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Viertes Kapitel.

Bestimmt durch seine Angst, den wiederholten Befehlen des Grafen, das Geheimnis von Kenilworth zu hüten, auf das pünktlichste nachzukommen, nicht minder durch die ihm anhaftenden ungeselligen, knickerigen Lebensgewohnheiten war Anthony Foster in seiner Häuslichkeit weit mehr bedacht, alles, was die Aufmerksamkeit auf sie lenken konnte, zu unterlassen, oder zu unterdrücken, als irgendetwas zu tun oder geschehen zu lassen, was die Neugierde wecken konnte.

Aus diesem Grunde hielt er sich bloß einen Diener und zwei alte Frauen. Der Diener mußte besorgen, was in den Bereich seiner persönlichen Angelegenheiten fiel, während den Frauen der Dienst bei der Gräfin oblag.

Eine dieser alten Frauen öffnete das Tor, als Wieland klopfte. Auf seine Frage, ob er die Waren den Damen des Hauses vorlegen dürfe, wurde ihm in schroffer Weise der Bescheid, daß er seiner Wege gehen solle. Es gelang ihm jedoch, durch einen Silberling den ersten Groll zu dämpfen, und als er der Alten dann versprach, daß sie eine neue Haube bekommen solle, wenn die Herrschaften ihm was abkauften, sagte sie:

»Vergelts Dir Gott, Mann, denn meine Haube ist schon ein Lumpen ... geh nur 'nein in 'n Garten und bring dei' Sach an, Mann ... sie spaziert 'rum im Garten.«

Mit diesen Worten schob sie den Hausierer durch das Tor, wies auf ein altes, verfallnes Gartenhaus und sagte:

»Dort drüben ist sie. Mann ... dort ... sie wird schon was kaufen, wenn Du's ihr richtig zeigst, denn sie hat was Neues immer gern.«

»Hm, sie überläßt mir zu tun, was mir recht scheint,« dachte Wieland, als er hörte, wie die Gartentür hinter ihm ins Schloß fiel. »Aber Prügel wirds doch wohl nicht gleich setzen und einen Mord wohl auch nicht um solch geringfügigen Uebergriffs willen und bei diesem Zwielicht! Also weiter! Frisch weiter! ... Will Shakespeare, sei Du mir behilflich! Ich will den Damen was vorsagen von Deinem Autolykus ... dort sehe ich sie ja. ...«

Und sich ein Herz fassend, sang er mit heller Stimme das damals bekannte Volkslied:

Leinen weiß, wie frischer Schnee,
Schleier schwarz, wie Rab und Kräh',
Handschuh voller Rosenduft,
Masken gegen frische Luft ...

»Welch unverhofften Anblick spendet uns Fortuna, Jeanette?«

»Einen Handelsmann, der seine Ware nach kurzer Elle mißt,« antwortete das Mädchen züchtig; »mich wunderts, daß ihn die alte Dorcas durch das Gartentor gelassen hat.«

»Ein glücklicher Zufall,« sagte die Gräfin; »wir führen doch ein recht trauriges Leben hier, und auf ein Weilchen kann der Mann uns wohl unterhalten.«

»Ei, meine holde Dame,« sagte Jeanette, »aber ... mein Vater ...«

»Mein Vater ist er nicht,« sagte die Gräfin, »und hoffentlich auch nicht mein Herr ... ich befehle Dir, laß den Mann zu mir!«

»Eure gräfliche Gnaden brauchen ja nur zu befehlen ...« hub das Mädchen an. Aber die Gräfin fiel ihr ins Wort:

»Oder warte, Du ängstliches Ding, ich will ihn selbst herholen, dann kannst Du ja nicht ausgezankt werden ...«

»Ach, gräfliche Gnaden, wenns damit abginge ...«

Die Gräfin aber rief dem Hausierer schon zu:

»Lieber Gesell, tritt naher ... Zeig, was Du in Deinem Packen hast ... sinds gute Waren, die Du führst, so schickte Dich wohl der Zufall her zu meiner Freude, und Dich zu Deinem Vorteil.«

»Was steht Euer gräflichen Gnaden zu Befehl?« fragte Wieland, seinen Ballen aufschnürend und die Waren mit einem Geschick auseinanderbreitend, als sei er darin ein alter Praktikus ... er verstand es auch, seine Ware anzupreisen, ihre Vorzüge hervorzuheben und angemessne Forderung dafür zu stellen.

»Was mir zu Befehl sei?« wiederholte die Gräfin. »O, seit einem halben Jahre habe ich kein Stück Zeug, keine Elle Leinwand eingekauft, nicht das geringste mehr aus eignem Willen oder nach eigner Wahl .. drum wäre es schon besser zu fragen: was hast Du feilzubieten? Einen solchen Kragen und auch ein Paar von diesen Aermeln, auch diese schwarzen Spitzen kannst Du für mich beiseite legen, die kirschrote Mantille mit den goldnen Knöpfen und Schnüren auch ...«

»Ist sie nicht etwas überladen, gnädige Frau Gräfin?« bemerkte das Mädchen.

»Ach, Du hast ja keinen Geschmack, Jeanette!« wies die Gräfin sie ab; »auch diesen Kopfputz legt für mich beiseite, lieber Mann, und diese Haarnadel mit Perlen ...«

»Aber, Frau Gräfin,« wandte das Mädchen ein, »diese Nadel ist doch gar nicht ...«

»Warte, Du böses Ding,« rief die Gräfin und drohte scherzend mit dem Finger, »zur Strafe für Deinen Vorwitz sollst Du Mantel und Nadel selbst tragen; aber paß hübsch auf, daß Dir Dein sparsamer Papa nicht die goldnen Knöpfe und die Perlen ablöst, um sie in seine Geldkassette zu tun!«

»Ach, gnädige Frau Gräfin, gehen Sie doch mit meinem Vater nicht gar so hart um!« sagte traurig das Mädchen.

»Ei, warum soll ich ihm solche Reden sparen?« lachte die Gräfin, »ist denn nicht seine ganze Natur angelegt zum Sparen!« Dann wandte sie sich wieder an den Hausierer: »Führt Ihr nicht auch Pomaden und Parfums in den jetzt modernen kleinen Flacons?«

Wieland beeilte sich, auf alle Wünsche und Fragen, die die Dame stellte, befriedigende Antwort zu geben, und dachte bei sich: »Wär ich richtiger Hausierer, so könnte ich hier das beste Geschäft machen! Aber wie soll es mir gelingen, ihren Sinn einen Augenblick auf ernste Dinge zu lenken?« Er breitete eine erlesene Sammlung der besten Parfums vor ihr aus und bemerkte, daß alles, was er führe, im Preise um das Doppelte gestiegen sei, infolge der großen Vorkehrungen, die vom Grafen von Leicester getroffen würden, um die Königin und den gesamten Hofstaat auf seinem Herrschaftssitze Kenilworth zu empfangen und zu bewirten.

»Ha!« rief die Gräfin, »so wäre doch etwas Wahres an dem Gerücht, Jeanette?«

»Ei, freilich,« nahm sogleich Wieland das Wort; »es muß mich wunder nehmen, daß Eure Gnaden noch nichts davon vernommen haben; die Königin von England wird auf ihrer diesjährigen Sommerfahrt bei dem edlen Grafen eine Woche lang verweilen; es geht sogar die Rede, England dürfe einen König bekommen, und Englands Königin Elisabeth ... des Himmels Segen auf ihr Haupt ... einen Gemahl, bevor das Ende der Sommerfahrt gekommen sei.«

»Das ist schändliche Lüge!« rief die Gräfin, in heftigen Zorn geratend, aus.

»Um Gottes willen, gnädige Frau Gräfin, wer wird glauben wollen, was Hausierermund im Lande herumträgt?«

»Du hast recht, Jeanette,« sagte in milderm Tone die Gräfin, »dergleichen Gerüchte, die den Ruf des edelsten Pairs von England schädigen, können bloß Glauben finden bei niedrigen, gemeinen Seelen.«

»Sterben will ich, gnädigste Frau Gräfin,« rief Wieland der Schmied, der recht gut wahrnahm, daß die Heftigkeit der Dame sich gegen ihn richtete, »auf der Stelle sterben, wenn ich etwas verbrochen habe, das mir Ihren Zorn zuzieht ... ich sage bloß wieder, was allgemein im Lande gesprochen wird.«

Die Gräfin hatte inzwischen die Fassung wiedergewonnen und bestrebte sich, ängstlich geworden durch Winke des Mädchens, allen Anschein von Unwillen und Empörung zu unterdrücken. Dann fragte sie, wie um dem Gespräch eine andre Wendung geben zu wollen, den Hausierer:

»Was ist das für Salbe, hier in dem silbernen Schächtelchen? Wohl was ganz Besondres, da sie in so kostbarem Behälter liegt?«

»Ein Mittel gegen Uebelkeit von einer Art, die Euer gräflichen Gnaden hoffentlich ein verschlossnes Buch ist ...« sagte Wieland. »Nimmt man von ihr so viel wie eine türkische Bohne, und zwar eine Woche lang an jedem Tage, so stählt sie das Herz gegen die finstern Gedanken, die durch Einsamkeit, Traurigkeit, unerwiderte Liebe oder getäuschte Hoffnung so gern entstehen ...«

»Seid Ihr ein solcher Tor, daß Ihr meint, ich werde Euch solchen Kram abkaufen um teures Geld? ... Wer hörte je, daß Herzeleid geheilt werden könne durch Arzneien für den Leib?«

»Mit gnädigstem Verlaub, Frau Gräfin,« versetzte er mit einem Tone, aus dem gewisse Empfindlichkeit klang, »ich bin ein ehrlicher Mann und verkaufe meine Ware zu Preisen, wie sie recht und billig sind. ... Zudem habe ich Euer Gnaden diese Arznei überhaupt nicht zum Kauf angeboten! Welchen Grund sollte ich mithin haben, Euch etwas vorzureden? Aber geholfen hat meine Medizin schon manchem, bei Hofe sowohl wie in Stadt und Land; erst neulich noch einem Junker mit Namen Tressilian drunten in Cornwallis, einem gar ehrenwerten Manne mit Namen Edmund ... der war, wie mir die Leute erzählten, in Schwermut versunken infolge einer unglücklichen Liebe, so daß seine Freunde Bange fühlen um sein Leben ...«

Er machte eine Pause, und auch die Dame schwieg eine Weile ... dann fragte sie, vergeblich bemüht, ihrer Stimme festen und gleichgültigen Klang zu geben:

»Und ist der Edelmann, von dem Ihr sprecht, nun wieder hergestellt?«

»Einigermaßen, gnädige Frau,« erwiderte der Schmied, »zum wenigsten klagt er nicht mehr über leibliches Weh.«

»Ich werde mir auch etwas von dieser Arznei kaufen, Jeanette,« sagte die Gräfin, »auch mich überkommt zuweilen jener Hang zur Melancholie, die den Geist mit trübem Gewölk umhüllt.«

»Das solltet Ihr doch lieber nicht tun, Madame,« sagte Jeanette, »wer steht uns gut dafür, daß es nichts Schädliches ist?«

»Ich will selbst dafür einstehen,« sagte Wieland, nahm ein Stück von der Medizin und schluckte sie hinunter.

Die Gräfin kaufte das andre, durch die Einwendungen des Mädchens eher bestärkt als abgelenkt, und nahm sogleich eine erste Dosis ein. Sie meinte, was wohl aber auf Einbildung beruhen mochte, es sei ihr schon jetzt leichter um das Herz und sie fühle sich heitrer gestimmt als vordem. ... Darauf nahm die Gräfin alles, was sie dem Hausierer abgekauft, auf den Arm, warf Jeanetten ihre Börse zu und hieß sie mit dem Hausierer abrechnen. ... Dann begab sie sich, wie wenn sie der Unterhaltung, die ihr zuerst so viel Freude bereitet hatte, müde sei, nach einem Gutenachtwunsch für den Hausierer, langsam ins Haus.

Auf diese Weise ging Wieland alle Gelegenheit verloren, sie zu sprechen. Er versuchte jedoch, sich mit Jeanette auszusprechen.

»Mädchen,« sagte er, »Du siehst mir ganz so aus, als seist Du Deiner Herrin in Liebe zugetan. Deine Herrin braucht treue Dienste gar nötig.«

»Und sie hat wahrlich auch ein Anrecht drauf!« erwiderte das Mädchen; »ich diene ihr auch treu ... aber wozu solche Rede?«

»Mädchen, ich bin durchaus nicht, was ich scheine,« sagte, die Stimme senkend, der Hausierer.

»Nichtsdestoweniger doch ein ehrlicher Mann?« meinte das Mädchen.

»Umsomehr das, was Du fragst,« versetzte Wieland, »da ich kein Hausierer bin.«

»Dann mach Dich auf der Stelle weg von hier, oder ich rufe um Beistand und Hilfe. Der Vater muß gleich da sein.«

»Sei nicht so flink,« sagte Wieland, »Du möchtest bereuen, was Du tust. Ich bin einer von denen, die es gut meinen mit Deiner Herrin. Es tun ihr mehr not von Leuten gleich mir, und es wäre unrecht von Dir, den wenigen, die sie besitzt, zum Verderben zu sein.«

»Wie soll ich Dir das glauben?«

»Schau mir ins Gesicht,« sprach Wieland der Schmied, »und sieh zu, ob aus meinem Blicke nicht Ehrlichkeit und Rechtschaffenheit sprechen.«

Und wahrlich, wenn sein Gesicht auch nicht schön zu nennen war, so lag doch auf seinen Zügen der energische, scharfe Ausdruck des denkenden Geistes und klugen Sinnes, und der Blick seines lebendigen, glänzenden Auges, sein wohlgeformter Mund und das offne, verständige Lächeln, das seine Lippen umspielte, liehen seinem zugleich ansprechenden und doch nicht regelmäßigen Antlitz zuweilen Anmut und Interesse.

Jeanette betrachtete ihn mit der ihrer Sekte eignen klugen Einfalt. Dann erwiderte sie auf seine Worte:

»Trotzdem Du Deine Ehrlichkeit und Rechtschaffenheit so sehr betonst, Freund, will es mir doch so vorkommen, als läge auf Deinem Gesicht etwas vom Hausierer und auch vom ... Schelm.«

»Du hast vielleicht nicht unrecht,« versetzte lachend Wieland der Schmied; »heute abend oder morgen wird jedoch mit Deinem Vater ein alter Mann herkommen, der den schleichenden Tritt der Katze, das scharfe Auge der Ratte, das zutuliche Wesen des Schoßhündchens und die Wildheit des Bullenbeißers in sich vereint.... Vor diesem hüte Dich! Vor diesem hüte Deine Herrin! ... denn, niedliche Jeanette, dieser Schleicher trägt unter erheuchelter Taubenunschuld böses Natterngift.... Welch schweres Unheil er gegen Euch hier plant, kann ich nicht raten; aber Tod und Jammer waren immer die Folgen seiner Gegenwart. ... Sprich hiervon nichts zu Deiner Herrin! ... Meine Kunst sagt mir, daß in dem Zustande, in welchem sie zurzeit befangen ist, Furcht vor Uebel nicht minder schädlich für sie ist als die Wirkung des Uebels selbst ...aber rede ihr zu von der Arznei zu nehmen, denn« ... er senkte wieder die Stimme, sprach aber um so eindringlicher ihr ins Ohr ... »es ist ein Gegengift . ... das verhindert, daß Gift, das ihr gegeben wird, ihr schadet. ... Doch horch, sie kommen, sie kommen!«

In der Tat näherte sich lauter Lärm, Freudenrufe, untermischt mit lauten Reden, der Gartentür. Hierdurch beunruhigt, sprang Wieland in ein Dickicht, während Jeanette sich mit dem Rest der Einkäufe, den ihre Herrin nicht mitgenommen hatte, sich in ein Gartenhaus flüchtete, um nicht gesehen zu werden.

Ihre Angst war jedoch unnütz, denn ihr Vater mit seinem alten Knecht, Lord Leicesters Diener und der Sterndeuter kamen in den Garten gerannt, hinter Lambourne her, dessen wilde Weise sie in die höchste Unruhe gesetzt hatte, und den sie vergebens zum Schweigen zu bringen suchten.

Der elende Wicht war nun sternhagelbetrunken, war aber, wie es häufig der Fall bei Trunkenbolden, noch immer Herr seiner Bewegungen sowohl wie seiner Rede.

»Was?« schrie er mit aller Stärke seiner Stimme, »ich soll hier ohne Willkommen bleiben? soll kein Saufgelage halten? trotzdem ich Eurem alten, vermaledeiten Hundeloch Glück bringe in der Gestalt eines Satansknechts, der Schiefer in spanische Taler zu wandeln vermag! Hierher, Tony Foster, Feuerbrand, Papist, Puritaner, Heuchler, Dreckfilz, Schandbube, Gottseibeiuns, Kompositum, aus allen Sünden aller Menschen! Hierher und knie nieder und bete den an, der jenen Götzen in Dein Haus bringt, den Du anbetest!«

»Um Herrgotts willen, rede leiser,« sagte Foster, »komm ins Haus herein ... Nu sollst Wein haben und wonach Dir sonst der Sinn steht!«

»Nein, Du Hexenbalg, Du Kobold, Du Schwein! Herausgebracht haben will ich ihn,« schrie der betrunkne Wicht, »hier draußen will ich ihn trinken, al fresco will ich ihn haben, wie der Italiener sich ausdrückt. ... Nein, nein! Mit dem giftigen Teufel, mit diesem Meister in allem schlimmen Hexenbräu trinke ich nicht im Hause drinnen hinter verschlossnen Türen, wo ich ersticken würde von all den Dünsten, die Arsenik und Quecksilber verbreiten. ... Davor auf der Hut zu sein, hat mich der Schurke Varney gelehrt.«

»Holt ihm Wein her, im Namen aller bösen Feinde!« sagte der Sterndeuter.

»Aha! Willst ihn mir wohl würzen? Du alter Pfennigfuchser? He, hast sie schon bei der Hand? ... Deine Gift-Würze? ... Grünspan, Helleborum, Vitriol und Aquafortia und was Du sonst an Teufelszeug verarbeitest! Zwanzigerlei und mehr treibt Blasen in meinem Hirnkasten, wie die Hexenbrühe im Zauberkessel, wenn der Gottseibeiuns sich einfinden soll. ... Hol Du selber den Wein, alter Scheiterhaufenanstecker ... und laß ihn auskühlen, ... warmen mag ich nicht, den hast Du doch noch übrig von den Feuersteinen, auf denen Ihr die alten Bischöfe geschmort habt. ... Oder warte mal, laß bloß erst Leicester König sein von England, wenns ihm paßt ... schön ... und Varney, Schuft Varney, Großwessir vom Reiche ... ha, brillant! ... Und was werd ich dann sein? ... Ha, Kaiser, Kaiser Lambourne! ... Und jetzt? ... ha! jetzt will ich das auserlesne Exemplar von Schönheit sehen, das sie hier eingemauert haben zum Privatvergnügen ... zur Zeitwürze ... heute nacht soll sie mir meinen Humpen kredenzen und mir die Nachtmütze über die Ohren ziehen. ... Was will denn ein Kerl mit zwei Weibern? Und war er zwanzigmal Earl? ... Darauf gib Du mal Antwort, Tony, Du alter hartgesottner Hund von Heuchler! Du alter Bischofröster! Du gotteslästerlicher Glaubenswüterich! ... He! Darauf gib Du mal Antwort!«

»Mein Messer jag ich dem Kerl in den Wanst!« sagte Foster in leisem, aber vor Leidenschaft bebendem Tone:

»Ums Himmels willen, kein Blutvergießen!« rief der Sterndeuter. »Hier, wackrer Lambourne, willst Du mir Bescheid tun auf das Wohl des edlen Earl of Leicester und Junkers Richard Varney?«

»Freilich, alter Albumasar, – freilich, Du alter Rattengiftverkäufer! – – Küssen wollte ich Dich, wenn Du bloß nicht so erbärmlich nach Schwefel und schändlichem Apothekerkram röchest! ...«

Eine Pause machte der Elende, dann schrie er wieder:

»Es lebe Varney! Hoch die Gläser! Und Leicester daneben! Hoch die Gläser! Hoch die beiden edlen, hochfliegenden Geister! die im Trüben fischen, im Tiefen wühlen und auf zum Horizonte streben! Die bösen, grimmen, ehrsüchtigen Missetäter! – Na, weiter sage ich nichts – aber wer mir nicht Bescheid tut, dem stech ich meinen Dolch in den Wanst! – – Also meine Herrschaften, los, los!«

Mit diesen Worten leerte Lambourne den Humpen, den ihm der Sterndeuter gereicht hatte, und der nicht Wein, sondern destillierten Spiritus enthielt. Mit einem gräßlichen Fluche ließ Lambourne den leeren Humpen aus der Faust fallen, griff mit der Hand nach dem Schwerte, war aber nicht mehr im stande, es zu ziehen, schwankte hin und her und schlug ohne Bewußtsein, ohne sich noch einmal zu regen, in die Arme des Dieners, der ihn in seine Schlafkammer schleppte und zu Bett brachte.

In dem allgemeinen Durcheinander, das hier herrschte, war es Jeanette gelungen, die Gemächer ihrer Dame zu erreichen, zitternd am ganzen Leibe wie Espenlaub, aber fest entschlossen, die furchtbaren Mutmaßungen, die sie aus den trunknen Reden Michael Lambournes gewonnen hatte, vor ihrer Gebieterin geheim zu halten. Aber wenn auch ihre Befürchtungen noch keine feste Gestalt besaßen, so hielten sie doch Schritt mit der Warnung aus dem Munde des Hausierers; der Rat, den er ihr erteilt, erschien ihr jetzt wertvoller als vordem, und sie gelobte sich, ihre Herrin in dem Vorsatze, die Medizin des Mannes einzunehmen, zu bestärken, was sonst wohl kaum der Fall gewesen wäre.

Aber auch Wieland hatte die Worte des Trunkenbolds' vernommen und verstand es besser, ihren Sinn zu deuten. Er empfand tiefes Mitleid mit der liebenswürdigen und jetzt so unglücklichen Dame, die er vordem in so glücklichen Verhältnissen gesehen hatte und die sich jetzt in den Händen solcher Schurken sah. Sein Grimm war wild erregt worden durch die Stimme jenes Greises, den er schlimmer fürchtete als das Feuer und ärger haßte als den Tod; und so gefahrvoll auch das Unternehmen war, das er wagte, so besaß er doch Vertrauen zu seiner Klugheit genug, um nicht zurückzuschrecken, faßte vielmehr in dieser Nacht den festen Entschluß, dem Geheimnis auf den Grund zu gehen und der unglücklichen Dame, wenn irgend möglich, Hilfe zu bringen».


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