glaubte genug gesehen zu haben, um zu schließen, daß Ludwig XI., wenn die Versuchung etwas stärker würde, nicht zufrieden, sie von seinem Hofe zu vertreiben, auch nicht zögern dürfte, sie ihrem gereizten Oberherrn, dem Herzog von Burgund, auszuliefern. Endlich kam ihre schnelle Abreise für Ludwig selbst sehr gelegen, da er eifrig wünschte, den Frieden mit Herzog Karl zu bewahren, und überdies besorgte, daß Isabellens Schönheit seinem Lieblingsplane, betreffend die Vermählung seiner Tochter Johanna mit seinem Vetter von Orleans, hinderlich werden möchte.



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