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Sechzehntes Kapitel.

»Eine traurige Sache,« sprach die Königin, als Tressilian aus der Halle geführt worden war, »mit anzusehen, wie eines weisen und gelehrten Menschen Verstand so kläglich zerrüttet werden kann. Indessen gibt Uns dieser vor der Öffentlichkeit geführte Beweis seiner Gehirnschwäche die Zuversicht, daß seine Anklage und der von ihm behauptete Sachverhalt müßig waren; und darum, Mylord of Leicester, gedenken Wir Eures frühern Ansuchens zu gunsten Eures Gefolgsmanns Richard Varney, dessen getreue Dienste und Fähigkeiten, da sie für Euch von Nutzen sind, von Uns belohnt werden sollen; wissen Wir doch aus häufiger Erfahrung, wie sehr alles, was Euch angehört, auch Unsern Diensten treu und ergeben ist und von Nutzen. Und Wir wollen Eurem Diener auch darum diese Ehre erweisen, weil Wir Gast sind unter dem Dach Eurer Herrlichkeit und Euch, wie Wir fürchten, viel Last und Ungemach dadurch bereiten. Um deswillen wollen wir den wackern, greisen Ritter von Devon, dessen Tochter er zum Weibe genommen hat, erfreuen und zufrieden stellen, in der Hoffnung und Erwartung, daß dieses Zeichen Unsrer Huld und Gnade, das Wir ihm erweisen wollen, ihn aussöhnen werde mit seinem Schwiegersohne. ... Mylord Leicester, Euer Schwert!«

Der Graf löste sein Schwert vom Gürtel, faßte es an der Spitze und reichte der Königin den Griff, indem er sich auf ein Knie niederließ.

Die Königin nahm langsam das Schwert, zog es aus der Scheide und betrachtete, während die Damen sich schaudernd abwandle, mit seltsamen Blicken die fein damaszierte Klinge.

»Wär ich als Mann geboren,« sprach sie, »so hätte, glaub ich, kein einziger meiner Vorfahren sein gutes Schwert besser geliebt als ich. Doch auch als Weib lieb ich das Schwert und möchte wohl, gleich jener Zauberfee, von der ich in italienischen Versen gelesen, mir das Haar kämmen und frisieren in solchem Spiegel wie diesem. ... Richard Varney, tritt heran und knie nieder! Im Namen Gottes und des heiligen Georg, Wir schlagen Dich zum Ritter! Sei getreu, tapfer und glücklich! ... Und nun steh auf, Sir Richard Varney!«

Varney stand auf und verneigte sich tief zum Zeichen des Gehorsams und Dankes gegen eine Herrscherin, die ihn in solcher Weise und so hoch geehrt hatte.

»Der Sporn soll Euch morgen in der Kapelle überreicht werden,« sprach die Königin, »woselbst auch die andern rituellen Bräuche stattfinden sollen, die zu dieser feierlichen Handlung gehören. Denn Wir wollen Sir Richard Varney einen Ehrengenossen geben und fordern zu diesem Zwecke Unsern Vetter von Sussex auf, Uns einen Namen in Vorschlag zu bringen.«

Der edle Earl of Sussex, der seit seiner Ankunft auf dem Schlosse Kenilworth, ja wohl seit Beginn dieser Sommerreise, sich in einer, Lord Leicester untergeordneten Stellung befunden hatte, zeigte ein düstres Aussehen ... ein Umstand, der der Königin nicht entgangen war. In der Hoffnung, die Wolken zu verscheuchen, die sich auf seiner Stirn gelagert hatten, und getreu ihrem Prinzip, durch Wechsel ihrer Gunstbezeigung die Gemüter in Eifersucht zu halten, winkte sie jetzt den Grafen zu ihrem Throne. Sussex nahte ihr schnell, und auf die aus königlichem Munde wiederholte Frage, wen er zu dieser weitern Ehrung vorschlagen wolle, erbat er mit höherm Grade von Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit als Politik und Klugheit die Auszeichnung durch den Ritterschlag für den Junker Tressilian, dessen tapferm Arme er sein Leben verdanke, und der ein ausgezeichneter Soldat und Gelehrter, auch von tadellosem Geschlecht stamme, »bloß,« sagte er, »fürchte er, die Ereignisse dieses letzten Abends ...«, und hier hielt er inne.

»Ich bin erfreut, daß Eure Lordschaft so rücksichtsvoll denkt,« sprach Elisabeth; »die Ereignisse dieses Abends dürften jedoch Uns bei Unsern Untertanen, wollten Wir diesen Augenblick erwählen zu solchem Gnadenbeweise für ihn, wohl in demselben Lichte von Gehirnschwäche erscheinen lassen, wie sie diesem armen Menschen zu eigen ist, denn Wir rechnen sein Benehmen ihm nicht an als Bosheit ...«

Die Herzogin von Rutland half dem Earl aus der Verlegenheit. Sie las es der Königin vom Gesichte ab, daß sie darauf gerechnet hatte, der Earl werde Walter Raleigh zum Ritter vorschlagen und hierdurch einem Herzenswunsch von ihr entgegenkommen. Die Herzogin nahm, nachdem es den beiden Grafen als Repräsentanten des Hofadels vergönnt worden, je einen Kandidaten für die Ritterwürde in Vorschlag zu bringen, das gleiche Recht für die Namen bei Hofe in Anspruch und erbat die hohe Auszeichnung für den Junker Walter Raleigh. ... »Seine Herkunft, seine Taten, seine Gewandtheit und stete Bereitwilligkeit, Unserm Geschlecht mit dem Schwerte oder der Feder zu dienen, machen ihn solcher Auszeichnung vor allen andern würdig.«

»Ich danke Euch, meine schönen Damen,« sprach die Königin mit Lächeln, »und gewähre gern Eure Bitte. ... Der im Scherz zum Ritter vom schmutzigen Mantel erhobne Junker soll also heute zum wirklichen Ritter geschlagen werden.«

Walter Raleigh trat, auf einen Wink der Königin, zum Throne heran und empfing mit dem Schwerte des Earls of Sussex von der Hand der jungfräulichen Königin den Ritterschlag, der wohl nie einem edleren und würdigern Untertan zur Auszeichnung geworden war.

Der Ruf zum Bankett ertönte, und auf dieses Zeichen hin begab sich die Hofgesellschaft durch den innern Schloßhof nach dem neuen Gebäude, woselbst sich das große Bankettzimmer befand. Dort war, mit einer dem festlichen Anlaß angemessnen Pracht, die Tafel hergerichtet worden.

Auf eine eingehende Schilderung dieses festlichen Abends dürfen wir verzichten. Wie großartig es dabei zuging, mag der Leser daraus ersehen, daß der Earl of Leicester, als er sich endlich zurückziehen konnte, wie betäubt zusammenbrach, und daß es seinem Vertrauten, dem neuen Ritter Richard Varney, längere Zeit große Mühe kostete, ihn so weit wieder zu sich zu bringen, daß er im stande war, sich mit ihm zu unterhalten.

Varney hatte seinen glänzenden Galaanzug abgelegt und stand im einfachen Rock bereit, seinen Gönner beim Schlafengehen zu bedienen.

»Ei, ei,« fügte lächelnd der Earl of Leicester, als er die Müdigkeit einigermaßen bekämpft hatte, »Euer neuer Rang schickt sich kaum zu der Niedrigkeit solcher Dienstleistung.«

»Sollte dieser Rang mich von Mylord trennen,« sagte Varney, »oder zwischen Mylord und mir eine Kluft bringen, so würde ich lieber auf die Ritterschaft verzichten.«

»Du bist ein dankbarer Gesell,« versetzte Leicester, »doch kann ich nicht dulden, daß Du etwas verrichtest, was Dich in den Augen Deiner Mitmenschen herabsetzen müßte.«

Indessen litt er, während er so sprach, ohne Weigerung die Dienstleistungen Varneys, der sich übrigens so emsig und eifrig um den Earl bemühte, daß es tatsächlich den Anschein hatte, als hätte er wirkliche Freude an diesen Verrichtungen.

»Was die Leute sagen,« erwiderte er auf Lord Leicesters Aeußerung, »danach frage ich wenig oder gar nicht, besonders darum nicht, weil meiner Meinung nach ... erlaubt mir, bitte, die Halskette zu lösen... hier im Schlosse zurzeit kaum jemand weilen dürfte, der nicht die Ueberzeugung mit mir teilte, daß es sich binnen kurzem Männer von weit höherm Rang als ich zur Ehre anrechnen werden, Eure gräflichen Gnaden beim Zubettgehen zu bedienen.«

»Freilich hätte das der Fall sein können,« erwiderte der Graf mit unwillkürlichem Seufzer, um sodann hinzuzusetzen, »meinen Schlafrock, Varney... ich will einen Blick in die Nacht hinaus tun.... Ist nicht jetzt Vollmond?«

»Dem Kalender nach, denke ich, ja,« antwortete Varney.

In dem Gemach war ein Fenster mit abschüssigem Boden, durch das man auf den Balkon hinaus gelangte, einen kleinen steinernen Vorbau, wie man sie in gotischen Bauwerken in der Regel findet. Der Graf öffnete dies Fenster und trat in die frische Luft hinaus. Von dem Platz aus, wo er nun stand, hatte man einen weiten Blick über den See und die angrenzende Waldung. Der Vollmond spiegelte sich in den blauen Fluten und schimmerte durch die Zweige der Eichen und Ulmen im Park. Alles schien wie in Schlummer versunken, nur von Zeit zu Zeit klang der Ruf der Wächter herüber, denn Leibgardisten waren ständig bei der Königin; dazwischen Hundegebell in der Ferne, von der Meute herrührend, die durch die Stallknechte und Jäger zu der glänzenden Jagd in Bereitschaft gehalten wurde, die auf dem Programm des nächsten Tages stand.

Lord Leicester blickte zu dem blauen Himmelsgewölbe auf, und in seinen Gebärden wie auf seinem Gesicht kam angstvolle Freude zum Ausdruck, während Varney, der in dem dunklen Raume verblieben war, ohne selbst bemerkt zu werden, mit heimlicher Genugtuung seinen Gönner beobachtete, wie er die Arme gen Himmel streckte, mit Gebärden so eindringlicher Art, daß es aussah, als wolle er die Sterne zu sich herunter ziehen.

»Ihr fernen Kreise lebendigen Feuers,« so lautete die leise Anbetung der Gestirne in Leicesters Munde... »schweigend vollendet ihr euren geheimnisvollen Lauf, aber des Menschen Weisheit gab euch eine Stimme. Kündet mir also, zu welchem Ausgang meine hohe Laufbahn führt! Wird die Größe, die ich erstrebe, leuchten und dauern und alles überragen gleich der eurigen? oder soll ich ausersehen sein zu einem zwar glänzenden, aber bloß kurzen Lauf durch nächtliches Dunkel, um dann zur Erde niederzusinken, gleich dem wertlosen Staube einer verpuffenden Rakete?«

In tiefem Schweigen blickte er ein paar Minuten zum Himmel hinauf; dann schritt er in das Gemach zurück, wo Varney dem Anschein nach sich damit befaßt hatte, das Geschmeide des Grafen in eine Kassette zu legen.

»Was sagt Alasko von meinem Horoskop?« fragte Leicester. »Schon einmal sagtet Ihr es mir; doch ist es mir entfallen, weil ich zu wenig von dieser Kunst halte.« »Daß Euer Stern jetzt im Mittagskreise flammt, und der widrige Einfluß ... einfachre Ausdrücke braucht er nun einmal nicht, ... wenn auch noch nicht völlig zerstört, sich doch in sich selbst verzehrt oder, so sagte er wohl, in retrograder Bewegung sich befinde.«

»Genau so ist es,« erwiderte Leicester, auf ein Blatt mit astrologischen Exempeln blickend, das er in der Hand hielt; »der stärke Einfluß gewinnt die Oberhand und die schlimme Stunde zieht, so scheint es mir, vorüber. Helft mir, Sir Richard, den Schlafrock auszuziehen ... und verweilt, sofern es Eurer Ritterschaft nicht zu beschwerlich ist, noch eine Weile hier, bis ich mich in den Schlaf gefunden habe. Der Lärm heute hat, wie ich fürchte, mein Blut in Feuer gejagt, denn es rast mir wie siedendes Blei durch die Adern ... noch einen Augenblick verzeiht, bitte ... ich möchte meine Lider, ehe ich sie schließe, schwer, recht schwer im Kopfe fühlen.«

Varney half dem Grafen beim Zubettgehen und stellte eine Nachtlampe von gediegnem Silber auf den marmornen Tisch, der zu Häupten des Lagers stand. Dann legte er ein kurzes, breites Schwert daneben. Entweder um das Licht der Lampe nicht zu sehen, oder um sein Gesicht dem Blicke Varneys zu entziehen, zog Leicester die seidnen, mit Gold durchwirkten Vorhänge zu, so daß sein Kopf ganz im Schatten lag.

»Varney,« hub der Graf endlich an, nachdem er eine Weile vergebens gewartet hatte, daß der neue Ritter, der sich an das Kopfende des Bettes gesetzt hatte, die Unterhaltung anfangen werde, »die Leute sprechen also von der Gunst, die mir die Königin erwiesen?«

»Gewiß, mein gütiger Herr,« versetzte Varney. »Wie wäre das auch anders möglich, da sie Euch doch so offen auszeichnet!«

»Ich weiß, was ich davon zu denken habe,« erwiderte der Graf voller Ungeduld, »wenn Du auch Deine Worte heute abend mit ganz besondrer Vorsicht setzest ... Du willst mir plausibel machen, es stände nur bei mir, mich mit der Königin zu vermählen.«

»Das sagt Ihr, Mylord; aber über meine Lippen ist es nicht gekommen!« erwiderte Varney, »doch gleichwohl, wer es sagt, im großen England sagen es von hundert Menschen neunundneunzig.«

»Ja, aber,« sagte Leicester, indem er sich in seinem Bette auf die andre Seite wandte, »dieser hundertste weiß es besser. Du zum Beispiel kennst das Hindernis, das sich nicht überspringen läßt.«

»Und doch muß es, wenn die Sterne wahr reden, übersprungen werden,« sagte Varney mit Sammlung und Ruhe.

»Du hast recht,« erwiderte Leicester, sich abermals im Bette umdrehend. »Die Welt wünscht diese Verbindung. Es ist Nachricht an mich gelangt, von den reformierten Gemeinden Deutschlands, aus den Niederlanden, aus der Schweiz ... und alle sprechen es übereinstimmend aus, daß Europas Sicherheit davon abhängig sei. ... Frankreich wird nicht dagegen sein, und in Schottland erblickt die herrschende Partei ihr größtes Glück in dieser Verbindung, während Spanien sie fürchtet ... aber nicht zu hindern vermöchte ... und doch weißt Du, Varney, daß sie nicht stattfinden kann!«

»Daß ich nicht wüßte, Mylord!« sagte Varney, ... »die Gräfin ist unpäßlich.«

»Schurke!« rief Leicester, indem er auf seinem Lager emporsprang und nach dem Schwerte griff, das neben ihm auf dem Nachttische lag, »zielen dorthin Deine Gedanken? ... Einen Mord begingest Du doch nicht?«

»Für wen oder was haltet Ihr mich, Mylord?« sagte Varney, indem er sich der Ueberlegenheit eines zu Unrecht verdächtigen Unschuldigen versicherte, »ich habe nichts gesagt, was zu dieser furchtbaren Anschuldigung, die Eurer Heftigkeit enteilt, auch nur das leiseste Recht gäbe! Ich habe bloß gesagt, die Gräfin ist unpaß ... und mag sie zehnmal Gräfin sein und noch so liebenswert sein und noch so sehr geliebt werden ... unsterblich machen könnt Ihr sie nicht. ... Warum also sollte sie nicht sterben können und Eure Hand wieder frei und ledig machen?«

»Hinweg! Hinweg! ... Hiervon kein Wort mehr!« rief Leicester.

»Gute Nacht, Mylord!« sagte Varney, indem er sich stellte, als fasse er die Worte des Grafen als Befehl, sich zu entfernen; aber Leicesters Stimme störte ihn in seinem Vorhaben.

»Auf solche Weise entschlüpfest Du mir nicht, Sir Narr,« rief er; »die neue Würde hat Dir, wie mir scheint, das Gehirn verschoben. Gestehe, daß Du von unmöglichen Dingen gesprochen hast, als ob es möglich sei, daß sie geschehen könnten.«

»Mylord, Gott schenke Eurer schönen Gräfin recht langes Leben!« erwiderte Varney. »Ich sehe aber nicht ein, wie Ihr nicht dessenungeachtet König von England werden könntet. Hat man nicht oft schon gehört von Heiraten zur linken Hand, die in andern Ländern geschlossen werden zwischen Personen ungleichen Standes? Heiraten, die den Gatten nicht gehindert haben, nachher eine seinem Stande angemessenere Heirat einzugehen?«

»Daß so etwas in Deutschland geschehen sei, ist allerdings verlautet,« meinte Leicester.

»Der reizenden Gesponsin, die Ihr aus wahrer Liebe erkoren habt, gehören die geheimen Stunden Eurer Zärtlichkeit, Eurer Erholung,« fuhr Varney fort. »Dabei könnt Ihr jedoch der Königin alle gebührende Aufmerksamkeit widmen ... es gehört nichts weiter dazu, als eine offne Stirn und geschlossne Lippen! Ueberlaßt es mir, Euch eine geschützte Laube zu bauen, zu der keine eifersüchtige Königin den Eingang finden soll!«

Leicester schwieg eine Weile, tat einen tiefen Seufzer und sprach sodann:

»Sir Richard Varney, gute Nacht! Was Ihr andeutet, ist unmöglich. ... Indessen verzeiht noch einen Augenblick! Wißt Ihr mir zu sagen, warum Tressilian heute vor der Königin in solch geringem Anzuge erschien?«

Varney lachte höhnisch.

»Recht gemacht hat ers, glaube ich. Wie sollte er anders tun, sein Herz zu trösten? ... Er hat doch einen Kameraden, einen weiblichen Geschlechts ... eine Jungfer oder so etwas wie die Frau oder Schwester eines Komödianten mit aufs Schloß gebracht ... hat sie mit bei sich im Mervynskäfig, wo ich ihn aus gewissen Gründen persönlicher Natur untergebracht habe.«

»Eine Jungfer? ... sagtest Du? ... meinst Du, eine Buhlerin?«

»Jenun, Mylord! Bliebe wohl eine andre in eines ledigen Herrn Gemache?«

»Meiner Treu! zur rechten Zeit erzählt am rechten Orte, gäbe das eine, gar köstliche Anekdote!« sagte Leicester. »Ich habe diesen Bücherwürmern und Stubenhockern, diesen heuchlerischen, gleisnerischen Tugendbolden nie im Leben getraut ... gut, gut! Junker Tressilian beliebt mit meinem Hause ein wenig keck umzuspringen! ... Wenn ich die Augen darüber zudrücke, so verdankt er es lediglich gewissen Rücksichten, gewissen Erinnerungen. ... Ich möchte ihm nicht weher tun als schon geschehen.... Behalt ihn indessen im Auge, Varney!«

»Eben weil ich meinte, daß dies von nöten sei, habe ich ihn im Mervynsturme untergebracht...« versetzte Varney, »dort bewacht ihn mein, wenn auch immer betrunkner, so doch immer getreuer und wachsamer Michael Lambourne, den ich Eurer Hoheit empfohlen hatte.«

»Hoheit?« wiederholte Leicester... »was ist der Sinn solches Beiworts in Deinem Munde?«

»Es entfuhr mir unbewußt, Mylord und doch klingt es so durchaus natürlich, daß ich es nicht zurücknehmen kann.«

»Deine eigne Erhöhung hat Dir das Gehirn verdreht,« sagte Leicester mit Lachen. »Neue Ehren berauschen wie junge Weine.«

Seinem Gönner gute Nacht wünschend, verließ Varney das Gemach.


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