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Sechstes Kapitel.

Laut schmetterte die Warägertrompete, und die im Palast zum Dienste kommandierte Leibgarde marschierte, mit dem Kaiser in glänzender Rüstung in der Mitte, in langem Zuge durch die Straßen der Hauptstadt. Wenn die Verschworenen sich noch mit Hoffnungen trugen, so beruhten dieselben vornehmlich auf der Schar der Unsterblichen, die, zur eigentlichen Verteidigung der Stadt bestimmt, mehr mit den Bürgern derselben in Beziehung standen, und von den Parteigängern Ursels, ihres ehemaligen Kommandanten, bearbeitet worden waren. Dem Plane der Verschworenen gemäß sollten sich die unzufriedensten Elemente frühzeitig desjenigen Teiles der Schranken bemächtigen, der bei einem Angriffe auf den Kaiser den raschesten Erfolg versprach. Aber die Waräger waren ihnen zuvorgekommen, und die Verschworenen sahen sich, als sie ihrerseits anrückten, vergeblich nach den Führern um. Aber weder der Cäsar noch Agelastes wurden sichtbar, und als nun der Kaiser mit seiner Palastgarde in Sicht kam, konnte sich niemand darüber im Irrtum befinden, daß Achilles Tatius, der an der Seite des Protospatharius ritt, sich nicht sowohl an der Spitze der Palastgarde, als im engeren Gefolge des Kaisers, unter dem Späherauge desselben, befand.

Der Kaiser ritt mit seiner glänzenden Schar den Kreuzfahrern entgegen, die zwischen der Stadt und den Schranken auf einem niedrigen Hügel Aufstellung genommen hatten. In mäßiger Entfernung machte der Zug Halt, und der Protospatharius ritt mit dem Akoluthen in Begleitung eines Warägerkommandos allein weiter, um mit dem Fürsten Tankred im Auftrage des Kaisers zu verhandeln.

»Alexius, selbstherrlicher Kaiser über Griechenland, und von Byzanz,« hub der Protospatharius an, »verlangt von dem Fürsten von Otranto Auskunft, aus welchem Grunde derselbe wider Eid und Gewissen die Fahrt über die Meerenge zurückgemacht hat. Nichtsdestoweniger gibt er dem Fürsten die Versicherung, daß er nichts sehnlicher wünscht, als eine Antwort auf seine Frage zu erhalten, die nicht im Widerspruche steht zu dem mit dem Herzog Gottfried von Bouillon geschlossenen Abkommen; denn es liegt dem Kaiser auch jetzt noch viel daran, keinen Mißklang in das bisher so ruhige Verhältnis zwischen ihm und dem Kreuzfahrerheere zu bringen.«

Die Antwort auf diese entgegenkommende Ansprache fiel dem Fürsten nicht schwer. »Was uns veranlaßt hat, den Fuß wieder auf diese Seite der Meerenge zu setzen, ist nichts anderes als der Zweikampf, der zwischen dem Cäsar dieses Reiches und einem der edelsten unserer Ritter ausgefochten werden soll. Hieraus erwächst für den Feldhauptmann die Pflicht, für die Aufrechterhaltung der gesetzlichen Ordnung während des Kampfes Sorge zu tragen. Daß von keiner anderen Absicht die Rede sein kann, erhellt schon allein daraus, daß der Herzog von Bouillon nur fünfzig Lanzen mit dem zugehörigen Gefolge über die Meerenge gesandt hat. Wir stellen uns und unsere Mannen dem Kaiser von Griechenland zu Befehl mit dem Bedingnis, daß uns Gelegenheit gegeben werde, den Verlauf des Kampfes als Zeugen zu überwachen.«

Der Kaiser vernahm diesen Bescheid aus dem Munde seiner beiden Offiziere mit besonderer Freude und ernannte auf der Stelle den Fürsten Tankred und den Protospatharius zu Turniermarschällen. Gleichzeitig erging an die bereits in den Schranken versammelten Zuschauer die Aufforderung, eine gewisse Anzahl von Sitzen für das Gefolge des Fürsten Tankred freizumachen.

Aus dieser Anordnung meinte Achilles Tatius erkennen zu sollen, daß Kaiser Alexius bemüht sei, die Kreuzfahrer als eine Art von Keil zwischen die Schar der Unsterblichen, und die mitverschworenen Stadtbürger zu schieben, um sich ihrer im gegebenen Falle als schützendes Bollwerk zu bedienen. Das brachte ihn von neuem zu dem Entschlusse, an diesem Tage keinerlei Versuche zur Erschütterung des kaiserlichen Thrones zu unternehmen. Nichtsdestoweniger mußte er befürchten, daß sich ein so verschmitzter Tyrann wie Alexius nicht mit der bloßen Entdeckung einer Verschwörung genug sein lassen würde; aber an Flucht zu denken war ebenso ausgeschlossen wie an Widerstand; denn der geringste Argwohn, daß er sich mit Gedanken hieran trüge, konnte die sofortige Verhaftung zur Folge haben. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als bangen Herzens die Entwickelung dieses Dramas, bei dem es sich um sein Leben handelte, wenn auch die Rollen von anderen gespielt wurden, abzuwarten. Nicht besser erging es den übrigen Verschworenen, die sich umsonst nach dem Cäsar und nach Agelastes umsahen, und aus der Lage, in welcher sie den Akoluthen erblickten, weit mehr Ursache zu Bestürzung als zu Ermutigung finden mußten.

Bloß die Elemente der untersten Bevölkerungsklasse, die sich hier vor Verfolgung sicherer als anderswo wußten, erhoben ihre Stimmen zu einem anschwellenden Gemurmel. Da gab der Kaiser der Leibgarde einen Wink, und von neuem schmetterten die Trompeten über den Platz. Ein Herold trat aus dem kaiserlichen Gefolge, den Willen des Herrschers zu künden. Er begann in strengem Tone, dem Volke vorzuhalten, daß es leider zuweilen seiner Pflichten gegen den Staat vergesse, und daß es als ein Glück zu erachten sei, wenn Gott dann selbst den Thron der Fürsten in seinen Schutz nehme, und die Strafe über die Schuldigen verhänge. »Das solle,« fuhr er fort, »Griechenland auch jetzt wieder erkennen, denn der Bösewicht Agelastes, der es verstanden habe, sich durch den Anschein einer tiefen Gelehrsamkeit die kaiserliche Gunst zu verschaffen, hinter der Maske der Weisheit aber die Lehren des Ketzerglaubens und die Laster des Lüstlings gepflegt habe, und der, auf Anhänger fußend, die er im Hofstaate, ja sogar unter den engeren Verwandten des Kaisers zu werben gewußt habe, einen Plan zu dessen Ermordung geschmiedet, das Volk aufgereizt und allerhand falsche Gerüchte ausgesprengt habe, – dieser Bösewicht sei dem Strafgericht Gottes verfallen, indem er, wie durch Zeugnis mehrerer Frauen erhärtet worden, sein Leben einem von ihm selbst beschworenen bösen Geiste habe lassen müssen. Aber auch solch eines Schuldigen Tod müsse dem Kaiser schmerzlich sein, wenn er eine Strafe erwarten lasse, die über diese Welt hinausreiche. Nur ein Gutes habe dieses schreckliche Ende des Haupträdelsführers, daß es den Kaiser der Notwendigkeit überhebe, fernere Strafen zu verhängen, denn der Himmel scheine ja selbst die Strafe auf diesen Bösewicht zu beschränken. Der Kaiser lasse demnach alle, die sich schuldig fühlen, auffordern, ruhig nach Hause zu gehen mit der Ueberzeugung, daß sie keine Strafe treffen solle; sie möchten aber der Worte der Schrift eingedenk sein, die sie auffordern, Buße zu tun und nicht weiter zu sündigen, um sich nicht in die Gefahr zu stürzen, daß Schlimmeres über sie komme.«

Als der Herold schwieg, erhob sich lautes Jubelgeschrei. Die Unzufriedenen mußten sich gestehen, daß sie von der Gnade des Kaisers abhängig seien, da es in seiner Macht stand, sowohl die Waräger über sie herfallen zu lassen, als auch die Mannen des Fürsten Tankred zu Feindseligkeiten gegen sie zu bestimmen. Wie es bei Pöbelmassen immer zu geschehen pflegt, überbot nun einer den andern, dem Kaiser für seine Güte und dem Himmel für die gnädige Errettung zu danken.

Auf einen abermaligen Wink des Kaisers dröhnte von neuem die Trompete über den Platz, und von neuem trat der Herold vor, aber diesmal, um den Beginn des Zweikampfes zu verkünden. »Robert, Graf von Paris,« rief der Herold aus, »seid Ihr persönlich hier erschienen oder durch einen ritterlichen Stellvertreter willens, auf die Forderung Seiner kaiserlichen Hoheit des Cäsars Nikephoros Briennios zu antworten?«

Das Erstaunen des Kaisers, der alles so eingerichtet zu haben meinte, daß sich keiner von den beiden Gegnern melden sollte, und deshalb schon Käfige mit wilden Tieren hatte herfahren lassen, um das Volk durch ein anderes Schauspiel zu ergötzen, war maßlos, als er jetzt den Grafen Robert von Paris in voller Rüstung in die Schranken reiten sah; weit größer aber noch war die Unruhe und Beschämung, als sich dem fränkischen Ritter kein Gegner stellte. Zum zweiten Male war schon der Ruf des Herolds nach dem Cäsar, der den Grafen Robert von Paris zum Kampfe gefordert; aber weder dieser noch ein Stellvertreter erschien in den Schranken. Beim dritten Rufe wäre dem Kaiser kaum etwas anderes übrig geblieben, als selbst in die Arena zu treten, da sprang ein Mann, gerüstet wie ein Waräger, in die Schranken und erklärte sich bereit, den Kampf für den Cäsar Nikephoros aufzunehmen. Alexius, höchst erfreut über diesen unerwarteten Beistand, erteilte dem kühnen Kämpen gern seine Einwilligung; aber Fürst Tankred erhob den Einspruch, daß die Schranken eines Turniers lediglich Rittern und Edlen offen stünden, mithin könne er zu solcher Außerachtsetzung der Gesetze der Ritterschaft nicht stillschweigen.

Der Waräger aber rief, der Graf von Paris solle ihm ins Angesicht schauen und dann erklären, ob er durch einen Kampf mit ihm nicht ein längst gegebenes Versprechen einlöse. Graf Robert trat hierauf zu dem Manne in Warägerrüstung und erklärte, daß ihn die Verschiedenheit im Range nicht abhielte, mit dem tapferen Krieger in den Kampf zu treten, da er sich tatsächlich durch ein feierliches Wort zu solchem Kampfe verpflichtet habe, ja er sei bereit, sowohl zu Fuße, als auch mit der eigentlichen Waffe der Waräger, der Streitaxt, zu kämpfen.

Darauf verneigte sich der Waräger, zum Zeichen des Dankes für solch männliches Benehmen. Dann faßte er seine Streitaxt und stellte sich kampfbereit. Der Graf ließ sich die Streitaxt eines nahe den Schranken stehenden Warägers geben und trat Hereward entgegen. Ohne weitere Umstände nahm der Kampf seinen Anfang. Auf beiden Seiten fielen nun die Schläge mit immer größerer Stärke, und in immer kürzeren Pausen, und bald floß auch bei beiden Gegnern Blut. Die Griechen schauten dem ungewohnten Bilde mit Spannung zu; kaum zu atmen wagten sie, und bei jedem Streiche, der fiel, erwarteten sie, einen der Gegner stürzen zu sehen. Lange stand der Kampf unter gleichen Chancen, denn die beiden Gegner waren einander an Stärke und Gewandtheit gleich. Da schien der Zufall die Entscheidung herbeiführen zu sollen. Graf Robert schlug dem Gegner eine Finte und traf den Waräger in der Seite, so daß derselbe taumelte. Schon hob der Graf die Axt zum zweiten Schlage, da erklang eine Frauenstimme aus den Reihen der Zuschauer: »Vergiß nicht, Graf Robert von Paris, daß Du Dein Leben nächst dem Himmel mir verdankst!« Mit den Worten: »Ich erkenne meine Schuld!« senkte der Graf die Axt und trat ein paar Schritte von seinem Gegner hinweg, so daß dieser sich von dem erlittenen Schlage aufzuraffen vermochte. Aber auch er senkte nun die Axt und wartete gespannt der weiteren Entwicklung der Dinge.

»Gott dem Allmächtigen und der englischen Maid Bertha danke ich es,« sprach der Graf, »daß ich mich nicht mit der Blutschuld des Undankes befleckte!« Dann wandte er sich zu dem Fürsten Tankred: »Ihr Herren,« sprach er, »habt den Kampf beobachtet und könnt auf Ehre bezeugen, daß er auf beiden Seiten mit Ehren geführt worden ist. Ich hoffe, daß meinen wackeren Gegner die Lust, sich in weiterem Kampfe mit mir zu messen, verlassen hat, während mich ein so tiefer Dank gegen ihn erfüllt, daß ich jede Fortsetzung dieses Kampfes, sofern mich nicht die Pflicht der Selbsterhaltung zwingt, ihn weiter zu führen, als sündigen Verstoß wider die guten Rittersitten erkläre!«

Der Kaiser, der solchen Abschluß nicht erwartet hatte, senkte mit Freude seinen Heroldstab zum Zeichen, daß der Kampf zu Ende sei, und wenn auch Tankred befremdet darüber war, daß ein simpler Waräger einem der berühmtesten Ritter des Zeitalters so lange widerstanden hatte, konnte er doch nicht umhin, einzuräumen, das allen Geboten der Ritterpflicht bei dem Kampfe ehrlich Rechnung getragen worden sei.

Hereward, der jetzt zur wichtigsten Person geworden war, ohne sich dessen im entferntesten vermutet zu haben, stand im Mittelpunkte der Schranken, mit gerötetem Gesicht, einer Folge nicht allein von dem aufregenden Kampfe, sondern wohl auch von der schlichten Gemütern eigentümlichen Scheu, die Blicke einer großen Menge auf sich gerichtet zu sehen. Von Dank erfüllt, wandte der Kaiser sich zu ihm und sprach: »Tapferer Kriegsmann, sage Deinem Kaiser, wie er sich dankbar dafür erweisen soll, daß Du ihm nicht bloß das Leben, sondern – was noch höher zu bewerten ist – auch die Ehre gerettet hast durch Dein mannhaftes Eintreten für ihn und für den Cäsar. Und wenn Du die Hälfte meines Reiches fordertest, so würde ich sie Dir nicht weigern.«

»Kaiserliche Hoheit,« erwiderte der Waräger, »Ihr schätzet meine Dienste zu hoch, denn in erster Reihe gehörte Euer Dank dem Grafen Robert von Paris dafür, daß er sich herabgelassen hat, mit einem Mann wie mir, der ihm an Rang doch so tief untergeordnet ist, den Kampf in den Schranken zu bestehen und den Sieg, der ihm durch einen zweiten Schlag sicher war, nicht zu verfolgen. Es wäre unrecht von mir, wollte ich verschweigen, daß meine Kraft, als der Graf die Streitaxt senkte, zu Ende war.«

»Es ziemt dem Ritter wohl Bescheidenheit,« nahm hier der Graf das Wort, »aber nicht, sich selbst gering zu schätzen; denn ich schwöre vor allem hier versammelten Volke, daß der Kampf noch unentschieden war, als ich die Streitaxt senkte. Weigere also den Lohn nicht, den Dir Dein kaiserlicher Herr bietet, ohne Furcht, daß jemand sagen könnte, Du habest solches nicht verdient!«

»Es sei ferne von mir, Euer Edlen,« erwiderte Hereward, »Euch widersprechen oder die Großmut meines kaiserlichen Herrn gering schätzen zu wollen; und doch möchte ich nicht von ihm, sondern von Euch dasjenige Geschenk erbitten, das mir, wenn ich eins fordern darf, das liebste wäre, was ich fordern möchte!«

»Ich weiß, mein Freund,« versetzte der Graf, »was Deine Worte bedeuten. Bertha, so schwer auch meine Gattin sie vermissen wird, soll die Deine sein!«

»Noch eins,« erwiderte Hereward, »ich bin willens, um meinen Abschied aus der Warägergarde einzukommen und Euer Edlen um die Vergünstigung zu bitten, unter Eurem Banner mit nach Palästina zu marschieren. Vielleicht ist es mir dann erlaubt, in die Heimat zurückzukehren, wo ich doch am liebsten leben möchte von allen Ländern der Welt.«

»Wenn es in meiner Macht steht,« versetzte der Graf, »Dir eine Gelegenheit zur Auszeichnung zu verschaffen, so darfst Du Dich überzeugt halten, daß es mit Freuden geschehen wird. Auch will ich beim Könige von England alles tun, was in meinen Kräften steht, Dir die Rückkehr nach Deinem Vaterlande zu ermöglichen.«

Der Kaiser gab das Zeichen zum Aufbruch, und in Scharen brachen die Zuschauer nach der Stadt auf. Da ertönte plötzlich von allen Seiten wildes Geschrei, und viele standen still, um zu sehen, was vorging. Der Waldmensch Sylvan war in den Schranken! In der Nacht war er aus dem Garten des Agelastes, wo ihn Hereward zuletzt gesehen, entwischt, über die Stadtmauer geklettert und nach den Schranken retiriert, wo er sich in einem dunklen Winkel unter den Sitzen der Zuschauer versteckt hatte. Von dort war er durch den Lärm aufgescheucht worden, flüchtete aber, von seinem scharfen Instinkt geleitet, zu dem ihm vertrauten Hereward, um sich vor den Kriegsleuten in Sicherheit zu bringen, hielt ihn am Waffenrock fest und machte ihm mit allerlei Geschnatter verständlich, daß er Hilfe von ihm erwarte. Dem Kaiser war der Vorfall nicht entgangen; er knüpfte mit den Worten an ihn an: »Mein treuer Hereward! Du bist die Zuflucht nicht bloß hilfsbedürftiger Menschen, sondern auch der Tiere, und Sylvan soll sich nicht umsonst an Dich gewendet haben. Das Tier soll nach dem Blachernä-Palaste zurückgebracht werden. Sorge dafür, und ist dieser Fall erledigt, dann sollst Du mit Deiner Bertha an Unserem Hofe erscheinen, um mit meinem Ehgemahl und meiner Tochter sowie anderen Gästen zur Nacht zu speisen. Solange Du noch bei uns weilst, wollen Wir mit Ehrenbezeigungen nicht geizen. Und nun ein Paar Worte zu Dir, Achilles Tatius,« damit wandte er sich an, seinen Akoluthen – »tritt zu mir und halte Dich der gleichen Gunst auch ferner teilhaftig, die Du bisher von mir erfahren hast. Wohl hat sich Anklage wider Dich zu meinen Ohren geschlichen; aber es soll ferne von mir sein, Dich dessen fähig zu halten, was Dir böse Zungen nachreden. Aber« – und hier hob er drohend die Hand – »sei auf der Hut vor Rückfällen! Du würdest mich in einem zweiten Falle nicht wieder so gnädig finden!«

Der Akoluth verneigte sich bis zur Erde, hielt es aber für klüger, keinerlei Erwiderung zu tun, sondern seine Missetat mit diesen kaiserlichen Worten für abgetan zu betrachten.

Nun setzte sich der Zug von neuem in Bewegung, ohne noch einmal aufgehalten zu werden; der Waldmensch wurde von ein paar Warägern in die Mitte genommen und wieder in den Palast geführt, wo er seit jeher seine Behausung hatte. Die geladenen Gäste füllten alsbald die kaiserlichen Gemächer, und hie helle Fröhlichkeit, die bei der Abendtafel herrschte, ließ in keiner Weise ahnen, welch einen Tag voll schwerer Gefahren die kaiserliche Familie hinter sich gebracht hatte. Befremden weckte es allerdings, daß Brenhilde, die Gemahlin des Grafen Robert, nicht anwesend war; aber Bertha hatte dem Grafen schon am Vormittag mitgeteilt, daß sich Brenhilda von den Vorgängen der letzten Tage so angegriffen fühle, daß sie außerstande sei, ihr Zimmer zu verlassen. Der Graf hingegen tat sein möglichstes, aus dem Gedächtnisse des Kaisers jede trübe Erinnerung, zu verbannen, trotzdem es ihm recht wohl bekannt war, daß Fürst Tankred nicht allein das Haus, in welchem sich seine Gemahlin befand, sondern auch den Blachernä-Palast umzingelt hielt, damit weder ihren heldenmütigen Anführern noch auch dem Grafen Robert irgend etwas Uebles widerfahren könne.

Zum Schlusse unserer romantischen Erzählung sei nur noch des Schicksals gedacht, das die Hauptpersonen derselben betraf: Kaiser Alexius überlebte die letzten Ereignisse dieser Episode nicht lange, sondern starb an den Folgen eines heftigen, gichtischen Leidens. Seine Gemahlin Irene überlebte ihn eine Reihe von Jahren; am längsten aber von der kaiserlichen Familie lebte Anna Komnena, die mit ihrem Gemahl Nikephoros noch eine ungetrübte Ehe führte. Vielleicht war dabei von einigem Belang der Umstand, daß sie mit dem Hinscheiden ihres Vaters den Griffel aus der Hand legte und sich mehr ihren häuslichen Aufgaben als der schöngeistigen Beschäftigung widmete, die so lange ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch genommen hatte. Graf Robert von Paris tat sich während des Kreuzzuges so außerordentlich hervor, daß er nach dem Tode des Kaisers Alexius sogar zum Verweser des oströmischen Reiches erwählt wurde; aber in der Schlacht bei Dorylaion wurde er so gefährlich verwundet, daß er an den letzten Kämpfen der Kreuzfahrer nicht mehr teilnehmen konnte; dagegen war der heldenmütigen Brenhilda, seiner Gemahlin, die Freude, beschieden, die Mauern Jerusalems zu ersteigen und dem Gelübde, das sie mit ihrem Gemahl abgelegt hatte, Genüge zu tun. Ueber Venedig kehrte sie mit ihrem Gemahl, dessen Wunden im Orient nicht heilten, nach dem schöneren Frankreich zurück, während Hereward, der Waräger, mit seiner getreuen Bertha, wie es der Graf ihm verheißen hatte, in seine nordische Heimat zurückkehren durfte. Dort brachte er es noch zu hohen Ehren, denn König Wilhelm der Rote lernte seine hohen Gaben alsbald schätzen und verwandte ihn wiederholt zu Missionen an den französischen Hof. Die glücklichen Verhandlungen, die er dort führte, trugen ihm ein stattliches Lehen in der Nähe von New-Forest, seiner engeren Heimat, ein, und dort haben, wie verlautet, seine Nachkommen über manchen Wechsel der Zeiten hinaus gelebt, der manch größerem Geschlecht verderblich hatte werden sollen.

Ende.

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