Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

III. Die Entdeckung

Als ich erwachte, stand das Pferd noch neben mir; denn es war da viel Gras zur Weide. Ich setzte mich wieder auf, und ritt bis nahe vor Friedrichstadt; dann ließ ich das Pferd abermals laufen, und ging in die Stadt hinein.

Mein erster Gang war zu einem Mann, Im Original: Jude dem ich die Steigbügel und die Pfeife zum Verkauf [Kauf] anbot. Der Mann Im Original: Jude schien nach den Sachen sehr gierig; aber er sagte mir, daß er kein Geld hätte; wenn ich indeß die Sachen bei ihm lassen wollte, so würde er sie mir verkaufen, und ich könnte um einige Tage [später] mein Geld bei ihm abholen. Ich traute ihm zwar nicht; aber ich ließ ihm doch Pfeife und Steigbügel, und war froh, als ich sein Haus wieder hinter mir hatte; denn ich dachte immer, er würde mich fragen, wie ich zu den Sachen gekommen wäre. So hatte ich also aus Furcht vor der Entdeckung den Gewinn meines Diebstahls fahren lassen. Ich habe es später öfters erfahren, daß der Teufel so diejenigen [be]lohnt, die ihm dienen.

Nachdem ich mir für die gestohlenen Schillinge Branntwein gekauft, und mir einen tüchtigen Rausch [an]getrunken hatte, ging ich, eben so arm, als ich vor meinem Verbrechen gewesen war, aus der Stadt hinaus, desselben Weges zurück, den ich gekommen war. Ich fand das Pferd noch, wo ich es entlassen [freigelassen] hatte, und setzte mich wieder auf, um schneller fortzukommen; – ich wollte nach Oldenswort, und Arbeit suchen. Nicht lange war ich geritten, als mir sehr eilig ein Mann entgegenkam; plötzlich blieb derselbe dicht vor mir stehen, und fragte mich, wem das Pferd gehöre. Ich wurde bestürzt, und bereute sehr meine Unvorsichtigkeit, daß ich mich wieder auf das Pferd gesetzt hatte. Der Schreck aber machte mich nüchtern und besonnen. »Das Pferd« – sagte ich – »gehört, wie ich glaube, dem Herrn N.N. [ich nannte den wirklichen Besitzer), dem es entlaufen sein mag; ich kam des Weges von Friedrichstadt, und fand es hier an der Straße, und bin jetzt Willens, es seinem Herrn zu bringen, um mir ein gutes Trinkgeld zu verdienen.« Jener erwi(e)derte: »das Pferd wäre nicht entlaufen, sondern gestohlen; und man hätte sehr starken Verdacht gegen einen gewissen Carsten Hinz, gegen den auch schon ein Verhafts[Haft]befehl von der Obrigkeit erlassen wäre.« – Der Mann kannte mich nicht, und fragte mich auch nicht nach meinem Namen; als er mir aber sagte, er wäre ausgeschickt, das Pferd wieder aufzusuchen, so überließ ich es ihm, und ging von ihm.

Ich kann nicht sagen, wie mir dabei zu Muthe geworden war, als der Mann meinen Namen aussprach, und mir sagte, daß Carsten Hinz arretirt [festgenommen] werden sollte. Nach Oldenswort wagte ich jetzt nicht zu gehen; wußte aber auch nicht, wohin ich fliehen sollte. Wer mir begegnete, von dem glaubte ich, er wäre ausgeschickt, mich zu suchen. Ich drückte den Hut tief in die Augen [ins Gesicht], und schlug einen Seitenweg ein; es war der Weg nach Witzwort, und bald stand ich, ohne eben mich [ohne mir] der Absicht bewußt zu sein, vor dem Hause meiner Eltern. Nach einem augenblicklichen Bedenken [kurzem Nachdenken], was ich denn hier wollte, ging ich hinein. Meine Eltern empfingen mich unfreundlich; denn sie mogten [konnten] sich wohl denken, daß ich nicht auf guten Wegen wäre; ich sagte ihnen indeß nichts von dem Verbrechen, noch von der Gefahr, in der ich mich befand. – Ich ging in den Garten, und wünschte da einige Stunden zu schlafen; aber ich konnte nicht dazu kommen. Wenn nur ein Vogel, oder der Wind in den Zweigen sich regte, so fuhr ich erschrocken auf, und glaubte, es wäre Jemand da, mich zu [er]greifen. Das konnte ich nicht lange aushalten. Es kam mir der Gedanke, daß ich über die Eider, nach Dithmarschen, fliehen wollte; denn es war eben um die Zeit der Heuerndte [Heu-Ernte]. Meine Mutter schenkte mir ein neues Hemd; mein Vater eine Sichel, zum Mähen. So ging ich des Weges nach Tönning, von wo ich mich über die Eider wollte setzen lassen. Auf dem Wege begegnete mir ein Mann, und fragte mich, ob ich Carsten Hinz kenne? Ich verneinte es, und fragte, was denn Carsten Hinz solle? Er hat gestohlen, hieß es, und wird gesucht, damit er eingesteckt [festgenommen] werde. Ich weiß nichts von Carsten Hinz, sagte ich, und ging eilig meiner Wege. Ich konnte es nicht lassen, mich noch einmal nach dem Manne umzublicken; er stand noch da, und sah mir nach; aber er verfolgte mich nicht.

Durch diesen Vorfall war meine Angst auf's Höchste gestiegen. Also sie wissen es, sagte ich zu mir selbst, was kann es denn helfen, nach Dithmarschen zu fliehen, sie werden dich bald genug finden. Ich kam in Tönning [an]. Der Wohnung des Tönninger Polizeidieners gegenüber wußte ich ein Branntweinhaus, in das ging ich. Um meine Unruhe vor den Leuten im Hause zu verbergen, fing ich an, mit dem Sohne des Wirthes Karten zu spielen; setzte mich aber so, daß ich durch das Fenster des Polizeidieners Hausthür im Auge hatte. Nicht lange, so kam der Gerichtsdiener aus Garding geritten, und stieg vor dieser Thür ab; – er ging hinein. O, wie schlug mir das Herz. Ich konnte nicht zweifeln, daß beide Häscher jetzt sich beriethen, wie sie mich finden und fangen wollten. Nach einer viertel Stunde verließen sie mit einander das Haus. Ich konnte meine Unruhe nicht länger verbergen, und es auch in der Stube nicht mehr aushalten. Ich ging auf die Straße hinaus, um zu sehen, wo es mit mir hinaus wollte. Ich hatte alle Hoffnung, den Häschern zu entgehen, aufgegeben, und nahm mir vor, mich ohne Widerstand ergreifen zu lassen; nur wollte ich nicht gern, daß es in Gegenwart vieler Menschen geschähe. Als ich einige Straßen durchwandelt war, begegnete mir der Gardinger Gerichtsdiener; derselbe hatte mich früher schon mehre Male in Verwahrsam gebracht; es war aber schon dämmerig, und er [er]kannte mich nicht. Ich redete ihn an: »Ich weiß, daß Sie mich suchen«, sagte ich – »was wollen Sie von mir?« »Ei, mein Junge«, entgegnete Jener, »Du mußt mit mir gehen, damit die Tönninger Polizei Dich nicht findet.« – Ich ließ mich geduldig in die Wache bringen. Am folgenden Morgen wurde ich im Rathhause vernommen; weil ich aber nichts bekannte, wieder in die Wache gebracht. Bald nachher kam der Tönninger Polizeidiener zu mir, und bedrohte mich mit Stockschlägen, wenn ich nicht sogleich Alles bekennen würde. Daß er zu dieser Art zu fragen nicht berechtigt war, wußte ich damals nicht; so ließ ich mich einschüchtern, und leugnete meine That nicht länger. Jetzt übergab der Stadt-Magistrat mich dem Staller der Landschaft; und nachdem ich auch vor diesem meine Aussage wiederholt hatte, ward ich in das landschaftliche Stockhaus, das in Tönning liegt, abgeliefert.


 << zurück weiter >>