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Fünfzehntes Kapitel

All die herrlichen Festlichkeiten, die zu Ehren der Anwesenheit der Königin zu Kenilworth gefeiert wurden, haarklein zu beschreiben, kann nicht unsre Absicht sein. Es mag vielmehr genügen, zu bemerken, daß Ihre Majestät unter flammendem Feuerwerk durch den Mortimerturm im Schlosse Kenilworth ihren Einzug hielt, daß ihr dort Götter und Göttinnen des heidnischen Altertums Gaben darreichten und Glückwünsche darbrachten, und daß sie, durch solch mythologisches Spalier, endlich zu der großen Schloßhalle gelangte, die zu ihrem Empfange mit den kostbarsten Seidentapeten ausgeschlagen war, in der ein wahres Meer von Wachskerzen strahlte und die erfüllt war von den herrlichsten Wohlgerüchen und von der lieblichsten Musik. Am obersten Ende dieses Prachtsaales stand ein Baldachin von wunderbarer Schönheit über einem Königsthrone, und ein köstliches Portal öffnete den Zugang zu einer langen Flucht von Gemächern, die für den Aufenthalt der Königin und ihrer Hofdamen bestimmt und auf das eleganteste und schönste hergerichtet waren.

Nachdem der Earl of Leicester die Königin zum Throne geleitet hatte, ließ er sich vor ihr auf ein Knie nieder und dankte ihr auf das wärmste und innigste für diese höchste Ehre, die eine Monarchin einem Untertan erweisen könne. Der Anblick dieses vor seiner Herrscherin knieenden Edelmanns war so berückender Art, daß sie sich versucht fühlte, den Auftritt länger auszudehnen, als eigentlich notwendig war; und ehe sie Leicester aufhob, fuhr sie ihm mit der Hand über das Haupt, so nahe und so dicht über seine langen, gewellten und wohlriechenden Haare, daß es fast so aussah, als hätte sie diese Handbewegung gar zu gern in eine Liebkosung verwandelt.

Endlich hob sie ihn auf, und als er nun neben ihr an dem Throne stand, gab er ihr Kenntnis von all den Vorkehrungen und Anordnungen, die zu ihrer Unterhaltung und Freude getroffen worden waren. Sodann bat der Graf die Königin um die Erlaubnis, sich mit den Edelleuten, die den Tag über Dienst bei ihr getan, auf kurze Zeit entfernen zu dürfen, um sich umzukleiden.

Nach empfangner Erlaubnis zog er sich mit den Herren vom engern Gefolge zurück, während jene andern Herren, die schon vor ihr auf dem Schlosse eingetroffen waren und bereits hofmäßige Tracht trugen, nun ihrerseits sich um den Thron gruppierten, aber, da sie zumeist nur den zweiten Rang bekleideten, in gemessner Entfernung. Das scharfe Auge der Königin entdeckte bald Walter Raleigh unter ihnen nebst einigen andern Herren, die ihr schon vorgestellt waren. Sie winkte die Herren huldvoll zu sich heran und richtete gnädig das Wort an sie, besonders an Raleigh, der ihr durch das Abenteuer mit dem Mantel noch lebhaft in der Erinnerung stand. Auf Tressilian, dessen schlichte Tracht gegen die Pracht und Eleganz der andern unvorteilhaft abstach, zeigend, fragte sie:

»Wer ist denn jener etwas ungehobelt aussehende Mensch?«

»Ein Poet, mit Eurer Majestät gnädigem Verlaub.«

Elisabeth lächelte und fuhr fort:

»Ich fragte nach dem Namen des wunderlichen Menschen und nicht nach seinem Stande.«

»Tressilian ist sein Name,« antwortete Raleigh mit innerlichem Widerstreben, denn er ersah aus der Art und Weise, wie sich Elisabeth nach seinem Freunde erkundigte, nicht viel Erfreuliches für ihn voraus.

»Tressilian!« antwortete Elisabeth, »o! also der Menelaos unsrer Romanze! Hm, er hat sich in ein Gewand gesteckt, das wohl nicht angetan sein dürfte, seine holde und falsche Helena in seine Arme zurückzuführen; weißwaschen könnte sie sich damit schon! ... Und wo ist Farnham, oder wie er heißt ... Mylord Leicesters Gefolgsmann meine ich ... der Paris dieser Devonshire-Idylle?«

Mit noch größerm Widerstreben zeigte nun Raleigh auf Varney, auf dessen äußre Erscheinung sein Schneider alle erdenkliche Sorgfalt verwandt hatte, und nannte seinen Namen.

Die Königin ließ den Blick von einem aus den andern gleiten und sagte dann:

»Wie mir scheint, ist dieser Herr Tressilian einer von jenen Kavalieren, die unser weiser Chaucer für zu gelehrt hält, daß sie klug sein könnten. Jedenfalls ist es ihm gar nicht eingefallen, vor wem er heut erscheinen soll. Was hingegen diesen Varney anbetrifft, so erinnre ich mich, daß es ein Musje mit aalglatter Zunge ist, der seine Worte sehr fein zu drechseln weiß, und da fürchte ich freilich, daß die schöne Dame, die sich auf solch unangenehme Weise entfernt hat, nicht ohne Ursache dazu gewesen ist.« Raleigh wagte hierauf keine Antwort, da er wußte, daß es dem Freunde wenig helfen werde, wenn er den königlichen Worten widerspräche; zudem neigte er der Ansicht zu, daß es schließlich das beste sei, wenn die ganze Angelegenheit, an die sich Tressilian umsonst mit ganzer Seele klammerte, durch die Macht der Königin einfür allemal aus der Welt geschafft würde.

Während diese Gedanken ihm durch sein reges Gehirn schossen, öffnete sich die untre Tür der Halle; und Leicester, in Begleitung einiger Herren von seinem Gefolge, trat wieder in die Halle von Kenilworth.

Der königliche Günstling erschien jetzt ganz in Weiß gekleidet, in Schuhen aus weißem Sammet, in Strümpfen, aus weißer Seide gewirkt, darüber kurze Beinkleider aus weißem Sammet, die bis zu halber Schenkelhöhe mit weißen Silberstreifen geschlitzt waren. Sein Wams war aus silberfarbner Seide, die darunter prall sitzende Weste aus weißem Sammet, mit Silber und weißen Perlen überreich gestickt. Auch der Gürtel und die Scheide seines Schwertes waren aus weißem Sammet, der Gürtel mit güldner Schnalle, die Scheide mit güldnem Beschlag. All diese Pracht umfloß ein weißer Atlasmantel, fußbreit mit güldner Stickerei besetzt, und die um das Knie geschlungne Kette des Hosenbandordens, mit dem azurblauen Bande selbst, setzte dem Anzug des Earl of Leicester, der seine schöne Gestalt und das Ebenmaß seiner Glieder vorzüglich heraushob, und den edlen Ausdruck des Antlitzes erheblich steigerte, die Krone auf. Kurz, wer ihn sah, mußte zugestehen, niemals einen schönern Mann gesehen zu haben. Der Earl of Sussex war nicht minder elegant gekleidet, die übrigen Edelleute desgleichen; aber an Pracht und Leibesanmut übertraf sie doch alle Lord Leicester.

Elisabeth empfing den Lord mit großer Huld.

»Wir haben einen Akt königlicher Justiz zu vollziehen,« sprach Elisabeth, »der Uns sowohl als Frau wie in dem Charakter einer Mutter und Hüterin des britischen Volkes obliegt.«

Ein unwillkürlicher Schauder überrieselte Leicester, als er sich tief verbeugte zum Zeichen seines Gehorsams gegen die Gebieterin, und einen ähnlichen Frostschauer empfand wohl auch Varney, dessen Augen an diesem Abend fast ununterbrochen auf seinen Gönner gerichtet waren. Aus der Veränderung, die Leicesters Züge zeigten, so geringfügig sie im Grunde genommen war, schloß er sogleich auf das Thema, wovon bei der Königin die Rede war. Leicester war sich jedoch insoweit schlüssig geworden, wie er es in seiner Zweizüngigkeit für den Fall für notwendig hielt; und als Elisabeth fortfuhr: »Von Tressilian und Varney sprechen Wir,« und ihm die Frage stellte: »Ist die Lady zur Stelle?« ... hielt er die Antwort bereit: »Huldvolle Fürstin! Nein, sie ist nicht zur Stelle.«

Die Königin runzelte die Brauen und zog die Lippen zusammen.

»Unsre Befehle, Mylord, waren streng und bestimmt,« lautete ihre Antwort.

»... und wären auch gehorsam erfüllt worden, gnädigste Fürstin,« erwiderte Leicester, »wären sie auch nur als leisester Wunsch verlautbart. Aber ... Varney, tritt vor ... dieser Edelmann wird Eurer Majestät die Ursache melden, warum die Dame – –« (er konnte seine rebellische Zunge nicht dazu bringen, statt der beiden letzten Worte zu sagen: seine Frau) »warum die Dame nicht vor königlicher Majestät erscheinen kann.«

Varney trat vor und meldete mit geläufiger Zunge, was er tatsächlich selbst glaubte, daß sich »die Betreffende – –« (in Leicesters Gegenwart wollte er sie auch nicht »seine Frau« nennen) – – in völliger Unmöglichkeit, vor der königlichen Majestät zu erscheinen, befände.

»Hier,« setzte er hinzu, »sind Atteste, gegeben von einem höchst gelehrten Arzte, dessen Tüchtigkeit und Ehrenhaftigkeit meinem gnädigen Herrn sattsam bekannt sind, sowie von einem rechtschaffnen, frommen Protestanten, einem gewissen Tony Foster, dem Herrn, in dessen Hause sie zurzeit sich aufhält, Atteste, aus denen königliche Majestät ersehen, daß sie an einer Krankheit leidet, die es ihr absolut unmöglich macht, solche Reise aus der Gegend von Oxford hierher zu machen.«

»Das ändert freilich die Sache,« sprach die Königin, indem sie die Atteste aus Varneys Hand nahm und durchsah... »Tressilian soll vortreten.... Junker Tressilian, Wir empfinden für Eure Lage ein tiefes Mitgefühl, zudem es scheint, als ob Euer Herz innig an dieser Amy Robsart oder Varney hängt. Unsre Macht ist, dank Gott und dem willigen Gehorsam eines in Liebe ergebnen Volkes, vielvermögend, indessen gibt es Dinge, bis zu denen heran sie nicht reicht. Zum Beispiel sind Wir außer stande, einem losen jungen Dinge zu gebieten, Du mußt den und den Mann lieben, oder ihr vorzuschreiben, das Wams des oder des Hofmanns muß Dir besser gefallen als das jenes andern; desgleichen sind Wir außer stande, Krankheiten zu gebieten, wie zum Beispiel im vorliegenden Falle, der die Dame in die absolute Unmöglichkeit versetzt, hier zu erscheinen, wie Wir es gewünscht und auch befohlen haben. Hier sind die ärztlichen Atteste, wie auch diejenigen von dem Manne, in dessen Hause sie zurzeit weilt.«

»Mit königlicher Majestät Verlaub,« nahm nun Tressilian das Wort, voller Hast und in seiner Beunruhigung wegen der Folgen dieses an der Königin begangnen Betrugs, zum Teil wenigstens, des Amy gegebnen Versprechens eingedenk, »diese Atteste sprechen nicht die Wahrheit.«

»Wie, Junker!« sprach die Königin, »Zweifel an Lord Leicesters Wahrhaftigkeit? Doch Ihr sollt volles Gehör finden. Vor Unserm Throne wird der niedrigste Unsrer Untertanen Gehör finden wider den höchsten und der unbekannteste wider den begünstigtsten. Drum sollt Ihr unumschränktes Gehör finden, doch hütet Euch, Dinge auszusprechen, für die es Euch an gutem Zeugnis gebricht. Nehmt diese Atteste zur Hand, prüft sie fürsorglich und sagt ehrlich und männlich, ob Ihr ihre Wahrheit anzufechten vermöget, und auf grund welches Zeugnisses?«

Während dieser Worte der Königin bestürmten das Gemüt des unglücklichen Tressilian das gegebne Versprechen und seine Folgen, und ein schwerer Kampf war es, den seine Empfindungen kämpften, einen Betrug zu entschleiern, den ihm die eignen Augen offenbart hatten; ein Kampf, so schwer, daß über sein ganzes Wesen eine Unentschlossenheit und Unsicherheit kamen, die sowohl die Königin als die übrigen Anwesenden gegen ihn einnahmen. Er wandte die Papiere um und um in der Hand, wie wenn er von Blödsinn geschlagen wäre und gar nicht die Fähigkeit besäße, sie auf ihren Inhalt hin zu prüfen.

Die Ungeduld der Königin zeigte sich immer deutlicher.

»Ihr seid ein gelehrter Herr, Junker,« sprach sie, »und, wie mir zu Ohren gekommen, von einiger Bedeutung; doch scheint es Euch eigentümlich schwer zu fallen, Geschriebnes zu lesen? Wie lautet Eure Meinung über diese Atteste? Sind sie echt oder falsch?«

»Majestät,« nahm jetzt Tressilian das Wort, mit sichtlicher Verlegenheit und Unsicherheit, der Folge seiner Unruhe darüber, daß es ihm geschehen könne, etwas für richtig anzuerkennen, dessen Richtigkeit er dann widerrufen müsse, und doch auch andrerseits beherrscht von dem Bemühen, das Amy gegebne Wort zu halten und ihr dadurch Zeit zu schaffen, daß sie ihre Angelegenheit nach eignem Willen führen könne. »Majestät, Euer Gnaden verlangen von mir, Echtheit von Attesten zu beweisen, was doch Sache sein müßte derer, die diese Papiere beibringen.«

»Hm, hm, Tressilian, Du bist ebenso sehr Kritiker wie Poet,« sagte die Königin, indem sie einen Blick des Mißbehagens auf ihn heftete, »Uns will bedünken, da diese Atteste vorgelegt werden in dem Schlosse des edlen Earl und in seiner Gegenwart, und da seine Edlen mit ihrer Ehre für die Echtheit derselben sich verbürgt haben, dürften Wir weitern Zeugnisses nicht bedürfen ... und solches Zeugnis müsse auch genügend sein für Dich. ... Da Du indessen so sehr am Förmlichen klebst, ... so möge Varney oder vielmehr Lord Leicester – denn die Angelegenheit berührt zunächst doch Euch« – (und ob auch diese Worte gewissermaßen nebenher gesprochen wurden, schnitten sie doch dem Earl wie ein Messer in die Brust) – »Lord Leicester sagen, welches Zeugnis er hat für die Echtheit dieser Atteste?«

Varney beeilte sich, dem Lord zuvorzukommen.

»Mit Verlaub, huldvolle Majestät, der junge Lord of Oxford, der hier zugegen ist, kennt die Handschrift des Herrn Anthony Foster und auch ihn selbst persönlich.«

Der Earl of Oxford, ein junger Sausewind, dem Foster wiederholt Geld und Wucherzins geliehen, sagte nun zufolge dieser Aufforderung aus, daß er genannten Mann als einen reichen und unabhängigen Freisassen kennte, und bezeugte die Echtheit seiner Handschrift.

»Und wer verbürgt die Echtheit des ärztlichen Zeugnisses?« fragte die Königin. »Alasko, dünkt mich, ist sein Name.«

Masters, der Leibarzt der Königin, mehr wie gern geneigt, durch sein Zeugnis Leicester zu nützen, dagegen dem Earl of Sussex und seiner Partei zu schaden, deponierte, daß er sich wiederholt mit dem Doktor Alasko über schwierige Fälle unterhalten habe, und schilderte ihn als einen höchst gewissenhaften und außerordentlich tüchtigen Mann, wenn er auch keine regelmäßige Praxis ausübe. Der Earl of Huntingdon, Schwager des Lord Leicester, und die alte Gräfin Rutland, priesen auch noch Alaskos Verdienste, und beide erkannten die zierliche, italienische Handschrift auf dem Atteste als dieselbe, in welcher sie die Rezepte von ihm geschrieben bekommen hätten.

»Und nun dächte ich, Herr Tressilian,« sprach die Königin, »Wir dürften diese Angelegenheit als erledigt beiseite legen... Wir wollen noch heute abend einiges veranlassen, was den alten Herrn Robsart mit dieser Heirat auszusöhnen vermag. Ihr habt Eure Pflicht tapfrer erfüllt, als manch andrer an Eurer Statt es vermocht hätte; aber Wir müßten nicht selbst Weib sein, wollten Wir mit den Wunden, die treue Liebe schlägt, kein Mitgefühl haben. Darum verzeihen Wir Euch Eure Kühnheit ebenso wohl wie Eure ungebürsteten Stiefel, die trotz der Parfüms, mit denen Lord Leicester diese Halle erfüllt hat, unsre Geruchsnerven auf das unangenehmste berühren.«

Also die Königin. Aber Tressilian hatte sich in dieser Zeit gesammelt, so verblüfft er auch im ersten Augenblick gewesen war über die bodenlose Frechheit solchen Betrugs, der tatsächlich den Sieg davontrug über die mit eignen Augen gesehne Wahrheit. Er stürzte vorwärts, sank vor der Königin auf die Knie und faßte das königliche Gewand am Saume.

»So wahr Ihr eine christliche Frau seid, Madame,« rief er, »und so wahr Ihr gekrönte Königin seid, gleiche Gerechtigkeit zu üben gegen alle Eure Untertanen, gleichwie Ihr vor Gott Gehör zu finden hoffet an jenem letzten Gericht, vor dem wir alle erscheinen müssen, gewährt mir eine geringe Bitte! Entscheidet in dieser Sache nicht so schnell! Gewährt mir bloß vierundzwanzig Stunden Frist, und ich gelobe, in dieser kurzen Zeit Zeugnis beizubringen, das unwiderruflich beweisen soll, daß diese Atteste, welche aussagen, die unglückliche Dame sei krank in Cumnorplace verblieben, falsch sind wie die Hölle.«

»Laßt mein Gewand los,« rief Elisabeth, empört über solche Heftigkeit, obgleich zu viel von Löwennatur ihr eigen war, als daß sie hätte Furcht empfinden sollen ... »der Mensch muß von Sinnen sein ... der witzige Mussje, mein Patchen Harrington mag ihn in seinen Strophen des Orlando furioso besingen! ... und doch, bei dem Licht der Sonne! es liegt etwas Seltsames in dieser Heftigkeit seiner Bitte – sprecht Tressilian! was willst Du tun, wenn die vierundzwanzig Stunden um sind und Du kannst solch feierlich bezeugte Tatsache, wie die Krankheit dieser Dame, nicht entkräften?«

»Mein Haupt will ich dann auf den Block legen,« versetzte Tressilian fest.

»Pst, pst!« rief die Königin, »Du sprichst, bei Gott! wie ein Narr. Welch Haupt fällt in England, als durch richterlichen Spruch? Ich frage Dich, Mann ... wenn Du Verstand hast, mich zu verstehen, ... dann antworte mir: Willst Du, falls der Beweis Dir nicht, gelingt, mir einen triftigen Grund angeben, warum Du Dich darin eingelassen hast?«

Tressilian überlegte und zögerte wiederum mit der Antwort, weil er sich sagte, daß sich innerhalb der begehrten Frist am Ende Amy Robsart mit ihrem Gemahl wieder aussöhnen könne, und daß es dann seinerseits ihr den schlimmsten Dienst erwiesen hieße, wollte er die sämtlichen Umstände vor Elisabeth wieder aufrollen und dartun, wie diese weise und eifersüchtige Königin durch falsches Zeugnis irregeführt worden sei. Das Bewußtsein dieser schwierigen Lage brachte von neuem in seine Miene, seine Stimme, seine Haltung den frühern hohen Grad von Verlegenheit zurück; er zauderte, sah zu Boden, blickte auf die Königin, die ihre Frage mit strenger Stimme und blitzendem Auge wiederholte, und gab dann zu mit unsichern Worten: »Daß es ja doch sein könne – daß er nicht positiv sagen könne – indessen würde er unter gewissen Umständen und Bedingungen die Ursachen und Gründe nennen können, die ihn zu solcher Handlungsweise bestimmt hatten.«

»Nun, bei König Heinrichs Seele!« rief die Königin, »das ist entweder Raserei oder Schurkerei! ... Sieh, sieh, Raleigh, Dein Freund ist gar zu bäuerisch-dichterisch angehaucht für eine Umgebung wie diese. Führe ihn anderswo hin, denn auf den Höhen vom Parnaß oder im Sankt Lukas-Spital ist kein Platz für seine hochfliegenden Ideen. ... Du selbst aber komm sogleich zurück, wenn er in schicklichen Gewahrsam gebracht worden ist. ... Wir hätten die Schönheit gar zu gern gesehen, die solches Unheil im Kopfe eines Weisen anzurichten vermochte.«

Tressilian suchte noch einmal an die Königin das Wort zu richten, aber Raleigh fiel ihm, gehorsam dem Befehle derselben, in den Arm, und zog ihn halb, halb führte er ihn mit Hilfe Blounts aus der Halle. Draußen hieß er Blount den Freund, der sich mit solchem Ungeschick benommen, in die für den Earl of Sussex und sein Gefolge bestimmten Räume führen und befahl, nötigenfalls ihm einen Mann als Wache dort zu lassen.

Tressilian folgte Blount ohne Widerstand in Raleighs Zimmer, wo er bald selbst einsah, daß keine Vorstellungen und Auseinandersetzungen ihm Beistand und Hilfe von Freunden früher verschaffen konnten, als bis die Zeit, in der er alles Handeln zu unterlassen versprochen hatte, verstrichen sei. Mit Mühe gelang es ihm, von Blount zu erreichen, daß er ihm die Schmach einer Ueberwachung ersparte.


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