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Viertes Kapitel.

Agelastes hatte knapp noch Zeit, sich vor einem gewaltigen Tiere auf den Boden zu werfen, das damals in der Welt noch fremd war, jetzt aber unter dem Namen Elefant als allgemein bekannt gelten darf. Es trug auf dem Rücken eine große, reich geschmückte Sänfte, in welcher die Gemahlin des Kaisers, Irene, mit ihrer Tochter, dem gelehrten Blaustrumpfe Anna Komnena, saß. Geführt wurde das stattliche Gefolge, das sich aus einem berittenen Trupp in glänzenden Rüstungen zusammensetzte, von dem kaiserlichen Schwiegersohne Nikephoros Briennios. Als die Fürstinnen auf der Terrasse aus ihrer Sänfte herniederstiegen, warfen sich die Offiziere zu Boden und richteten sich erst wieder in die Höhe, als die Fürstinnen vor der kleinen Pforte standen.

Kaiserin Irene war bereits über die Jugendzeit weit hinaus, zeichnete sich aber noch immer durch eine echt majestätische Haltung aus, während ihre Tochter in der vollen Blüte der Weiblichkeit stand. Im Hintergrunde, umringt von einem richtigen Wall von Speeren, stand der durch Größe und Pracht ausgezeichnete Hoftrompeter, auf hohem Felsen, von wo aus er seinen Leuten durch Zeichen verständlich machte, daß sie sich hier der weiteren kaiserlichen Befehle gewärtig zu halten hätten.

Brenhildens Schönheit zog alsbald die Aufmerksamkeit der Kaiserin und der Prinzessin auf sich. Agelastes fühlte, daß es seine Pflicht sei, die Gäste miteinander bekannt zu machen.

»Darf ich sprechen und leben?« fragte er; »die Fremdlinge, die Eure kaiserlichen Herrschaften bei mir antreffen, gehören zu den unzähligen Tausenden, die um Palästinas willen das Kreuz genommen haben; sie sind zugleich auch von dem Verlangen beseelt, dem Kaiser Alexius bei der Verjagung aller Heiden aus dem Gebiete seines Reiches zu helfen und an Stelle dieser Barbaren dem Kaiser als Vasallen zu dienen.«

»Wir danken Euch gern, weiser Agelastes,« erwiderte die Kaiserin, »für die Freundschaft, die ihr Fremden erweist, die sich ehrerbietig dem kaiserlichen Throne nahen, und werden Uns um so lieber mit ihnen befassen, als es Unser Wunsch ist, daß Unsere von Apollo mit einem so schönen Erzählungstalent gesegnete Tochter Bekanntschaft mache mit einer jener Amazonen des westlichen Europas, von denen Wir schon so oft gehört haben und doch immer noch so wenig wissen.«

»Meine Dame,« nahm Graf Robert das Wort, »was dieser Greis hier über unsere Anwesenheit im kaiserlichen Lande ausgesagt hat, kann unseren Beifall nicht finden; wir sind dem Kaiser Alexius weder lehnspflichtig, noch hat uns irgend welche andere Absicht hierher geführt, als das Heilige Land aus den Klauen der Sarazenen zu erlösen. Aber wir erkennen die Gewalt und Hoheit des Kaisers bloß aus dem Grunde an, weil es uns unchristlich erscheint, als Christen mit einem christlichen Herrscher Konflikt zu suchen. Aus keinem andern Grunde ist von den Führern und Feldhauptleuten des christlichen Heeres beschlossen worden, die Huldigungskomödie zu spielen.«

Die Kaiserin geriet ob dieser Worte, die mehrfach wider den am griechischen Kaiserhofe üblichen Speichelleckerton verstießen, wiederholt in heftige Erregung; sie war jedoch von ihrem Gemahl instruiert worden, sich mit den Kreuzfahrerrittern in keinerlei Dispute einzulassen, da jeder, der nicht äußerst zungengewandt sei, unbedingt dabei den kürzeren ziehen müsse; und so begnügte sie sich, wie wenn sie die Worte überhaupt nicht verstanden hätte, mit einer höfischen Verbeugung.

Unterdessen hatte der Cäsar Nikephoros die Gräfin Brenhilde mit einer fast auffälligen Aufmerksamkeit beobachtet, die sich aber um ihn so gut wie gar nicht kümmerte, sondern das ihr seltsame Tier betrachtete, auf welchem die Kaiserin mit ihrer Tochter in den Kiosk eingeritten war. Um ins Gespräch mit ihr zu kommen, trat er jetzt zu ihr heran und sagte: »Wie es scheint, schöne Gräfin, ist Euch das Tier, dem wir den Namen Elefant gegeben haben, noch nicht zu Gesicht gekommen? Wie sollte es denn auch der Fall sein, da Ihr ja doch zum ersten Male in Eurem Leben den Fuß in die Stadt setzet, die den stolzen Namen einer Königin der Welt führt?« – »Entschuldigt, Cäsar,« erwiderte Brenhilde, »aber der gelehrte Herr hier wäre wohl besser in der Lage, uns über dies eigentümliche Geschöpf der Tierwelt zu unterrichten.«

»Das dürfte freilich zutreffen,« bemerkte die Prinzessin, herantretend, mit seinem Lächeln; denn sie meinte gleich allen Anwesenden nicht anders, als es sei der fremden Gräfin schon bekannt, daß der Philosoph wegen seiner ungeschlachten Figur am kaiserlichen Hofe den Spitznamen »Elefant« führte. – Dieser erlaubte sich die demütige Bemerkung: »Sicher ist, daß er die Gelehrigkeit des Tieres, ebenso gut kennt, wie sein feines Gefühl und seine Treue.« – »Wahr gesprochen, weiser Agelastes,« antwortete die Prinzessin; »es sei ferne von uns, ein Tier zu schmähen, das sich auf den Boden kniet, damit wir es besteigen. Doch kommt, fremde Dame! Und auch Ihr, fremder Graf! Ihr sollt in Eurem Lande sagen können, sofern es Euch vom Schicksal vergönnt wird, dorthin zurückzukehren, daß Ihr die kaiserliche Familie von Ostrom ebenso essen und trinken sahet wie andere Sterbliche,« – »Ich möchte die freundliche Einladung nicht gern abschlagen,« sagte Brenhilde, »aber es wird bereits dunkel, und wir müssen nach der Stadt zurück,« – »Unsere kaiserliche Bedeckung wird Euch schützen,« sagte die Prinzessin. – »Schützen?« fragte mit geringschätzigem Blicke Brenhilde, »wozu brauche ich Schutz? Mein Gemahl ist mir hinlänglicher Schutz; aber nicht einmal ihn brauche ich; denn Brenhilde von Aspramonte weiß sich selbst recht gut zu schützen.«

»Meine Tochter,« mischte hier Agelastes sich in das Gespräch, »Ihr verkennt die Gesinnung der Prinzessin, die nichts anderes im Sinne hat, als durch Euch Kenntnis der merkwürdigsten Sitten Eures Frankenlandes zu erlangen. Zum Danke hierfür wird sie Euch Zutritt verschaffen zu der kaiserlichen Menagerie, in der Ihr die seltsamsten Geschöpfe der Erde sehen werdet von jenem Vierbeiner an, der die Wipfel von vierzig Fuß hohen Bäumen abfrißt, trotzdem seine Hinterbeine kaum die halbe Höhe haben, bis zu jener Riesenechse hinunter, die eine Länge von dreißig Fuß erreicht, in einen undurchdringlichen Schuppenpelz gekleidet ist und ihren Raub unter menschlichem Jammergeheul verzehrt, um hierdurch andere leckere Opfer in ihre Netze zu ziehen,«

»Genug! genug!« rief Brenhilde lebhaft, »frommer Vater, was Ihr da sprecht, weckt mein Interesse in ganz besonderem Maße, und ich werde meinen Gemahl bitten, mich dorthin zu führen! Robert, wir gehen doch dorthin?« – »Auch jenes andere gewaltige Tier werdet Ihr dort sehen, schöne Frau,« nahm Agelastes wieder das Wort, »das ein spitzes Horn auf der Nase trägt und eine so dicke Haut hat, daß es noch nie ein Ritter hat verwunden können.« – »Robert,« rief die Gräfin wieder, »nicht wahr, wir gehen doch hin?« – »Ja doch,« erwiderte der Graf, »sei es auch nur, diesen Kindern des Morgenlandes zu zeigen, was ein fränkischer Ritter mit seinem Schwert zu vollbringen vermag!« Dabei rasselte er so wild mit seinem »Tranchefer«, daß sich alle entsetzten und die Kaiserin in den Kiosk hinein flüchtete.

Die Prinzessin hingegen nahm mit dem edelsten Anstand den Arm des Grafen Robert. »Die Kaiserin-Mutter zeigt uns den Weg nach der Behausung des gelehrten Agelastes; ich muß Euch nun schon ein bißchen griechischen Ton beibringen.« Als Graf Robert sich nach seiner Gemahlin umsah, setzte sie scherzend hinzu: »Macht Euch Eurer Gemahlin wegen ja keine Sorge; denn meinem Manne bereitet es immer ganz besondere Freude, Gästen Aufmerksamkeiten zu erweisen. Es ist zwar sonst nicht an diesem Hofe Sitte, in Gegenwart von Fremden sich zur Tafel zu setzen. Aber unsere Frau Mutter hat bereits entschieden, daß Ihr uns und wir Euch gegenüber, von allen Zeremonien Abstand nehmen sollen; und daraus entnehme ich, daß mein kaiserlicher Vater, wenn er diese Abweichung vom Zeremoniell nicht schon im voraus gebilligt hat, sie nachträglich billigen wird. Eine sehr große Gnade bleibt es jedoch auf alle Falle.«

Kaiserin Irene hatte sich schon an der Spitze der Tafel niedergesetzt und nahm nicht ohne Verwunderung wahr, daß ihre Tochter den Grafen und ihr Schwiegersohn die Gräfin von Paris zur Tafel führten und zu ihrer Rechten und Linken plazierten; aber sie hatte von ihrem Gemahl Befehl erhalten, den fremden Rittern gegenüber Nachsicht walten zu lassen, und nahm demzufolge von allen zeremoniellen Rücksichten Abstand. Während der Cäsar nach griechischer Sitte sich zur Tafel hinstreckte, blieb der Graf sitzen mit der unter Lachen abgegebenen Erklärung, »daß er nur im Kampfe auf ein Lager gestreckt werden könne, und auch erst dann, wenn er nicht mehr imstande sei, sich wieder aufzurichten oder aufzuspringen.«

Im übrigen nahm die Tafel den üblichen, streng förmlichen Verlauf. Agelastes hatte für die Befriedigung auch der ausgesuchtesten Genüsse in ausgiebigstem Maße gesorgt: es gab nicht bloß eine ungeheure Menge von leckeren Speisen, sondern auch viele Sorten köstlicher Weine; aber Graf Robert begnügte sich mit der ersten besten Speise, die in seiner Nähe stand, und mit dem ersten besten Weine, ohne wie sein Gastgeber und die übrigen Griechen erst sorgfältig zu untersuchen, ob auch der Wein zu der Speise sich schicke, die sie gerade zum Munde führten. Noch weit mäßiger als er war seine Gemahlin, die Wein überhaupt verschmähte, und erst auf vieles Zureden des Cäsars sich dazu verstand, das Quellwasser, mit dem sie ihren Durst löschte, mit etwas Wein zu mischen. Dagegen aßen die beiden griechischen Damen, wenn auch nicht gerade viel, so doch von allen Speisen, und ließen besonders keine der zahllosen Leckereien ungekostet; aber schließlich war auch ihr Appetit gestillt, und die Aufmerksamkeit der Prinzessin wandte sich nun in höherem Maße ihrem »Herrn« zu. Es berührte sie unangenehm, daß derselbe im Gegensatz zu ihr sich so nüchtern zeigte, und sie fragte ihn, ob er denn wirklich allen Musen abhold sei? – »Schöne Dame,« erwiderte der Franke, »ob Ihr es übel nehmt oder nicht, mir bleibt darauf nur die Antwort übrig, daß ich als rechter Christ all den Schnickschnack von Musen und Göttern anspeie!« – »Ihr gebt meiner harmlosen Frage eine recht garstige Deutung,« erwiderte die Prinzessin, »was haben die Musen zu tun mit Göttern, und was gar mit dem zweiten Gebot? Wenn Ihr so grimmig sein wollt, so wird es geraten für uns sein, jedes Wort auf die Goldwage zu legen.«

Graf Robert lachte. »Es lag durchaus nicht in meiner Absicht, Euch zu kränken; auch wäre es unrecht, Eure Rede anders als harmlos aufzufassen. Zudem hege ich für Euch eine sehr hohe Achtung, seit ich von Eurem rühmlichen Vorhaben gehört habe, die Taten Eures Vaters der Nachwelt durch schriftliche Aufzeichnungen zu erhalten. Aber ich sehe, daß mein Weib Miene zu machen scheint, von der Tafel aufzustehen? Sie will nach der Stadt, und es geht unmöglich an, daß ich sie allein ziehen lasse.«

»Davon wird natürlich keine Rede sein,« sagte die Prinzessin, »denn wir werden uns alle zusammen nach Konstantinopel begeben. Hat doch Agelastes schon dafür gesorgt, daß Ihr die Menagerie in Augenschein nehmt, die mein kaiserlicher Vater in seinem Palaste hält. Auf keinen Fall dürft Ihr meinen, daß mein Ehgemahl das Eure gekränkt haben könnte; wenn Ihr ihn kennen werdet, so werdet Ihr bald merken, daß er zu jenen Menschen gehört, die nicht anders artig sein können, als daß sie sich in das gegenteilige Licht setzen.«

Die Gräfin lehnte aber jede Aufforderung, sich wieder zu setzen, so entschieden ab, daß sowohl Agelastes, als seine kaiserlichen Gäste sich dazu verstehen mußten, gleichfalls aufzustehen, sie hätten die Gräfin denn entweder allein gehen lassen, oder den Versuch gewaltsamer Zurückhaltung machen müssen, der ihnen wohl aber sehr böse bekommen wäre: so wurde denn, trotzdem sich unter den Offizieren und Soldaten lautes Murren gegen einen so frühen Aufbruch erhob, die Tafel aufgehoben, der Cäsar stieg wieder auf den Elefanten, die Kaiserin setzte sich mit der Prinzessin wieder in die Sänfte, und Agelastes suchte sich einen lammfrommen Zelter aus, von dessen Rücken aus er bequem seine philosophischen Vorträge halten konnte. Vornehmlich richtete er dieselben an die Gräfin Brenhilde, an deren Seite er auch ritt.

Als der fürstliche Zug wieder das goldene Tor passierte, wo der ehrliche Zenturio seine Wache unter die Waffen treten ließ, lag die gewaltige Stadt schon im nächtlichen Dunkel vor ihnen, das nur von den die Häuser der Bürger erhellenden Lichtern unterbrochen wurde.

»Wir müssen nun aber ernstlich an den Aufbruch denken,« sagte der Graf zu der Prinzessin, als die Gesellschaft vor dem Tore des Blachernä-Palastes hielt, »sonst laufen wir Gefahr, unsere Herberge von gestern nicht mehr offen zu finden.« – »Ich möchte Euch auffordern,« nahm die Kaiserin das Wort, »ein Quartier zu nehmen, das sich für Euern Rang besser schickt als eine Stadtherberge, und Ihr sollt dort keinen geringeren Wirt haben als die Person, mit der Ihr Euch bei Tafel vorwiegend unterhieltet.«

Graf Robert schlug mit Freuden ein. Wenn es ihm auch nie in den Sinn gekommen war, der von ihm mit allen Fasern des Herzens geliebten Brenhilde eine andere Dame vorzuziehen, und er auch jetzt an solche Möglichkeit mit keinem Atem dachte, so schmeichelte es seiner Eitelkeit doch nicht wenig, daß ihm eine Dame von so hohem Range und so großer Schönheit eine derartige Aufmerksamkeit erwies. Es überkam ihn jedoch jetzt eine ganz andere Stimmung, als wie sie ihn am Morgen beherrscht hatte: es wäre ihm jetzt nicht mehr beigekommen, den Kaiser in Gegenwart so vieler Ritter und seines zahlreichen Gefolges derart zu kränken, wie er es getan hatte; und entschlossen, diese Unbill nach Kräften gut zu machen, nahm er die Einladung der Kaiserin um so leichteren Herzens an, als er bei der herrschenden Dunkelheit den verdrießlichen Zug nicht bemerkte, der Brenhildens Stirn verdüsterte.

Das gräfliche Paar war eben in jenes Labyrinth von Gängen getreten, durch welches sich tags vorher Hereward mühsam zurechtgefunden hatte, als ein Kämmerer und eine Kammerfrau sich ihnen knieend nahten mit anderer Kleidung und dem Bedeuten, sich für die Audienz bei dem kaiserlichen Herrscher umzuziehen. Brenhilde warf einen schnellen Blick auf ihre mit Blut befleckten Sachen und Waffen und fühlte sich trotz ihrer Eigenschaft als Amazone tief beschämt. Mit der Rüstung und den Waffen des Ritters sah es nicht viel besser aus.

»Ruft meine Dienerin Agathe,« befahl die Gräfin; »denn sie allein besitzt die zu solchem Dienste notwendige Kenntnis und Tüchtigkeit.«

Die griechische Kammerfrau dankte Gott, daß ihr keine Toilette zugemutet wurde, bei der sie mit Schmiedehammer und Kneifzange hätte zu Werke gehen müssen. – Graf Robert seinerseits verlangte nach seinem Waffenschmied Marzian, der ihm »die silberne Rüstung mit den blauen Ringlein bringen solle, die er dem Grafen von Toulouse im letzten Turnier, das er auf fränkischem Boden ausgefochten, abgewonnen habe«. – Ein reichgalonierter Höfling, dessen Kostüm einige Abzeichen des Waffenschmiedehandwerkes aufwies, fragte, ob er dem Herrn Grafen die Rüstung in Ordnung bringen solle, da er sich doch einiger Uebung als rechte Hand des Kaisers bei diesem Geschäft rühmen dürfe? – Graf Robert fragte: »Und wieviel Nieten hast Du beim letzten Male geschlagen?« indem er ihn bei der Hand packte, die so weich und zart war, als hätte sie nie etwas anderes als Schönheitswasser gesehen: »und mit dem Spielzeug da?« rief der Graf lachend, indem er das silberne Hämmerchen mit elfenbeinernem Stiel aus dem milchweißen Schürzfell aus Ziegenleder hervorriß, welches der Höfling zur Schau trug. Der Höfling aber sprang entsetzt zurück mit dem Rufe: »Der Kerl zermalmt einem ja die Hand wie in einem Schraubstock!«

Während sich die Kaiserin mit ihrer Tochter gleichfalls zurückzog, um Toilette zu machen, wurde Agelastes, der Philosoph, zum Kaiser gerufen, der das prächtigste seiner Gewänder angelegt hatte, denn am Hofe von Byzanz war, wie am Hofe von Peking, der Wechsel von Staatskleid und Uniform eine der vornehmlichsten Tagesbeschäftigungen.

»Weiser Agelastes,« redete der Kaiser den greisen Philosophen an, »Du hast die Aufgabe, die ich Dir stellte, vorzüglich gelöst! Wir sprechen Dir Unsere Zufriedenheit aus. Ohne Deine List wäre es kaum geglückt, diesen ungeleckten Bären oder Bullen und seine nicht minder ungeleckte Betze oder Kuh von der Herde zu trennen. Gelingt es Uns, sie Unserem Interesse gefügig zu machen, so wird sich Unser Einfluß auf das Kreuzheer, das in dem Grafen Robert den Tapfersten der Tapferen erkennt, nicht unerheblich steigern.«

»Mein schwacher Verstand hätte solchen klugen Plan nicht ersinnen, geschweige ausführen können,« erwiderte Agelastes, »Eure kaiserliche Hoheit haben in dergleichen Geschäft tatsächlich nicht ihresgleichen.«

»Die beiden Leutchen,« versetzte der Kaiser, »haben die Wahl zwischen Freund und Geisel; als Freund werden sie sich Unsere Güte sichern, als Geisel Uns in die Notwendigkeit setzen, sie Unsere Strenge fühlen zu lassen. Ihre Landsleute werden früher im Kampfe mit den Türken liegen, als sie das Verschwinden ihres Tapfersten der Tapferen merken, und wenn sie es merken, werden sie nicht mehr in der Lage sein, ihn Uns abzutrotzen.« – »Darf ich sprechen und leben?« fragte der Philosoph, »ich halte dafür, daß es durch Klugheit und Milde gelingen dürfte, das gräfliche Paar zu Freunden des kaiserlichen Hofes zu machen.« – »Ich verstehe Dich,« versetzte der Kaiser, »und es soll nichts unterlassen werden, was Unsern Hof in den Augen dieser Wildlinge in Respekt zu setzen vermag; ich will mich ihnen noch heute abend in all meiner kaiserlichen Pracht zeigen; die Löwen Salomons sollen brüllen, der güldne Baum soll seine Wunder entfalten. Doch, Agelastes, was beschäftigt Dich? Ich sehe Dir an, daß Du mir etwas sagen willst?«

Nachdem der Höfling die Stirn dreimal wider den Saum des kaiserlichen Gewandes gedrückt hatte und nach Worten zu ringen schien, um seine abweichende Meinung zum Ausdruck zu bringen, sprach er: »Nach meiner Ansicht möchten die Herrlichkeiten dieses Reiches in diesen europäischen Barbaren lediglich das Verlangen wecken, das Volk, das sich im glücklichen Besitze derselben befindet, mit Krieg zu überziehen; ist doch Gewinnsucht die einzige Triebfeder, die das Tun und Lassen dieser edlen Ritterschaft leitet. Das sattsame Beispiel liefert uns doch Bohemund von Antiochien! Indessen gibt es doch auch wieder bessere Subjekte unter diesen Franken. Zu ihnen gehört wohl auch dieser Graf Robert! Ich erzählte ihm die Sage von der Fürstin von Zulichium; aber Graf Robert achtete kaum meiner Worte; erst als die Rede von dem Drachen war, der dabei bekämpft werden müsse, um den Zauber zu lösen, taute er auf.« – »Gut denn,« erwiderte der Kaiser, »Wir wollen es noch mit anderen Märchenerzählern versuchen, die das Lügen noch besser heraushaben als Du!«

»Wie bei allen Dingen, ist auch hier Vorsicht geboten,« bemerkte demütig der Philosoph; »das Blaue vom Himmel zu lügen, ist keine sonderliche Kunst, so wenig, wie es eine ist, beim Schießen das Ziel zu verfehlen! Um den fränkischen Grafen nach unserm Willen zu lenken, muß man ihn genau kennen; und nicht minder auch seine Herzallerliebste, und ich kann nur sagen, daß sehr wenig fehlte, so hätte mich dieses Mannweib um einer kränkenden Bemerkung willen in meine eigene Wasserschlucht gestürzt.«

»Das soll Uns eine Warnung sein, sie zu beleidigen.« – »Darf ich sprechen und leben?« bemerkte Agelastes, »so hätte der Cäsar wohlgetan, sich zu der gleichen Meinung zu bekennen.« – »Das muß der Cäsar mit seinem Ehgespons abmachen,« erwiderte der Kaiser, »ich habe es ihr ja schon immer gesagt, daß sie ihm mit Unserer Geschichte zu viel zusetzt. Es muß ja selbst einem Heiligen die Geduld reißen, wenn Abend für Abend das gleiche Thema geschmiedet wird. Indessen vergiß diese Worte aus meinem Munde! Erinnere Dich ihrer wenigstens nicht in Gegenwart meiner kaiserlichen Gemahlin und Tochter!«

»Die Gräfin ist eben ein gefährliches Frauenzimmer,« sagte Agelastes, »und damit täte Nikephoros gut, zu rechnen. Den Skythen Toxartis hat sie heute mittag ohne jede andere Waffe als ihre Faust zu Boden gestreckt.« – »Den Toxartis? sprichst Du die Wahrheit?« rief der Kaiser; »nun, auch einer jener frechen Strolche, die für den Tod schon lange reif waren. Aber bring' den Vorfall zu Papier, Agelastes, damit wir im Notfall diese Tat als einen Ueberfall des Grafen von Paris dem Kreuzheere gegenüber verwerten können,« – »Gegen Euer Vorhaben, diesem Franken die salomonischen Löwen und den Wunderbaum zu zeigen, läßt sich im Grunde weiter nichts einwenden, als was ich dagegen bereits eingewendet habe: indessen mochte es gut sein, ihm nicht viele Wachen vor die Augen zu rücken; dieses fränkische Ritterpack kommt mir vor wie ein Rudel feuriger Pferde; sind sie ruhig, lassen sie sich an einem Seidenfaden lenken; werden sie argwöhnisch und wild, lassen sie sich durch den stärksten Stahlzaum nicht meistern! Und wild könntet Ihr den fränkischen Grafen leicht machen, wenn Ihr ihm viel Wachmannschaft vor die Augen rücktet.« – »Ich will es an keiner Vorsicht fehlen lassen,« versetzte der Kaiser; »so läute denn nun die silberne Glocke, Agelastes, zum Zeichen, daß die Diener mich ankleiden sollen.« – »Ein Wort noch, kaiserliche Hoheit, solange wir noch allein sind,« sagte Agelastes, sich bis zum Erdboden verneigend, »wollen mir kaiserliche Majestät die Leitung Ihrer Menagerie anvertrauen?« – »Nimm hier dies Siegel,« sprach der Kaiser, »es macht Dich zum Herrn über Unsere Menagerie-Tiergruben. Nun aber rede einmal offen und ehrlich, Agelastes, denn Dein verstecktes Gesuch hat Uns verwundert. Wie willst Du diese Wildlinge unter Deine Fuchtel bringen?« – Agelastes erwiderte mit tiefer Verbeugung: »Durch nichts weiter als die Macht der Falschheit!« – »Darin erscheinst Du mir als Meister, solange ich Dich kenne,« versetzte der Kaiser; »und auf welche Schwäche ihres Charakters willst Du Deine Geschosse richten?« – »Auf ihre Ruhmsucht!« erwiderte, rückwärts aus dem kaiserlichen Gemache schreitend, der Philosoph.

An seiner Statt betraten die Diener mit dem Prachtgewande des Herrschers das Gemach.


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