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Achtes Kapitel.

 

»Ich verließ meinen Pflug, um die Tiefe zu pflügen!«

Dibdin.

 

Als der Bürgermeister und Cleveland wieder in das Rathszimmer zurückgekehrt waren, entfernte sich Jener wieder mit denen seiner Amtsbrüder, mit denen er sich zu berathen für nöthig hielt, und während diese Clevelands Vorschläge erwogen, wurden ihm und seinen Leuten Erfrischungen gereicht, welche der Capitain zwar seinen Leuten anzunehmen erlaubte, wobei er aber sehr auf seiner Hut gegen einen Ueberfall war, und deßwegen einen Theil derselben die Wache ablösen ließ, während der andere die Speisen genoß.

Er selbst ging während dieser Zeit im Zimmer auf und ab, und sprach über gleichgültige Dinge mit den Anwesenden, wie Jemand, der vollkommen unbefangen ist.

Unter diesen bemerkte er plötzlich, zu seinem großen Erstaunen, Triptolemus Yellowley, der, da er sich zufällig in Kirkwall befand, von den Magistratspersonen gewissermaßen als Stellvertreter des Lord Kämmerlings zu ihren Berathungen zugezogen worden war. Cleveland knüpfte sogleich die mit dem Landwirthe in Burgh-Westra gemachte Bekanntschaft wieder an, und fragte ihn, was für Geschäfte ihn nach Orkney führten.

»Zu sehen, wie einige von meinen kleinen Anlagen gedeihen, Capitain Cleveland. Ich bin es müde, länger mit jenen wilden Thieren von Ephesus zu kämpfen, und kam nur herüber, um zu sehen, wie mein Obstgarten steht, den ich vor einem Jahre vier oder fünf Meilen vor Kirkwall angelegt habe, und wie es um die Bienen steht, von denen ich neue Stöcke herübergebracht habe, um das Land auf einen besseren Fuß zu bringen, und die Haideblumen in Wachs und Honig zu verwandeln.«

»Ich hoffe, sie gedeihen,« sagte Cleveland, der zwar wenig Antheil an diesen Sachen nahm, aber die Unterhaltung gern fortsetzen wollte, um das kalte, verlegene Stillschweigen, das sich der ganzen Versammlung bemeistert zu haben schien, etwas zu beleben.

»Gedeihen?« sagte Triptolemus. »Ja, wie Alles hier zu Lande; schlecht!«

»Wahrscheinlich aus Mangel an Pflege,« sagte Cleveland.

»Das Gegentheil, gerade das Gegentheil,« erwiderte der Verwalter; »sie vergehen vor zu großer Pflege, wie Lecky Christie's Küchelchen. Ich verlangte die Stöcke zu sehen, und der Kerl, der die Aufsicht darüber hatte führen sollen, antwortete mir ganz listig und freundlich: ›Wenn irgend ein Anderer, als ich, sie zu besorgen gehabt hätte, da würdet Ihr wohl noch die Stöcke, oder wie Ihr es nennt, zu sehen bekommen haben, aber wahrscheinlich hättet Ihr eher Rolandgänse, als Fliegen, darin gefunden, wenn ich nicht gewesen wäre; aber ich habe genau auf sie Acht gegeben, und als ich sie an einem schönen sonnigen Morgen aus den Löchern hervorkriechen sah, da nahm ich ein Stück Lehm und stopfte die Löcher zu – und hätte ich das nicht gethan, so wäre gewiß keine Fliege, oder Biene, was es ist, in den Stöcken, wie Ihr sie nennt, geblieben!‹ – Kurz, er hatte die Stöcke zugeklebt, als ob die armen Dinger die Pest hätten, und meine Bienen waren so todt, als ob sie durch Dampf erstickt worden wären, und so ist meine Hoffnung generandi gloria nullis, wie Virgil sagt, zu Wasser geworden.«

»Aus Eurem Meth kann also nichts werden,« erwiderte Cleveland; »aber wie steht es um den Cyder? – wie geht es mit dem Obstgarten?«

»O, Capitain, derselbe Salomo aus dem orcadischen Ophir – hierher braucht man wahrhaftig nicht zu gehen, um goldene oder Geistestalente zu holen, – nun, dieser weise Mann hatte die jungen Apfelbäume in seiner großen Zärtlichkeit mit heißem Wasser begossen, und so sind sie denn alle eingegangen! Aber was hilft das Klagen? Sagt mir lieber, was das für ein Wesens ist, das die Leute hier um die Piraten machten? Und warum sind alle diese verdächtig aussehenden, wie Hochländer bewaffneten Leute in der Rathsstube versammelt? Ich komme so eben erst von der andern Seite der Insel her, und habe noch gar nichts Bestimmtes darüber erfahren können. Und jetzt, da ich Euch genau ansehe, Capitain, dünkt mich, Ihr habt auch mehr von den albernen Pistolchen um und an Euch, als ein ehrlicher Mann in ruhigen Zeiten braucht?«

»Das denk' ich auch,« sagte der friedliche Triton, der alte Haagen, der ein unfreiwilliger Anhänger des kühnen Montrose gewesen war; »wenn Ihr noch in der Schlucht von Ederachyllis wäret, wo wir von Sir John Urry so übel zugerichtet wurden ...«

»Ihr habt die ganze Sache vergessen, Nachbar Haagen,« sagte der Verwalter, »Sir John Urry war ja auf Eurer Seite, und ward mit Montrose gefangen, und eben deßwegen verlor er ja seinen Kopf!«

»So?« sagte der Triton. »Nun, Ihr mögt Recht haben; er wechselte mehr als einmal die Farbe, und wer weiß, für welche er starb? Aber auf jeden Fall war er dabei, und ich auch; es gab dort ein Gefecht, und ich wünsche nicht, wieder eines zu sehen!«

Der Eintritt des Bürgermeisters unterbrach hier diese abgerissene Unterhaltung. »Wir haben uns entschieden, Capitain,« sagte er, »daß Euer Schiff herum nach Stromneß oder Scapa-Flow gehen soll, um Lebensmittel einzunehmen; damit es keine weiteren Händel zwischen den Marktleuten und Euren Matrosen gebe. Und da Ihr am Lande zu bleiben wünscht, den Markt zu sehen, so wollen wir einen achtbaren Mann an Bord Eures Schiffes senden, es um das Festland zu lootsen, da die Fahrt gefährlich ist.«

»Gesprochen, wie eine verständige, besonnene Magistratsperson, Herr Mayor,« sagte Cleveland, »und nicht anders, als ich es erwartete. Und welcher Herr wird unsere Schanze während meiner Abwesenheit mit seiner Gegenwart beehren?«

»Auch dieß haben wir bestimmt, Capitain Cleveland,« sagte der Bürgermeister. »Ihr könnt überzeugt sein, daß Jeder von uns gern eine so angenehme Reise und in so guter Gesellschaft machen würde, allein da es Marktzeit ist, so hat beinahe Jeder von uns seine Geschäfte – ich selbst kann, meines Amtes wegen, nicht wohl abkommen – des ältesten Schöppen Frau ist in Wochen – der Schatzmeister kann die See nicht vertragen – zwei Schöppen haben das Podagra – die zwei andern sind abwesend – und die übrigen fünfzehn Rathsmitglieder haben alle besondere Geschäfte.«

»Alles, was ich Euch sagen kann, Herr Mayor,« sagte Cleveland, indem er seine Stimme erhob, »ist, daß ich erwarte ...«

»Nur einen Augenblick Geduld, Capitain,« sagte der Bürgermeister, ihn unterbrechend; – »so daß wir also zu dem Entschlusse gekommen sind, daß unserem würdigen Herrn Triptolemus Yellowley, welcher der Verwalter des Lord Kämmerlings dieser Inseln ist, in Rücksicht auf seine amtliche Würde, die Ehre und das Vergnügen werden soll, Euch zu begleiten.«

»Mir!« sagte der erstaunte Triptolemus; »warum, zum Teufel, soll ich denn mit Euch zur See gehen? Mein Geschäft ist auf dem festen Lande!«

»Die Herren bedürfen eines Lootsen,« flüsterte ihm der Bürgermeister zu, »und wir können es nicht umgehen, ihnen einen solchen zu geben.«

»Aber wollen sie denn gerade auf den Strand laufen?« sagte der Verwalter; – »wie Teufel kann ich ihnen denn zum Lootsen dienen, da ich nie ein Steuer in Händen gehabt habe?«

»Still, still, seid ruhig,« sagte der Bürgermeister; »wenn die Bürger hier Euch ein solches Wort aussprechen hörten, so wäre der Ruf von Euerer Nützlichkeit, die Ehrfurcht vor Euch, Euer Rang, kurz, Alles auf ewig vernichtet! Kein Mensch gilt bei uns Inselleuten irgend Etwas, wenn er nicht ein Segel beschlagen, einreffen und das Steuer führen kann! Uebrigens ist es weiter nichts, als reine Form, und Ihr sollt den alten Patrick Sinclair mit haben, Euch zu helfen. Ihr werdet weiter nichts zu thun haben, als zu essen und zu trinken, und den ganzen Tag über lustig zu sein.«

»Essen und trinken?« sagte der Verwalter, der nicht recht begreifen konnte, warum man ihm diese Obliegenheit sogleich zuschöbe, und sich doch den Schlingen des verschlagenen Bürgermeisters nicht zu entziehen wußte. – »Essen und Trinken! Nun das ist Alles ganz gut! Aber die Wahrheit zu sagen, kann ich die See nicht viel besser vertragen, als der Säckelmeister, und Essen und Trinken schmeckt mir am Lande immer viel besser.«

»Still, still, still;« sagte der Bürgermeister abermals, im Tone des ernsten Vorwurfs, »wollt Ihr denn wirklich Euern Ruf ganz zu Grunde richten? Ein Verwalter des Ober-Kämmerlings der Inseln Orkney und Shetland, und die See nicht vertragen können! Das wäre eben so gut, als wenn Ihr ein Hochländer wäret und keinen Whisky vertragen könntet!«

»Die Sache muß auf irgend eine Weise in Richtigkeit gebracht werden, meine Herren,« sagte Capitain Cleveland; »es ist Zeit, daß wir unter Segel gehen – Herr Triptolemus Yellowley, werden wir die Ehre Eurer Gesellschaft haben?«

»Ich habe, Capitain Cleveland,« stammelte der Verwalter, »durchaus nichts dagegen, irgendwohin mit Euch zu gehen ... nur ...«

»Er hat nichts dagegen,« – sagte der Bürgermeister, indem er sich an das erste Glied der Rede hielt, ohne den Schluß abzuwarten.

»Er hat nichts dagegen,« rief der Säckelmeister aus.

»Er hat nichts dagegen,« sprachen die vier Schöppen zugleich, und die fünfzehn Rathsherren wiederholten dieselbe Redensart, mit dem Zusatze: »guter Mann – hat Gemeinsinn, ehrenwerther Mann – Flecken ewig verpflichtet – wo fände man je einen solchen Verwalter?« u. s. w.

Erstaunt und verwirrt über die Lobeserhebungen, mit denen er von allen Seiten überschüttet wurde, und ohne den eigentlichen Zusammenhang der Sache recht zu begreifen, konnte sich der bestürzte und überrumpelte Landwirth der Rolle eines Curtius von Kirkwall, die ihm so hinterlistig aufgedrungen wurde, nicht entziehen, und wurde nun von Capitain Cleveland seinen Leuten übergeben, mit dem strengsten Befehle, ihn ehrenvoll und mit Aufmerksamkeit zu behandeln. Goffe und seine Gefährten führten ihn unter dem Beifallrufen der ganzen Versammlung hinweg, so wie in alten Zeiten ein Opfer mit Blumen geschmückt und mit Zurufen begleitet wurde, wenn man es den Priestern übergab, um es zum Altare zu führen, und es dort für das allgemeine Wohl zu schlachten. Während der alte Triptolemus so aus dem Rathszimmer hinweggeführt, oder gewissermaßen hinweggeschleppt wurde, sah er, daß Cleveland, in den er einiges Vertrauen setzte, zurückblieb, und versuchte nun, in dem Augenblicke, wo er aus der Thüre trat, noch einen lauten Widerspruch: »Aber, Bürgermeister! Capitain! Schöppen! Säckelmeister! Rathsherren! – wenn Capitain Cleveland nicht mit an Bord geht, mich zu beschützen, so gilt unser Handel nicht, und ich gehe nicht, wenn man mich nicht mit Stricken wegzieht!«

Sein Widerspruch ging indeß in dem einstimmigen Chore der Magistratspersonen und Rathsherren unter, welche ihm für seinen Gemeinsinn dankten, ihm eine glückliche Reise wünschten, und Gebete für seine baldige und glückliche Rückkehr zum Himmel schickten. Betäubt und überwältigt, und wenn er noch einen deutlichen Gedanken hatte, überzeugt, daß Widerstand vergebens sei, wo Freunde und Fremde sich gegen ihn verbündet zu haben schienen, ließ sich Triptolemus ohne weiteres Sträuben auf die Straße hinabführen, wo die Mannschaft von dem Boote des Piraten, die sich um ihn versammelte, sich langsam in Bewegung zu setzen anfing. Viele von den Bürgern folgten aus Neugier, jedoch ohne die geringste Bewegung zu machen, sich in die Sache zu mischen, oder zu Thätlichkeiten zu schreiten; denn das friedliche Abkommen, welches durch die Gewandtheit der ersten Magistratspersonen getroffen worden war, wurde allgemein als eine viel bessere Ausgleichung der Streitigkeit zwischen ihnen und den Fremden angesehen, als der zweifelhafte Ausgang einer Entscheidung durch die Waffen herbeigeführt haben könnte.

Während sie so langsam dahinzogen, hatte Triptolemus Zeit, das äußere Ansehen, die Gesichtszüge und die Kleidung Derer zu beobachten, deren Händen er überliefert worden war, und fing an, sich einzubilden, daß er in ihren Blicken nicht allein die größte Verwegenheit, sondern auch einige besonders gegen ihn gerichtete hinterlistige Pläne läse. Namentlich beunruhigten ihn die wilden Züge Goffe's, der ihn ungefähr so sanft beim Arme gefaßt hatte, wie eine Schmiedeschraube, und ihm von Zeit zu Zeit aus dem Winkel seines Auges scharfe Blicke zuwarf, wie die, welche der Adler auf die Beute, die er in seinen Klauen hält, wirft, ehe er sie zu rupfen beginnt. Endlich übermannte Yellowley's Furcht seine Klugheit so sehr, daß er seinen furchtbaren Führer mit einem, dem Geschrei sich nähernden, flüsternden Tone fragte: »Wollt Ihr mich ermorden, Capitain, den Gesetzen Gottes und der Menschen zum Trotz?«

»Haltet Euch ruhig, wenn Ihr klug seid,« sagte Goffe, der seine geheimen Gründe hatte, die Furcht seines Gefangenen zu steigern. »Wir haben seit drei Monaten Niemand gemordet, warum sollten wir also bei Euch anfangen?«

»Ihr scherzt nur, hoffe ich, guter, würdiger Capitain,« erwiderte Triptolemus, »das ist noch ärger, als Hexen, Zwerge, Wallfischstechen und Umschlagen mit dem Boote zusammengenommen! Das ist eine ganz mißrathene Ernte! – Was könnte es Euch aber, in des Himmels Namen, nützen, mich zu ermorden?«

»Es würde uns höchstens nur Vergnügen machen,« sagte Goffe. »Seht einmal diesen Kerlen in's Gesicht, und sagt, ob es Einen unter ihnen gibt, der nicht lieber einen Menschen umbringen, als ihn gehen lassen möchte? Aber wir wollen weiter davon reden, wenn Ihr erst den Stock gekostet haben werdet – wenn Ihr nicht etwa eine schöne runde Summe von Chili-Stücken Was man auf dem festen Lande gewöhnlich Dollars nennt. als Lösegeld mitbringt.«

»So wahr ich bei Brod groß geworden bin, Capitain,« antwortete der Verwalter, »der schändliche Zwerg hat das ganze Horn voll Silber mitgenommen!«

»Die Peitsche wird schon machen, daß Ihr es wieder findet,« sagte Goffe rauh; »peitschen und dann mit Salz einreiben, sind vortreffliche Mittel, Jemanden an seinen Reichthum zu erinnern; und ihm eine Armbrustsehne um den Hirnschädel zu spannen, ist ebenfalls eine sehr gute Art.«

»Capitain,« erwiderte Yellowley fest; »ich habe kein Geld – Verbesserer haben selten welches. Wir machen Waiden zu Kornfeldern, Gerste zu Hafer, Haiden zu Wiesen, und das ärmliche Yarpha, wie die unaufgeklärten Menschen hier ihre Torfmoore nennen, zu fruchtbarem Graslande; allein wir schaffen dabei selten etwas in unsere eigene Tasche. Die Arbeiter und die Karrengäule machen das Alles – und verzehren es auch Alles – der Henker komme dabei zurecht!«

»Gut, gut,« sagte Goffe; »wenn Ihr wirklich ein armer Teufel seid, so will ich mich auf Eure Seite schlagen;« – er wandte dann seinen Kopf so, daß er sich dem Ohre des Verwalters näherte, der vor Furcht auf den Zehen stand, und sagte: »Wenn Ihr Euer Leben lieb habt, so kommt nicht mit in das Boot!«

»Wie kann ich aber von Euch loskommen, da Ihr mich so fest beim Arme haltet, daß ich nicht entwischen könnte, und wenn die ganze jährliche Ernte von Schottland davon abhinge?«

»Höre, du Tropf,« sagte Goffe, »in dem Augenblicke, wo du an das Ufer kommst, und wenn die Leute in das Boot springen und zu ihren Rudern greifen, drehe dich schnell nach dem Backbord um – ich werde deinen Arm fahren lassen – und dann laufe, als ob es dein Leben gälte!«

Triptolemus that, was man ihm sagte. Goffe's Hand ließ, wie er es versprochen hatte, willig ihre Beute fahren. Der Landwirth kollerte fort, wie ein Ball, der von dem Fuße eines Mitspielers einen starken Stoß erhalten hat, und flog mit einer Schnelligkeit, welche ihn selbst, wie alle Beschauer, überraschte, durch die Straßen von Kirkwall. Ja, sein Rückzug war so übereilt, daß er, als ob er in jedem Augenblicke die Hand des Piraten sich wieder öffnen und sich ergreifen zu sehen glaubte, nicht eher still stand, als bis er die ganze Stadt durchlaufen und das freie Feld auf der andern Seite erreicht hatte. Wer ihn an diesem Tage sah – wie er seinen Hut und seine Perücke bei der plötzlichen Anstrengung verlor, und mit ganz quersitzender Halsbinde und aufgeknöpfter Weste davon stürzte, – und dabei Gelegenheit hatte, seine runde, sphärische Form und kurzen Beine mit der gewaltigen Eile zu vergleichen, mit welcher er durch die Straßen floh, der konnte wohl sagen, wenn die Wuth Waffen verleihe, so gebe die Furcht Flügel.

Niemand verfolgte den Landwirth, und obgleich zwei oder drei Musketen angelegt wurden, um ihm einen bleiernen Boten nachzuschicken, so übertrieb doch Goffe, der sich zum ersten Male in seinem Leben zum Friedensstifter aufwarf, die Gefahren, welche eine solche Verletzung des Waffenstillstandes mit den Bewohnern von Kirkwall herbeiführen würde, so sehr, daß er die Mannschaft des Bootes dahin vermochte, sich aller thätlichen Feindseligkeiten zu enthalten, und in aller Schnelligkeit davon zu rudern.

Die Bürger, welche Triptolemus' Flucht als einen Triumph für sich betrachteten, brachten dem Boote ein dreifaches Hurrah, als höhnendes Lebewohl, während die obrigkeitlichen Personen auf der andern Seite große Besorgniß über die muthmaßlichen Folgen dieses Bruches des Vertrags zwischen ihnen und den Piraten hegten, und wenn sie des Flüchtigen in der Stille hätten habhaft werden können, so würden sie ihn, statt ihm ein bürgerliches Fest zu Ehren seiner Behendigkeit zu geben, wahrscheinlich selbst wieder als entlaufene Geißel, in die Hände seiner Feinde zurückgeliefert haben. Einen solchen Gewaltstreich öffentlich auszuüben, war aber unmöglich. Sie begnügten sich daher damit, Cleveland sorgfältig zu bewachen, den sie für jeden Angriff, welchen die Piraten wagen sollten, verantwortlich zu machen beschlossen. – Cleveland errieth seinerseits sehr leicht, daß der Beweggrund Goffe's bei der Loslassung der Geißel der gewesen sei, ihm für Alles, was nun geschehen würde, die Verantwortlichkeit aufzubürden, und er erwartete in dem Vertrauen auf die Anhänglichkeit und Klugheit seines Freundes und Anhängers, Frederick Altamont, alias Jack Bunce, den Ausgang mit großer Ruhe, da die obrigkeitlichen Personen, obgleich sie ihn noch immer mit vieler Artigkeit behandelten, doch sehr deutlich zu verstehen gaben, daß sie bei seiner Behandlung sich nach dem Benehmen des Schiffsvolks richten würden, wenn er dieß auch nicht mehr befehlige.

Cleveland hatte nicht ohne Grund auf die Ergebenheit Bunce's sein Vertrauen gesetzt, denn kaum hatte dieser treue Anhänger von Goffe und der Mannschaft des Bootes die Nachricht von Triptolemus' Flucht erfahren, als er sogleich vermuthete, daß diese von dem ehemaligen Capitain begünstigt worden sei, damit er selbst wieder zu dem Oberbefehle des Schiffes käme, wenn Cleveland hingerichtet, oder zu langwieriger Gefangenschaft verurtheilt würde.

»Der betrunkene alte Bootsmann soll seinen Zweck doch nicht erreichen,« sagte Bunce zu seinem Verbündeten, Fletscher, »oder ich will den Namen Altamont aufgeben, und mich bis an das Ende des Kapitels Jack Bunce, oder, wenn du willst, Jack Dunce nennen lassen.«

Mit einer gewissen seemännischen Beredsamkeit, welche seine Feinde Zungendreschen nannten, setzte Bunce der Mannschaft auf eine sehr lebhafte Weise auseinander, welch' eine Schande es für sie sein wurde, wenn sie ihren Capitain in dem Stock, wie er es nannte, ließen, ohne daß sie eine Geißel für seine Sicherheit hätten, und außer dem Mißvergnügen, das er gegen Goffe erregte, brachte er so das Schiffsvolk auch zu dem Entschlusse, sich des ersten leidlich aussehenden Schiffes zu bemächtigen, und dann zu erklären, daß man Schiff, Mannschaft und Ladung gerade so behandeln würde, wie man mit Cleveland am Lande verführe. Zu gleicher Zeit hielt man es für nöthig, die Treue und den Glauben der Orkney-Insulaner dadurch auf die Probe zu stellen, daß man von der Rhede von Kirkwall nach der von Stromneß segelte, wo ihre Schaluppe, nach dem zwischen dem Bürgermeister Torfe und Capitain Cleveland abgeschlossenen Vertrage, Lebensmittel einnehmen sollte. Ebenso war beschlossen, daß der Oberbefehl einem Rath, aus Goffe, dem Bootsmann und Bunce selbst bestehend, anvertraut werden sollte, bis Cleveland wieder im Stande sein würde, denselben zu übernehmen.

Nachdem diese Beschlüsse vorgeschlagen und genehmigt worden waren, lichteten sie die Anker und gingen unter Segel, ohne bei der Batterie auf Widerstand zu treffen, oder von ihr beunruhigt zu werden, was sie in ihrer Lage schon von einer bedeutenden Besorgniß befreite.


 


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