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IX. Der Mord

Auf =Anmerkung zu dieser Neuausgabe:

In der Vorlage sind ab jetzt zuweilen einige Buchstaben nicht sicher zu entziffern; d. Hg. versuchte, in diesen gelegentlichen Fällen sinngemäß zu ergänzen/rekonstruieren.
dem Wege von Glückstadt nach Hause hatte ich mehre Male Gelegenheit zu kleinen Diebstählen; aber mir lag nur der Raubmord, den ich bei Hamann ausüben wollte, im Sinne. Am Sonnabend, den 23. October 1841, langte ich bei meinen Eltern an. Am Sonntag sollte die That vollbracht werden; aber ward durch einen Zufall verhindert. Am Montagabend verließ ich bei einbrechender Dämmerung das Haus. Ich hatte mich mit einem Beil und einem Schießgewehr versehen. Mein Vater war schon zu Bette; meine Mutter aber begegnete mir in der Hausdiele, und fragte in etwas ängstlichen Ton, wie es mir schien: »Wohin so spät?« »Ich habe Geschäfte;« entgegnete ich, und ging, Beil und Flinte vor ihren Augen verbergend, zur Thür hinaus. Später habe ich erfahren, daß sie, solange sie gekonnt, mir nachgesehen; auch daß mein Vater, als er von ihr erfahren, ich sei ausgegangen, ihr darüber Vorwürfe gemacht und gesagt hat: »Das hättest du nicht leiden [zulassen] sollen; wenn Carsten [so spät] ausgegangen ist, so wird er nichts Gutes vorhaben.« Ach, arme Eltern, ihr kanntet euern bösen Sohn, aber daß er auf so ruchlosen Wegen sei, dachtet ihr doch nicht.

Hamann's Haus liegt nicht weit von dem meiner Eltern, – ich bog bald von der Landstraße ab, und ging über ein Feld. Auf dem Felde stand ein Mann, den ich kannte; ich drückte meine Mütze tief in's Gesicht, und hoffte unerkannt vorbeizukommen. Das Beil, welches nur ein kleines Handbeil war, hatte ich im Busen verborgen. Dieser Mann hat später vor Gericht bezeugt, daß er mich recht wohl erkannt, und in Richtung nach Hamann's Hause hat gehen sehen. Auch sein Sohn, ein zehnjähriger Knabe, hatte mich auf diesem Weg gesehen. So hatte Gott schon vor vollbrachter That die Entdeckung vorbereitet. – Einen falschen Bart, den ich mir im Zuchthaus verschafft hatte, hatte ich, wegen der genauen Durchsuchung vor meiner Entlassung, dort zurücklassen müssen. Deshalb hatte ich mir vorgenommen, in Hamann's Küche, vor der That, mein Gesicht schwarz zu machen. Aber auch diese Absicht, mich unkenntlich zu machen, verhinderte Gott; denn bei Hamann angekommen, vergaß ich, daß ich die Absicht gehabt hatte, und wollte, daß das Mädchen, das ich glaubte mit vielen Hieben getödtet zu haben, nicht starb; und daß dieses sowohl, als auch die Wittwe des ermordeten Hamann, vor Gericht mich wieder erkennen sollte.

Meine Gedanken verwirren sich, und mein Herz ist betrübt, da ich dies schreibe. Aber ich will zu Gott beten, und in meinem Andachtsbuch lesen; und wenn ich meine Gedanken wieder gesammelt habe, will ich versuchen, Alles so aufzuschreiben, wie es sich zugetragen hat.

Ich will nun Alles nach der Wahrheit erzählen. Gott stehe mir bei.

Als ich bei Hamann's Hause ankam, bemerkte ich, daß noch ein Licht in der Stube brannte. Ich stellte mich unter das Fenster und sah die Frau und das Mädchen; aber den Alten sah ich nicht, denn er war schon zu Bett gegangen. Ich hielt mich ganz ruhig, bis ich die Frau hatte zu Bett gehen sehen und auch das Mädchen mit dem Lichte nach ihrer Schlafstätte gegangen war. Durch ein anderes Fenster beobachtete ich, daß auch sie zu Bett ging und das Licht auslöschte. Ich zögerte noch eine kleine Weile, und als ich glaubte, daß Alle im festen Schlafe lägen, versuchte ich es, mit dem Beile die Hinterthür des Hauses aufzubrechen. Es mißlang mir. Einen andern Eingang suchend, öffnete ich von außen ein Fenster und stieg hinein. Ich glaubte, in der Küche zu sein; aber beim Umhertappen bemerkte ich, daß ich in der Speisekammer war; ich fand ein Stück Käse und einen Topf mit Honig, und ich aß davon. Danach ging ich in die Küche und zündete ein Licht ein, und trat damit vor die Wandbettstelle des Mädchens. Als ich ihr ins Gesicht leuchtete, waren ihre Augen geschlossen, und ich glaubte, daß sie fest schliefe. Leise schob ich die Bettthür, die halb offen stand, vollends zurück, um besser ankommen zu können. Einen Augenblick schauderte mich vor dem, was ich thun wollte. Dann sagte ich leise: »In des Teufels Namen!« Bei diesen Worten schlug das Mädchen die Augen auf und wir sahen einander starr an. Dann führte ich mit der Schärfe des Beiles einen Schlag über des Mädchens Kopf; sie fuhr in die Höhe und versuchte, mich abzuwehren; aber ich war außer mir, und in blinder Wuth schlug ich ihr mit dem Beile [auf] Kopf, Schultern und Hände, bis sie, mit zahllosen Wunden bedeckt, ohne Regung in ihrem Bluthe lag. Ich zweifelte nicht, daß ich sie getödtet hatte.

Plötzlich erschreckte mich ein Geräusch in der Stube, worin die alten Leute schliefen. Ich eilte hinzu; und als ich die Thür aufriß, trat mir der alte Hamann entgegen mit einem dicken Stock, und schlug nach mir; ich schlug mit dem Beil gegenan, bis der alte Mann, am Kopf schwer verwundet, auf einen Stuhl zurücktaumelte. In diesem Augenblick ging mir das Licht aus; ich eilte nach der Küche, um es neu anzuzünden; als ich zurückkam, sah ich, daß der alte Mann nicht leben und sterben konnte; und ich gab ihm mit dem Beile den Rest, damit er sich nicht länger quälen sollte. – –

Nach dieser doppelten Blutthat habe ich mit dem Beile die Chatulle aufgeschlagen, aber kein Geld gefunden. Die Frau des erschlagenen Hamann lag im Bett und sah, wie ich Alles durchsuchte. Da bedrohte ich sie hart, daß sie mir sagen sollte, wo ihr Geld wäre; – aber sie sagte, es wäre kein Geld im Hause, denn ihr Schwiegersohn habe alles baare Geld zu sich in Verwahrung genommen. Der Gedanke, zwei Menschen vergeblich ermordet zu haben, machte mich rasend. Mit dem blutigen Beil in der einen, mit dem Licht in der andern Hand, stürzte ich von der Stube zur Küche, von der Küche nach der Lohdiele, von da wieder in die Stube, und tobte und fluchte, und wußte nicht, was ich that; denn meine Sinne waren ganz verwirrt. Als ich das Mädchen erschlug, war ich voll Kraft des bösen Geistes; als ich aber auf den alten Mann eindrang, fühlte ich, daß diese Kraft von mir gewichen war. Vorher hätte ich wohl Menschen mit den Zähnen zerreissen können; aber meine Bosheit und meine Wuth hatten mich gänzlich verlassen. Mich befiel eine unendliche Traurigkeit, und das Bewußtsein meiner That lag auf mir, wie eine ungeheure Last.

O, wie schwer wurde mir der Weg zu meinen Eltern zurück! Ich hatte die Flinte bei mir, die ich für den Fall der Noth zu meiner Vertheidigung mitgenommen hatte; auf dem Heimwege aber kam mir der Gedanke, mich selber zu erschießen. Indeß fehlte es mir dazu an Muth. Ich rief mehrmal den Teufel an, daß er mir Kraft gebe; aber der böse Feind hatte mich armen Menschen nun dahin gebracht, wo er mich haben wollte, und hörte nicht auf mein Rufen. Nun aber danke ich Gott, daß er mich meinen Vorsatz zum Selbstmord nicht hat ausführen und nicht mich so in meinen Sünden hat dahinfahren lassen.

Um zwei Uhr in der Nacht langte ich wieder zu Hause an und legte mich zu Bett; aber Ruhe fand ich nicht.


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