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Zwölftes Kapitel.

 

Noch einmal, Emma, überleg' es dir;
Mir mußt du folgen, oder du bleibst hier,
Die Sterne droh'n – der Himmel ist entgegen –
Es bleibt dir kaum nur noch zu überlegen.

Heinrich und Emma.

 

Die Sonne stand hoch am Himmel, die Boote holten vom Ufer geschäftig die versprochenen Lebensmittel und das Wasser ab, welche, da manche Fischerbarken ebenfalls dazu Dienste leisten mußten, mit unerwarteter Schnelligkeit an Bord gelangten, und mit eben so großer Eile von der Schiffsmannschaft verpackt wurden. Alle arbeiteten mit großer Freude, denn Alle, Cleveland ausgenommen, waren einer Küste überdrüssig, wo jeder Augenblick die Gefahr vermehrte, und wo keine Beute zu machen war, was sie für ein noch größeres Unglück hielten. Bunce und Derrick übernahmen die unmittelbare Leitung dieses Dienstes, während Cleveland, der allein und schweigend auf dem Verdecke auf- und abging, nur von Zeit zu Zeit sich darein mischte, um die Befehle zu ertheilen, welche die Umstände nöthig machten, dann aber wieder in seine vorigen trüben Betrachtungen versank.

Es gibt zwei Arten von Menschen, welche Schuld, Schrecken und gewaltsame Bewegung in Thätigkeit bringen. Die einen sind Geister, die zu Gräuelthaten schon so gebildet und geschaffen sind, daß sie, wie wirkliche Dämonen, aus ihren Schlupfwinkeln hervortreten, um in ihrem natürlichen Elemente ihre Wirksamkeit zu beginnen, wie der scheußliche bärtige Mann an dem denkwürdigen 5. October 1789 in Versailles erschien, und mit höllischer Freude die Opfer erwürgte, welche der blutdürstige Pöbel in seine Hände lieferte; Cleveland gehörte dagegen zu der andern Klasse dieser unglücklichen Wesen, welche mehr durch das Zusammentreffen von Begebenheiten, als durch angeborene Neigung zum Bösen verleitet werden; denn sein erster Eintritt in die gesetzlose Laufbahn, als der Nachfolger seines Vaters, ja selbst das weitere Verfolgen derselben, als seines Vaters Rächer, konnten zu einiger Milderung und Beschönigung dienen, und er hatte überdieß seine schuldbefleckte Lage oft mit Abscheu betrachtet, und häufige, obgleich fruchtlose Versuche gemacht, sich derselben zu entreißen.

Eben diese Gedanken der Reue wogten jetzt in seinem Gemüthe, und man wird es ihm verzeihen, wenn Erinnerungen an Minna sich mit denselben mischten und sie bestärkten. Er blickte auf seine Genossen, konnte aber, so ruchlos und verhärtet sie auch waren, doch den Gedanken nicht aufkommen lassen, daß sie für seinen Eigensinn büßen sollten. »Wir werden bei dem Eintritt der Ebbe in See gehen können,« sagte er zu sich selbst; »warum sollte ich diese Leute Preis geben, und sie bis zu dem Augenblicke aufhalten, wo die Stunde der Gefahr, wie sie jene sonderbare Frau vorausgesagt hat, hereinbricht? Auf welchem Wege sie auch ihre Nachrichten erhalten haben mag, so waren diese doch immer wunderbar genug, und ihre Warnung so feierlich, als ob eine Mutter ihr verirrtes Kind an sein Verbrechen und an die herannahende Strafe mahnen wollte. Ueberdieß, wie soll ich Minna noch einmal sehen? Sie ist ohne Zweifel in Kirkwall; und dorthin meinen Cours zu richten, würde gerade auf die Klippen lossegeln heißen. Nein, ich will diese armen Kerle nicht in Gefahr bringen – ich will mit der Ebbe absegeln. Auf den einsamen Hebriden oder auf der Nordwestküste von Irland will ich das Schiff verlassen, und dann verkleidet hierher zurückkehren, um Minna als Mordaunts Verlobte zu finden. – Nein, das Schiff mag ohne mich absegeln. Ich bleibe hier, und erwarte mein Schicksal.«

Seine Betrachtungen wurden hier durch Jack Bunce unterbrochen, der ihm mit der Anrede: »Edler Capitain!« ankündigte, daß sie segeln könnten, wenn es ihm gefällig wäre.

»Wenn es dir gefällig ist, Bunce, denn ich werde dir den Oberbefehl übergeben, und bei Stromneß an's Land gehen,« sagte Cleveland.

»Das wird nicht geschehen, beim Himmel!« antwortete Bunce; » mir den Oberbefehl geben? Wahrhaftig! Und wer soll die Mannschaft dahin bringen, mir zu gehorchen? Ja, sogar Dick Fletscher wird schon dann und wann aufsäßig gegen mich. Ihr wißt recht gut, daß wir uns ohne Euch in einer halben Stunde einander bei den Köpfen haben, und wenn Ihr uns im Stiche laßt, so ist wahrhaftig nicht ein Tauende Unterschied, ob wir von des Königs Wachtschiffen in den Grund geschossen werden, oder ob Einer durch den Andern umkommt! Laßt es gut sein, edler Capitain; es gibt noch mehrere schwarzäugige Mädchen in der Welt, aber wo findet Ihr ein so tüchtiges Schiff wie den kleinen Liebling hier, bemannt mit einem Haufen kühner Bursche:

Die Streit gern durch die ganze Welt vertheilen,
Und, wo's am ärgsten geht, am liebsten weilen!«

»Du bist ein köstlicher Narr, Jack Bunce,« sagte Cleveland, halb ärgerlich, und wider seinen Willen halb lachend über die falsche Betonung und die übertriebenen Geberden des Piraten.

»Das mag sein, edler Capitain,« antwortete Bunce, »und es kann auch sein, daß ich meines Gleichen in dieser Narrheit habe. Da seid Ihr zum Beispiel, der eben jetzt Alles um Liebe oder die verlorne Welt spielen will, und nicht einmal einen harmlosen Lärm in Versen leiden mag! Nun, ich kann auch in Prosa allerhand zu Markte bringen, denn ich habe Neuigkeiten genug – und sonderbare Neuigkeiten – ja, und sogar sonderbare Neuigkeiten dazu.«

»Nun, so theile sie mit (um nach deiner Art zu reden), wie ein Mensch von dieser Welt.«

»Die Fischer von Stromneß wollen für ihre Lebensmittel und für ihre Mühe nichts nehmen,« sagte Bunce; »das ist ein Wunder!«

»Und weßwegen nicht?« sagte Cleveland; »das höre ich doch zum ersten Male, daß man in einem Seehafen kein baares Geld nehmen will.«

»Ja wohl – gewöhnlich machen sie eben so viel Forderungen, als sie sonst Lagen beim Kalfatern auflegen. Aber die Sache verhält sich so: der Eigenthümer der Brigg da, der Vater Eurer schönen Imanda, macht den Zahlmeister dafür, daß wir seine Töchter so artig behandelten, und damit wir, wie er es nennt, nicht an dieser Küste unsern Lohn bekommen mögen.«

»Das sieht dem freigebigen alten Udallar ähnlich,« sagte Cleveland; »ist er denn aber in Stromneß? Ich denke, er ist querüber nach Kirkwall gegangen.«

»Das war sein Vorsatz,« sagte Bunce; »aber es gibt noch mehr Leute, die, wie König Duncan, ihren Reiseplan ändern. Kaum war er an das Land getreten, als ihm eine alte Hexe aus dieser Gegend begegnete, die sich in Alles mengte; auf ihren Rath änderte er seinen Entschluß, nach Kirkwall zu gehen, und liegt nun in jenem weißen Hause vor Anker, das Ihr mit Eurem Fernglase dort am See sehen könnt. Sie sagen, die alte Frau hätte auch ihren Beitrag gegeben, die Lebensmittel für das Schiff zu bezahlen. Warum sie so ihre Tafel abräumt, kann ich nicht recht begreifen, ausgenommen, weil sie eine Hexe sein soll, und uns mit einer Menge Teufel in Verbindung bringen kann.«

»Aber von wem hast du denn das Alles gehört?« sagte Cleveland, ohne sein Fernglas zu gebrauchen, oder an den Neuigkeiten so vielen Antheil zu nehmen, als sein Kamerad erwartet hatte.

»Nun,« sagte Bunce, »ich machte diesen Morgen einen Spaziergang an das Land, ging nach dem Dorfe, und trank eine Kanne mit einem alten Bekannten, der von Mr. Troil abgeschickt worden war, um zum Rechten zu sehen, und ich lockte Alles aus ihm heraus, und mehr noch, als ich Euch wohl erzählen mag, edler Capitain.«

»Und wie heißt deine Quelle?« sagte Cleveland; »hat sie keinen Namen?«

»Nun, es ist ein alter, fidelnder, närrischer Bekannter von mir, Halcro genannt; wenn Ihr doch Alles wissen müßt,« sagte Bunce.

»Halcro!« wiederholte Cleveland, und seine Augen blitzten vor Erstaunen. »Claudius Halcro? Der ging mit Minna und ihrer Schwester bei Inganeß an das Land – wo sind sie?«

»Nun, das solltet Ihr eigentlich nicht erfahren,« erwiderte der Vertraute, »aber, hol' mich der Henker, wenn ich es lassen kann, denn ich kann einmal einen schönen Spaß nicht verderben. – Das hat gewirkt, ja, ja, und nun ist das Fernglas auch nach dem Hause von Stennis gerichtet! – Ja, dort sind sie, ich muß es nur gestehen, und ziemlich stark bewacht. Einige von den Leuten der alten Hexe sind von dem Berge auf der Insel ... Hoy, wie sie sie nennen, herübergekommen, und der alte Herr hat auch einige Leute bewaffnen lassen. Aber das hat Alles nichts zu sagen, edler Capitain! – Gebt uns nur den Befehl, und wir schnappen Euch die Dirnen diese Nacht weg – bringen sie unter die Luken, bemannen das Gangspill bei Tagesanbruch – ziehen die Marssegel auf – und gehen mit der Morgenfluth unter Segel.«

»Mich ekelt vor deiner Niederträchtigkeit« – sagte Cleveland, indem er sich von ihm abwandte.

»Hm! Niederträchtigkeit und ekeln!« sagte Bunce. »Was habe ich denn gesagt, als was von Glücksrittern, wie wir sind, schon zehntausend Mal gethan worden ist?«

»Sprich nicht wieder davon,« sagte Cleveland, ging dann im tiefen Nachdenken auf dem Verdecke auf und nieder, kehrte zu Bunce zurück, nahm ihn bei der Hand und sagte: »Jack, ich bin entschlossen, sie noch einmal zu sehen.«

»Ganz wohl,« sagte Bunce verdrießlich.

»Noch einmal will ich sie sehen, und vielleicht zu ihren Füßen dieß verruchte Gewerbe abschwören, und meine Verbrechen abbüßen ...«

»Am Galgen!« sagte Bunce, die Rede vervollständigend; »von Herzen gern! ›Gesteh' und laß dich hängen!‹ ist ein vortreffliches Sprüchwort.«

»Aber, theurer Jack!« ... sagte Cleveland.

»Theurer Jack!« wiederholte Bunce in demselben verdrießlichen Tone; »ja, theuer seid Ihr dem theuren Jack wirklich zu stehen gekommen. Aber haltet nun Euren Cours – ich habe nichts mehr mit Euch zu schaffen – meine niederträchtigen Rathschläge werden Euch nur anekeln.«

»Ich muß diesen einfältigen Kerl wie ein verzogenes Kind besänftigen,« sagte Cleveland, gegen Bunce gewendet, aber als ob er nur für sich spräche; »und doch hat er Verstand genug, und Muth genug dazu, und man sollte denken, auch Herzensgüte genug, um zu überlegen, daß die Leute im Sturme ihre Worte nicht wählen.«

»Ja, das ist wahr, Clemens,« sagte Bunce; »und da habt Ihr meine Hand darauf – ja, und nun ich darüber nachdenke, sollt Ihr auch Eure letzte Zusammenkunft haben, denn ich kann es nicht über mein Herz bringen, eine Abschieds-Scene zu stören – und was macht eine Fluth aus, wir können Morgen zur Ebbezeit eben so gut segeln als heute.«

Cleveland seufzte; denn Norna's Prophezeihung drängte sich seinem Gemüthe auf. Allein die Aussicht auf eine letzte Zusammenkunft mit Minna war zu verführerisch, um entweder aus dunklem Vorgefühle oder wegen einer Wahrsagung darauf Verzicht zu leisten.

»Ich werde sogleich da an's Land gehen, wo sie Alle sind,« sagte Bunce; »die Bezahlung der Lebensmittel soll mir zum Vorwande dienen, und ich werde mit aller Gewandtheit eines Kammerdieners Eure Botschaft an Minna ausrichten.«

»Aber sie haben Bewaffnete dort, du kannst in Gefahr gerathen,« – sagte Cleveland.

»Nicht im Geringsten,« – erwiderte Bunce. – »Ich nahm die Dirnen in meinen Schutz, als sie in meiner Gewalt waren; ich bin überzeugt, ihr Vater wird mir weder etwas anhaben, noch mir etwas anhaben lassen.«

»Du hast recht,« sagte Cleveland, »das sieht ihm nicht ähnlich. Ich will sogleich ein paar Zeilen an Minna schreiben.«

Mit diesen Worten lief er in die Kajüte hinunter, wo er viel Papier verbrauchte, ehe er mit zitternder Hand und klopfendem Herzen einen Brief vollendete, von dem er hoffte, daß Minna sich dadurch bewegen lassen würde, ihm am folgenden Morgen die letzte Zusammenkunft zu gestatten.

Sein Spießgeselle Bunce suchte unterdeß Fletscher auf, auf dessen Unterstützung bei irgend einem Antrage er sicher rechnen zu können glaubte, und begab sich nun, von diesem treuen Trabanten begleitet, in die gefürchtete Nähe Hawkins', des Bootsmanns, und Derricks, des Quartiermeisters, welche sich nach dem angreifenden Dienste des Tages bei einer Kanne Rum gütlich thaten.

»Hier kommt Einer, der uns Etwas wird sagen können,« rief Derrick. »Nun, Herr Lieutenant, denn so müssen wir Euch doch jetzt wohl nennen, laßt uns einmal einen Blick in Eure Pläne thun – wann wird der Anker gelichtet werden?«

»Wenn es dem Himmel gefällt, Herr Quartiermeister,« antwortete Bunce, »denn ich weiß nicht mehr davon, als der Hintersteven.«

»Was, hol' der Teufel meine Knöpfe!« sagte Derrick, »lichten wir nicht bei dieser Ebbe?«

»Oder doch spätestens bei der morgenden?« sagte der Bootsmann; »warum haben wir denn die ganze Mannschaft wie die Taglöhner arbeiten lassen, alle diese Vorräthe an Bord zu bringen?«

»Ihr Herren,« sagte Bunce, »ihr müßt wissen, daß Cupido sich bei unserm Capitain an Bord gelegt, das Schiff genommen, und seinem Verstand die Luken vernagelt hat.«

»Was für Schauspielkram ist das Alles?« sagte der Bootsmann verdrießlich. »Wenn du uns was zu sagen hast, so sage es mit einem Worte, wie ein Mann.«

»Nun,« sagte Fletscher, »ich denke, Jack Bunce spricht immer wie ein Mann – und so, seht Ihr ...«

»Halt' dein Maul, lieber Dick, vortrefflicher Eisenfresser sei ruhig,« sagte Bunce. »Ihr Herren, mit einem Wort, der Capitain ist verliebt.«

»Nun, seh' einmal Einer an!« sagte der Bootsmann. »Ich bin auch wohl so oft als irgend Einer verliebt gewesen, wenn das Schiff abgetakelt war.«

»Nun aber,« fuhr Bunce fort. »Der Capitain ist verliebt, – ja – Prinz Volscius ist verliebt, und obgleich das Stichwort zum Lachen auf dem Theater ist, so gibt es hier doch nichts zu lachen. Er hofft, das Mädchen morgen zum letzten Male zu sehen, und das führt, wie wir Alle wissen, abermals zu einer Zusammenkunft, und zu einer dritten und so fort, bis der Halcyon uns auf den Hals kommt, und dann bekommen wir mehr Stöße als Kupferpfennige.«

»Bei –« sagte der Bootsmann, mit einem derben Fluche, »wir wollen eine Meuterei anfangen, und ihm nicht erlauben, an's Land zu gehen – was meinst du, Derrick?«

»Das ist das Beste,« sagte Derrick.

»Was sagst du dazu, Jack Bunce?« sagte Fletscher, dem der Rath sehr weise klang, der aber doch gern seines Gefährten Meinung hören wollte.

»Nun, hört einmal ihr Herren,« sagte Bunce, »ich will keine Meuterei, und hol' mich Dieser und Jener, wenn Einer von euch eine anfangen soll.«

»Nun, dann will ich auch nicht,« sagte Fletscher; »aber was sollen wir anfangen, da indessen ...«

»Halt' dein Maul, Dick, hörst du?« sagte Bunce. »Nun, Bootsmann, ich bin zum Theil deiner Meinung, daß der Capitain etwas mit Gewalt zur Vernunft gebracht werden muß. Aber, ihr wißt Alle, er hat einen Kopf wie ein Löwe, und thut nichts, wenn man ihn nicht seinen Weg gehen läßt. Nun, ich will an's Land gehen, und die Zusammenkunft einleiten. Das Mädchen kommt am Morgen an den Ort der Zusammenkunft, und der Capitain geht an's Land – wir nehmen eine gute Anzahl Leute mit, rudern gegen Fluth und Strömung, und sind auf das Zeichen fertig, an's Land zu springen, und den Capitain und das Mädchen wegzuschleppen, sie mögen wollen oder nicht; das verzogene Kind wird nicht böse auf uns sein, weil wir ihm sein Spielzeug mitbringen, und wenn er doch wiederspenstig ist, so lichten wir ohne seinen Befehl die Anker, und lassen ihn nachher zur Vernunft kommen, und seine Freunde ein andermal besser kennen lernen.«

»Hm, das läßt sich hören, Meister Derrick!« sagte Hawkins.

»Jack Bunce hat immer recht,« sagte Fletscher, »indessen wird der Capitain Einige niederschießen, das ist sicher.«

»Halt' deinen Schlund, Dick,« sagte Bunce; »wem Teufel, denkst du, liegt daran, ob du erschossen oder gehangen wirst.«

»Nun,« sagte Dick, »darüber will ich nicht viel streiten, indessen ...«

»Sei still, sage ich dir,« versetzte sein unbarmherziger Gönner, »und laß mich ausreden. Wir wollen ihn so unversehens fassen, daß er weder Zeit haben soll, seinen Hammer noch seine Pistolen zu gebrauchen, und ich selbst, so lieb ich ihn auch habe, will der Erste sein, der ihn auf den Rücken legt. Da ist eine nette kleine Pinasse, die zu der Prise des Capitains gehört – wenn ich Gelegenheit finde, so werde ich die für mich wegfangen.«

»Ja, ja,« sagte Derrick, »meinetwegen mögt Ihr Euch nach Annehmlichkeiten für Euch umschauen.«

»Wahrhaftig, nein,« sagte Bunce, »ich greife sie nur, wenn sie mir in den Weg kommen, oder wenn ich sie durch meine eigene Klugheit mir erkaufen kann, und Keiner von euch würde auf einen solchen Plan gefallen sein. Wir werden dann den Capitain bei uns haben, mit Kopf, Hand und Herzen, und das wird eine Scene geben, daß man den Schluß einer Komödie daraus machen könnte. Ich will also an's Land gehen, die Zusammenkunft zu verabreden; theilt ihr einigen von Denen, die noch nüchtern sind, und denen man trauen kann, unsere Pläne mit.«

Bunce und sein Freund Fletscher gingen, und die beiden alten Piraten blieben zurück. Sie sahen sich lange schweigend an, bis der Bootsmann endlich sprach: »Hol' mich der Teufel, Derrick, wenn ich diese beiden süßlichen jungen Leute mag; sie sind nicht vom ächten Schlage. Wahrhaftig, sie sind den Räubern, die ich gekannt habe, so wenig ähnlich, wie diese Schaluppe einem Kriegsschiffe vom ersten Range. Der alte Sharze, der jeden Sonntag mit seiner Schiffsmannschaft Betstunde hielt, was würde der gesagt haben, wenn man ihm zugemuthet hätte, zwei Dirnen an Bord zu bringen?«

»Und was würde der alte zähe Schwarzbart gesagt haben,« antwortete sein Gefährte, »wenn sie sie für sich selbst hätten behalten wollen? Wahrhaftig, man sollte sie für ihre Unverschämtheit die Planke hinunterlaufen lassen, oder mit den Rücken gegen einander binden, und sie je eher je lieber tauchen lassen.«

»Ja, aber wer soll denn das Schiff führen?« sagte Hawkins.

»Nun, was hast du an dem alten Goffe auszusetzen?« antwortete Derrick.

»Hm! der hat so lange und so oft am Affen gesogen,« sagte der Bootsmann, »daß das Beste an ihm weg ist. Er ist nicht einmal besser als ein wildes Weib, wenn er nüchtern ist, und rasend toll, wenn er getrunken hat, wir haben Goffe zur Genüge gehabt.«

»Nun denn, was sagst du zu dir selbst, oder zu mir, Bootsmann?« fragte der Quartiermeister. »Wir wollen darum loosen.«

»Hol's der Henker, nein,« antwortete der Bootsmann, nach einem augenblicklichen Besinnen; wären wir da, wo die Passatwinde wehen, so könnten wir es darauf ankommen lassen, aber der Cleveland selbst wird seine ganze Steuermannskunst zusammennehmen müssen, uns dahin zu bringen, und so denke ich, bleibt uns für jetzt nichts als Bunce's Plan übrig. Horch, er ruft nach dem Boote – ich muß auf's Verdeck, und es für Se. Gestrengungen aussetzen lassen, hol' ihn der Henker!«

Das Boot wurde herabgelassen, kam wohlbehalten über den See, und Bunce landete wenige hundert Schritte vom alten Wohnhause von Stennis. Als er näher kam, sah er, daß man in der Eile Maßregeln getroffen hatte, es in Vertheidigungszustand zu setzen. Die unteren Fenster waren verrammelt, und Schießlöcher für Flinten darin gelassen, während eine Schiffskanone so aufgestellt war, daß sie den Eingang vertheidigte, an welchem übrigens zwei Schildwachen standen. Bunce verlangte am Thore Einlaß, der ihm ganz kurz und ohne Umschweife abgeschlagen wurde, und wobei man ihm zugleich die Weisung gab, seiner Wege zu gehen, oder es würde ihm übel bekommen. Da er indeß fortfuhr, darauf zu bestehen, Jemand von der Familie zu sprechen, und sagte, daß sein Anliegen von der dringendsten Art wäre, erschien endlich Claudius Halcro. Der Bewunderer des herrlichen John setzte jedoch, mit weit mehr Verdrießlichkeit, als sonst in seinem Wesen lag, seinem alten Bekannten das Unverständige seiner Beharrlichkeit auseinander.

»Ihr seid, wie thörichte Motten,« sagte er, »welche um ein Licht flattern, an dem sie sich am Ende verbrennen.«

»Und Ihr,« sagte Bunce, »seid wie ein Schwarm stachelloser Hummeln, die wir nach unserm Belieben aus ihren Verschanzungen mit einem halben Dutzend Handgranaten herausräuchern können.«

»Räuchert sonst was!« sagte Halcro; »folgt meinem Rath, und geht Eurer Wege, oder Ihr werdet sonst geräuchert, wie es Euch gebührt. Entweder macht, daß Ihr wegkommt, oder sagt mir mit zwei Worten, was Ihr haben wollt, denn Ihr werdet hier doch nur mit der Donnerbüchse bewillkommt. Wir sind unser hier genug, und der junge Mordaunt Mertoun, den Euer Capitain beinahe ermordet hat, ist auch von Hoy gekommen.«

»Still', Mensch!« sagte Bunce; »er zapfte ihm nur etwas übermüthiges Blut ab.«

»Wir brauchen solche Aderlässe hier nicht,« sagte Claudius Halcro; »und überdieß hat es sich gefunden, daß der Patient näher mit uns verwandt ist, als Ihr oder wir wohl gedacht haben, und da könnt Ihr leicht denken, wie wenig Euer Capitain, oder irgend einer von seinen Leuten, hier willkommen sein dürften.«

»Ganz wohl, wenn ich nun aber Geld für die Vorräthe bringe, die an Bord geschickt worden sind?«

»Behaltet es, bis man es Euch abfordern wird,« sagte Halcro. »Es gibt zwei Arten böser Zahler, die zu bald, und die gar nicht bezahlen.«

»Nun, so erlaubt wenigstens, daß ich mich im Namen Aller bei dem Geber bedanken darf.«

»Behalte deinen Dank ebenfalls, bis er begehrt wird,« antwortete der Dichter.

»Das ist also der ganze Willkomm, den ich von Euch, einem alten Bekannten, erhalte?«

»Ja, was kann ich für Euch thun, Mr. Altamont?« sagte Halcro halb gerührt. »Wenn es nach des jungen Mordaunt Willen gegangen wäre, so würde er Euch mit dem rothen Burgunder, Nummer Tausend, bewillkommt haben. Um's Himmelswillen geht, oder sonst heißt es im Souffleurbuche: Die Wache tritt herein, und ergreift Altamont.«

»Ich will Euch nicht die Mühe machen, sondern sogleich abgehen, – doch, noch einen Augenblick – ich hätte beinahe vergessen, daß ich einen Zettel für das größeste Eurer Mädchen bei mir habe – Minna, ja Minna heißt sie. Es ist ein Abschiedsbrief vom Capitain Cleveland – den werdet Ihr ihr doch wohl geben?«

»Ach, der arme Mensch!« sagte Halcro; »ich verstehe – ich verstehe – lebe wohl, schöne Armida –

Bei Picken, Kugeln und Sturm und Gluth
Lach' ich der Gefahr, stärkt die Hoffnung und Muth!

Sage mir nur Eins: sind Verse darin?«

»Es ist bis an das Petschaft voll von Liedern, Sonnetten und Elegien,« antwortete Bunce; »aber steckt es ihr mit Vorsicht und heimlich zu.«

»Hm, mich einen Liebesbrief abgeben lehren zu wollen! – Mich, der ich in dem Kaffeehause der schönen Geister gewesen bin, und alle Trinksprüche des Kit-Cat-Klubbs gesehen habe. Minna soll es bekommen, Mr. Altamont, aus alter Bekanntschaft, und Eurem Capitain zu Liebe, der weniger von der Teufelsnatur an sich hat, als sein Gewerbe mit sich bringt. Ein Abschiedsbrief ist auch nichts Böses.«

»So leb' denn wohl, alter Knabe, auf immer und einen Tag,« sagte Bunce, nahm des Dichters Hand, und drückte sie so kräftig, daß dieser laut aufschrie, und seine Hand schüttelte, wie ein Hund, wenn ihm eine glühende Kohle auf die Pfote gefallen ist.

Wir lassen jetzt den Räuber an Bord seines Schiffes zurückkehren, und verweilen bei Magnus Troils Familie, welche in der Wohnung ihrer Verwandten zu Stennis versammelt war, wo sie sich gegen jeden Ueberfall beständig und auf das Sorgfältigste verwahrt hielt.

Mordaunt Mertoun war mit vieler Güte von Magnus Troil aufgenommen worden, als er mit einem kleinen Haufen von Norna's Untergebenen, über welche diese ihm den Befehl anvertraut hatte, ihm zu Hülfe kam. Der Udallar überzeugte sich leicht, daß das, was der Jagger, um seinen einträglicheren Kunden Cleveland bei ihm beliebter zu machen, und Mertoun zu verdunkeln, ihm vorgebracht, ganz ungegründet gewesen sei. Diese Gerüchte waren allerdings von der guten Lady Glowrowrum und von dem allgemeinen Gerede bestätigt worden, wonach Mertoun als ein anmaßender Bewerber um die Gunst der Schwestern von Burgh-Westra erschien, der sich wie ein Sultan nur zu entschließen brauchte, wem er sein Schnupftuch zuwerfen wollte. Das allgemeine Gerede, meinte Magnus jetzt, sei aber ein gemeiner Lügner, und was die gute Lady Glowrowrum beträfe, so war er zuweilen (besonders wenn es auf etwas Böses nachsagen hinausging) nicht abgeneigt, sie für ziemlich von derselben Art zu halten. Er nahm deßwegen Mordaunt wieder zu Gnaden auf, hörte mit vielem Erstaunen die Erzählung von den Ansprüchen, welche Norna auf des jungen Mannes Pflichtergebenheit machte, und mit nicht wenigerem Antheil die Nachricht von ihrem Entschlusse, das bedeutende Vermögen, welches sie von ihrem Vater geerbt hatte, ihm zu übergeben. Es ist sogar wahrscheinlich, daß er – obgleich er keine unmittelbare Antwort auf ihren Wink, wegen einer Verbindung zwischen seiner ältesten Tochter und ihrem Erben gab – eine solche Heirath, sowohl um der persönlichen Verdienste des jungen Mannes, als wegen der Aussicht, dadurch die größten Güter, welche zwischen Norna's und seinem eigenen Vater getheilt worden waren, wieder zu vereinigen, als sehr annehmbar betrachtete. Wie dem nun sein mochte, so empfing der Udallar seinen jungen Freund doch jedenfalls mit vielem Wohlwollen, und er und die Eigenthümerin des Hauses vertrauten ihm, als dem jüngsten und thätigsten von Allen, den Befehl über die Nachtwache und die Aufsicht über die Ablösung der rund um das Haus von Stennis aufgestellten Posten an.


 


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