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Zweites Kapitel.

Die Handlung beginnt in der Hauptstadt der östlichen Roma, von der im ersten Kapitel die Rede, und zwar in der Nähe des »goldenen Tores«, das in der starken, nach damaligen Begriffen uneinnehmbaren Mauer sich öffnet, mit der Konstantin der Große die Stadt umzingelte und die nach ihm Theodosius der Große erweiterte und verstärkte. Was ihm den stolzen Namen verschafft hat, war die Gestalt des Triumphbogens, in welcher es errichtet worden, die eherne Figur der Siegesgöttin, die sich auf ihm erhob, und der viele goldene Zierat, womit die Inschriften eingesetzt und umzogen waren. Die Inschriften rühmten den »ewigen Frieden«, den das Schwert des Theodosius der Welt und der Stadt durch seine ruhmvollen, wenn auch blutigen Heereszüge gebracht hatte, und neben ihnen verkündigten das auch die vier bis fünf Kriegsmaschinen, die neben der Siegesstatue das Tor krönten.

Die Zeit, in welcher der Leser mit uns vor dieses goldene Tor tritt, ist ein frischer, aber nicht kühler Abend, der zum Verweilen im Freien einlud wie zur Betrachtung des romantischen Bauwerkes und der zahlreichen anderen Merkwürdigkeiten, die hier Kunst und Natur Fremden und Einheimischen darboten. Ein Fremder, dem Aussehen nach ein Kriegsmann, verweilte auch jetzt vor dem Tore, im Anschauen versunken, und sein unruhiges, lebendiges Auge sprach deutlich von dem großen Eindruck, den dieser neue, ihm zweifellos ungewohnte Anblick auf ihn hervorbrachte. Seiner hellen Hautfarbe nach zu schließen, war er in weiter Ferne von der griechischen Hauptstadt daheim; er war von schöner Figur und von kräftigem Bau: Vorzüge, für die man in Konstantinopel ein scharfes Auge hatte, denn bei den öffentlichen Spielen im Zirkus war man hier gewöhnt, die schönsten Menschen der Erde auftreten zu sehen, und hatte Gelegenheit genug zum Studium des menschlichen Körperbaues.

Der Kriegsmann mochte zweiundzwanzig Jahre zählen. Was in seinem Gesicht hierzulande besonders auffiel, waren die tiefblauen Augen und das herrlich blonde Haar, das unter dem silberplattierten, mit einem züngelnden Drachen geschmückten Helme hervorquoll. Die Züge seines Gesichtes waren zart, aber nichts weniger als weichlich; die stolze Art, wie er die Wunder betrachtete, die sich vor seinen Blicken entfalteten, verkündete jenen regen Verstand, der zu durchdringen sucht, was ihm nicht auf den ersten Blick faßlich ist oder was er falsch aufgefaßt zu haben fürchtet. Gerade diese Art schien ihm bei den Leuten, die außer ihm vor dem Tore verweilten, Sympathieen zu erwecken; sie fühlten sich geneigt, ihm die Eigenschaft eines »Barbaren« nachzusehen, der aus irgend einem unbekannten, fernen Erdenwinkel den Fuß in die überzivilisierte Stadt gesetzt hatte oder setzen wollte, die sie ihre Heimat mit, wenn auch gerechtem, so doch in vieler Hinsicht übertriebenem Stolze nannten.

Die Tracht, in welcher der junge Kriegsmann sich ihnen zeigte, ließ durch die seltsame Mischung von Pracht und Weichlichkeit auf Stand und Herkunft schließen. Schon der phantastische Helm mit dem züngelnden Drachen kennzeichnete ihn als einen Sohn des hohen Nordens, desgleichen der knappe Harnisch, der die breite Brust weniger deckte als schmückte, das Bärenfell, das ihm zwischen den Schultern über den Mücken herabhing, und an der linken Seite das blanke, krumme Schwert in der güldenen und elfenbeinernen Scheide, die gleich dem Harnisch auch mehr Zierart als Waffe zu sein schien, denn für die starke Faust des Hünen war es um vieles zu leicht und zu klein. Ein prall an die Hüften schließendes Kleid reichte nur bis zu den Knieen; bis zu den Waden waren die Beine nackt, und von den Waden nieder schlangen sich die Sandalenriemen, gehalten von goldenen Münzen als Spangen, mit dem Bildnis des herrschenden Kaisers darauf. Aber eine Waffe, die sich besser schickte für solchen jungen Hünen, denn nur ein Hüne, und kein schwächerer vermochte sie zu führen, war die doppeltgeschliffene Streitaxt mit dem eisenbeschlagenen Stiele aus Eichenholz, die hell wie ein Spiegel blitzte und die er so leicht in der Faust trug, als hätte sie das Gewicht einer Feder.

Schon der Umstand, daß er Waffen führte, kennzeichnete ihn als Fremden; denn die Griechen trugen sie nicht zu Friedenszeiten, zum Unterschiede ihres Charakters als friedliche, zivilisierte Staatsbürger von mißachtetem Söldnervolk, und auch jetzt hörte man, wie sie einander scheu und verdrossen zuraunten, der junge Kriegsmann sei »auch einer von den Warägern«, unter welcher Bezeichnung die kaiserliche Leibwache zusammengefaßt wurde, die sich nur aus nordischen »Barbaren« rekrutierte.

Die oströmischen Kaiser hatten seit vielen Jahren die Gewohnheit, sich eine solche Leibgarde zu halten, auf deren Stärke, Treue und Mut sie bauen durften, nicht bloß den zahlreichen äußeren, sondern auch den im geheimen wühlenden inneren Feinden gegenüber. Sie bezogen auch einen hohen Sold und standen bei den Griechen, die schon längst von Heldenhaftigkeit nichts mehr an sich hatten, in gefürchtetem Ansehen. Die Rüstung, die sie trugen, stand im Einklange mit derjenigen, die wir eben an dem kriegerischen Jünglinge beschrieben haben, und die sich als eine Nachäffung der von den Warägern in ihren heimischen Urwäldern getragenen auswies. In einer früheren Zeit des oströmischen Kaiserreiches hatte die Waräger-Leibgarde sich aus nordischen Seeräubern zusammengesetzt, die von ihrem unbezwinglichen Tatendurste in ihren Wikingerschiffen auf die unwegsamen Meere hinausgetrieben wurden und gegen alle Gefahr gefeit zu sein schienen. Später, als diese nordischen Völker sich von dem Seeräuberleben, das ihre Altvordern aus den Meerengen Helsingörs zu jenen von Sestos und Abydos führte, ab- und friedlicheren Berufen zuwandten, traten Angelsachsen an ihre Stelle, die sich in ihrem Herrentrotze dem normannischen Joche, unter das Wilhelm der Eroberer sie gezwungen, nicht beugen mochten, sondern lieber die heimische Scholle verließen. Ihre Sprache war mit derjenigen der Waräger verwandt, und obwohl sich ihr Volkstum nicht mit dem ihrigen völlig deckte, blieb ihnen doch in Ostrom der gleiche Name. Den Befehlshaber der Leibgarde zu ernennen, war ein Recht, das der Kaiser sich vorbehalten hatte; aber ihre Zugführer wählten, sie selbst aus ihrer Mitte; die Kreuzzüge, Pilgerfahrten und andere Anlässe brachten ihnen hin und wieder neuen Zuschub, und da ihnen ihre Privilegien nicht verkürzt, sondern eher gemehrt wurden, da sie nicht in die selbstherrlichen Gelüste der Prätorianer von Westrom verfielen, sondern ihren Kaisern die Treue hielten, vermochten sie sich in voller Kraft bis in die letzten Zeiten des griechischen Kaisertums zu halten.

Was wir hier über die Waräger gesagt haben, erklärt die Anwesenheit eines solchen vor dem goldenen Tore Konstantinopels an jenem frischen Herbstabend vollkommen, und wir können nunmehr in unsere eigentliche Erzählung treten... Daß er von den städtischen Bürgern mit Neugier betrachtet wurde, braucht nicht zu befremden, denn es bestand zwischen der kaiserlichen Leibgarde und dem Bürgertum wenig Verkehr; der Bürger fürchtete sie, wie gesagt, als kaiserliche Polizei und neidete ihnen den hohen Sold, der doch nur aus ihrem »Fleisch geschnitten« wurde; sie hielten sich demzufolge, sofern nicht ein kaiserlicher Befehl es anders anordnete, fast immer im Bereich ihrer Kasernements auf... »Ein Waräger,« sagte einer von den gaffenden Bürgern zu seinem Nachbar, »und im Dienst? Was mag er vorhaben?« – »Ja,« sagte der, »wie soll ich's sagen können? Vielleicht soll er ausspionieren, welche Meinung in der Stadt über den Kaiser herrscht?« – »All ihr Götter!« rief der erste wieder, »wie könnt Ihr solches meinen, Nachbar Seidenwirker? Ihr vergeßt dabei ganz, daß die Waräger eine andere Sprache reden wie wir! Das wäre mir ein netter Spion!« – »Aber es sollen Leute drunter sein, die in allen Zungen reden; da werdet Ihr wohl zugeben müssen, daß es auch welche drunter geben kann, die zu beobachten verstehen und die Gabe besitzen, Beobachtetes zu hinterbringen.« – »Mag sein! Aber wär's nicht gescheiter, wir schlenderten nach Hause, statt uns in Gefahr zu setzen, mit einem von der kaiserlichen Leibgarde in Konflikt zu kommen? Wer kann's voraussehen, wie solche Begegnungen ausgehen?«

Diese Worte fanden des andern Beifall, und so trotteten die beiden Bürger, untergefaßt, ihren in einem ferneren Viertel befindlichen Wohnungen zu. Die Sonne ging zu Rüste, und die Mauern und Bollwerke warfen längeren und dichteren Schatten. Der Waräger, sichtlich abgespannt durch die Bewegung in dem engen Kreise, der ihn seit Stunden in seinem Banne hielt, blickte unwirsch zur Sonne hin, die in voller Glut hinter einem Zypressenhaine unterging, und suchte sich dann auf einer Steinbank unter dem goldenen Tore ein Ruheplätzchen. Hier legte er seine Streitaxt dicht neben sich, schlug den Mantel um sich und sank nach kurzer Zeit in friedlichen Schlummer, so ungünstig Ort und Tracht auch hierzu waren. Sein Beistand blieb aber munter, so müde auch sein Leib war, und kein Jagdhund möchte einen leichteren Schlaf haben als unser Angelsachse vor Konstantinopels goldenem Tore.

Hatte er vorhin schon den Stadtbürgern, die sich vor dem Tore ergingen, Anlaß zu Aeußerungen gegeben, so jetzt erst recht! Ein kleiner, munterer Mann, den die Papierrolle unter dem Arm und der Beutel mit Bleistiften in der Hand als Zeichner verrieten, Lysimachus mit Namen, kam mit einem, dem Waräger nicht unähnlichen, nur derberen Gesellen, Stephanos dem Ringer, in der Palästra wohlbekannt und gern gesehen, aus der Stadt durch das Tor geschlendert. »Warte, Kamerad!« rief Lysimachus, »von diesem jugendlichen Herkules muß ich mir eine Skizze fertigen!« – »Herkules?« erwiderte Stephanos, »ich dächte, der wäre ein Grieche gewesen, aber kein Barbar!« – Lysimachus beeilte sich, den Verdruß, den er ohne böse Absicht bei dem Kameraden geweckt hatte, wieder gut zu machen, denn Stephanos, mit dem Beinamen Kastor, war sein Gönner und sorgte durch das Ansehen, in welchem er als Fechter stand, dafür, daß Lysimachus bekannt wurde und Kundschaft bekam. – »Stärke und Schönheit, mein teurer Stephanos,« sagte er, »sind nicht Vorzüge eines einzigen Volkes: ich lasse sie gern gelten, wo ich sie antreffe, sei es beim nordischen Barbaren oder beim Liebling eines erleuchteten Volkes, der körperliche Vollendetheit mit schönen Naturgaben verbindet, wie sie uns kein Werk eines Phidias oder Praxiteles schöner zeigt.« – »Nun, daß der Waräger sich sehen lassen kann,« erwiderte einlenkend der andere, »lasse ich ja gelten; trotzdem der arme Teufel wohl sein ganzes Leben noch keinen Tropfen Oel auf seiner Haut gespürt haben mag.« – »Oho! was liegt denn neben ihm auf seinem Bärenfelle, ist's ein Prügel?« – »Laß uns gehen, Kamerad!« rief der andere, als er den Schläfer näher ins Auge gefaßt hatte. »Kennst Du des Warägers grimme Waffe nicht? Nicht mit Schwert und Lanze kämpft er, wie sie im Brauch sind als Waffen wider Menschen von Fleisch und Blut, sondern mit Streitaxt und Keule, als gälte es, Glieder von Stein und Sehnen von Eiche zu zermalmen. Meine welke Petersilienkrone verwette ich, daß er hier liegt mit dem Auftrage, ein Subjekt zu verhaften, das sich bei dem Kaiser mißliebig gemacht hat, wozu sonst trüge er die schreckliche Waffe? Komm, komm, Lysimachus! lassen wir den Bären schlafen!«

Je länger und dichter die abendlichen Schatten wurden, desto spärlicher wurde die Zahl der vor dem Tore promenierenden Bürger. Zwei Weiber aus dem Volke kamen jetzt an der Bank vorbei, auf der der Waräger lag. »Maria, Du Heilige!« sagte eine von ihnen, »sollte man nicht meinen, er sei der Prinz aus Aegyptens hochzeitlicher Kammer, der in dem schonen Märchen des Morgenlandes von den Huldgöttinnen zum Tore von Damaskus geführt und dort in Schlummer gewiegt wird? Laß mich das arme Lämmchen wecken, dem der Nachtfrost sonst einen Schnupfen bringen möchte!« – »Schnupfen?« wiederholte die andere, die älter war und ein grämliches Gesicht hatte, »dem? so wenig wie das kalte Wasser des Cydnus dem wilden Schwane, wird diesem Lämmchen von Waräger der Nachtfrost schaden! Welche Frau, die auf sich hält, möchte solchem Barbaren ein Wort vergönnen? Kommt, kommt! ich will Euch einen Streich erzählen, den solcher Barbar von Waräger mir einst gespielt hat!« und sie zog die jüngere Begleiterin mit Gewalt hinter sich her, die ihren Worten wenig Gewicht beizulegen schien und sich noch ein paarmal nach dem schönen Schläfer umdrehte.

Als die Sonne untergegangen und mit ihr ziemlich gleichzeitig auch die Dämmerung verschwunden war – denn Konstantinopel erfreut sich bereits nicht mehr jenes Vorzuges eines langsameren Ueberganges vom Tageslicht zum Nachtdunkel, den die gemäßigten Zonen besitzen – schlossen die Stadtwächter die beiden Flügel des Tores und ließen nur eine kleine Pforte offen für solche, die sich außerhalb verspätet hatten. Der auf der Steinbank im Schlafe liegende Waräger konnte natürlich von den Wächtern, die zu dem aus dem Griechenvolke rekrutierten Stadtheere gehörten, nicht ungesehen bleiben. »Bei Kastor und Pollux!« rief der Zenturio – denn die Griechen schwuren noch immer bei den alten Göttern, obwohl dieselben schon längst ins alte Eisen gewandert waren – »an diesem Tore ist kein Gold mehr zu gewinnen! Hol der Teufel seinen Namen! Aber Esel wären wir, wollten wir das Silber nicht nehmen, das uns in den Weg läuft!«

– »Um so mehr, edler Harpax,« pflichtete einer der Soldaten bei, dessen geschorener Kopf und Haarbüschel den Muselmann verrieten, »als wir schon seit Monaten weder Gold noch Silber gesehen haben, weder aus der kaiserlichen Schatulle noch aus sonst welchem Beutel.« – »Gelt! ich will Eure Beutel füllen,« erwiderte Harpax, »und wären sie noch so leer. Hierher an die Pforte, Leute! Vergeßt nicht, daß wir der kaiserlichen Stadt zu Wächtern gesetzt sind, und haltet fest an der löblichen Gepflogenheit, der Stadtwache nichts zu verraten, was uns zu Nutzen und Vorteil ist oder werden kann, wie auch, das Gemeinwohl zu fördern und zu unterstützen ohne Hinterhältigkeit und Verrat!« – »Wozu die vielen Worte?« sagte der muselmännische Wächter, »ich dächte, wir hätten oft genug Farbe bekannt bei wichtigeren Anlässen! Wie war's, als der Juwelier zum Tore hereinzog? Wir hatten damals auch vom goldenen oder silbernen Zeitalter nicht viel zu verspüren, und käm' uns jetzt etwa ein Diamant ...« – »Pst!« machte Harpax, »ich danke es dem Zeus, daß er uns alle Religionen hierher gebracht hat, denn auf diese Weise dürfen wir doch hoffen, die einzig wahre darunter zu besitzen. Du brauchst mir, Ismael, wahrhaftig nicht zu beweisen, daß Du die Fähigkeit besäßest, neue Geheimnisse zu hüten, weil Du die Schwachheit besitzest, alte, auszuplaudern! Da, lug mal durch den Spalt nach der Steinbank und sag' mir, was Dein Auge erblickt im Schatten der Haupthalle!« – »Einen schlafenden Kerl,« versetzte Ismael, »und wenn mich das Mondlicht nicht trügt, so ist's einer von den Inselhunden, die des Kaisers Leibwache bilden!« – »Ist Dein Schlaukopf im stande,« fragte Harpax, »aus diesem Zufalle Vorteil für unsere Beutel zu schaffen?« – »Je nun, die heidnischen Hunde haben besseren Sold als wir Muhammedaner und Nazarener, ich denke mir, der Hund wird sich am Wein zu viel getan haben, so daß er die Stunde zur Heimkehr verschwitzt hat. Lassen wir ihn nicht, so setzt's einen schlimmen Denkzettel; will er aber passieren, so muß er bluten, tüchtig bluten!« – »Wenigstens,« riefen in gedämpftem Tone die andern Soldaten. – »Und weiter reicht Dein Witz nicht, Bursche?« fragte Harpax spöttisch; »ich aber meine, soll uns das fremde Biest entgehen, so muß es uns wenigstens sein Fell lassen. Seht ihr, wie Helm und Harnisch im Mondschein glitzern? Das ist die Silbergrube, die wir schürfen müssen, um unsere Beutel wieder einmal zu füllen,« – »Und wenn's ruchbar würde? Wenn's dem Kaiser zu Ohren käme?« sagte Sebastes von Mitylene, ein junger Grieche, der noch Neuling in der Stadtwache war; »wär's da nicht vorbei mit dem Profit?« – »Grünhorn!« rief Harpax, »und hätte der Kaiser Augen wie Argus, so könnte er nichts erfahren! Wir sind unser zwölf, deren Aussage pflichtgemäß übereinstimmen muß. Dort liegt ein Barbar auf einem Pfühl, den sich keiner sucht, der nicht tief in den Krug geguckt hat; was gilt solches Kerls Aussage, wenn er wirklich dazu kommen sollte, sie abzugeben? Hoffentlich fehlt's uns nicht an Courage« – hier sah er einen nach dem andern seines Kommandos an – »ihm abzustreiten, was er vorbringt? Wem wird man dann glauben, uns Stadtwächtern oder dem besoffenen Waräger?« – »Mir ist aber,« bemerkte Sebastes darauf, »als hätte ich in Mitylene allerhand von der Konstantinopeler Stadtwache gehört, was nicht dazu beitrüge, ihrem Eide mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen als einem Barbareneide?« – »Und wär's auch an dem,« versetzte der Zenturio, »so gäb's doch einen andern Weg noch, uns den Rücken zu decken.« – Der Grieche, um den Sinn der Worte zu erkennen, blickte Harpax fest und düster an, indem er mit der Hand nach seinem Dolche griff, und der Zenturio nickte ihm Beifall. – »Ich bin wohl noch Grünhorn,« sagte er, »hab' aber fünf Jahre als See- und drei als Straßenräuber hinter mir; aber noch kein Mal sah ich bei einem Manne Bedenken vor dem einzig wahren Mittel, das in solchem Falle seiner würdig ist.«

Harpax, drückte dem Soldaten, seine Denkart billigend, die Hand und fragte, jedoch mit bebender Stimme: »Aber wie mit ihm fertig werden?« – »So oder so,« versetzte der Grieche; »dort liegen Bogen und Pfeile; versteht sich kein anderer drauf, so ...« – »Pfeil und Bogen sind unsere Waffen gewöhnlich nicht,« antwortete Harpax. – »Um so schlimmer für die Tore der Stadt und die, die dahinter wohnen,« rief der Grieche mit einem Lachen, das deutlich wie Hohn klang: »nun, ich schieße wie ein Skythe; nickt, und ein Pfeil soll ihm durch den Schädel, ein zweiter durch das Herz fahren!« – »Bravo, mein Grünhorn,« rief der Zenturio, die Stimme dämpfend, um den Waräger nicht zu wecken; »das war so bei den griechischen Räubern des Altertums, Skyron, Diomed, Prokrustes, und wie sie sonst geheißen haben mögen, die hochedlen Herren, deren Enkel und Jünger das griechische Inselland wohl so lange unsicher machen werden, bis Herkules und Theseus wieder auf Erden auftauchen werden; aber, mein tapferer Skythe! ich denke, wir machen's anders! Es könnte ja passieren, daß Du ihn, statt zu töten, bloß verwundest!«

Mit dem gleich spöttischen Lachen, wie vorhin, meinte Sebastes, daß dies bei ihm nicht der Fall zu sein pflege, und der Zenturio, den der Spott arg verdroß, und der bei sich denken mochte, es könne gar leicht geschehen, daß ihm der kecke Bursche über den Kopf wüchse, und daß die Stadtwache zwei Zenturionen bekäme statt eines, reckte sich zu seiner vollen Höhe und rief: »Bist Du solcher Räuber gewesen, wie Du sagst, Mitylenier, so wirst Du wohl auch den Sikarier spielen können! Dort liegt Dein Ziel, betrunken oder im Schlafe: wir wissen's nicht. Aber ich denke mir, ob so, ob so, fertig wirst Du mit ihm ja werden!« – »Es wird aber nicht auf halbpart gehen, wenn ich ihn im Schlafe oder Suffe niedersteche!« meinte der Grieche; »möchtet Ihr's nicht lieber selbst besorgen?« – Der Zenturio, aber zeigte nach der Treppe, die von den Zinnen des Torbogens, hinunter nach der Halle führte, und rief: »Tu, was Dir befohlen worden!«

Der Grieche verschwand auf der Treppe und tauchte alsbald, schleichend wie eine Katze, unten im Hofe auf. In seiner Hand blinkte der Dolch, nach hinten gehalten, um ihn dem Waräger zu verbergen. Im andern Augenblick beugte er sich über den Schlafenden, diejenige Stelle zwischen Harnisch und Körper zu ermitteln, wo der Dolch am sichersten träfe, da sprang der Waräger mit einem Satze in die Höhe, dem Griechen mit der Faust einen so wuchtigen Schlag versetzend, daß ihm kaum Kraft genug blieb, die Kameraden auf der Toreszinne um Beistand zu rufen. Im andern Augenblicke lag der Grieche unter dem schweren Fuße des Warägers, der die Streitaxt hob, ihm den Todesstreich zu versetzen.

Die Stadtwächter machten Miene, ihrem Kameraden zu Hilfe zu eilen; aber der Zenturio rief: »Halt! Jedermann an seinen Posten! Dort kommt ein Hauptmann der Warägerwache, ich glaube, der Befehlshaber in Person! Wir wissen von nichts, versteht ihr? falls der Barbar den Griechen erschlagen hat, was ich vermute, denn der arme Kerl lebt nicht mehr – lebt er aber noch, so härtet eure Gesichter zu Kiesel! Wir sind unser zwölf und wissen nur, daß er hinuntergehen wollte, den Menschen zu wecken und zum Passieren des Tores aufzufordern.«

Unten war inzwischen die hohe Gestalt eines schwerbewaffneten Kriegers mit funkelndem Helmschmuck aus dem Mondschein in den Schatten getreten. In jener fränkischen Sprache, deren die Waräger sich untereinander bedienten, rief der Offizier: »Ei, ei, Hereward! hast wohl eine Eule gefangen?« – »Ja, beim Sankt-Georg!« erwiderte der Soldat; »bei uns daheim möchte man ihn einen Habicht heißen.« – »Wer ist's?« fragte der Offizier. – »Vielleicht sagt er's Euch, wenn ich ihm die Kehle lupfe!« – »So gib ihn frei!« rief der Offizier.

Kaum hatte der Waräger den Fuß von dem Griechen gehoben, so war dieser auch auf den Beinen und flink wie ein Hase, hinter dem Hunde her sind, um den Torweg herum, und der Waräger wohl hinter ihm drein, aber außerstande, es dem Griechen im Rennen gleichzutun, da ihn die schwere Rüstung behinderte. »Beim Herkules!« rief der Offizier und wollte sich ausschütten vor Lachen, »Hektor und Achilles auf der Jagd um Ilions Mauern; »aber mein Pelide wird den Sohn des Priamus schwerlich bezwingen. Holla, Hereward! schone Deine Lungen! ich denke, Du wirst Deinen Atem heute abend noch brauchen.« – »Wär' nicht die Rüstung, die beschwert, ohne zu nützen,« versetzte der Waräger mürrisch, indem er außer Atem zu dem Offizier trat, »so hätte ich den Kerl beim ersten Rennen an der Gurgel gehabt.« – »Schon gut! schon gut!« sprach der Offizier, der wirklich der Kommandant der Warägergarde und dessen Pflicht es war, immer um die Person des Kaisers zu sein: »aber laß uns zusehen, wie wir uns den Weg durchs Tor sichern: denn hat Dir, wie ich vermute, einer von dieser Stadtwache an den Kragen gewollt, so werden uns seine Kameraden gutwillig wohl kaum passieren lassen.« – »Dann sollten wir solchem Mangel an Disziplin abzuhelfen von Euer Edlen kommandiert werden!« – »Still doch, Simpel von Barbar! Ha! hab' ich Dir nicht oft genug gesagt, daß ich durch Klugheit und Nachgiebigkeit an diesem kaiserlichen Hofe mehr erreiche als durch offene Gewalt? Komm und folge mir!« befahl er dem Waräger, nachdem er sich bereits ein Stück vom Tore hinweg begeben hatte, um längs der Mauer irgendwo anders einen Durchschlupf zu finden; »Du bist treuer und wackerer, als man es selbst bei euch Warägern zu finden gewohnt ist, und so will ich Dir einiges von der Politik erzählen, die mich und mein Verhalten leitet.« – »Meine Meinung,« erwiderte der Waräger, »geht dahin, daß man sich um einer Sache willen, die sich mit der Faust erledigen läßt, den Kopf nicht warm machen soll.« – »Aus solchem Stoffe besteht halt euer Schädel, ihr Waräger,« entgegnete der Kommandant; »immerhin laß Dir sagen, wie ich mir das Rätsel dieses nächtlichen Abenteuers erkläre.« – »Ich will bestrebt sein, zu verstehen, was Eure Weisheit mir zu erklären geruhen wollen,« antwortete der Waräger. – »Ich meine,« begann der Kommandant, »wir haben bereits zusammen in einer Schlacht gestanden?« – Der Waräger hustete – bekanntlich kein Zeichen eines Lobspruches – und im Verlauf des Gespräches ließ sich auch erkennen, daß auf seiten des Warägers die größere Stärke lag, was übrigens von dem ihm vorgesetzten Kommandanten auch nicht eben unwillig anerkannt wurde.

»Um also mit dem Thema Politik zu beginnen,« nahm der Kommandant das Wort, »so gilt als ihre eigentliche Basis – ich glaube, Du wirst das nicht bestreiten oder bekritteln wollen, mein junger Freund« – er lüftete hierbei den Helm, und der Soldat tat, wie wenn er es ebenso machte – »als ihre eigentliche Basis, sage ich, die kaiserliche Gunst: sie ist der Lebensbronnen des Kreises, worin wir atmen, die Sonne, die der Menschheit.« – »So etwas hat uns schon unser Tribun gesagt,« brummte der Waräger. – »Es ist Tribunenpflicht, euch zu instruieren,« entgegnete der Kommandant, »und hoffentlich versäumen es auch die Priester nicht, euch die Dienstpflicht gegen den Kaiser einzuschärfen.« – »Sie vergessen es nicht, obwohl wir selbst wissen, was wir zu tun und zu lassen haben.« – »Mir kommt's nicht bei, daran zu zweifeln; Du sollst nur begreifen lernen, Hereward, daß das Schicksal eines Günstlings bei Hofe dem Dasein der Eintagsfliege gleicht, die beim Morgenrot geboren wird und mit dem Abendrote stirbt. Glücklich derjenige, der mit der Person des Herrschers von dem ebenen Boden, auf dem der Thron sich erhebt, emporsteigt, im Glänze der kaiserlichen Glorie sich behauptet und mit dem letzten Strahle kaiserlichen Schimmers verschwindet und vergeht.« – »Ich glaube zu verstehen,« versetzte der Waräger; »was aber solches Schranzendasein anbetrifft, so, aber was kann's mich scheren?« – »Dich freilich nicht,« antwortete der Kommandant, »und preise Dich glücklich, daß Du an solchem Leben keine Freude hast. Ich hab's aber schon mit angesehen, daß Barbaren hoch im Kaiserreiche stiegen. Kein Wunder, daß sich alles bei Hofe beflissen zeigt, dem Kaiser zu zeigen, daß er nicht bloß die Pflichten des eigenen Amtes zu erfüllen weiß, sondern im Notfalle auch die eines andern mit zu übernehmen vermag.« – »Und daher kommt es denn wohl auch, daß alles bei Hofe beflissen ist, nicht sowohl sich gegenseitig zu stützen, sondern vielmehr auszukundschaften?«

»Allerdings! und davon hatte ich noch in den letzten Tagen ein eklatantes Beispiel. Daß der Protospotharius, also der Obergeneral der kaiserlichen Truppen, wie Du weißt, mir nicht gewogen ist, weil ich Kommandant der Waräger-Leibgarde bin, braucht niemand zu verwundern; aber frech ist's von diesem Nikanor, unsere ganze Schar zu verunglimpfen durch die Behauptung, sie habe im Felde geplündert, ja was noch schlimmer ist, den für unsere geheiligte Majestät bestimmten Wein ausgetrunken. Wie Du Dir denken kannst, habe ich es mir angelegen sein lassen, in Gegenwart der Person unseres erhabenen Herrschers.« – »Ihm die Lüge in seinen frechen Schlund zurückzuschleudern!« fiel ihm der Waräger ins Wort, »indem Ihr ihn zum Kampfe fordertet, bei dem Euch der arme Teufel von Hereward sekundieren wird. Hätt' ich doch bloß meine Alltagsrüstung anstatt dieses glitzernden Plunders.« – »Pst! pst!« fiel ihm Achilles Tatius – dies war der Name des Kommandanten – ins Wort – »Du bist zu hitzig und beurteilst die Situation auch zu sehr nach Deinen subjektiven Ansichten! Selbstverständlich mäße ich mich an Deiner Seite mit fünf solcher Nikanors; aber das ist in diesem übergesegneten Kaiserreich nicht der Brauch, auch nicht der Wille seines zurzeit am Ruder befindlichen erhabenen Herrschers. Dich haben die Prahlereien der Franken angesteckt, mein Sohn!« – »Meine Sache ist's nicht, bei denen, so bei euch Franken, bei uns aber Normannen heißen, Anleihen zu machen,« versetzte Hereward mürrisch. – »Frage Dich doch selbst,« verwies ihn der Kommandant, ob in irgend einem gesitteten, ordentlich regierten Lande, geschweige im Reiche des erhabenen Kaisers Alexius Komnenos, das Duell denkbar sein kann. Nimm an, es wollten zwei vornehme Herren oder Offiziere, die sich bei Hofe, am Ende gar in Gegenwart Seiner geheiligten Majestät, in die Haare geraten wären, die Differenz nicht vor Gericht ausgleichen, sondern nach Weise der Franken, indem sie auf der ersten besten Wiese einen Kampfplatz abstecken ließen; während beide, ohne, wie man annehmen kann, genau zu wissen, wie es sich mit der »gerechten Sache«, über die sie aneinander geraten sind, in Wahrheit verhält, ins Blaue hinein darauf schwören, geschieht's, daß der Bessere von beiden, also Seiner Majestät Akoluthos oder Leibtrabant, zugleich Kommandant der Waräger – denn für den Tod ist nun einmal kein Kraut gewachsen – ins Gras beißen muß, der andere aber wohl und munter an den kaiserlichen Hof zurückkehrt, um sich dort weiter zu sonnen und zu atzen, statt daß er, wie es ihm sonst beschieden gewesen wäre, den Galgen zierte: das ist, wirst Du sagen, Waffenrecht, Hereward; ich aber nenne das verkehrte Welt!« – »Ich will nicht in Abrede stellen, Euer Edlen,« antwortete Hereward, »daß in Euren Worten viel kalter Verstand zu finden sei; aber ehe ich mich von jemand Lügner schimpfen lasse, ohne ihm das Wort mit dem Schwerte in seinen Schlund zurückzustoßen, eher könnt Ihr mir einreden, daß dieses Mondlicht schwarz sei wie ein Wolfsrachen! Wer mir eine Lüge an den Hals schmeißt, der verprügelt mich, und Prügel, nicht zurückgegeben, machen den Menschen zum Lasttiere, zum Sklaven.« – »Mein getreuer Kämpe,« sagte drauf der Kommandant, »der Römer setzt die gleiche Ehre drein, die Wahrheit zu reden, wie Ihr, den Vorwurf der Falschheit von euch zu weisen; ich konnte bloß zu meinem Leidwesen dem Nikanor keinen Vorwurf der Falschheit machen, weil es auf Wahrheit beruhte, was er gegen uns vorbrachte.« – »Wieso?« fragte der Angelsachse. – »Nun, Du besinnst Dich, daß wir Waräger auf dem Marsche nach Laodikaia einen Türkenhaufen in die Flucht schlugen. und einen kaiserlichen Bagagezug wieder einfingen? Ebenso besinnst Du Dich, wie ihr an diesem Tage euern Durst gelöscht habt?« – »Ihr meint, daß wir die Weinfässer, die wir dabei fanden, anzapften und leerten?« – »Du sagst es, Hereward!« – »Nun, ich weiß es noch wie heute,« rief Hereward lustig, »daß uns der Wein wie Oel die Kehlen hinunterrann!« – »Und Du Unglücklicher sahest nicht, daß die Fässer mit dem kaiserlichen Siegel verspundet waren?« – »Beim heiligen Georg von England, der eine Mandel George von Kappadozien aufwiegt! Daran hab' ich mit keinem Atemzuge gedacht! Aber Ihr habt doch selbst ganz gehörig mit davon gezecht!« – »Du bist im Irrtum, Hereward, denn was ich trank, war eine geringere, für den Mundschenk Seiner Majestät bestimmte Sorte, an der ich als Offizier vom Hofhalt meinen gerechten Anteil hatte. Von euch aber war es sündhaft, an fremdem, zudem geheiligtem Gute euch zu vergreifen!«

»Meiner Sixen!« rief Hereward, »wenn man vor Durst vergeht, ist Trinken doch keine Sünde!« – »Tröste Dich, Freund! Denn Majestät erblickt in diesem vorwitzigen Trunke keinen Eingriff in seine geheiligten Vorrechte; er schalt sogar den Protospatharius ob seiner Anzeige.« – ,»Dafür möge Gott ihn segnen!« rief Hereward. – »Recht so! aber Du wirst es weiter billigen, daß ich nun zur Antwort auf seine häßliche Offensive dem Protospatharius die Räubereien vorhielt, die am goldenen Tore und an anderen Stadttoren von seinen Stadtwachen verübt worden, z. B. den Mord eines Juweliers, der erstochen und beraubt wurde, obgleich die Ware, die er herbrachte, dem Patriarchen gehörte.«

»So? und wie nahm Alexi-- ich wollte sagen, unser erhabener Kaiser, die böse Kunde auf?« – »Der Kaiser ist ein Mann der feinen Politik,« entgegnete der Kommandant, »und wollte, ehe er gegen, die bösen Subjekte von Stadtwächtern vorginge, erst faktische Beweise in Händen haben; und Du solltest sie beibringen!« – »Wär' auch geschehen, hättet Ihr mich nicht von der Jagd zurückgerufen, die ich auf den Schnapphahn unternommen hatte, der Sehnsucht nach meinem glitzernden Harnisch hatte; es wird also wohlgetan sein, kaiserliche Majestät von diesem Vorfall Kenntnis zu geben?« – »Mit nichten, mein Kämpe,« entgegnete der Kommandant; »ich hätte den Wicht vielmehr, wenn er mir durch Dich in die Hände geraten wäre, auf der Stelle freigeben müssen; und anjetzt befehle ich Dir, dieses Abenteuer ganz aus Deinem Gedächtnisse zu streichen.« – »Das wäre nun freilich eine Politik, so wechselvoll, daß ich mir keinen Vers draus zu machen wüßte!« – »Glaub's Dir, mein Hereward; indessen laß Dir sagen, daß Nikanor vom Patriarchen bestimmt wurde, sich mit mir auszusöhnen, weil unser Einvernehmen wichtig sei für die Wohlfahrt des Staates. Und ein derartiges Patriarchenwort darf man weder als Christ noch als Soldat ignorieren. Auch kaiserliche Majestät halten dafür, daß es geraten sei, den Zwist auf solche Weise beizulegen.« – »Und der uns Warägern angetane Schimpf« – »Soll durch Abbitte und Buße abgewaschen werden, auch ein entsprechendes Geldgeschenk soll unter euch Träger der Streitaxt abgeführt werden. Die Verteilung, Hereward, wird in Deine Hände gelegt werden; gehst Du mit Klugheit zu Werke, so wirst Du Deine Axt mit Gold überziehen können!« – »Mir ist sie so am liebsten, wie sie ist!« entgegnete Hereward; »denn so trug sie der Vater in der Hastings-Schlacht! Auch soll mir Stahl, statt Goldes, Geld bleiben!« – »Handle nach Deinem Belieben, Hereward,« sagte Achilles Tatius; »bloß hast Du es dann Dir selbst zuzuschreiben, wenn Du ein armer Schlucker bleibst!«

Kommandant und Waräger waren inzwischen zu einem kleinen Pförtchen in der Umfassungsmauer gelangt, durch welches sie in die Stadt hineinschlüpfen konnten. Hier blieb der Kommandant stehen, um wie ein frommer Pilger, der eine Kapelle von besonderer Heiligkeit zu betreten vorhat, sich ehrfurchtsvoll zu bekreuzen.


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