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Dreiundzwanzigstes Kapitel.

Elisabeth ging in heftiger Erregung auf und nieder, die zu verhehlen sie sich keinerlei Mühe gab, während einige ihrer klügsten und vertraulichsten Berater ängstliche Blicke miteinander austauschten, aber sich still verhielten, bis ihr Zorn verraucht wäre. Vor dem leeren Staatssessel, in dem sie gesessen hatte und der halb beiseite geschoben worden war, so heftig war sie aufgesprungen, kniete Leicester mit gekreuzten Armen und zu Boden gesenktem Blick, still und regungslos wie ein Steinbild auf dem Grabmal. Neben ihm stand Lord Shrewsbury, zurzeit Marschall von England, den Amtsstab in der Hand – der Degen war dem Grafen abgenommen und lag vor ihm auf dem Boden.

Dieses Bild bot sich den Augen des halb verwunderten, beklommnen Tressilian, als er, von Ihrer Majestät herbefohlen, in die große Halle trat.

»So, Herr!« rief die Königin und ging dicht auf Tressilian zu, auf den Boden stampfend, ganz in der Art ihres Vaters, »Ihr habt um diese saubre Geschichte gewußt – Ihr seid ein Helfershelfer bei diesem Betrug gewesen, der mir angetan worden ist – Ihr seid vor allem daran schuld, daß Wir unrecht getan haben!«

Tressilian ließ sich vor der Königin auf ein Knie nieder, denn sein Verstand ließ ihn erkennen, wie gefährlich es sei, der gereizten Fürstin gegenüber sich jetzt zu verteidigen.

»Seid Ihr stumm?« fuhr sie fort. »Habt Ihr von dieser Sache gewußt – Ihr wißt von dieser Sache – oder etwa nicht?«

»Nicht, gnädige Fürstin, daß diese arme Dame Gräfin von Leicester war.«

»Noch soll sie jemand als solche kennen,« sagte Elisabeth. »Tod meines Lebens! Gräfin von Leicester! – Frau Amy, Dudley, sag ich – und froh soll sie sein, wenn sie nicht bald Ursache hat, sich die Witwe des Verräters Dudley zu nennen.«

»Majestät,« sagte Leicester, »verfahrt mit mir, wie Ihr wollt, doch seid nicht ungerecht gegen diesen Mann, – er hat es in keiner Weise verdient.«

»Und wird es besser um ihn stehen, da Du ein Wort für ihn einlegst?« sagte die Königin, verließ Tressilian, der langsam sich erhob, und stürzte auf Leicester zu, der noch immer kniete, »wird es deshalb besser um ihn stehen, Du doppelt Falscher – Du doppelt Meineidiger? – weil Du ein Wort für ihn einlegst, dessen Schandtat mich lächerlich gemacht hat vor meinen Untertanen und mir selber verhaßt? Ich könnte mir die Augen zerreißen, daß sie so blind gewesen sind!«

Burleigh William Cecil, Lord Burleigh, der größte Staatsmann dieses Zeitalters, auf dessen Willen vor allem die Größe und die bleibenden Verdienste der Regierung Elisabeths zurückzuführen sind. Er ist trotz des Wankelmutes und der Launenhaftigkeit der Königin auf Grund seiner staatsmännischen Einsicht und Unentbehrlichkeit vierzig Jahre lang leitender Minister geblieben. wagte hier einzusprechen.

»Hohe Frau,« sagte er, »bedenkt, daß Ihr eine Königin seid – Königin von England – Mutter Euers Volkes. Gebt Euch nicht diesem wilden Sturm der Leidenschaft preis!«

Elisabeth wandte sich zu ihm um, während wirklich eine Träne in ihrem stolzen, zornigen Auge blitzte.

»Burleigh,« sagte sie, »Du bist ein Staatsmann – Du kannst nicht begreifen, was für Schmach, was für Unglück dieser Mann, auf mich gehäuft hat!«

Mit äußerster Behutsamkeit – mit tiefster Ehrfurcht faßte Burleigh sie bei der Hand, da, er sah, daß in diesem Augenblick ihr Herz zum Zerspringen voll war, und führte sie von den andern weg an ein Fenster.

»Hohe Frau,« sagte er, »ich bin ein Staatsmann, aber ich bin auch ein Mensch und ein Mann – ein Mann, in Euerm Dienst ergraut, der keinen Wunsch auf Erden hat, als Euer Glück und Euern Ruhm – ich bitte Euch, faßt Euch.«

»Ah, Burleigh,« sagte sie, »Du weißt nicht –«

Und Tränen fielen ihr auf die Wangen.

»Ich weiß – ich weiß, verehrte Fürstin, doch hütet Euch, daß Ihr nicht andern einen Anlaß gebt, zu vermuten, was sie nicht wissen.«

»Ha!« sagte Elisabeth und hielt inne, als wenn eine neue Gedankenreihe ihr plötzlich durch den Kopf ginge. »Burleigh, Du hast recht, – Du hast recht – alles andre, nur nicht die Schande – alles andre, nur keine Schwäche eingestehen – alles andre lieber, als die Genasführte – die Hintergangne – Gottes Tod! das nur zu denken, macht verrückt!«

»Seid nur Ihr selber, meine Königin,« sagte Burleigh, »und erhebt Euch hoch über eine Schwäche, der nie ein Engländer seine Elisabeth für fähig halten wird, wenn sie nicht selber im Ungestüm ihrer Enttäuschung ihn auf den Gedanken bringt.«

»Was für eine Schwäche, Mylord?« versetzte Elisabeth hochmütig. »Wollt auch Ihr mir zu verstehen geben, daß die Gunst, die ich diesem stolzen Verräter dort erwies, aus einer tiefern Quelle entsprungen sei ...« Aber hier vermochte sie den stolzen Ton nicht länger beizubehalten und setzte in weichem, traurigem Tone hinzu: »Doch was sollte ich mich bemühen, selbst Dich zu täuschen. Du mein guter und weiser Diener!«

Burleigh neigte sich und küßte ihr die Hand voll Zärtlichkeit – und – ein in den Annalen der Höfe seltner Vorfall – eine Träne wahrer Sympathie fiel aus dem Auge des Ministers auf die Hand der Königin.

Elisabeth wandte sich von Burleigh ab und durchmaß mit festen Schritten ein paarmal die Halle, bis ihre Züge die gewohnte Würde und ihre Haltung die ihr eigne Erhabenheit wiedergewonnen hatten. Dann näherte sie sich Leicester und sagte voller Ruhe:

»Mylord von Shrewsbury, Wir erklären Euern Gefangnen für frei. – Mylord von Leicester, erhebt Euch und nehmt Euer Schwert auf – eine Haft von einer Viertelstunde unterm Gewahrsam unsers Marschalls, Mylord, erachten wir für keine zu schwere Ahndung für solche monatelang uns erwiesne Falschheit. Wir wollen nun hören, was weiter aus dieser Sache geworden ist.«

Dann setzte sie sich in ihren Sessel und sagte: »Ihr, Tressilian, tretet vor und sagt, was Ihr wißt.«

Tressilian erzählte seine Geschichte freimütig – er unterdrückte nach Möglichkeit alles, was für Leicester nachteilig war, und verschwieg ihren Zweikampf ganz. Sie schwieg, als Tressilian geendet hatte. »Wir wollen diesen Wieland,« sagte sie, »in Unsre Dienste nehmen und den Knaben zur Lehre in Unser Sekretariat geben, daß er künftig mit Briefen diskret umzugehen weiß. Ihr, Tressilian, habt unrecht getan, daß Ihr uns nicht die ganze Wahrheit mitgeteilt habt, und Euer Versprechen, dies nicht zu tun, war unklug und pflichtvergessen. Da Ihr aber nichtsdestoweniger der unglücklichen Dame Euer Wort gegeben hattet, so gehörte es sich für Euch als Mann und Edelherrn natürlich, es auch zu halten, und alles in allem sprechen Wir Euch Unsre Hochachtung aus für Euer charaktervolles Verhalten in dieser Sache. – Mylord von Leicester, nun ist die Reihe an Euch, Uns die Wahrheit zu sagen – es wird Euch Mühe kosten, denn es ist Euch letzterzeit zu fremd geworden.«

Durch eine Reihe von Fragen entzog sie ihm nun die ganze Geschichte, wie sein Verhältnis mit Amy Robsart begonnen – wie sie sich geheiratet hatten – wie die Eifersucht ihn ergriffen hatte – aus welchen Gründen – und noch viele Einzelheiten. Die Beichte – denn so ließ es sich nennen – wurde Leicester stückweis abgerungen, war aber im ganzen der Wahrheit entsprechend, abgesehen davon, daß er von seinem stillschweigenden Einverständnis mit den Anschlägen Varneys auf das Leben der Gräfin nichts erwähnte.

Aber wenn er gehofft hatte, recht bald von der Königin entlassen zu werden, um nach Cumnorplace eilen zu können, so hatte er die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Allerdings war seine Gegenwart Galle und Wermut für seine ihm sonst so wohlgesonnene Gebieterin. Da sie aber auf keine andre Weise sich an ihm rächen konnte und doch wohl bemerkte, daß sie ihrem falschen Verehrer durch ihr genaues Verhör Qualen bereitete, so fuhr sie darin fort und achtete des Schmerzes, den sie selber dabei empfand, ebensowenig, wie der Wilde sich drum kümmert, wie seine eignen Hände von den glühenden Zangen versengt werden, mit denen er seinem gefangnen Feinde das Fleisch zerreißt. ... Endlich gab, wie ein gehetztes Wild, das sich zum Widerstande wendet, der hochmütige Lord zu erkennen, daß seine Geduld erschöpft sei.

»Hohe Frau,« sagte er, »ich habe schweren Tadel verdient – mehr als selbst Euer gerechter Zorn ausgesprochen hat. Doch, hohe Frau, laßt mich sagen, daß meine Schuld wohl unverzeihlich, doch nicht grundlos gewesen ist. Wenn Schönheit und entgegenkommende Würde das schwache Herz eines menschlichen Wesens bezwingen konnten, so darf ich dies wohl als Ursache dafür anführen, daß ich mein Geheimnis vor Eurer Majestät verborgen habe.«

Die Königin war über diese Antwort, die Leicester in leisem nur für sie hörbaren Tone vorbrachte, so verblüfft, daß sie für den Augenblick schwieg, und der Graf hatte die Kühnheit, seinen Vorteil zu verfolgen.

»Eure Gnade, die schon so viel verziehen hat, wird mir auch, wenn ich um Eure königliche Barmherzigkeit flehe, die Worte verzeihen, an denen Ihr gestern doch kaum Anstoß genommen habt.«

Die Königin heftete die Augen auf ihn und erwiderte: »Nein, beim Himmel, Mylord, Eure Frechheit übersteigt die Grenzen der Möglichkeit und der Geduld. Aber es soll Euch nichts nützen! – Hollah, Ihr Herren, kommt alle herbei und hört die Neuigkeit! Mylord von Leicesters heimliche Heirat hat mich um einen Gemahl und England um einen König gebracht. Seine Lordschaft sind patriarchalisch in Ihren Neigungen – ein Weib auf einmal ist nicht genug, und so hat er Uns die Ehre, ihm an die linke Hand angetraut zu werden, zugedacht. Nun, ist dies nicht zu unverschämt? – kaum ein paar Zeichen der Hofgunst habe ich ihm erwiesen, und schon maßt er sich an, zu denken, meine Hand und unsre Krone lägen für ihn nur zum Zugreifen da! – Ihr aber, denkt besser von mir, und ich kann diesen ehrgeizigen Mann bemitleiden, wie ein Kind, dem eine Seifenblase in den Händen zerplatzt. Wir gehen in den Audienzsaal. Mylord von Leicester, Wir gebieten Euch, in Unsrer nächsten Nähe zu bleiben.«

Alles war in gespannter Erwartung, und wie groß war das Erstaunen, als die Königin zu ihrer nächsten Umgebung sagte: »Die Feste in Kenilworth sind noch nicht beendet, Mylords und Ladies, wir haben noch die Hochzeit des edeln Besitzers zu feiern.«

Allgemeine Verwunderung tat sich kund.

»Es ist wahr, bei Unserm königlichen Wort,« sagte die Fürstin, »er hat dieses Geheimnis sogar vor uns geheim gehalten, bloß um uns an diesem Ort und zu dieser Stunde damit zu überraschen. Ich sehe, Ihr sterbt vor Neugierde, die glückliche Braut kennen zu lernen. Es ist Amy Robsart, dieselbe, die in dem festlichen Mummenschanz von gestern als Gattin seines Dieners Richard Varney aufgetreten ist.«

»Um Gotteswillen, Majestät,« sagte der Graf und näherte sich ihr mit einer Mischung von Demut, Groll und Scham, indem er so leise sprach, daß kein andrer es hörte, »nehmt mein Haupt, wie Ihr in Euerm Zorn drohtet, aber erspart mir diesen Hohn! – Martert einen zu Grunde gerichteten Mann nicht – tretet nicht einen zermalmten Wurm!«

»Einen Wurm, Mylord?« erwiderte die Königin im selben Tone, »nein, eine Schlange, das ist ein edleres Reptil und paßt auch besser zum Gleichnis – die erfrorene Schlange, die, wir Ihr ja auch wißt, an einem gewissen Busen erwärmt worden ist ...«

»Um Euretwillen – um meinetwillen, hohe Frau,« flüsterte der Graf, »solange noch eine Spur Vernunft mir erhalten bleibt.«

»Sprecht laut, Mylord,« sagte Elisabeth, »und tretet ein wenig weiter weg, so es Euch gefällt – Ihr habt einen so heißen Atem, daß unsre Halskrause darunter leidet. – Was habt Ihr uns zu fragen?«

»Ich bitte um Erlaubnis,« sagte der unglückliche Earl demütig, »nach Cumnorplace zu reiten.«

»Wohl, um Eure Braut heimzuholen? Nun ja, das ist nur in der Ordnung – denn wie Wir gehört haben, ist sie dort nicht eben in guter Obhut. Aber, Mylord, Ihr geht nicht in Person dorthin – Wir haben damit gerechnet, ein paar Tage in Euerm Schlosse Kenilworth zu verleben, und es wäre gegen die Höflichkeit, Uns hier ohne Wirt zu lassen. Tressilian soll an Eurer Statt nach Kenilworth gehen, und mit ihm ein Herr, der auf Unsern Dienst vereidigt ist, damit Mylord von Leicester nicht wieder auf seinen alten Nebenbuhler eifersüchtig wird. Wen möchtet Ihr mithaben?«

Tressilian nannte Raleigh.

»Ei ja,« sagte die Königin, »da habt Ihr eine gute Wahl getroffen. Er ist ein junger Ritter, und eine Dame aus einem Gefängnis zu befreien, ist ein ganz passendes, ernstes Abenteuer. – Cumnorplace ist nämlich nicht viel besser als ein Gefängnis, müßt Ihr wissen, Mylords und Ladies. Außerdem sind ein paar Missetäter dort, die Wir gern in sicherm Gewahrsam hätten. Es soll ein Haftbefehl gegen Richard Varney und den Ausländer Alasko ausgestellt werden. Nehmt ausreichende Begleitschaft mit, Ihr Herren! bringt die Lady in allen Ehren her – und verliert keine Zeit – Gott mit Euch!«

Sie verneigten sich und verließen den Saal.

Wer soll beschreiben, wie der Rest dieses Tages in Kenilworth verbracht wurde? Die Königin, die nur zu dem Zwecke dageblieben zu sein schien, um den Earl of Leicester zu peinigen und zu verspotten, zeigte in dieser weiblichen Kunst der Rache ebenso viel Geschick, wie in der Wissenschaft, ihr Volk weise zu regieren. Die Gesellschaft der Höflinge paßte sich dieser neuen Stimmung schnell an, und während der Graf inmitten seiner eignen festlichen Vorbereitungen einherschritt, lernte der Lord von Kenilworth schon das Los eines in Ungnade gefallnen Höflings kennen in der geringen Achtung und dem kalten Benehmen der rasch entfremdeten Freunde und in dem schlecht verhohlnen Triumph der anerkannten offnen Feinde. Sussex, bei dem militärischen Freimut seiner Natur, Burleigh und Walsington in ihrer scharfsinnigen und weitblickenden Umsicht, und einige von den Namen waren die einzigen, die gegen ihn noch das gleiche Benehmen, wie am Morgen, zeigten.

So sehr war Leicester gewöhnt gewesen, Hofgunst als sein eigentliches Lebenselement zu betrachten, daß alle andern Empfindungen einstweilen in dem Schmerze versanken, den sein hochmütiger Geist über die kleinlichen Kränkungen und ausgesuchten Vernachlässigungen empfand, die ihm jetzt zuteil wurden. Als er aber sich für die Nacht in sein Zimmer zurückgezogen hatte, fiel ihm die lange, schöne Haarflechte ins Auge, mit der einst Amy ihren Brief zugebunden hatte, und wie ein Gegenzauber rief sie alle edlern und natürlicheren Gefühle in seinem Herzen wach. Er küßte sie tausendmal und fühlte sich im stande, sich über die Rache, die Elisabeth an ihm zu üben geruhte, hoch hinwegzuheben, indem er sich in würdevolle, ja fürstliche Abgeschiedenheit mit der schönen und geliebten Gefährtin seines künftigen Lebens zurückzöge.

Am folgenden Tage zeigte sich denn auch der Graf in so würdevoller Gleichmütigkeit, er war so besorgt, daß es seinen Gästen an nichts fehlen sollte, es schien ihm dabei aber doch so gleichgültig, wie sie sich gegen ihn benahmen, und er hielt sich in so respektvoller Entfernung von der Königin, deren quälende Mißgunst er aber so geduldig ertrug, daß Elisabeth ihr Benehmen gegen ihn änderte. Sie blieb zwar kalt und unnahbar, verschonte ihn aber mit direkten Schmähungen. Kurz, binnen vierundzwanzig Stunden hatten die Dinge sich so sehr geändert, daß erfahrerere und scharfblickendere Höflinge es für sehr wahrscheinlich hielten, daß Leicester wieder in Gnade aufgenommen werden würde und demgemäß ihr Betragen gegen ihn einrichteten. Es ist indessen an der Zeit, diesen Intrigen jetzt den Rücken zu kehren und Tressilian und Raleigh auf ihrer Reise zu folgen.

Die Truppe bestand aus sechs Personen: denn außer Wieland hatten sie einen königlichen Gerichtsvollzieher und zwei stämmige Diener mit. Alle waren wohlbewaffnet und ritten, so schnell er bei möglichster Rücksicht auf die Pferde irgend ging. Sie versuchten, über Varney und seine Reisebegleitung Erkundigungen einzuziehen, konnten aber nichts erfahren, da Varney bei dunkler Nacht gereist war. In einem kleinen Dorfe, zwölf englische Meilen von Kenilworth, kam ein armer Geistlicher, der Seelsorger des Oertchens, aus einer Hütte heraus und fragte, ob einer von den Herren etwas von der Medizin verstünde, um nur schnell einmal einen Mann zu untersuchen, der im Sterben läge.

Der in Hausmitteln kundige Wieland versprach, sein Bestes zu tun, und während der Pfarrer ihn an den Ort führte, erfuhr er, der Mann sei auf der Landstraße gefunden worden und der Pfarrer hätte ihn in seinem Hause aufgenommen. Er hätte eine Schußwunde, die offenbar tödlich sei; ob er sie aber in einem Kampfe oder von Räubern empfangen habe, hätte er noch nicht von ihm erfahren können, da er im Fieber läge und nur unzusammenhängendes Zeug spräche. Wieland hatte kaum das dunkle, niedrige Gemach betreten, und kaum hatte der Pfarrer den Vorhang zurückgezogen, so erkannte er in den verzerrten Zügen des Kranken das Gesicht Michael Lambournes. Unter dem Vorwand, er müsse noch etwas holen, was er brauche, benachrichtigte Wieland rasch seine Reisegefährten von dem seltsamen Vorfall, und voll böser Ahnungen eilten Tressilian und Raleigh in das Haus des Pfarrers, den Sterbenden zu sehen.

Der Elende lag schon im Todeskampf, aus den ihn auch ein tüchtigerer Arzt als Wieland nicht mehr hätte erretten können, denn die Kugel war ihm gerade durch den Leib gegangen. Er war aber teilweise bei Bewußtsein, denn er erkannte Tressilian und machte Zeichen, daß er sich über sein Bett neigen möchte. Tressilian tat es, und nach undeutlichem Gemurmel, in welchem die Namen Varney und Lady Leicester allein verständlich waren, hieß Lambourne ihn sich beeilen, sonst würde er zu spät kommen. Dann schien er in Delirien zu verfallen, und es war nichts mehr aus ihm herauszubekommen, als daß er noch bat, Giles Gosling, dem Wirt vom »Schwarzen Bären«, seinem Oheim, die Nachricht zu bringen, er wäre schließlich doch »nicht in seinen Schuhen« gestorben. in seinen Schuhen sterben bedeutet im englischen Sprachgebrauch soviel wie gehängt werden. A.d.Ü.


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