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Neuntes Kapitel.

 

Mehr Segel aufgesetzt! Kämpft wacker fort!
Frisch, eine Lage! Dieser Fang ist mein,
Verschlingt mir Alles nicht der Ocean.

Shakespeare.

 

Eine hübsche Brigg, welche, mit mehreren andern Fahrzeugen, Magnus Troil, dem großen shetländischen Udallar, gehörte, hatte jenen großen Magnaten selbst, seine zwei lieblichen Töchter und den scherzhaften Claudius Halcro an Bord, der sie aus Freundschaft und aus der seinem poetischen Berufe eigenen Liebe zur Schönheit, auf ihrer Reise von Shetland nach der Hauptstadt von Orkney begleitet hatte, wohin Norna sie verwiesen, als den Ort, wo ihre geheimnisvollen Orakelsprüche eine genügende Deutung erhalten würden.

Sie kamen in einiger Entfernung bei den furchtbaren Klippen des einsamen Erdflecks, die Fair-Isle genannt, vorüber, welche in dem Meeresarme, der Orkney von Shetland trennt – in gleicher Entfernung der beiden Inselgruppen – liegt, und erreichten, nachdem sie mit widrigem Winde gekämpft hatten, das Vorgebirge, der Start von Sanda genannt. Auf der Höhe desselben geriethen sie in eine starke Strömung, welche denen, die häufig auf diesen Meeren fahren, unter dem Namen der Rust des Start, wohl bekannt ist, die sie bedeutend aus ihrem Course brachte, und sie, da ein widriger Wind dazu kam, zwang, sich an die östliche Seite der Insel Stronsa zu halten, und endlich für die Nacht in der Meerenge von Papa beizulegen, da die Schifffahrt bei dunklem oder nebeligem Wetter zwischen so vielen niedrigen Inseln weder angenehm noch sicher ist.

Am folgenden Morgen setzten sie ihre Reise unter günstigeren Aussichten fort, und segelten, nachdem sie an der Insel Stronsa hingefahren waren, deren flache, grünende und verhältnißmäßig fruchtbare Küsten einen in die Augen fallenden Gegensatz gegen die braunen Hügel und dunkeln Klippen ihrer eigenen Inseln bildeten, um das sogenannte Lambhead-Vorgebirge, und hielten dann auf Kirkwall zu.

Kaum hatte sich die schöne Bucht zwischen Pomona und Shapinsha vor ihnen geöffnet, und die Schwestern die gewaltige St. Magnus-Kirche bewundert, wie sie zuerst aus den niedrigen Gebäuden von Kirkwall hervortrat, als Magnus' und Claudius Halcro's Augen von einem Gegenstande angezogen wurden, den sie für wichtiger hielten. Dieß war eine bewaffnete Schaluppe mit aufgespannten Segeln, welche so eben ihren Ankerplatz in der Bucht verlassen hatte, und mit dem Winde segelte, gegen den die Brigg des Udallars kämpfte.

»Ein schlankes Ding, bei den Gebeinen meines Ahnherrn,« sagte der alte Udallar, »aber ich kann noch nicht herausbringen, was für ein Landsmann es ist, da sie keine Flagge hat. Nach dem Bau zu urtheilen, ein spanisches Schiff.«

»Ja, ja,« sagte Claudius Halcro; »so sieht es ganz aus. Es segelt mit dem Winde, während wir uns mit ihm schlagen müssen, wie es überhaupt in der Welt geht. Wie der herrliche John sagt:

Mit großem Deck, wohl mit Geschütz besetzt,
Das auch die wild'ste Welle nicht verletzt;
Tief geht's im Wasser, einem Kriegsschiff gleichend,
Der Wasserwespe, von dem Neste schleichend!

Brenda konnte nicht umhin, Halcro, als er diese Strophe mit großer Begeisterung ausgeströmt hatte, zu sagen, obgleich die Beschreibung mehr einem Kriegsschiffe erster Größe, als einer Schaluppe gelte, passe das Gleichniß einer Seewespe doch auf beide.

»Eine Seewespe,« sagte Magnus, indem er mit einigem Erstaunen hinblickte, als die Schaluppe, ihren Cours ändernd, plötzlich, auf sie zukam; »nun, ich wünsche, daß sie uns nicht alsbald beweisen möge, daß sie auch einen Stachel hat.«

Was der Udallar im Scherze sagte, erfüllte sich bald im Ernst, denn ohne eine Flagge aufzuziehen oder anzurufen, that die Schaluppe zwei Kanonenschüsse, von denen der eine auf dem Wasser hinfuhr und tanzte, gerade vor dem Bug des Shetländers, während der andere durch sein großes Segel ging. Magnus ergriff ein Sprachrohr, und rief die Schaluppe an, um zu fragen, wer sie sei, und was sie zu diesem ungebührlichen Angriffe veranlasse. Statt der Antwort schallte aber der ernste Befehl: »Zieht die Vormarssegel ein, und legt das Marssegel an den Mast – Ihr sollt gleich sehen, wer wir sind.«

Es war nicht möglich, dem Gehorsam auszuweichen, da man ihn sogleich durch eine volle Lage erzwungen haben würde, und mit vieler Furcht von Seiten der Schwestern und Claudius Halcro's, wozu noch der Aerger und das Erstaunen des Udallars kamen, legte die Brigg bei, die Befehle der Eroberer zu vernehmen. Die Schaluppe setzte sogleich ein Boot mit sechs bewaffneten Leuten aus, die von Jack Bunce befehligt wurden, und gerade auf die Prise zuruderten. Als sie sich derselben näherten, flüsterte Claudius Halcro dem Udallar zu: »Wenn das, was man von Boucaniers erzählt, wahr ist, so haben diese Leute, mit ihren seidenen Schärpen und Jacken ganz das Ansehen davon.«

»Meine Töchter! meine Töchter!« brummte Magnus vor sich hin, mit einer Angst, welche nur ein Vater fühlen kann; »geht hinunter und verbergt euch, Mädchen, während ich ...«

Mit diesen Worten warf er das Sprachrohr hin, und ergriff seine Handspake, während seine Töchter, mehr von den Folgen seiner Heftigkeit für ihn selbst, als vor irgend etwas Anderem besorgt, sich an ihn hingen, und ihn baten, keinen Widerstand zu leisten. Claudius Halcro vereinigte seine Bitten mit den ihrigen, und fügte hinzu, es wäre am besten, die Kerle durch gute Worte zu besänftigen. »Es können,« sagte er, »Dünnkinger oder unverschämte Matrosen von einem Kriegsschiffe in einer tollen Laune sein.«

»Nein, nein,« antwortete Magnus, »es ist die Schaluppe, von der der Jagger erzählte. Aber ich will Eurem Rathe folgen – ich will, der Mädchen willen, mich mäßigen, doch ...«

Er hatte keine Zeit, seine Rede zu vollenden, denn Bunce sprang in diesem Augenblicke mit seinen Leuten an Bord, zog seinen Hauer, hieb damit auf die Schiffleiter, und erklärte das Schiff für eine gute Prise.

»Wer hat Euch Vollmacht oder Befugniß gegeben, uns auf offener See anzuhalten?« rief Magnus.

»Hier sind ein halbes Dutzend Vollmachten,« sagte Bunce, indem er ihm die Pistolen zeigte, die er, nach der schon erwähnten Seeräuberart, um sich hängen hatte; »wählt Euch, welche Ihr wollt, alter Herr, und Ihr sollt sie sogleich durchblättern können.«

»Das heißt, Ihr wollt uns berauben?« sagte Magnus. »Nun wohl – wir haben keine Mittel, es zu verhindern. Betragt Euch nur artig gegen die Frauen, und nehmt dann, was Ihr wollt, aus dem Schiffe. Es ist nicht viel darin, allein ich kann, wenn Ihr uns gut behandelt, seinen Werth bald größer machen.«

»Artig gegen die Frauen!« sagte Fletscher, der mit den Uebrigen ebenfalls an Bord gekommen war; »wann haben wir uns je anders gegen sie benommen? Ja, und freundlich dazu! – Sieh' einmal, Jack Bunce, was für ein kleines nettes Ding das ist! – Bei Gott, sie soll einmal einen Kreuzzug mit uns machen, mag aus dem alten Brummbär werden, was da will!«

Bei diesen Worten ergriff er die erschrockene Brenda mit einer Hand, und zog mit der andern dreist die Kappe des Mantels zurück, in welchem sie sich eingehüllt hatte.

»Zu Hülfe, Vater! Zu Hülfe, Minna!« rief das erschrockene Mädchen aus, ohne zu bedenken, daß diese ihr keinen Beistand leisten konnten.

Magnus hob abermals die Handspake empor, aber Bunce hielt ihm die Hand. »Halt, Vater!« sagte er, »oder das wird eine schlechte Fahrt für Euch – und du, Fletscher, laß das Mädchen los!«

»Hol' mich der Henker, warum soll ich sie loslassen?« sagte Fletscher.

»Weil ich es dir befehle, Dick,« sagte der Andere, »und weil du es sonst gegen mich zu verantworten hast. – Und nun sagt mir, ihr Schönen, führt eine von euch den sonderbaren heidnischen Namen Minna, vor welchem ich eine Art von Achtung habe?«

»Tapferer Herr!« sagte Halcro, »ohne Zweifel geschieht das deßwegen, weil Ihr einige Poesie in Eurem Herzen habt.«

»Ich habe davon zu meiner Zeit genug im Munde gehabt,« antwortete Bunce; »aber das ist vorüber, alter Herr – indessen werde ich doch bald herausfinden, welches von diesen beiden Mädchen Minna ist. Zieht eure Hüllen von euren Gesichtern zurück, und fürchtet euch nicht, meine hellleuchtenden Lindamira's, denn Niemand soll euch etwas zu Leide thun. – Meiner Seel', zwei hübsche Mädchen – wahrhaftig, ich will in einer Eierschale auf der See sein und einen Felsen unter meinem Lee-Bug haben, wenn ich mir eine bessere Schlafgenossin wünsche, als die schlechteste von ihnen. Hört einmal, Mädchen, welche von euch möchte sich wohl in eines Seeräubers Hängematte schaukeln? – Ihr solltet Geld zu sammeln bekommen.«

Die erschrockenen Mädchen klammerten sich fest an einander, und erblaßten bei der dreisten und vertraulichen Sprache des verwegenen Wüstlings.

»Nun, fürchtet euch nur nicht,« sagte er. »Keine soll unter dem edeln Altamont ohne ihre eigene freie Wahl dienen – unter Glücksrittern gibt es keinen Preßdienst. Und seht mich nicht so schüchtern an, als ob ich von etwas spräche, wovon ihr nie zuvor eine Ahnung gehabt hättet. Eine von euch hat doch wenigstens von Capitain Cleveland, dem Seeräuber, gehört.«

Brenda wurde noch blässer; in Minna's Wangen stieg aber, als sie den Namen ihres Geliebten so unerwartet nennen hörte, das Blut empor, denn der ganze Auftritt hatte sie in eine solche Bestürzung gesetzt, daß Niemand, außer dem Udallar, auf den Gedanken gerathen war, dieß Schiff möge wohl das zweite sein, von dem Cleveland in Burgh-Westra gesprochen hatte.

»Ich sehe jetzt schon, wie die Sachen stehen,« sagte Bunce mit einem vertraulichen Kopfnicken, »und werde meinen Cours danach zu halten wissen. Ihr braucht nicht besorgt zu sein, daß euch irgend etwas Leides widerfahre, Vater,« fügte er hinzu, indem er sich ganz vertraulich an Magnus wandte, »und wenn ich auch zu meiner Zeit manches hübsche Mädchen habe seinen Zoll zahlen lassen, so sollen doch die Eurigen ohne Unbill und Lösegeld an das Ufer kommen.«

»Wenn Ihr mir die Versicherung geben wollt,« sagte Magnus, »so sollt Ihr die Brigg und die Ladung eben so gern haben, als ich Jemanden eine Bowle Punsch gegeben habe.«

»Das ist gar kein übel Ding, so eine Bowle Punsch,« sagte Bunce, »wenn wir nur Jemand hier hätten, der ihn gut bereiten könnte.«

»Das will ich thun,« sagte Claudius Halcro, »mit Jedem um die Wette, der nur eine Citrone ausgedrückt hat – Erik Scambester, den Punschmacher von Burgh-Westra, ausgenommen.«

»Und der ist auch nur eine Enterhakenlänge von Euch entfernt,« sagte der Udallar. »Geht hinunter Mädchen,« fügte er hinzu, »und schickt mir den wackern alten Mann und die Punschbowle herauf.«

»Die Punschbowle?« sagte Fletscher, »den Eimer, sag' ich, hol's der Teufel! Ihr könnt wohl in der Kajüte eines elenden Kauffahrers von Bowlen sprechen, aber nicht mit herumziehenden Schauspielern – Seeräubern, wollte ich sagen,« fügte er hinzu, als er bemerkte, daß Bunce über den Irrthum verdrießlich aussah.

»Und ich sage, diese beiden hübschen Mädchen sollen auf dem Verdeck bleiben, und meine Kanne füllen,« sagte Bunce; »ich verdiene doch wenigstens einige Aufmerksamkeit für alle meine Großmuth.«

»Und meine sollen sie auch füllen,« sagte Fletscher, »sie sollen sie bis an den Rand füllen, und mir für jeden Tropfen, den sie verschütten, einen Kuß geben – der Teufel röste mich, wenn sie ihn mir nicht geben sollen!«

»Und ich sage dir, nein!« sagte Bunce; »ich will verdammt sein, wenn irgend Jemand Minna küssen soll; Einer ausgenommen, und das bist weder du, noch ich, und die andere Kleine soll, der Gesellschaft wegen, auch so davon kommen; es gibt genug willige Mädchen in Orkney. Und nun ich darüber nachdenke, sollen die beiden Mädchen heruntergehen, und sich in die Kajüte einriegeln, und wir wollen hier den Punsch auf dem Verdecke trinken, al fresco, wie der alte Herr vorgeschlagen hat.«

»Wahrhaftig, Jack, ich glaube, du weißt selber nicht, was du willst,« sagte Fletscher; »ich bin nun seit zwei Jahren dein Kamerad, und ich habe dich lieb, und doch will ich mir, wie einem wilden Stiere, die Haut abziehen lassen, wenn du nicht so viel Stücken hast, wie ein Affe! – Womit sollen wir uns nun Spaß machen, da du die Mädchen hinunterschickst?«

»Wir wollen den Meister Punschmacher heraufkommen lassen,« sagte Bunce, »um Gesundheiten auszubringen und lustige Lieder zu singen – und unterdessen geht Ihr da an die Schoten und Halsen, und macht, daß die Brigg unter Segel kommt und du, Steuermann, wenn du dein Gehirn im Schädel behalten willst, halte sie immer unter dem Hintertheile der Schaluppe – wenn du uns einen Streich spielst, so schlag' ich dir deinen Hirnkasten zusammen, als ob es eine alte Kalebasse wäre!«

Das Fahrzeug ging hierauf unter Segel, und bewegte sich langsam im Kielwasser der Schaluppe, die, wie man vorher beschlossen hatte, ihren Lauf nicht zurück nach Kirkwall nahm, sondern nach einer vortrefflichen Rhede, Inganeß Bai genannt, welche durch ein Vorgebirge gebildet wird, das sich bis auf zwei oder drei Meilen von der Hauptstadt der Orkney's hinzieht, und wo die Schiffe bequem vor Anker liegen konnten, während die Seeräuber mit den Magistratspersonen die Unterhandlungen anknüpften, die der neue Zustand der Dinge zu erfordern schien.

Claudius Halcro hatte unterdeß sein ganzes Talent aufgeboten, einen Eimer voll Punsch für die Piraten zu bereiten, den sie aus großen Kannen tranken, dabei die gewöhnlichen Matrosen, so wie Bunce und Fletscher selbst, welche Offiziers-Stelle vertraten, sie ohne Umstände in den Eimer tauchten, wenn sie vom Dienst kamen, oder wieder auf denselben gingen. Magnus, welcher die größte Besorgniß gehabt hatte, daß das Getränk die thierischen Leidenschaften dieser Verwegenen reizen möchte, war so sehr über die Menge erstaunt, welche er sie zu sich nehmen sah, daß er nicht umhin konnte, sein Erstaunen darüber gegen Bunce selbst zu äußern, der bei aller seiner Wildheit doch der Artigste und Umgänglichste von Allen war, und den er sich vielleicht durch eine Schmeichelei geneigt machen wollte, welche alle guten Trinker anerkennen.

»Bei den Gebeinen St. Magnus'!« sagte der Udallar; »ich dachte, ich tränke meine Kanne, wie ein Ehrenmann, aber wenn man Eure Leute, Capitain, nehmen sieht, so sollte man glauben, ihre Magen wären so bodenlos, wie das Loch von Loufell auf Foura, das ich selbst mit einer Leine von hundert Klaftern gelothet habe!«

»Bei unserer Lebensweise,« antwortete Bunce, »gibt es keine Grenze, als bis der Dienst ruft, oder bis das Faß ausgetrunken ist.«

»Auf mein Wort,« sagte Claudius Halcro, »ich glaube, daß Jeder von Euren Leuten den großen Humpen von Scapa austrinken könnte, welcher immer dem Bischof von Orkney, schweppendvoll dargereicht wurde, mit dem besten Bummock, der je gebraut worden, gefüllt.«

»Wenn das Trinken sie zu Bischöfen machen könnte,« sagte Bunce, »so würde meine ganze Mannschaft aus geistlichen Herren bestehen; da sie aber weiter keine geistlichen Eigenschaften haben, so wünsche ich nicht, daß sie sich heute betrinken mögen, wir wollen also dem Trinken durch ein Lied ein Ende machen.«

»Und ich will es singen, bei –!« – sagte oder fluchte Dick Fletscher, und fing sogleich das alte Lied an:

Ein Schiff, berühmt in jedem Land,
Das zog dahin von Strand zu Strand.
Auch trug es Männer tüchtiger Art,
Die machten fröhlich und keck die Fahrt.

»Ich möchte mich lieber kielholen lassen, als das Lied noch einmal hören,« sagte Bunce; »und hol' der Henker deine alten Klapperbacken, daß du nichts Anderes herausbringen kannst.«

»Bei« – sagte Fletscher, »ich will mein Lied singen, du magst es wollen oder nicht,« und mit dem klagenden Tone eines Nordostwindes, der durch Schoten und Wandtomme pfeift, sang er:

Herr Glen, so hieß, glaub' ich, der Mann,
Der führt sie Alle rüstig an:
Ein Seeheld, kühn, wie je einer war,
Juchhei, bald seh'n wir dort den Barbar!

»Ich erkläre dir noch einmal,« sagte Bunce, »daß wir dein Eulengeschrei nicht wollen, und ich will verdammt sein, wenn du noch länger hier sitzend Lärm machen sollst.«

»Nun denn, so will ich dir etwas sagen,« erwiderte Fletscher, indem er aufstand, »ich will singen, während ich umhergehe, und ich hoffe, das wird nichts schaden, Jack Bunce.« Mit diesen Worten fing er an, auf dem Schiffe auf- und abzugehen, wobei er seine lange traurige Ballade herkrächzte.

»Ihr seht, wie ich sie zu regieren weiß,« sagte Bunce, mit einem selbstgefälligen Lächeln; »erlaubt diesem Kerl nur zwei Schritte nach seiner eigenen Weise, und er wird ein Meuterer auf Lebenszeit. Aber ich halte ihn kurz, und er folgt mir so gut, wie der Wachtelhund einem Jäger, nachdem er eine gute Tracht Prügel bekommen hat. Und nun laßt uns Eure Gesundheit und Euer Lied hören,« sagte er zu Halcro, »oder vielmehr Euer Lied ohne Eure Gesundheit. Ich weiß schon eine – Hier: – Gutes Glück allen Räubern, und Untergang allen ehrlichen Leuten!«

»Auf die Gesundheit möchte ich denn doch nicht gern mittrinken,« sagte Magnus Troil.

»Ja, weil Ihr Euch zu den ehrlichen Leuten rechnet,« sagte Bunce. »Sagt mir, was eigentlich Euer Gewerbe ist, und ich will Euch sagen, was ich davon denke. Was den Punschmacher hier betrifft, so habe ich ihn auf den ersten Blick für einen Schneider gehalten, der mithin nicht mehr Ansprüche auf Rechtlichkeit hat, als daß er nicht krätzig ist. Ihr aber seid irgend ein holländischer Schiffer, der, wenn er in Japan ist, auf das Kreuz tritt, und seine Religion um den Gewinn eines Tages verläugnet.«

»Nein,« sagte der Udallar, »ich bin ein Shetländer.«

»Wie,« erwiderte der satyrische Bunce, »Ihr kommt aus dem glücklichen Lande, wo der Wachholderbranntwein die Flasche einen Grot kostet, und wo es immer Tag ist?«

»Euch zu dienen, Capitain,« sagte der Udallar, der mit großer Mühe eine Bewegung unterdrückte, diese Spöttereien gegen sein Vaterland zu ahnden, wenn dieß auch nur mit großer Gefahr und zu seinem Nachtheil geschehen könnte.

»Mir zu dienen!« sagte Bunce; »ja, wenn von dem Wrack bis nach dem Ufer ein Tau gespannt wäre, so würdet Ihr mir gern damit dienen, daß Ihr das Tau durchhiebet, und Schiff und Ladung hin- und herwerfen ließet, und ich hätte von Glück zu sagen, wenn Ihr mir nicht mit dem verkehrten Ende der Schiffsaxt Eines auf den Kopf gäbet. Und Ihr wollt Euch ehrliche Leute nennen? Aber mag's doch sein – da, unsere vorige Gesundheit: – und Ihr singt mir ein Lied, Meister Kleidermacher, und sorgt dafür, daß es so gut ist als Euer Punsch.«

Mädchen, schönen Rosen gleich,
Lauschet meinem Sange nun!

»Ich will nichts von Mädchen oder Rosen hören,« sagte Bunce, »das erinnert mich an die Ladung, die wir an Bord haben, und bei ... ich will gegen meinen Kameraden oder Capitain, so lange ich kann, rechtlich handeln. – Und wenn ich es recht bedenke, mag ich auch keinen Punsch mehr – der letzte Becher hat mich ganz verwirrt gemacht, und ich brauche heute Abend nicht den Cassio zu spielen – und wenn ich nicht trinke, soll's auch Niemand anders thun.«

Mit diesen Worten stieß er entschlossen den Eimer um, der, ungeachtet des häufigen Zuspruchs, noch halb voll war, stand von seinem Sitze auf, schüttelte sich etwas zurecht, wie er es nannte, setzte seinen Hut in die Quere, und gab, während er auf dem Hinterdecke auf- und niederging, durch Wort und Zeichen Befehle, die Schiffe vor Anker zu legen, was auch von Beiden schnell befolgt wurde, da Goffe wahrscheinlich schon in einem Zustande war, der keinen Widerspruch erlaubte.

Der Udallar stellte unterdessen trübe Betrachtungen über ihre Lage an. »Wir sind übel daran,« sagte der zähe alte Norweger, »denn das sind arge Bösewichter, und doch würde ich sie nicht fürchten, wären die Mädchen nicht. Der junge Prahlhans, der sie zu befehligen scheint, ist indeß kein so eingefleischter Teufel, als er hätte sein können.«

»Er hat doch sonderbare Launen,« sagte Halcro, »und ich wünschte, wir wären erst wieder von ihm los. Einen halben Eimer des besten Punsches, der je gemacht worden, so umzustoßen, und mich in dem süßen Liede, das ich je gedichtet habe, zu unterbrechen – ich weiß nicht, was ihm nun noch zu thun übrig bleibt – das grenzt nahe an Tollheit.«

Die Schiffe hatten unterdessen die Anker ausgeworfen; der tapfere Lieutnant Bunce rief Fletscher zum Dienst auf, nahm seinen Sitz neben seinen scheelsehenden Passagieren wieder ein, und sagte, daß sie es sich jetzt überlegen möchten, was er den Tröpfen in Kirkwall sagen lassen sollte, da die Sache sie etwas anginge. »Es soll,« sagte er, »in meinem wie in Dicks Namen geschehen. Ich mag dem armen jungen Menschen gern dann und wann eine Ermunterung angedeihen lassen – nicht wahr, Dick, du verwünschter dummer Esel!«

»Ja wohl, Jack Bunce,« sagte Dick, »das muß ich sagen, nur daß du Einem, bald um dieß, bald um jenes, was anhaben willst – aber dessenungeachtet seht ...«

»Genug, genug, lege dein Maul bei« – sagte Bunce, und schickte sich an, seinen Brief zu schreiben, welcher, vorgelesen, folgendermaßen lautete: » An den Major und die Alderman von Kirkwall. Meine Herren! Da Sie uns gegen Ihr Versprechen keine Geißel als Sicherheit für unsern Capitain, der auf Ihr Begehren am Lande zurückgeblieben ist, gegeben haben, so mag Ihnen Gegenwärtiges zur Nachricht dienen, daß wir uns nicht so abspeisen lassen. Wir haben jetzt schon eine Brigg, mit einer Familie von Bedeutung, deren Eigenthümer und Passagiere, in unserem Besitz, und werden diese in jeder Rücksicht so behandeln, wie Sie gegen unsern Capitain verfahren. Und so wie dieß der erste Schade ist, den wir Ihrer Stadt und Ihrem Handel zufügen, so können Sie überzeugt sein, daß es nicht der letzte sein wird, wenn Sie uns nicht unsern Capitain an Bord schicken, und uns, dem Vertrage gemäß, mit Lebensmitteln versorgen.

»Gegeben am Bord der Brigg Meergans, von Burgh-Westra, vor Anker in der Bucht Inganneß. Unterschrieben von uns, den Befehlshabern von dem Günstlinge Fortuna's, Herren vom Abenteuer.«

Hierauf unterzeichnete er sich Frederick Altamont, und reichte Fletscher den Brief, der mit vieler Mühe die Unterschrift las, den Klang des Namens sehr bewunderte, und schwur, daß er sich ebenfalls einen andern Namen geben wollte, um so mehr, da Fletscher eines der schwersten Worte im ganzen Wörterbuche zu buchstabiren und construiren sei. Er unterzeichnete sich also: Timothy Tugmotton.

»Wollt Ihr nicht ein paar Zeilen an die Narren hinzufügen?« sagte Bunce zu Magnus.

»Bewahre,« erwiderte der Udallar, der in seinen Begriffen von Recht und Unrecht selbst in einer so gefährlichen Lage unerschütterlich blieb. »Die Obrigkeit von Kirkwall kennt ihre Schuldigkeit, wäre ich an ihrer Stelle ...« In diesem Augenblicke trat aber die Erinnerung, daß seine Töchter in der Gewalt dieser Bösewichter wären, vor die kühne Seele Magnus Troils, und ließ ihn die Drohung unterdrücken, die er eben auf der Zunge hatte.

»Hol' mich der Henker,« sagte Bunce, der leicht errieth, was in der Seele seines Gefangenen vorging, »die Pause würde sich herrlich auf dem Theater ausgenommen haben – die hätte Parterre, Logen und Gallerie zum Klatschen gebracht, Bayes sagt.«

»Ich will nichts von Bayes hören,« sagte Claudius Halcro (der vom Trinken etwas erhitzt war); »es ist eine unverschämte Satyre auf den herrlichen John, aber er hat es Buckingham auch wieder fühlen lassen:

Und in der ersten Reihe Zimri stand;
Ein Mann, so viel gewandt –«

»Haltet Euer Maul,« sagte Bunce, indem er die Stimme des Bewunderers Drydens durch eine noch lautere und heftigere Betheuerung überschrie; »die Theaterprobe ist die beste Posse, die je geschrieben wurde – und wer es läugnet, der soll des Constables Tochter küssen. – Hol' mich der Teufel, ich war der beste Prinz Prettymann, der je auf den Brettern stand –

Bald eines Fischers Sohn und bald ein Prinz!

Aber wieder zu unserem Geschäft. Hört einmal, alter Herr (zu Magnus), Ihr habt eine Art mürrischer Laune, für die Manche meines Gewerbes Euch die Ohren abschneiden, und sie Euch zum Mittagsessen, mit spanischem Pfeffer geschmort, vorsetzen lassen würden. Ich weiß, daß Goffe es so mit einem armen Kerl machte, der ein saures und drohendes Gesicht schnitt, als er seine Schaluppe, mit seinem einzigen Sohn darauf, in Davy Jones' Vorrathskammer gehen sah. Aber ich bin ein anderer Mensch, und wenn Euren Damen etwas Leides geschieht, so haben die Kirkwaller es zu verantworten, nicht ich, und das ist nicht mehr recht als billig; und so wäre es besser, Ihr machtet sie mit Eurer Lage, Euren Umständen und so weiter bekannt – und das ist ebenfalls recht und billig.«

Magnus ergriff auf diese Ermahnung die Feder, und wollte schreiben; allein sein Stolz gerieth in einen so harten Kampf mit seiner väterlichen Zärtlichkeit, daß seine Hand ihm den Dienst versagte. »Ich kann es nicht,« sagte er nach einem oder zwei unleserlichen Buchstaben, »ich kann keinen Brief schreiben, und wenn unser Aller Leben auf dem Spiele stände.«

In der That konnte er selbst bei der größten Anstrengung seiner Bewegung nicht so weit Herr werden, daß sie nicht seinen ganzen Körper erschüttert hätte. Die Weide, welche sich biegt, übersteht oft den Sturm besser, als die Eiche, welche unbeweglich bleibt, und so geschieht es oft bei großen Unglücksfällen, daß leichte und unbesorgte Gemüther ihre Schnellkraft und Geistesgegenwart weit eher wieder erhalten, als erhabnere Geister. In dem gegenwärtigen Falle war Claudius Halcro glücklicherweise im Stande, das zu leisten, was dem tiefern Gefühle seines Freundes und Gönners unmöglich wurde. Er nahm die Feder, setzte mit so wenig Worten als möglich die Lage, in der sie sich befanden, auseinander, so wie die Gefahr, in der sie schwebten, und deutete zugleich, so zart er es nur auszudrücken vermochte, darauf hin, daß den obrigkeitlichen Personen das Leben und die Ehre der Bürger näher am Herzen liegen müsse, als selbst die Habhaftwerdung und Bestrafung der Schuldigen, wobei er jedoch beflissen war, den letzten Ausdruck so viel als möglich zu mildern, aus Furcht, bei den Piraten Verdacht zu erregen.

Bunce überlas diesen Brief, der glücklicherweise seine Zustimmung erhielt, und rief, als er den Namen Claudius Halcro las, mit großem Erstaunen und noch kräftigeren Ausdrücken der Betheuerung, als wir sie hier aufzeichnen mögen: »Ihr seid gewiß der kleine Kerl, der bei des Director Gadabout Gesellschaft in Hogs Norton im ersten Jahre, wo ich auf die Bühne kam, die Geige spielte! Ich dachte gleich daran, als ich Euer Stichwort vom herrlichen John hörte.«

Zu einer andern Zeit dürfte diese Erkennung für Halcro's Dichterstolz nicht viel Erfreuliches gehabt haben, so wie aber jetzt die Sachen standen, könnte ihn die Entdeckung einer Goldmine nicht glücklicher gemacht haben. Er erinnerte sich sogleich des jungen hoffnungsvollen Schauspielers, der in Don Sebastian zuerst aufgetreten war, und fügte sehr klug hinzu, daß des herrlichen Johns Muse nie so würdige Opfer gebracht worden wären, als zu der Zeit, wo er bei Herrn Gadabouts Gesellschaft die erste (und wahrscheinlich einzige) Violine spielte.

»Ja,« sagte Bunce, »da mögt Ihr recht haben – ich denke, ich würde am Ende das Haus eben so gut in Bewegung gesetzt haben, wie Booth und Betterton. Allein ich war dazu bestimmt, auf andern Brettern zu glänzen (hier stampfte er mit dem Fuße auf das Verdeck), und ich glaube, daß ich nun wohl bei ihnen werde bleiben müssen, bis ich kein Brett mehr finde, an das ich mich halten kann. Aber nun, mein alter Bekannter, will ich auch Etwas für Euch thun – dreht Euch einmal etwas hierher – ich muß Euch Solus haben.« Sie lehnten sich über den Backbord, und Bunce flüsterte ihm mit größerem Ernste, als er gewöhnlich verrieth, zu: »Es thut mir um das alte norwegische Fichtenherz Leid, – hol' mich der Henker, wenn es nicht wahr ist – und um die Töchter auch, und überdieß habe ich noch meine besonderen Ursachen, Einer von ihnen wohlzuwollen. Ich kann bei einem willigen Mädchen auch wohl ein wilder Kerl sein, aber gegen solche züchtige und unschuldige Geschöpfe – hol' mich der Teufel – bin ich Scipio in Numantia und Alexander im Zelte des Darius – Ihr wißt, wie ich den Alexander gab (hier wurde er heroisch) –

Ich nah', mein Liebchen hier zu schirmen gut.
Die Schwerter zieht heraus, leuchtend wie Blitzesgluth.
Kämpf' ich, so ist mir keiner überlegen,
Die Schönheit ruft, auf, auf! dem Ruhm entgegen!«

Claudius Halcro ermangelte nicht, seiner Declamation das gebührende Lob zu ertheilen, und erklärte, als ein ehrlicher Mann, daß er immer überzeugt gewesen sei, Altamont gebe diese Rede ungleich besser, und mit größerer Kraft, als Betterton.

Bunce, oder Altamont, drückte ihm zärtlich die Hand. »Ach, Ihr schmeichelt mir, mein theurer Freund!« sagte er, »und doch, warum hatte das Publikum nicht ein so gesundes Urtheil? Dann stände ich nicht hier. Der Himmel weiß es, mein theurer Mr. Halcro, der Himmel weiß es, wie gern ich Euch an Bord bei mir behielte, damit ich doch einen Freund bei mir hätte, der eben so gern die vortrefflichsten Stellen unserer besten dramatischen Schriftsteller hört, wie ich sie spreche. – Die Meisten von uns sind wie das Vieh – und was unsere Geißel dort in Kirkwall betrifft, so behandelt er mich, wie ich Fletscher, und je mehr ich ihm thue, desto mehr schnaubt er mich an. Wie angenehm würde es nicht in einer Nacht unter dem Wendekreise sein, wenn das Schiff mit ausgespanntem und straffem Segel mit dem Winde ginge, und ich nun so den Alexander hersagte, und Ihr mein Parterre, meine Logen und meine Gallerie zugleich wäret. Und da Ihr, wie ich mich erinnere, auch ein Verehrer der Musen seid, wer weiß, ob nicht Ihr und ich, wie Orpheus und Eurydice, es noch dahin bringen könnten, unsern Gefährten einen reinen Geschmack einzuflößen, und ihre Sitten zu verbessern, während wir ihre besseren Gefühle erweckten?«

Er sprach dieß mit so vieler Salbung, daß Claudius Halcro zu fürchten anfing, er habe den Punsch dießmal zu stark gemacht, oder zu viele bezaubernde Bestandtheile in den Becher der Schmeichelei gemischt, den er gereicht, und unter dem Einflusse beider Getränke möchte ihn der empfindsame Pirat gewaltsam zurückhalten, um die Auftritte zu verwirklichen, welche ihm seine Einbildungskraft vorspiegelte. Der ganze Zusammenhang der Begebenheiten war indeß der Art, daß Halcro seinen Fehler nicht wieder gut machen konnte, weßhalb er sich auch damit begnügte, den zärtlichen Druck der Hand seines Freundes zu erwidern, und mit so pathetischem Tone als möglich »Ach!« auszurufen.

Bunce fuhr augenblicklich fort: »Ihr habt sehr recht, mein Freund. Alles das sind nur leere Gefühle von Glückseligkeit, und es bleibt dem unglücklichen Altamont nur übrig, dem Freunde, dem er jetzt Lebewohl sagen muß, einen Dienst zu leisten. Ich habe beschlossen, Euch und die zwei Mädchen unter Fletschers Schutz an's Land zu setzen; ruft also die jungen Frauenzimmer herauf, und laßt sie absegeln, ehe der Teufel bei mir, oder bei irgend jemand Anderem landet. Ihr bringt den obrigkeitlichen Personen den Brief, unterstützt ihn mit Eurer Beredsamkeit, und versichert sie, daß, wenn sie Cleveland nur ein Haar krümmten, der Teufel los und kein Pech heiß genug sein soll.«

Durch diesen unerwarteten Ausgang von Bunce's Rede aus seiner Angst befreit, stieg Halcro die Kajütenleiter immer zwei Sprossen auf einmal hinab, klopfte an die Kajütenthür, und konnte kaum vernehmliche Worte finden, seine Botschaft auszurichten. Sobald die Schwestern so unerwartet hörten, daß sie an's Land gebracht werden sollten, hüllten sie sich in ihre Mäntel, und kamen auf die Nachricht, daß das Boot ausgesetzt werden würde, schnell auf das Verdeck, wo sie zu ihrem großen Schrecken hörten, daß ihr Vater am Bord des Piraten zurückbleiben sollte.

»Wir bleiben bei ihm, komme was da will,« sagte Minna. »Wir können ihm nützlich sein, wäre es auch nur auf einen Augenblick – wir wollen mit ihm leben und sterben.«

»Wir wollen ihm wesentlichere Dienste leisten,« sagte Brenda, welche die Eigenthümlichkeit ihrer Lage besser begriff, als Minna, »indem wir die Leute von Kirkwall dazu bewegen, die Forderungen dieser Herren zuzugestehen.«

»Wie ein Engel von Verstand und Schönheit gesprochen,« sagte Bunce, »und nun macht, daß ihr fortkommt, denn der Teufel soll mich holen, wenn das nicht eine brennende Lunte in der Pulverkammer haben heißt; – wenn ihr noch ein Wort sprecht, so will ich verdammt sein, wenn ich weiß, wie ich von euch loskommen soll.«

»Geht in Gottes Namen, meine Töchter,« sagte Magnus; »ich bin in Gottes Hand, und werde, wenn ihr fort seid, für mich selbst wenig besorgt sein, und, so lange ich lebe, immer denken und sagen, daß dieser gute Mann ein besseres Loos verdiente. Geht, geht (denn sie zögerten noch immer, ihn zu verlassen), macht, daß ihr fortkommt.«

»Haltet euch nicht mit Küssen auf,« sagte Bunce, »damit ich mir nicht auch meinen Theil zu fordern in Versuchung gerathe. Fort in das Boot – doch, noch einen Augenblick!« Mit diesen Worten zog er die drei Gefangenen bei Seite. »Fletscher,« sagte er, »steht mir für die übrigen Kerle, und wird euch sicher auf die Höhe der Küste bringen. Wie ich aber für Fletscher stehen soll, weiß ich nicht, wenn nicht Herr Halcro diesen kleinen Gewährsmann mitnehmen will.«

Er reichte hierauf dem Barden ein kleines Doppelpistol, das, wie er sagte, mit zwei Kugeln geladen war. Minna sah, daß Halcros Hand zitterte, als er sie ausstreckte, die Waffe in Empfang zu nehmen. »Gebt es mir,« sagte sie, indem sie es dem Räuber aus der Hand nahm, »und verlaßt Euch darauf, daß ich mich und meine Schwester zu vertheidigen wissen werde.«

»Bravo! bravo!« rief Bunce aus, »so muß ein Mädchen sprechen, das Clevelands, des Königs der Seeräuber, werth ist.«

»Cleveland!« wiederholte Minna. »Kennt Ihr denn diesen Cleveland, den Ihr nun schon zweimal genannt habt?«

»Ob ich ihn kenne! Gibt es einen Menschen,« sagte Bunce, »der den besten, kräftigsten Kerl nicht kennt, der je zwischen Vorsteven und Spiegel auf- und abgegangen ist? Wenn er erst aus dem Stocke heraus ist, was, wenn es dem Himmel gefällt, bald geschehen soll, so hoffe ich, daß Ihr zu uns an Bord kommen, und als Königin über jedes Meer gebieten werdet, auf dem wir segeln. – Ihr habt den kleinen Gewährsmann erhalten, ich hoffe, Ihr wißt ihn zu gebrauchen. Wenn sich Fletscher gegen Euch vergißt, so braucht Ihr nur mit dem Daumen dieß Stückchen Eisen aufzuziehen, so, und beharrt er bei seinem Betragen, so braucht Ihr nur Euren niedlichen Zeigefinger so zu krümmen, und ich verliere den besten Kameraden, den ich je hatte obgleich – der Teufel hole den Hund – er den Tod verdient, wenn er meinen Befehlen nicht gehorcht. Und nun in das Boot – aber noch einen Kuß um Clevelands willen.«

Brenda duldete, mit tödtlichem Schrecken, seinen Abschiedskuß, Minna aber trat mit Verachtung zurück, und reichte ihre Hand hin. Bunce lachte, küßte aber, mit einer theatralischen Geberde, die schöne Hand, welche sie als Lösegeld für ihre Lippen ausstreckte, und die Schwestern und Halcro wurden endlich in das Boot gebracht, das unter Fletschers Oberbefehl abstieß.

Bunce stand auf der Schanze, und hielt nach Art seines früheren Gewerbes ein Selbstgespräch. »Wenn man das in Port-Royal oder auf der Insel Providence, oder auf dem kleinen Goueven wüßte, so möchte ich wohl wissen, was man von mir sagen würde? – Daß ich ein gutmüthiger Tropf – ein Dummkopf, ein Esel bin! Nun mögen sie doch! Ich habe genug Schlechtes gethan, um darüber nachzudenken. Es ist der Mühe werth, einmal etwas Gutes zu thun, wenn es auch nur der Seltenheit wegen wäre, und um sich selbst auszusöhnen.« Hierauf wandte er sich zu Magnus Troil, und fuhr fort: »Das sind bona robas, Eure Töchter. Die älteste würde ihr Glück auf der Londoner Bühne machen. Was für eine prächtige Stellung das Mädchen annahm, als sie das Pistol ergriff – hol' mich der Teufel, das hätte das ganze Haus in Aufruhr gebracht! Wie vortrefflich würde die Dirne die Roxelane gespielt haben (bei seinem Sprechen pflegte nämlich Bunce, wie Sancho's Gevatter, Thomas-Cecial, immer das kräftigste Wort zu gebrauchen, das ihm in den Mund kam, ohne gerade auf dessen Schicklichkeit zu sehen); ich gäbe meinen Antheil an der nächsten Prise darum, wenn ich sie hätte sagen hören:

Hinweg! mach' Platz dem Sturmwind, sonst blas' ich
Wie leichten Staub dich fort! Hinweg mit dir!
Der Wahnsinn ist nur Schatten meiner Wuth.

und wenn ich dann die Kleine, Sanfte, Schüchterne, Thränenvolle, Lebende, als Statira hätte sagen hören:

Er spricht so sanft und schaut so lieblich drein,
Er schwört so glühend und so hold ist er,
Daß man beglückt sich fühlt, selbst wenn er täuscht!

Was für ein Stück hätten wir zusammen aufführen können! – Ich war viehisch dumm, nicht daran zu denken, ehe ich sie wegschickte – ich Alexander – Claudius Halcro Lysimachus – der alte Herr hätte zur Noth den Clitus gegeben. Ich war ein Thor, nicht daran zu denken!«

In dieser Ergießung lag Manches, was dem Udallar leicht hätte mißfallen können; aber, die Wahrheit zu sagen, gab er nicht Achtung darauf. Sein Auge, und endlich sein Fernglas, waren allein damit beschäftigt, die Rückkehr seiner Töchter zu dem Ufer zu beobachten. Er sah sie landen, von Halcro und noch einem andern Manne (wahrscheinlich Fletscher) begleitet, die Küste hinansteigen und den Weg nach Kirkwall einschlagen, und konnte sogar deutlich unterscheiden, wie Minna, als ob sie sich für den Wächter der Gesellschaft ansähe, sich in einiger Entfernung von den Uebrigen hielt, um, wie es schien, gegen jeden Ueberfall auf der Hut und sogleich bereit zu sein, so zu handeln, wie die Gelegenheit es erfordern würde. Endlich hatte der Udallar, gerade als er im Begriff war, sie aus den Augen zu verlieren, die unendliche Genugthuung, die sämmtliche Gesellschaft halten, und den Piraten, nach einem Zwischenraume, der gerade lang genug war, um höflich von ihnen Abschied zu nehmen, sie verlassen und langsam nach dem Ufer zurückkehren zu sehen. Mit Danksagungen gegen den Allmächtigen, der ihn so von der quälendsten Besorgniß befreit hatte, die ein Vater fühlen kann, ergab sich der würdige Udallar von nun an in sein Schicksal, wie es auch kommen mochte.


 


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