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Neuntes Kapitel.

Die Gesellen oder Knappen von Großgrundbesitzern oder Häuptlingen hießen in Schottland »Eisenwämser«, weil sie als Rüstungen Wämser mit Stahlfütterung trugen. Diese Söldner benahmen sich gegen erwerbtreibende Leute aus dem Volke mit der größten Rücksichtslosigkeit und fanden sich stets dazu bereit, die gesetzwidrigsten Befehle ihrer Gebieter auszuführen. Christie von Clinthill war ein solcher Kumpan und an den eisernen Platten auf seinen Schultern, den verrosteten Sporen und dem verrosteten Speer zu erkennen. An seiner eisernen Sturmhaube, die nicht allzu blank geputzt war, trug er als Kennzeichen einen Zweig der Stechpalme – das Insignium des Hauses Avenel. An der Hüfte hing ein zweischneidiges Schwert mit eichnem Griff. Sein Roß war jämmerlich abgemagert, er selber sah hager und wild aus, was auf eine nur geringe Ergiebigkeit seines Handwerks zu deuten schien.

Er begrüßte Frau Glendinning nicht allzu höflich, und den Mönch noch unhöflicher, denn die wachsende Geringschätzung mönchischer Orden mußte vor allem in den Kreisen solcher verwilderten Menschen Platz greifen.

»So? also ist unsre Edelfrau tot,« sagte der Knappe, »mein Herr schickt Euch eben einen fetten Ochsen, – der kann nun zu ihrem Leichenmahl dienen – ich habe ihn oben in der Schlucht gelassen – er ist mit Brandzeichen versehen, aber je eher die Haut an ihm herunter ist und er im Pökel liegt, desto weniger Schererei habt Ihr mit dem Vieh. Ihr versteht schon, wie ich das meine. Und nun gebt mir Hafer für meinen Gaul und Fleisch und Bier für mich. Denn ich muß noch ins Kloster – doch den Ritt könnte ich mir ersparen, der Mönch hier wird meine Botschaft ausrichten.«

»Deine Botschaft, unverschämter Patron,« sagte der Unterprior und runzelte die Stirn.

Die arme Frau Glendinning befürchtete, es möchte zwischen den beiden Männern zum Streit kommen.

»Du liebe Güte, Christie,« sagte sie, »das ist ja der Herr Unterprior – Hochwürdiger Herr, das ist der Christie von Clinthill, der Führer von den Eisenwämsern des Lairds, und Ihr wißt ja, von diesen Leuten kann man wenig Anstand erwarten.«

»Ihr seid ein Söldner des Lairds von Avenel,« wandte der Mönch sich an den Reitersmann, »und führt eine so große Sprache gegen einen Bruder des Klosters unsrer lieben Frauen, dem doch Euer Herr so sehr verpflichtet ist.«

»Er hegt die Meinung, Euerm Kloster in noch höherm Maße verpflichtet zu werden,« antwortete der Eisenwams. »Da er vernahm, daß seine Schwägerin, die Witwe Walters von Avenel, auf dem Totenbette liege, so hat er mich zu dem Herrn Abt und den Brüdern gesandt mit der Botschaft, daß er willens sei, das Leichenmahl in ihrem Kloster abzuhalten und mit etwa zwanzig Pferden und einigen Freunden auf drei Tage und drei Nächte Quartier zu nehmen. Er erwarte, daß Ihr die Pferde umsonst füttern und die Leute umsonst bewirten werdet. Aus diesem Grunde melde er diese seine Absicht schon jetzt an, damit Ihr Zeit genug habt, Euch darauf einzurichten.«

»Das denke nicht, Freund,« versetzte der Unterprior, »daß ich dem Abt eine Botschaft überbrächte, die ihn so tief kränken muß. Meinst Du, die Güter der Kirche seien nur dazu da, von ruchlosen Laien vergeudet zu werden, die mehr Gesellen in ihrem Dienste halten, als sie auf ehrliche Weise besolden können? Entbiete Deinem Herrn von dem Unterprior des Klosters unsrer lieben Frauen, daß wir vom Primas Befehl erhalten hätten, uns dergleichen gewaltsame Erpressungen des Gastrechts nicht länger gefallen zu lassen. Unsre Güter und unser Vermögen sind bestimmt, Pilger und notleidende Jünger zu unterstützen, und nicht für rohe Kriegerhaufen Gelage auszurichten.«

»Mir das?« versetzte der grobe Eisenwams. »Mir und meinem Herrn das? So paßt denn auf, Herr Unterprior, ob Ihr mit Euren Aves und Credos die Ochsen in den Ställen zurückhalten und die Scheunen vorm Feuer werdet schützen können!«

»Bedrohst Du das Gebiet der heiligen Kirche mit Raub und Brand?« entgegnete der Unterprior. »Ich rufe alle, die die Worte dieses Räubers gehört haben, zum Zeugen wider ihn! Bedenke wohl, Lord James hat zwanzig solcher Gesellen wie Du im schwarzen Teich bei Jeddart ersäufen lassen. – Bei ihm und beim Primas will ich Klage erheben!«

Der Kriegsmann antwortete nicht, sondern drehte seinen Speer herum und zielte damit auf den Mönch.

Frau Glendinning begann um Hilfe zu schreien.

»Tibb Tacket! Martin! wo seid Ihr alle? – Christie, um Himmelswillen! bedenkt doch, er ist ein Diener der heiligen Kirche!«

»Ich fürchte mich nicht vor seiner Waffe,« sagte der Unterprior. »Wenn ich erschlagen werde, während ich die Rechte und Privilegien meines Stifts verteidige, so wird der Primas wissen, wie er dafür Rache zu nehmen hat.«

»Der mag sich selber schützen,« entgegnete Christie, aber er lehnte doch seinen Speer gegen die Mauer. »Er ist in Fehde mit dem Normannen Lestie, und der wird ihm schon zu schaffen machen, denn Lestie ist ein wahrer Bluthund, der sich festbeißt. Aber es war nicht mein Wille,« setzte er hinzu, »den heiligen Vater zu beleidigen. Ich bin ein rauher Mann und zu Speer und Steigbügel erzogen. Da verstehe ich nicht, mit Priestern und Schriftgelehrten zu verkehren. Wenn ich etwas Ungehöriges gesagt habe, so will ich gern den heiligen Vater um Verzeihung und um seinen Segen bitten.«

»Um Gotteswillen, Ehrwürden,« flüsterte die Witwe von Glendearg dem Unterprior zu, »gewährt ihm Verzeihung! – wie sollen wir armen Leute in den dunklen Nächten ruhig schlafen, wenn die Kirche mit solchen Kerlen wie dem da in Zwist lebt?«

»Ihr habt recht, liebe Frau,« sagte der Unterprior. »Eure Sicherheit muß uns zuerst am Herzen liegen. – Kriegsmann, ich verzeihe Dir, Gott segne Dich und mache Dich zu einem ehrlichen Manne.«

Christie neigte unwillig den Kopf ein wenig, wobei er vor sich hinbrummte: »Das will gerade soviel besagen wie: Gott möge Dich verhungern lassen. – Und nun, Herr Priester, was soll ich meinem Herrn für Bescheid auf seine Botschaft bringen?«

»Daß die Leiche der Witwe Walters von Avenel, wie es ihrem Stande zukommt, in der Gruft neben ihrem tapfern Gatten beigesetzt werden soll. Was den beabsichtigten Besuch Eures Herrn mit Gefolge anbelangt, darüber zu entscheiden, bin ich nicht befugt – diese Botschaft Eures Herrn müßt Ihr dem hochwürdigen Herrn Abt selber vortragen.«

»So muß ich eben hinreiten,« sagte der Krieger, »aber es läßt sich heute noch abmachen.«

Während Frau Elspath dem Söldner das Mahl zurichtete, war der Unterprior bemüht, sich in den Besitz des Buches zu setzen, das der Sakristan am verflossenen Abend mitgenommen hatte und das auf so seltsame Weise in den Turm von Glendearg zurückgelangt war.

Edward, der jüngere von den Knaben der Frau Glendinning, war nicht damit einverstanden, das Buch herzugeben, und Mary hätte ihm hierin wahrscheinlich beigestimmt, wenn sie nicht in ihrem Schlafgemach gewesen wäre, wo Tibb sich alle Mühe gab, sie über den Verlust ihrer Mutter zu trösten. Allein der jüngere Glendinning nahm ihre Eigentumsrechte mit einer Entschiedenheit wahr, die sonst nicht seiner Gemütsart entsprach, und erklärte, nach dem Tode der Mutter gehöre dieses Buch nur der Mary, und sie allein solle es behalten. Erst nach vieler Mühe gelang es dem Unterprior, den Knaben zur Herausgabe des Buches zu bewegen. Um nun nach dem Kloster zurückzukehren, ohne noch einmal dem wilden Kriegsmanne zu begegnen, stieg der Unterprior auf sein Maultier und trat den Heimweg an.

Er hatte sich im Turme aber doch länger aufgehalten, als eigentlich seine Absicht gewesen war, und so neigte der Novembertag sich schon seinem Ende zu, als er die Rückkehr antrat. Ein unheimlicher Ostwind heulte in den verwelkten Blättern und warf sie in Schauern auf den Boden.

Während der Priester nachdenklich dahinritt, weckte ihn das Getrappel eines hinter ihm herkommenden Pferdes aus seinen Gedanken, und er erblickte denselben wilden Kriegsmann, den er im Turme zurückgelassen hatte.

»Guten Abend, mein Sohn! Segne Dich Gott!« sagte der Mönch.

Aber der rohe Söldner dankte kaum durch ein flüchtiges Kopfnicken für den Gruß, gab seinem Pferde die Sporen und hatte binnen kurzem den Mönch und sein Maultier ein gutes Stück hinter sich gelassen.

»Dieses Gesindel,« dachte Vater Eustachius bei sich, »ist eine Landplage. Die Freiherrn von Schottland sind zurzeit die abgefeimtesten Diebe und Bösewichter. Ich fürchte, mit meinem Rat, diesen Landstreichern Widerstand zu bieten, komme ich beim Abt zu spät, aber ich muß mich beeilen.«

Er trieb sein Maultier an, aber das Tier scheute plötzlich, und so sehr sich der Reiter auch anstrengte, es war nicht mehr vom Flecke zu bringen.

Gleichzeitig begann eine Stimme, die wie die Stimme eines Weibes klang, dicht neben ihm zu singen:

Guten Abend, Herr Priester, im nächt'gen Gefild –
Du reitest so schön in den Mantel gehüllt.
Doch ob auf dem Berg, ob im Tal du magst reiten –
's ist jemand befugt, Dir zur Seite zu schreiten.

Das schwarze Buch gib mir zurück Im Augenblick!
Es ist mir betraut, und ich bring es zurück!

Der Unterprior sah sich um, aber es war weder ein Gebüsch noch ein Gestrüpp in der Nähe, wo eine Sängerin sich hätte verstecken können.

»Unsre liebe Frau möge mich beschützen!« sagte Vater Eustachius. »Ich hoffe, ich werde nicht den Verstand verlieren, aber es ist nicht gut möglich, daß meine Gedanken sich von selber zu Reimen zusammenfügen, die ich doch so sehr verachte, und zu Musik, von der ich nichts halte; oder wie sollte der Klang einer Frauenstimme, deren Wohllaut so lange Zeit keinen Reiz auf mich gehabt hat, meinem Begriffsvermögen ein Schnippchen schlagen, und sollte die Vision des Vaters Philipp auch an mir sich vollziehen? – Hollah, mein Maultier, zieh eiligst von dannen, so lange wir noch Herren unsrer Sinne sind.«

Aber das Maultier stand wie angewurzelt und wollte nicht von der Stelle, es legte die Ohren zurück, die Augen traten ihm fast aus den Höhlen und es verriet alle Anzeichen eines heftigen Entsetzens.

Während der Unterprior mit Drohen und Bitten das verhexte Tier dazu zwingen wollte, seine Pflicht zu tun, erklang abermals dicht neben ihm die sonderbar wohllautende Stimme:

Wie konntest Du, Priester, Dich unterstehn,
Ein Buch auf dem Totenbett zu erflehn?
Nimm ja Dich in acht und hör meinen Rat:
Kehr um, sonst büßest Du schwer Deine Tat!

Zurück! Dir droht
Ein schneller Tod,
Befolgst Du nicht gleich
meines Meisters Gebot!

»Und beim Namen meines Herrn und Meisters,« rief der verblüffte Mönch, »vor dessen Namen alles, was Odem hat, erbebt, beschwöre ich Dich: Sprich, wer bist Du, die Du hier mich heimzusuchen wagst!«

Dieselbe Stimme erwiderte:

Ein Wesen, weder schlecht noch gut,
Weder Himmelsgebilde, noch Höllenbrut,
Ein Nebelstreif – ein Wasserschaum –
Halb wacher Gedanke – halb schlummernder Traum –

Ein Gebild so fein,
Du siehst es allein,
Wenn Du blinzelst
im Abendsonnenschein.

»Das ist kein leeres Spiel der Phantasie!« sagte der Unterprior und raffte sich auf, denn bei aller ihm innewohnenden Beherztheit sträubte sich ihm doch das Haar, und Entsetzen befiel ihn, als er sich einem übernatürlichen Wesen so nahe fühlte. »Ich gebiete Dir,« rief er endlich mit lauter Stimme, »was Du auch im Schilde führen mögest, entweiche und belästige mich nicht mehr. Geist der Lüge, Dir ist nur Macht über die gegeben, so ihrer Pflicht vergessen!«

Die Stimme antwortete sogleich:

Mir zu entreißen gelingt Dir nicht,
Ich fahr durch die Nacht wie ein Irrlicht.
Ich tanz auf dem Strom, ich reit auf dem Wind,
Ich durchstreife die Welt mit dem Alp geschwind.

Ein zweites mal –
An der Biegung im Tal –
Am Bache dort
sehn wir uns noch einmal!«

Wie es schien, war die Straße jetzt frei gegeben, denn das Maultier kam zu sich und begann langsam weiter zu schreiten, aber es schnaubte heftig, zitterte an allen Gliedern, und man merkte es ihm an, daß es in Todesängsten geschwebt hatte.

»Bis jetzt hab ich von Kabbalisten und Rosenkreuzern nichts gehalten,« sagte der Unterprior, »aber bei meinem heiligen Orden, hier weiß ich nicht mehr, was ich denken soll. – Mein Puls ist ruhig – meine Hand ist frei von Hitze – ich erkenne jeden Gegenstand – ich bin im Besitz meiner Geisteskräfte wie sonst – entweder ist es da einem Geist der Hölle erlaubt, mich an der Nase herumzuführen, oder die Ammenmärchen von Paracelsus und andern sind doch nicht ganz ohne Begründung. Wo das Tal eine Biegung macht? – Sollte ich den Weg vermeiden? Aber ich stehe im Dienste der Kirche, und die Hölle hat mir nichts an!«

Er sah sich vorsichtig und ein wenig furchtsam um, und so ritt er etwa eine Meile, ohne daß ihn etwas aufgehalten hätte. Als er an die Stelle kam, wo der Bach an den Rand des Hügels in einer plötzlichen Wendung so dicht herantritt, daß ein Pferd kaum passieren kann, verriet das Maultier wieder dieselben Anzeichen des Entsetzens und blieb stehen. Der Prior gab sich diesmal gar nicht erst die Mühe, es vorwärts zu treiben, sondern wandte sich sogleich an das Wesen, das ohne Zweifel abermals die Ursache für seinen Aufenthalt bildete, die feierlichen Beschwörungsworte sprechend, welche für solche Vorkommnisse die römische Kirche vorschreibt.

Die Stimme antwortete singend:

Die guten Leute sind dreist, doch redlich –
Die rohen Leute sind wild, doch nicht schädlich.
Doch liege Du In guter Ruh,
Daß niemand Dir ein Leides tu!

Der Unterprior wandte den Blick nach der Stelle, von wo die Laute zu kommen schienen, und nun war es ihm, als ob etwas gegen ihn rauschend heranströmte, und plötzlich fühlte er sich mit sanfter, doch unwiderstehlicher Gewalt aus dem Sattel geschoben. Ehe er zu Boden fiel, verließ ihn die Besinnung und er lag bewußtlos da. Als er vom Maultier fiel, war die Sonne noch nicht hinter den Hügeln am Horizont versunken, und als er wieder zu sich kam, stand der blasse Mond über der Landschaft.

Er erwachte – noch saß ihm das Entsetzen in den Gliedern, und er vermochte nur langsam sich von dieser Empfindung zu befreien. Er richtete sich auf und nahm wahr, daß er völlig unversehrt war, nur war er infolge der herrschenden strengen Kälte ganz erstarrt. Ein Geräusch dicht bei ihm jagte ihm von neuem das Blut zu Herzen, aber er raffte sich mit Gewalt empor und entdeckte nun zu seiner Beruhigung, daß eben dieses Geräusch von den Tritten seines eignen Maultieres herrührte, das bei seinem bewußtlosen Herren gewartet hatte und jetzt ruhig das Gras abweidete, das an diesem abgelegnen Flecke üppig wuchs.

Er dauerte noch ein Weilchen und kostete ihn auch noch einige Anstrengung, ehe er das Tier wieder besteigen konnte. Dann grübelte er über sein sonderbares Abenteuer nach und zog seines Weges weiter.

Er war mit sich uneinig, ob er den Vorfall berichten oder geheim halten sollte, entschied sich aber in edler Selbstverleugnung schließlich für das Letztere. Er wollte der Wahrheit die Ehre geben und eine vollkommene Beichte ablegen, obgleich ihm nun dasselbe zugestoßen war, worüber er am Tage vorher noch so gespottet hatte, denn es war ihm nun klar, daß dem Sakristan das gleiche Abenteuer widerfahren war.

»Der Himmel hat mich,« dachte er bei sich selber, »gerade in dem bestraft, worin ich am meisten mich selbst überhoben habe, in meiner geistlichen Dünkelhaftigkeit und meiner irdischen Weisheit. Ueber die Unerfahrenheit meiner Brüder habe ich gelacht und gespottet. Nun muß ich mich selber ihrem Spotte preisgeben. Ich werde erzählen, was mir niemand glauben kann – ich werde beteuern, was sie nur aus kläglicher Feigheit oder absichtlicher Lüge werden erklären können – ich werde die Schmach eines lächerlichen Träumers oder eines wissentlichen Betrügers auf mich nehmen. Sei es! aber ich will meine Schuldigkeit tun und ein vollständiges Bekenntnis ablegen. Wenn ich auch nach dieser schweren Erfüllung meiner Pflicht in diesem Hause meiner Aufgabe nicht mehr genügen kann und mein Ansehen dahin ist, so werden Gott und unsre liebe Frau schon einen andern Platz für mich finden, wo ich ihnen besser und segensreicher dienen kann.«

Als er sich der äußern Klosterpforte näherte, erblickte er zu seiner Verwunderung helles Fackellicht, bei dessen Schein er Männer zu Pferde und zu Fuß, und mehrere Mönche versammelt sah. Der Unterprior wurde mit einstimmigem Freudengeschrei empfangen, aus dem er ersah, daß die Leute um ihn selber in Sorge gewesen waren.

»Da ist er ja! da ist er ja! Gott sei Dank!« schrien die Lehnsleute, während die Mönche riefen: » Te deum laudamus – kostbar ist das Blut Deiner Diener in Deinen Augen!«

»Was ist denn los, Kinder? was bedeutet das, liebe Brüder?« fragte der Unterprior, indem er am Tore vom Maultiere stieg.

»Wenn Du noch nichts davon weißt, so wollen wir es Dir erst erzählen, wenn Du im Refektorium bist,« erwiderten die Brüder. »Der Abt hat hier diese unsre dienstwilligen Lehnsleute aufgeboten, daß sie Dich suchen sollen, um Dich aus großer Gefahr zu erretten. – Ihr könnt nun wieder heimkehren, Kinder, und morgen kann ein jeder, der sich heute abend hier eingefunden hat, ein Rindviertel und eine Kanne Doppelbier in der Klosterküche abholen lassen.«

Mit lautem Beifallsgeschrei zerstreuten sich die Lehnsmänner, und mit ebenso großem Jubel führten die Mönche den Unterprior ins Refektorium.


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