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Zweites Kapitel.

Wir sagten im vorigen Kapitel, daß die meisten Pächter oder Lehensleute in dem zu ihrem Stadtgebiete gehörigen Bezirke ihre Wohnstätte hatten. Das war jedoch nicht immer der Fall, und der einsame Turm, in den wir unsre Leser jetzt führen werden, bildete zum wenigsten eine feste Ausnahme von der sonstigen Gepflogenheit.

Es war ein kleines Gebäude, aber noch immer größer, als die sonst in diesen Dörfern befindlichen, und dem Anschein nach darauf eingerichtet, daß sich der Eigentümer im Falle eines Angriffs auf die eigene Tapferkeit verlassen müsse. Ein paar ärmliche Hütten am Fuße der »Burg« dienten den Pachtleuten oder Hörigen des Vasallen als Aufenthalt. Die Lage der »Burg« war romantisch: sie erhob sich auf einem bewaldeten Hügel, der nach Süden zu in eine wilde Schlucht vorsprang, während auf der andern Seite sich ein Bach um sie herumzog, der die ihr von Natur verliehene Sicherheit wesentlich erhöhte.

Die größte Sicherheit aber verlieh der kleinen Feste, die den Namen Glendearg führte, ihre versteckte Lage. Wer zu ihr gelangen wollte, mußte sich ein paar Stunden auf mühsamem Pfade durch das vielfach verschlungene Tal hindurcharbeiten und wohl an die zwanzig Mal über den Bach setzen, der sich durch die engen Gründe wand und alle hundert Schritte durch neue Felsschiebungen in ein andres Bett hineingezwängt wurde, um dann über Schroffen und Schrägen hernieder zu schießen. Jäh stiegen zu beiden Seiten des Tales die Felswände empor und hielten den Bach gefangen. Für Reiter war jede Passage hier ein Ding der Unmöglichkeit; nur auf Fußpfaden war es möglich, hier vorwärts zu kommen, und so schien niemand zu vermuten, daß man auf solch beschwerlichen Wegen anderswohin als zur Hütte eines Hirten gelangen werde.

Aber so einsam und beschwerlich auch das schmale Tal zu sein schien und so unfruchtbar es sein mochte, so entbehrte es anderseits doch manches Reizes nicht. Am Ufer des Baches, auf den kleinen schmalen Rändern wuchs Gras so dicht und grün, daß an die hundert Gärtner vierzehn Tage hätten mähen können und wohl kaum damit zustande gekommen wären. Der Gießbach, der bald zwischen engen Wänden sich wand, bald unbehindert durch das Tal hinschoß, führte seine Fluten sorglos dem hellen Teiche zu. Die Berge stiegen über dem Tale auf und wiesen ihm das graue Felsgestein, von der vor Menschengedenken reißende Gewässer alles Grün hinweggewaschen hatten, aber stellenweise blinkten noch immer einzelne Baumgruppen und mageres Gebüsch herunter von den Höhen, das dem Zahne der Herden, dem Messer der Lehnsleute entgangen war und der Gegend Schönheit und Mannigfaltigkeit zugleich verlieh. Aeußerst reich war die Waldflora im Tale, Eichen und Birken, Eschen und Erlen, Schwarzdorn und Espen einten sich mit dem purpurnen Schimmer der mit Heidekraut bewachsenen Spitzen zu einem buntfarbigen Bilde ohnegleichen, das zu dem tiefern Grün und zu der samtnen Weiche des Rasens am Höhenfuße und in den Talgründen in anziehendem Gegensatze stand.

Aber trotz all dieser Schönheiten ließ sich die Gegend weder als erhaben noch auch nur als malerisch bezeichnen. Die seltsame Einsamkeit, die hier herrschte, bedrückte das Herz, und der Wanderer fühlte sich unsicher, wohin er die Schritte lenken solle und wo der unwegsame Pfad sein Ende finden werde. Dadurch wird die Phantasie wohl immer stärker angeregt als durch große Szenerien, bei denen sich genau berechnen läßt, wie weit ein Gasthaus noch entfernt ist, in welchem wir wissen, daß wir den Mittagstisch gedeckt finden oder eines bequemen Nachtquartiers uns versichert halten dürfen. Indessen sind dies alles Gesichtspunkte einer spätern Zeit, denn in derjenigen, von welcher wir sprechen, wußte man weder etwas von malerischer Natur noch von den Bequemlichkeiten eines Gasthofs. Für sie war diese Gegend schätzenswert aus andern, dem Geist ihres Zeitalters angemessenen Gesichtspunkten. Der Name des »roten Tales«, den sie trug, war nicht bloß herzuleiten von der Purpurfarbe des Heidekrauts auf ihren Höhen, sondern auch von dem dunkleren Rot der Felsen und Erdmassen, die in dieser Gegend unter dem Namen »Scaurs« bekannt sind. Auf der Höhe von Ettrick liegt ein ähnliches Tal, das aus ähnlichen Ursachen den gleichen Namen führt, und wahrscheinlich hat es solcher Täler mehrere in Schottland gegeben.

Da Glendearg, mit dem wir uns hier zu befassen haben, keinen übermäßigen Zuwachs von sterblichen Gästen erhielt, so bevölkerte es der Aberglaube zum Ersatze hierfür mit Bewohnern einer andern Welt, für die seine einsamen Klüfte ohne Zweifel einen vorzüglichen Zufluchtsort boten. Das »braune Männchen«, wohl der echte Abkömmling der Zwerge des Nordens, wollte man öfter im Moorgrunde gesehen haben, und zwar ganz besonders nach der herbstlichen Nachtgleiche, wenn sich im dichter werdenden Nebel die Dinge nicht mehr genau unterscheiden lassen. Auch eine »Feenhöhle« kannte man im Tale, in einer abgelegenen rauhen Schlucht, und hier sollten die grillenhaften Geschöpfe, die nur selten dem Menschen wohlwollen, nächtlicherweise ihren Spuk treiben. Geheimnisvolle Schauer lagerten über dem ganzen Tale, durch das man aus dem breitern Tale des Tweed nach der Feste Glendearg gelangte. Jenseits des Hügels, auf dem die Feste stand, wurden die Höhen steiler, um sich stellenweis so dicht an den schmalen Bach heranzudrängen, daß sie kaum Platz für einen schmalen Pfad frei ließen, und hier bildete ein tosender Wasserfall eine Art Talsperre und über ein paar Felsen hinweg stürzten polternd die zu Gischt und Schaum gepeitschten Wassermengen in grausige Tiefe. Unfern von dieser Stelle zog sich ein unwegsamer Morast, scheinbar ohne Grenzen, auf dem nur Wasservögel hausten, und der zwischen den Talbewohnern und den Nachbarn auf der Nordseite eine Art Scheidewand bildete.

Freilich war dieser Morast den Wegelagerern und Freibeutern wohlbekannt, und gar oft suchten sie hier sichre Zuflucht. Oft auch dehnten sie ihre Streifen bis ins Tal hinunter aus und drangen zu der kleinen Feste hinauf, um dort Gastfreundschaft zu begehren, die ihnen auch gewährt wurde, ohne daß jedoch die friedlichen Bewohner aus jener Zurückhaltung heraustraten, die ein europäischer Ansiedler im nördlichen Amerika bezeigen mag, wenn wilde Indianertrupps bei ihm Einkehr halten und um Bewirtung ansprechen, die er mehr aus Furcht denn aus Gastfreundschaft gewährt.

Indessen waren auch in dieser Hinsicht früher andre Anschauungen hier maßgebend gewesen. Der letzte Lehnsmann, Simon Glendinning, rühmte sich, von dem alten Geschlecht der Glendowynne zu stammen, die auf der Westgrenze ihre Sitze gehabt hatten, und wenn er abends am Feuer saß, dann erzählte er gern von den Heldentaten seiner Ahnen, von denen einer bei Ottoburne an der Seite des tapfern Grafen von Douglas gefallen sein sollte. Bei solchem Anlasse hielt dann Simon Glendinning in der Regel ein altes Schlachtschwert auf dem Schoße, das seine Ahnen geführt hatten, lange vorher, ehe einer aus dem alten Geschlecht sich bemüßigt gefunden hatte, bei den Mönchen von Kennaqhueir sich um ein Kirchenlehen zu bewerben. In neueren Zeiten hätte ja Glendinning gemütlich auf seiner Besitzung hausen und mit seinem Schicksale murren können, das ihn hierher verwiesen hatte und ihm nun jede Gelegenheit raubte, sich als Kriegsmann zu verdingen; damals aber fanden sich so viel Anlässe, das murrende Wort durch grimme Tat zu ersetzen, daß sich Simon sogar gezwungen sah, unter den Mauern des Klosterbanns vom Sankt Marien jenen unglückseligen Feldzug mitzumachen, der in der Schlacht von Pinkie ein so schlimmes Ende fand.

In diese Fehde war die katholische Geistlichkeit stark verwickelt, weil man die Heirat der noch unmündigen Maria mit dem Sohn des ketzerischen Heinrich zu verhindern strebte. Zufolgedessen hatten die Abteien ihre sämtlichen Vasallen aufgeboten und einen kriegsgeübten Heerführer gedungen, und viele von ihnen hatten sich selbst Waffen umgegürtet und waren mit einer Fahne ins Feld hinausgerückt, auf der die schottische Kirche unter dem Bilde einer weiblichen Gestalt kniete, mit der Umschrift: » Afflictae sponsae ne oblivisceris.«

Den Schotten tat es aber von je not an besonnenen Führern, denn an Feuer und Ungestüm fehlte es ihnen selber nie. Ihr unbesonnener Mut stürzte sie oft in den Kampf, ohne daß sie Rücksicht auf die eigne und die Stellung des Feindes nahmen, und die unausbleibliche Folge war immer der Verlust einer Schlacht. Aber bei der unheimlichen Schlächterei von Pinkie wollen wir uns nicht aufhalten; es genüge hier bloß die Bemerkung, daß Simon Glendinning an diesem Tage mit zehntausend Rittern und Hörigen den Tod fand und den Ruhm des alten Geschlechts durch diesen Tod nicht verringerte.

Als die traurige Kunde hiervon zum Turme von Glendearg gelangte auf ihrem Schreckenswege durch Schottland, da befand sich Simons Witwe Elspath Brydone in der einsamen Burg allein, ein paar Knechte ausgenommen, die weder zur Arbeit noch zum Kriege mehr taugten, und die hilflosen Witwen und Waisen der Mannen ausgenommen, die im Verein mit ihrem Herrn den Tod gefunden hatten. Der Jammer hielt seinen Einzug, aber was konnte Klagen und Jammern nützen? waren doch die Mönche, ihre Herren und Beschützer, durch die englischen Söldner selbst aus der Abtei vertrieben worden, hatten sich doch die Söldnerscharen überall in den Grenzdistrikten festgesetzt und die Bewohner, wenn auch zumeist nur dem Scheine nach, unter ihr Joch gezwungen. Bei den Trümmern der alten Feste Roxburgh hatte der Protektor Somerset ein festes Lager bezogen und befahl alle Umwohnenden zu sich, um, wie es in seinem Erlasse hieß, gegen Abgabe Sicherheit zu bekommen. Es war wirklich auch alle Kraft zum Widerstande gebrochen worden, und die wenigen Barone, die edelsinnig genug waren, sich auch dem Scheine nach nicht zu unterwerfen, gaben ihre Wohnstätten der Zerstörung preis und flüchteten in die einsamen Burgen im Gebirge, während alle Gegenden, deren Herren sich der Unterwerfung weigerten, von englischen Haufen durchzogen und gebrandschatzt wurden. Der Abt und die Klosterbrüder hatten sich über den Forth hinüber geflüchtet, und ihre Ländereien wurden um so härter mitgenommen, weil man sie für ganz unversöhnliche Feinde der englischen Krone hielt.

Unter den zu solchen Streifen kommandierten Truppenabteilungen kommandierte Stawarth Bolton eine kleine Schar. Er war Hauptmann in englischen Diensten, aber er gehörte zu jenem bessern Teile englischer Hauptleute, die sich durch eine derbe Großmut und ritterlichen Sinn gegen die Besiegten auszeichnen. Als Frau Elspath Brydone ein Dutzend Reiter den Pfad durchs Tal entlang kommen sah und an der Spitze einen Mann gewahrte, dessen Purpurmantel und glänzende Rüstung mit dem wallenden Federbusch auf dem Helme den Anführer kennzeichneten, ersah sie sich keinen bessern Rat, als im langen Trauergewande mit ihren beiden Knaben an der Hand vor die mit eisernen Nägeln beschlagene Pforte zu treten, die Burg in ihrem vereinsamten Zustande zu übergeben und für sich und ihre Knaben um Schonung zu bitten.

»Ich unterwerfe mich, weil ich Widerstand nicht leisten kann,« waren die wenigen Worte, die sie an den englischen Hauptmann richtete.

»Um der gleichen Ursache willen, Frau, nehme ich Eure Unterwerfung nicht an,« erwiderte der englische Hauptmann; »ich begnüge mich mit der Erklärung, daß Ihr Frieden halten wollt, und nach dem Sinn Eurer Worte zu urteilen, ist daran wohl nicht zu zweifeln.«

»So teilt wenigstens mit uns, was an Vorräten noch in der Burg ist,« sagte Elspath Brydone, »denn Eure Rosse sind erschöpft und Eure Mannschaft bedarf der Erquickung.«

»Nein,« erwiderte der Hauptmann, »ich lehne Euer Anerbieten ab, denn es soll von uns englischem Kriegsvolk nicht heißen, daß wir die Witwe eines tapfern Kriegsmanns mit einem Zechgelage belästigt hätten, als sie noch um den Hausvater trauerte. Kameraden! Doch halt!« setzte er hinzu und schwenkte sein Roß herum, »es streifen in allen Richtungen Parteien herum, sie müssen ein Wahrzeichen finden, daß Ihr unter meinem Schutze steht. Komm her, kleiner Gesell,« sagte er zu dem ältesten Knaben, der etwa neun oder zehn Jahre alt sein mochte, »gib mir mal Deine Mütze!«

Der Knabe wurde rot bis hinter die Ohren, zauderte und blickte finster drein, bis es endlich der Mutter gelang, ihm unter Worten freundlicher Zurechtweisung die Mütze aus der Hand zu nehmen. Sie gab sie dem Hauptmann, der das gestickte rote Kreuz aus seinem Barett löste und an die Mütze steckte. Hierauf sagte er zu der Witwe:

»Durch dieses Zeichen, das all den Unsern heilig ist, werdet Ihr gesichert sein vor jedem Ueberfall.«

Dann setzte er dem Knaben die Mütze wieder auf, aber kaum war es geschehen, als der Knabe trotzig, mit wilden Blicken, ehe die Mutter es ihm wehren konnte, die Mütze vom Kopf gerissen und in den Bach geschleudert hatte. Eilends aber kam der andre Knabe herbeigerannt, lief zum Bache hin und sprang der Mütze nach. Es gelang ihm, sie den Fluten zu entreißen, und er brachte sie der Mutter wieder. Vorher aber zog er das Kreuz aus dem Tuche, küßte es mit tiefer Inbrunst und barg es an seiner Brust. Den Engländer befremdete und ergötzte dieser Auftritt, und mit einem Tone, der zwischen Ernst und Scherz schwankte, fragte er den ältern der beiden Knaben:

»Weshalb hast Du das Kreuz weggeworfen?«

»Weil der heilige Georg bloß im Süden was zu suchen hat,« antwortete mürrisch der Knabe.

»Gut,« sagte der Hauptmann, und dann wandte er sich an den jüngern:

»Und was dachtest Du, kleiner Freund, als Du das Kreuz wieder aus dem Wasser holtest?«

»Der Priester sagt, es sei allen Christen ein Zeichen des Heils.«

»Auch gut erklärt,« sagte der Hauptmann. »Wahrlich, liebe Witfrau, um diese beiden Jungen beneide ich Euch. Gehören sie Euch beide?«

Wenn der Hauptmann diese Frage stellte, so hatte er gewiß Grund dazu, denn Halbert Glendinning hatte rabenschwarzes Haar und schwarze, große, stechende Augen, die unter den gleichfarbigen Brauen düster blitzten, und eine dunkelgebräunte Hautfarbe; sein Gesichtsausdruck war freimütig, fest und bestimmt in einem Maße, wie sein Alter kaum hätte erwarten lassen. Der jüngere Brüder hingegen hatte blondes Haar und blaue Augen, eine zartere Gestalt und einen sanftern Gesichtsausdruck, er sah fast bleich aus und auf seinen Wangen leuchtete nicht der rosige Hauch kräftiger Gesundheit. Indessen sah der Knabe durchaus nicht krankhaft aus, auch mangelte ihm nicht das Ebenmaß der Formen; er war im Gegenteil ein hübsches Kind, dessen milder, liebevoller Blick unmittelbar zum Herzen sprach.

Die Mutter blickte erst stolz, dann zärtlich von einem Knaben zum andern, dann antwortete sie dem Hauptmann:

»Freilich, edler Herr! es sind beides meine Jungens!«

»Und vom gleichen Vater?« fragte der Hauptmann weiter; doch als er die Röte bemerkte, die ihre Wangen überflog, setzte er rasch hinzu: »Nein, kränken wollte ich Euch nicht, liebe Frau; aber ich würde meine Gevatterin drüben in Merry Lincoln auch nicht anders fragen. Na, das muß ich sagen, Ihr habt da ein Paar herrliche Buben, und ich wünschte, Ihr könntet mir einen davon überlassen, denn ich könnt gar gut einen gebrauchen, lebe ich doch mit meiner Frau auf unsrer alten Burg ganz kinderlos. Na, wie steht's, Jungens, wer will von Euch beiden mit mir mitkommen?«

Die Mutter erschrak ob solcher Rede und zog mit beiden Händen die Knaben näher zu sich heran, während beide dem Hauptmann ihre Antworten gaben.

»Ich geh nicht mit Euch mit,« sagte Halbert keck, »Ihr seid ein treuloser Mann aus dem Süden, und die Männer aus dem Süden haben meinen Vater erschlagen, aber ich will auf Tod und Leben mit Euch kämpfen und streiten, kann ich erst einmal das Schwert meines Vaters schwingen.«

»Na, Du kleiner Streithammel,« versetzte der Hauptmann, »der schöne Brauch, auf Tod und Leben miteinander zu ringen, wird ja in unsern Tagen noch nicht verschwinden. ... Na, und Du, mein zarter Flachskopf, Du magst auch nicht mit mir mitkommen und auf hübschen Steckenpferdchen spazieren reiten?«

»Nein,« erwiderte Edward stockend, »denn Ihr seid ja ein Ketzer!«

»Ei, das muß ich sagen, liebe Frau,« erwiderte der Hauptmann, »meine Werbung hat bei Euch schlechten Fortgang, und doch beneide ich Euch um die beiden Jungen.« Weder Harnisch noch Koller konnten den tiefen Seufzer verbergen, mit dem er innehielt, dann aber fuhr er fort: »Na, wer weiß, schließlich setzte es bloß Verdruß mit meiner Hausfrau darüber, welcher von beiden ihr der liebste wäre, denn mir gefiele doch der schwarzäugige besser, und sie entschiede sich doch ganz gewiß für den flachsblonden. Na, was hilft's! wir müssen uns mal drein finden, daß wir keine Kinder haben sollen, und müssen das Glück, Kinder zu haben, glücklicheren Menschen lassen als wir sind. ... Sergeant Brittson, Du bleibst hier, bis Du abkommandiert wirst. Beschütze diese Leute, Du bist mir Bürge für sie. Füge ihnen keinerlei Kränkung und Schaden zu, und sorge dafür, daß dies auch von andern nicht geschieht. Ich halte mich an Dich, verstehst Du? ... Liebe Frau, Brittson ist ein verheirateter Mann, alt und verläßlich. Sorgt, daß er pünktlich sein Essen hat. Aber haltet ihn mäßig im Trinken!«

Abermals bot Frau Glendinning dem Hauptmann Erfrischungen an, aber mit unsicherer Stimme und erfüllt von dem stillen Wunsche, daß er es ablehnen möge; denn da sie, nach dem gewöhnlichen Irrtum von Eltern, annahm, dem Hauptmann möchte es ebenso sehr darum gehen, Kinder zu bekommen, wie ihr, sie zu behalten, so fürchtete sie, es möchte ihn am Ende die Freude über die beiden Jungen, der er so derben Ausdruck gegeben, dazu verleiten, ihr einen davon zu nehmen. Sie umklammerte sie deshalb mit beiden Händen, wie wenn sie mit ihrer schwachen Kraft bereit sei, sie zu beschützen, wenn man Gewalt brauchen sollte, und mit sichtlicher Freude sah sie, wie der kleine Trupp umlenkte und sich anschickte, den Talweg hinunter zu ziehen.

»Ich bin Euch nicht böse drum,« sagte Stawarth Bolton, dem ihre Empfindung nicht entging, »daß Ihr mir argwöhnisch nachschaut, wie der englische Falke über Eurer schottischen Sumpfbrut schwebt. Aber macht Euch keine Sorge! wenig Kinder, wenig Sorgen; und ein kluger Mann holt sich Kinder nicht aus fremdem Hause. Gehabt Euch, liebe Witfrau, und wenn Euer schwarzer Musje mal in die Lage kommt, einen Zug nach England zu unternehmen, dann soll er Weiber und Kinder schonen, und soll nicht vergessen, daß es Stawarth Bolton in Schottland auch so gemacht hat.«

»Gott geleit Euch, Ihr edler Mann aus dem Süden!« sagte Elspath Brydone, doch erst, wie er es nicht mehr hören konnte, denn er gab seinem Rosse die Sporen, um an die Spitze des Zuges zu kommen, und langsam verschwanden Helmbusch und Rüstung hinter der Biegung, die das Tal hier machte, in der Ferne.

»Mutter,« sagte der älterer der beiden Knaben, »wenn hier für solchen Kerl aus dem Süden gebetet wird, dann sag ich nicht Amen dazu.«

»Mutter,« sagte der andere in ehrerbietigerer Weise, »darf man auch für einen Ketzer beten?«

»Darauf kann Gott allein Antwort geben, zu dem ich bete und flehe,« antwortete in schwerer Bedrängnis ob dieser beiden Reden aus Kindermund Witwe Elspath, »aber die beiden Worte: Süden und Ketzer, haben Schottland zehntausend seiner tapfersten und rüstigsten Männer gekostet, haben Euch den Vater und mir den Gatten geraubt, und ich mag die beiden Worte nicht mehr hören, weder als Segnung noch als Verwünschung. Geht mit mir in den Turm, Sergeant Brittson!« sagte sie zu dem Soldaten. »Was wir unser nennen, steht Euch zu Diensten.«


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