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Dreizehntes Kapitel.

Die Sonne war schon untergegangen, als Halbert Glendinning in seinem Elternhause eintraf. Das Mittagessen wurde zu dieser Jahreszeit um zwölf Uhr und das Abendessen eine Stunde vor Sonnenuntergang eingenommen. Zu erstern war Halbert nicht erschienen, was nichts weiter Ungewöhnliches war, da er oft, wenn er auf Jagd war oder sich sonst umhertrieb, das Essen versäumte, und wenn seine Mutter sich auch Sorgen machte, so war sie es doch so sehr gewöhnt, ihn nicht bei Tische zu sehen, daß sie ihm nur einen gelinden Verweis erteilte, wenn er zu spät nach Hause kam.

Jetzt war aber Frau Glendinning ärgerlicher als gewöhnlich, und zwar nicht bloß wegen der verschiedenen Hammel- und andern Braten, die für die Tafel bestimmt waren, sondern auch, weil eine so wichtige Person wie Müller Hob, denn so hieß der Mann in der allgemeinen Redeweise, wenn auch sein eigentlicher Name Happer war, sich in Glendearg eingefunden hatte.

Was den Müller zu der Reise nach Glendearg veranlaßte, waren mancherlei Gründe, dem Anschein nach kam er freilich nur, um seine Bekannten und guten Freunde im Klostersprengel wieder einmal heimzusuchen und an den Erntefesten in den einzelnen Dorfschaften teilzunehmen, auch wohl um alte Bekanntschaften durch wiederholten Besuch aufzufrischen; in der Hauptsache aber kam er, um nachzusehen, wie die Ernte bei den einzelnen Lehensmännern ausgefallen war, und was sie an Getreide eingefahren hatten, um sich des ihm zukommenden Mahlzinses zu vergewissern.

In allen schottischen Dominien, gleichviel ob sie weltliches oder geistliches Besitztum waren, bildete es nämlich eine Gerechtsame für den Bezirks- oder Sprengelmüller, daß jeder Landwirt des Sprengels oder Bezirks sein Getreide nirgends wo anders als bei ihm mahlen durfte, und dafür hatten wieder diese Sprengel- oder Bezirksmüller eine bedeutende Abgabe, den sogenannten »städtischen Mahlgroschen« an ihre vorgesetzte Behörde zu entrichten. Wer von den Bewohnern eines Bezirks oder Sprengels hiergegen verstieß, verfiel in eine hohe Strafe, wie auch, wenn sie mit ihrem Korn etwa von einem Jahre zum andern hatten warten wollen. Nun lag bei Glendearg, und zwar in einer von Glendearg besser und bequemer zu erreichenden Gegend, die Mühle eines weltlichen Barons, und der Müller war ein sehr freundlicher Mann, der auch einen geringern Mahlgroschen nahm als der Klostermüller, und so war es für den Meister Hob eine Pflicht der Selbsterhaltung, all seine Wachsamkeit aufzubieten, daß sich keiner der Klostervasallen einfallen ließ, mit seinem Korn in jene andre Mühle zu gehen.

Als das beste Mittel, sich hierin vor Schaden zu bewahren, war ihm bisher die Pflege guter Kameradschaft und nachbarlicher Freundschaft erschienen, und unter diesem Deckmantel hielt er nun in jedem Jahre seinen Kreuzzug durch die Klosterherrschaft, zählte jeden Kornhaufen und berechnete seinen Inhalt auf die Metze, so daß es ihm ein leichtes war, festzustellen, ob alles Korn aus dem Sprengel zu ihm in die Mühle gebracht worden war oder nicht.

Gleich den andern Lehnsleuten im Sprengel mußte auch Frau Glendinning diese Besuche als Höflichkeitsbeweise gelten lassen, indessen waren sie seit dem Tode ihres Mannes nicht wieder vorgekommen, wohl weil ihr Gut gar so weit und ungünstig für solchen Besuch gelegen war, und weil nur wenig Ackerfeld dazu gehörte. In diesem Jahre hatte man jedoch auf den Rat des Schäfers Martin hin ein paar Scheffel Korn in das sogenannte »Ausfeld« gesät und hatte bei der milden Witterung in diesem Jahre eine ganz leidliche Ernte erzielt. Und dieser Umstand mochte wohl den Müller veranlaßt haben, sich wieder einmal in Glendearg sehen zu lassen.

Frau Elspath hieß den Gast heute herzlich bei sich willkommen, während sie sich sonst wohl nur geduldig drein gefunden hätte. Diese andre Gemütsbeschaffenheit der Frau Glendinning hatte ihren Grund, wenn auch nicht allein, so doch zumeist in dem Umstande, daß der Müller seine Tochter Mysie mitgebracht, von der sie dem Unterprior wohl seinerzeit erzählt, deren Gesicht sie ihm aber nicht hatte beschreiben können.

Bisher hatte sich die Witwe um das Mädchen wohl kaum gekümmert, aber die Erkundigungen, die der Unterprior unter der Hand, und mit solchem Eifer anstellte, hatten ihr die Müllerstochter in den Kopf gesetzt. Hin und wieder, wenn auch nur allmählich, hatte sie wohl die Rede auf sie gebracht; sie hatte aber durch all diese Weisen nichts weiter erfahren können, als daß die Mysie eine schwarzäugige Dirne sei mit ein Paar Wangen, rot wie Kirschen, und einer Haut, so weiß wie das feingesiebte Mehl, aus dem sich der Klosterabt seine Frühsemmeln backen ließ; daß sie von Gemütsart das lustigste, munterste Ding sei, und vom hellen Morgen bis in den späten Abend singe und lache; was aber bei ihr noch ein gar gewichtiges Wort mitspräche, sei das hübsche Erbe, worauf sie einmal rechnen dürfe, und das sich nicht allein auf ein reiches Stück Bargeld erstrecken werde, das der Müller, wie es bei den Leuten hieß, mit »seinem Golddaumen« zusammengescharrt habe, sondern auch auf ein tüchtiges Stück Ackerboden mit Jagdgerechtsame und auf die einträgliche Klostermühle, die für einen mäßigen Pachtgroschen, wenn man rechtzeitig beim Unterprior darum einkäme, auch auf einen Schwiegersohn des Müllers übergehen dürfe.

Frau Glendinning hatte sich all diese Punkte reiflich überdacht und war hierdurch auf den Gedanken gekommen, daß es für ihren Sohn Halbert weit gescheiter sei, sich einmal um des Müllers Mysie zu bemühen und in die Mühle einzuheiraten als sich von dem gefahrvollen und immer uneinträglicheren Grenzreiterleben zu ernähren.

So war ihr der Müller ein recht willkommner Gast, und Müllers Mysie mit den frischen Wangen und dem üppigen schwarzen Haar entsprach dem Ideal eines Mädchens, wie es Frau Glendinning sich auszumalen liebte, so vollständig, daß sie sie schnell in ihr Herz geschlossen hatte; und kaum eine halbe Stunde war sie bei Glendinnings im Hause, so erschien es der Witwe schon so gut wie ausgemacht, daß für ihren Halbert Müllers Mysie die rechte Frau sein werde. Freilich kam es ihr ja so vor, wie wenn Mysie sich ebenso gern im Tanz um einen Maienbaum drehen, wie eine Hauswirtschaft führen möchte, aber schließlich war es doch seit jeher nicht anders, als daß ein Müller ein handfester Mann und eine Müllerin ein lustiges Weiblein sein müsse, und sollte es schließlich mal im Haushalte nicht so recht zusammenklappen, so könne ja doch die Mutter des Müllers mit zugreifen, usw.

»Ich will den jungen Leuten ganz gern mit wirtschaften helfen, denn bei mir im Turm ists doch gar zu einsam geworden,« dachte Frau Glendinning so bei sich, »und dann ist mir auf meine alten Tage auch die Nähe der Kirche recht tröstlich. Ueber das Turmleben mag sich Edward mit seinem Bruder vergleichen, ist er doch der Liebling des Unterpriors; und mag er dann, wie sein braver Vater, weiter im Turm hausen. Wer weiß denn, warum die Mary Avenel, so hoher Abkunft sie auch ist, sich immer so in die Kaminecke setzt? Freilich, arm ist sie wie eine Kirchenmaus, aber soviel Schönheit und Anmut und Verstand ist mir, so alt ich bin, noch nicht vor die Augen gekommen, und ich kenne doch alle Dirnen im Sprengel mitsamt ihren Müttern ... ja, sie ist eine gar schmucke Dirne, und wenn ihr ihr Onkel auch ihr Gut noch vorenthält, wer weiß, ob nicht auch einmal ein befiederter Schaft den Weg durch seinen Panzer findet, wie es, leider Gottes, doch soviel bessern Männern auch ergangen ist. Und wollten sie mit ihrem Stammbaum und ihrer Vornehmheit gar zu hoch hinaus, dann könnte Edward doch recht gut sagen: Wer war ihr denn der beste Freund, als sie bei Nacht und Nebel ins Tal hinunterkam, auf der jämmerlichsten Schindmähre, wie es je eine gegeben? Und sollten sie ihm Bauernblut vorwerfen, so kann ja Edward ganz gut sagen, abgesehen von dem alten Sprichwort: Wer adlig tut, hat adlig Blut, daß von Glendinning und Brydone kein Bauernblut herkommt, denn ...«

Hier wurde Frau Glendinning durch die rauhe Stimme des Müllers aus ihren Gedanken geweckt, und daran erinnert, daß sie den Grund zum Aufbau solcher Luftschlösser, wenn es ihr ernstlich darum zu tun wäre, doch bei dem Müller und seiner Tochter selbst legen müsse, und daß sie dann beide nicht mehr so vernachlässigen dürfe, wie sie es bisher getan hatte, sondern daß sie im Gegenteil um ihre Gunst und ihr Wohlwollen werben müsse. Und da wurde sie sich mit einem Male bewußt, daß sie die beiden Leutchen in ihren Reisekleidern hatte sitzen lassen, was doch ganz den Eindruck bei ihnen erwecken mußte, als wenn sie sie am liebsten so schnell wie möglich wieder ziehen sähe, und das war ihr passiert einzig und allein, weil sie sich gar zu sehr in das Sinnen um die Zukunft ihrer beiden Knaben vertieft hatte. ...

»Und das laßt Euch nun wenigstens sagen, Frau Glendinning,« schloß der Müller seine Rede, deren Sinn der Witwe völlig verloren gegangen war, weil sie sie tatsächlich so gut wie gar nicht gehört hatte, »da Euch Eure Wirtschaft den Kopf gar zu dick macht, so will ich mit meiner Mysie zum Haus Broxmouth hinreiten, der uns freundlichst eingeladen hat, für heute sein Gast zu sein.«

Frau Espath wurde hierdurch so rauh aus ihren Träumen von Heirat und Hausstand und Müllergerechtsame gerissen, daß es ihr eine Weile zu Mute war, wie dem Milchmädchen in der Fabel, als es mit all seinem Sinnieren und Träumen den Topf zerschlagen hatte. Anstatt sich aber, so weit es anging, wegen ihrer Geistesabwesenheit und Zerstreutheit bei ihrem Gast und seinem Töchterchen zu rechtfertigen, schien sie es für klüger zu erachten, auf solche Weise, die ihr vielleicht nicht recht bequem war, oder vielleicht etwas zu schwer fallen mochte, zu verzichten, und statt ihrer lieber zur Offensive zu greifen. Sie glich hierin ganz einem geschickten Feldherrn, der es für geraten erachtet, seine Schwäche durch einen kühnen Ausfall zu verbergen.

Das erste war ein kräftiger Ausruf, dann hielt sie dem alten Freunde mit heftigen Vorwürfen seine lieblose Art und Weise gegen sie vor, und wie er nur einen Augenblick an ihrer freundlichen Gesinnung habe zweifeln können, und wie er auf den Gedanken kommen könne, statt den Tag bei ihr zu verleben, sich zu dem alten Broxmouth zu setzen, der alte Turm von Glendearg stände doch heute noch an seiner alten Stelle, und wenn es noch so schlimme Zeit gäbe, Platz für ein paar so alte Freunde sei da doch allemal, usw., und diese Vorwürfe brachte sie mit solchem Ernst vor, daß zu guter Letzt der Müller, der kein Mensch war, alles auf die Goldwage zu legen, und dem im Grunde genommen gar nicht viel daran lag, sich von Glendearg nach einem andern Nachtquartier auf den Weg zu machen, sich dadurch ebenso irreführen ließ, wie sie sich selbst dadurch irreführte.

Auf all diese Worte der Frau Glendinning begnügte er sich, in der ruhigsten Weise zu erwidern, daß er ja gar nicht habe wissen können, ob die Frau Nachbarin noch Korn für ihn zu mahlen habe? »denn Ihr tatet ja ganz, wie wenn man Euch nicht recht käme; Ihr konntet doch auch daran denken, was ich mit Eurem alten Martin über die letzte Gerstenaussaat gesprochen habe. ... Im übrigen weiß ich freilich, daß Ihr nicht gern was davon hören wollt, einem andern Müller das Mahlgeld und an die Klostermühle den Mahlzwang zu entrichten.«

»Wie Ihr bloß so was reden könnt, Nachbar Hob,« erwiderte Frau Glendinning, »und daß auch der Martin erst über das Mahlrecht hat schwatzen müssen! Dafür will ich ihn schon zurechtsetzen, wies ihm gebührt, darauf könnt Ihr Euch verlassen, so wahr ich eine rechtschaffne Wirtschafterin bin und eine ehrsame Witfrau. Und wieviel eine Frau, wenn sie so allein steht wie ich, mit dem Gesinde zu schaffen hat, das ist Euch doch gewiß nicht fremd.«

»Ihr müßt nur,« sagte der Müller, indem er seinen breiten Gurt aufschnallte, der ihm den Mantel zusammenhielt und worin auch ein breiter Dolch steckte, »Ihr müßt nur nicht böse sein auf den Martin, Frau Elspath, denn ich bin ihm auch nicht gram. Aber meine Pflicht und Schuldigkeit ists halt, auf den Gefällsgroschen zu sehen, der mir ja von Rechts wegen zusteht, und für den ich doch eine gehörige Pacht abzuführen hab, und im übrigen heißts bei mir, wie bei andern Müllern auch:

Ich mahle mein Mehl, wenn der Wind weht,
Und küsse mein Weib, wenn der Hahn kräht,
Und hole den Zins, der im Buch steht,
Und lasse Gott walten, wenns schief geht.«

Dieses Liedchen vor sich her trällernd, hing der Müller ohne Umstände seinen weiten Mantel an ein mächtiges Hirschgeweih, das die nackte Turmwand schmückte, und gleichzeitig den Kleiderrechen vertrat.

Unterdes half die Witwe dem Mädchen, das sie sich zur Schwiegertochter erkoren, beim Ablegen von Hut, Mantel und der andern Reisekleidung, und nun stand Mysie da, wie es sich für die flinke Müllerstochter geziemte, lachend und blühend, im schlohweißen Mieder, das mit grünen Schnüren und Fransen besetzt, auch mit Goldfäden durchwirkt war. Frau Glendinning warf einen schüchternen Blick auf das unverhüllte Mädchengesicht, das von pechschwarzem Haar umwallt war, das von einer grünseidnen, mit Silber durchwirkten Schleife, die prächtig mit dem Mieder harmonierte, im Knoten gehalten wurde. Die ganze Erscheinung, die das Mädchen bot, war liebreizend im höchsten Maße, ihr Auge war dunkel und groß und hatte einen schalkhaften Ausdruck, ihr Mund war kaum größer als ein schottischer Marientaler, ihre Lippen waren lieblich geschwungen, wenn auch etwas voll, dazwischen blitzten wunderweise Zähne in tadelloser Doppelreihe, und am Kinne zeigte sich ein allerliebstes Grübchen. Die Gestalt, die zu diesem fröhlichen Gesicht gehörte, war rund und voll und fest und schön; sie schien zwar darauf hinzudeuten, daß sie mit den Jahren leicht übervoll werden könne, ein Fehler, dem die Schönheiten Schottlands gern verfallen, aber in ihrem sechzehnten Lebensjahre hatte Müllers Mysie so ganz die Gestalt einer richtigen Hebe, wie wir sie uns nach den Statuen, das altklassischen Griechenlands vorzustellen lieben. Und bei all ihrer Voreingenommenheit als Mutter mußte sich die schüchterne Frau Glendinning doch sagen, daß sich für solch schmuckes Ding leicht wohl ein bessrer Mann finden möchte als ihr Halbert. Ein gewisser Zug in ihrem Gesichte schien auf einen etwas losen Sinn zu deuten, und ihr Halbert zählte noch keine neunzehn Jahre, also eilte es bei ihm ja noch nicht mit der Einrichtung eines eignen Hausstandes, aber das blieb für die brave Frau immer der Kernpunkt der Sache, und eine bessre Gelegenheit, sich damit zu befassen, konnte ja eigentlich sich gar nicht wieder finden.

Sie überbot sich nun in vermeintlicher Schlauheit in allerhand Lobreden über ihren liebreizenden Gast, und Müllers Mysie hörte ihr auch während der ersten fünf Minuten unter Erröten ganz vergnügt zu, aber als darüber noch weitere fünf Minuten verstrichen waren, da schien es sie eher lustig als eitel zu stimmen, und endlich wurde es auch der Müller satt, die Tochter gar so herausgestrichen zu sehen, und er fiel der Witwe mit den Worten in die Rede:

»Na, freilich, eine ganz nette Hexe ist sie ja geworden, und wenn sie mal erst fünf Jahre älter ist, dann wird sie einen Mehlsack tragen können, wie die kräftigste Dirne im Sprengel. Aber ich hab mich schon eine ganze Weile nach Euren beiden Jungen umgeguckt, Frau Elspath; bei uns hört man, Euer Halbert sei ein muntrer Springinsfeld geworden, der in Westmoreland wohl noch mal in hellen Mondnächten von sich reden machen dürfte.«

»Das verhüte der liebe Gott in seiner Gnade, mein liebwerter Nachbar,« sagte Frau Glendinning, und zwar kam ihr der Wunsch so recht aus dem Herzen, denn jede Anspielung auf solche Wahrscheinlichkeit, ihren Halbert betreffend, schnitt ihr wie ein Messer durch die Seele; aber aus Furcht, nach dieser Seite vielleicht zuviel Besorgnis gezeigt zu haben, setzte sie flugs hinzu, »daß sie seit dem letzten so schweren Schlage bei Pinkie-Cleuch immer am ganzen Leibe zittre, wenn sie von Speer und Büchse und Kampf und Krieg sprechen höre; indessen schienen ja bis jetzt ihre beiden Söhne, dem Himmel sei Dank, als ehrsame, friedfertige Klostervasallen leben zu wollen, wie ja ihr Vater es auch getan hätte bis zu jener schrecklichen Schlacht, aus der er mit soviel andern wackern Männern nicht wieder heimgekehrt wäre.«

»Davon braucht Ihr mir nichts zu erzählen,« sagte der Müller, »bin ich ja doch auch mit dabei gewesen! und ein doppeltes Paar Beine, das nicht einmal mir gehörte, sondern meinem Gaule, hat mir damals besser gedient als ein Paar Fäuste. Ich hatt mir schon zurechtgelegt, wie es wohl herginge, wenn unsre Leute ausreißen müßten; und wie dann die Hatz losging über Stock und Stein, da hab ich meinem Gaul derb die Sporen in die Weichen gedrückt und mich, so lang es noch Zeit dazu war, auf und davon gemacht.«

»Das muß man sagen, Nachbar,« versetzte die Witwe, »Ihr habts gescheit gemacht! Wenn mein Simon auch so klug gewesen wäre, wie Ihr, dann könnt er heut auch davon erzählen; aber seine gute Herkunft und hohe Verwandtschaft hat ihm halt den Kopf verdreht, und da hat er gedacht, sein guter Ruf täts erfordern, daß er bis zuletzt mit standhielte, mit all den Junkern und Earls und Baronen, die keine Weiber daheim hatten, oder die sich nichts draus machten, wenn ihre Weiber frühzeitig die Witwenhaube aufsetzen mußten ... Aber das ist doch nichts für unsersgleichen! Na, bei meinem Halbert hats, denk ich, keine Not, denn gerät er einmal in die Patsche, so hat er ja die flinksten Beine im ganzen Sprengel, und kann mit Eurem Gaul ganz gewiß um die Wette rennen.«

»So?« meinte der Müller, »kann er das?« Dann sagte er zu der Witwe, auf den eben eintretenden Edward zeigend, »ist er das?«

»Nein, das ist ja mein Edward,« sagte die Witwe, »der jüngre von beiden, der kann lesen und schreiben, so gut wie Unser Lord-Abt selber, wenns nicht sündhaft wär und vermessen, so etwas zu behaupten.«

»So, so,« meinte der Müller, »also der junge Gelehrte, auf den der Abt so große Stücke hält? Die Leute im Dorf reden, der Junge würde es noch einmal weit bringen im Leben, am Ende gar selber mal zum Unterprior! Und warum nicht? der erste lecke Kahn, der ans Land gekommen, wär er doch auch nicht!«

»Um einmal Prior zu werden, Herr Nachbar,« erwiderte Edward, »muß man doch erst Klosterbruder und Priester werden, und dazu wohnt mir, wie mich bedünkt, die richtige Neigung nicht inne.«

»Er wird sich mal hinter den Pflug stellen, Nachbar Müller,« meinte die Witwe, »und das erwart ich von meinem Halbert auch, ganz bestimmt. Ach, ich wünschte, Ihr sähet einmal meinen Halbert. ... Sag doch, Edward, wo steckt denn Dein Bruder?«

»Auf der Jagd wird er wohl sein,« antwortete Edward, »wenigstens ist er heut morgen zum Laird von Huntershope und seinen Hunden gelaufen. Den ganzen Tag hab ich die Köter im Walde bellen hören.«

»Das wär Musik für meine Ohren gewesen,« meinte der Müller, »und mir wärs auf ein paar Meilen Umweg gewiß nicht angekommen!«

»Nun, wenn Ihr ein Freund von der Jagd seid,« meinte Frau Glendinning, »dann wird Euch der Halbert schon gefallen! Er weiß all die Ausdrücke für Falkenbeize und hohe und niedre Jagd, ganz ebenso gut wie der Wildmeister von unserm Abt, der Tom mit dem grünen Zweige.«

»Kommt er denn nicht zum Essen heim, Frau?« fragte der Müller, »bei uns in Kennaghueir wird um zwölf Uhr zu Mittag gegessen.«

Daraufhin mußte die Witwe freilich bekennen, daß Halbert zu dieser Hauptmahlzeit des Tages in der Regel abwesend zu sein pflege, worüber der Müller den Kopf schüttelte und sagte, da hielte es Halbert wohl, wie das Sprichwort von Mac Farlanes Gänsen sage, »die lieber spielen als fressen.«

Damit aber der Müller nicht noch verdrießlicher über Halbert werden sollte, ließ Frau Glendinning schnell Mary Avenel kommen, damit sie sich mit Mysie Happer unterhalte. Dann eilte sie selbst in die Küche und fing an, mit Tellern und Schüsseln herum zu wirtschaften, Töpfe vom Feuer zu reißen, Pfannen und Roste darauf zu stellen und einen Befehl über den andern hervorzupoltern, bis schließlich der guten Tibb die Geduld riß.

»So ein Aufstand,« rief sie, »weil ein alter Mehlsack mitessen will. Das ist ja grad, als wär ein schottischer Häuptling zu Gaste.«


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