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Wie C. Hinz auf dem Schaffot geredet hat:

»Hier stehe ich nun, um von der Obrigkeit für die gräuliche That, die ich gethan habe, die Strafe zu empfangen, welche ich verdient habe; denn Gottes Gerichte sind gerecht. So wird denn auch hier mein Blut von Menschen vergossen; wie wenn auch unser Herr Gott in seinem Worte sagt: Wer Menschenblut vergießt, des Blut soll wieder von Menschen vergossen werden. Aber Gott sei Lob und Dank, daß ich Gnade gefunden habe, und nun eingehe in das ewige Leben, zu unserm Heiland Jesus Christus, der uns so theuer erkauft hat mit seinem theuern, heiligen Blute. – Nun wollte ich wünschen, daß Alle, die hier stehen, möchten sich unserm Heiland ganz hingeben; denn wir sollen Alle das ewige Leben ererben, und Gott hat uns Alle erschaffen zu der ewigen Seligkeit. Möchten denn nun doch Alle, die hier sind, zu Ihm kommen; denn selbst den allergrößesten Verbrecher, so einen, wie ich bin, der eine so gräuliche That gethan hat, wie ich, will Er auch haben in seiner Seligkeit, der zu Allen, und auch zu mir gesprochen hat: Kommet her zu mir, Alle, die ihr müheselig und beladen seid; ich will euch erquicken; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen; – und wer zu mir kommt, den will ich nicht hinausstoßen; – und zu dem ich nun gleich hinübergehen werde; – möchten denn doch Alle zu Ihm kommen! Amen!«

Als Hinz Amen gesprochen hatte, wollte des Scharfrichters Diener ihm die Binde vor die Augen legen; aber Hinz kniete nieder, und sprach: »Nun will ich noch für mich beten:«

»Lob und Preis und Dank, mein Heiland, für die Barmherzigkeit, die Du an mir gethan hast! denn weiter habe ich hier ja nun nichts mehr zu bitten; als nur zu loben und zu danken; daß Du mir bis hieher Gnade und Kraft gegeben hast: daß ich nun mein Haupt hinlegen kann, so wie Du, Herr, Herr, Herr, Dein Haupt geneigt hast; daß auch ich sagen kann, wie Du sprachst: Vater, ich befehle meinen Geist in Deine Hände! Amen! Amen!«

Wir Prediger legten ihm danach segnend die Hände auf; ich sprach:

»Als Botschafter an Christi Statt kommen wir zu Dir; denn wir haben das Amt überkommen [übernommen], das die Versöhnung verkündigen soll. Kraft dieses Amtes segnen wir Dich zum Tode; und als Diener des Wortes sprechen wir: Im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des heil. Geistes; sei getrost, mein Sohn, Dein Glaube hat Dir geholfen; Dir sind Deine Sünden vergeben! – Der Herr, Herr, segne Dich und behüte Dich! der Herr, Herr, lasse sein Angesicht über Dir leuchten und sei Dir gnädig! der Herr, Herr, erhebe sein Angesicht auf Dich und gebe Dir seinen Frieden! Amen!«

Danach mein Amtsbruder:

»Sollte ich nicht segnen, den der Herr gesegnet hat? Im Namen des dreieinigen Gottes: Fahre hin in Frieden! Amen! In Jesu Namen! Amen!«

Hinz reichte uns zum Abschied die Hand; rief: »Es ist vollbracht! Es ist vollbracht! Herr Jesu, nimm meinen Geist auf! Amen!« Dann ließ er sich die Augen verbinden. Wir knieten hinter ihm. Nach wenigen Sekunden hörte ich sein Haupt fallen. –

*

Leichnam und Haupt wurden sofort in eine Kiste gelegt, und in das schon gegrabene Grab hinabgelassen. Ich rief ihm Friede! nach, und befahl seine Seele in Gottes Hand. Nach einem stummen Gebet nahmen wir von der Stätte Abschied. Das Gericht hatte sich schon kurz vor uns entfernt; – das Volk zerstreute sich in tiefer Stille. –

Was soll ich noch hinzufügen? Hinz steht jetzt vor einem höhern Richter. Schlechte Erziehung hatte aus ihm einen verwahrlosten, schlechten Menschen gemacht; – Strafanstalten, welche Verbesserungsanstalten sein sollten, hatten den Verbrecher vollendet; und als er durch die Kraft des Evangelii ein andrer, guter Mensch geworden war, mußte er sterben, nach dem Gesetz. Kann man hier wohl den unseligen Mängeln menschlicher Einrichtungen eine Thräne versagen? Ernst und drohend steht das Wort Gottes vor uns: die Sünde ist der Leute Verderben! ohne sie giebt es kein menschliches Elend. – Aber wunderbar herrlich hat sich an dem, den die Sünde elend gemacht hatte, und der von Menschen mußte gerichtet werden, die göttliche Gnade bewährt. Ich überhebe Hinz nicht [hebe Hinz mit meinem Lob nicht in den Himmel]; ich spreche ihn nicht heilig; – ich sehe in ihm nur den reumüthigen, bekehrten Verbrecher; aber nicht weiß ich, wie ich Gott genug danken soll für diese gründliche Bekehrung, für diese völlige Umwandlung eines so überaus bösen Herzens. – Gott selber hat hier vor unsern Ohren eine Predigt gehalten: »Thut Buße, und glaubet an das Evangelium, so werdet Ihr Vergebung für eure Sünden empfangen, und das ewige Leben haben!« – Vor unsern Augen hat Gott uns sehen lassen eine Kraft, einen Sieg, einen Triumph des christlichen Glaubens, vor dem der Unglaube sich schämen und verstummen muß.

a. D. g.

[(ad) Deo gratias = Gott sei Dank; zum Dank an Gott]


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