Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

II. Der Weg zum Zuchthause

Als ich confirmirt war, brachte mein Vater mich zu einem Bauern in Osterhever, – einem benachbarten Kirchspiel, – in Dienst; und er gab mir manche gute Ermahnung, die ich aber nur wenig zu Herzen nahm. Meine Aufführung in meinem ersten Dienste war nicht gut. Zu keiner ordentlichen Arbeit gewohnt, zeigte ich mich zu Allem, was mir aufgetragen ward, ungeschickt, nachlässig und träge; und weil ich fast meine ganze Kindheit bei Hütung der Schafe ohne irgend eine einzige Aufsicht zugebracht hatte, so hatte ich auch nie rechte Folgsamkeit gelernt; darum wollte ich mir auch jetzt von dem Knechte, unter welchem ich stand, nichts sagen lassen, und war voll Widerspruches und Trotzes, so oft mir etwas befohlen, oder mir ein Vorwurf gemacht ward; – selbst gegen meinen Herrn erlaubte ich mir Widersetzlichkeit, und achtete weder der Ermahnungen noch Strafen. Als nach einigen Wochen sich auch wieder Spuren meiner Kopfkrankheit zeigten, so nahm mein Herr daraus den Vorwand, mich wieder zu meinen Eltern nach Hause zu schicken. Mir war das ganz recht; denn das Dienen hatte mir schlecht gefallen.

Zwei Jahre lang blieb ich nun bei meinen Eltern, und habe ihnen in der Zeit viel Herzleid zugefügt. Ich wollte mit ihnen essen, aber nicht arbeiten. Müßiggang, sagt man, ist des Teufels Ruhebank. Bald bestahl ich die Gärten der Nachbarn, oder mißhandelte im Hause meine jüngern Geschwister; – bald stellte ich den Mädchen im Dorfe nach, oder suchte Händel mit den Knaben; – auch fing ich an, zu[m] Wirthshaus zu gehen, und mit den Knechten Branntwein zu trinken, und Karten zu spielen, wozu ich den Eltern die Schillinge wegstahl. Es war kein Tanzgelag in der Umgegend, wo ich mich nicht einfand; und kein Bubenstreich ward ausgeführt, wo ich nicht dabei war. Meine Eltern ermahnten mich zwar oft zu besserer Aufführung; aber der Ermahnungen achtete ich jetzt noch weniger, wie früher; und Züchtigungen ließ ich vollends mir nicht mehr gefallen, weil ich groß und stark war; und wenn auch mein Vater manchmal über mich sehr aufgebracht ward, so nahm die Mutter mich gegen ihn in Schutz. – So wurde ich in dieser Zeit noch viel mehr verderbt; – aber es sollte noch schlimmer kommen.

Mein Kopf war inzwischen wieder geheilt, und ich ward endlich des Zuhauseliegens und Herumtreibens müde. Ich vermiethete mich also als Knecht bei einem Bauern in Oldenswort; und meine Eltern und Geschwister waren sehr froh, meiner los zu werden.

Mit meinem achtzehnten Jahre trat ich meinen neuen Dienst an; – nicht, weil mich nach nützlicher Thätigkeit verlangte, sondern weil ich zu meinen Ausschweifungen mehr Geld bedurfte, als ich bei den Eltern mir zu verschaffen wußte; und weil ich, als Knecht, zu den Trink- und Tanzgelagen der Knechte leichter Zutritt gewann. In meinem neuen Dienste gab ich mir wenige Mühe, meine vielen üblen Gewohnheiten und Laster zu verbergen; vielmehr bildete ich mich jetzt erst recht zu allen Bubenstücken aus. Ganze Nächte trieb ich, ohne Erlaubniß meines Herrn, mich auf den Tanzböden umher, und kam gewöhnlich betrunken nach Hause. Meine Arbeit vernachlässigte ich; bestahl meine Mitknechte, und hatte oft Händel mit ihnen. Bei meinem Brodherrn suchte ich immer mit Lügen durchzukommen, und verlor bald allen Glauben bei ihm. Nach einem halben Jahre zahlte er mir meinen Lohn aus, und hieß mich aus seinen Diensten gehen.

Das verdroß mich; weil ich aber fühlte, daß mir Recht geschehen war, so nahm ich mir vor, ein anderer Mensch zu werden. Ach! das habe ich mir seitdem wohl manchmal vorgenommen; – das Wollen hatte ich; aber das Vollbringen des Guten fehlte mir. – Ich ging außerhalb Eiderstädt, und fand einen neuen Dienst in dem nahe gelegenen Dorfe Drage. Die ersten acht bis zehn Wochen nahm ich mich so sehr zusammen, daß meine Herrschaft wohl mit mir zufrieden war; – als ich aber nach und nach mit den Knechten und Mädchen des Dorfes bekannt ward, fiel ich bald wieder [in mein altes Verhalten] zurück; – denn unter den Dienstleuten in Drage herrschte ein rohes, zügelloses Leben; und das war so recht nach meinem Sinn. Abends nach der Arbeit holten die andern Knechte des Dorfes mich ab; dann ging es in die Schenke, wo getrunken und Karten gespielt wurde; wenn es aber Mitternacht ward, so ging es dorfwärts zu den Mädchen; da wurden viele Liederlichkeiten und schändliche Bubenstreiche von uns ausgeführt. Gewöhnlich war es heller Morgen, wenn wir nach Hause gingen. Den Tag über war ich dann natürlich träge und unlustig zur Arbeit; voll Ekel und Ueberdruß, und voll bittrer Reue über das verspielte und verlorne Geld, und über die in Taumel und Liederlichkeit schlaflos hingebrachte Nacht. O, wie oft habe ich in solcher Stimmung es bei mir gelobt und beschworen, daß es anders werden sollte; ich wollte den schlechten Umgang vermeiden; keinen Branntwein mehr trinken; keine Karte mehr anrühren; ich wollte des Tages arbeiten, und des Nachts schlafen; und für mein verdientes Geld mir Kleidungsstücke anschaffen, und meine Schulden bezahlen; – kurz, ich wollte ein ordentlicher Mensch werden; – und ach! wie glücklich hätte ich jetzt sein können, wenn ich diesen, so oft gefaßten Vorsatz ausgeführt hätte! Aber ach! er dauerte selten länger, als bis zum Abend; dann erwachte die alte böse Lust; und wenn die Knechte kamen, nach ihrer Weise, mich abzuholen, so besiegten ihre Ueberredungen und ihr Spott bald den schwachen Rest des guten Willens, der noch in mir war. So trieb ich's mehre Monate, und versank immer tiefer im Laster.

Indeß hatte ich bis dahin, trotz aller meiner Ausschweifungen, meine Arbeiten einigermaßen treu verrichtet; denn mein Brodherr war in diesem Punkt sehr strenge gegen seine Dienstleute. Nun aber starb mein Herr; und vor der Frau, die wenig besser war, als ich, hatte ich keine Achtung. Weil kein Herr im Hause war, so lebte ich mit meinen Mitknechten immer in Streit; hierin war aber die Schuld nicht immer auf meiner Seite; indeß auch in meiner Arbeit wurde ich nachlässig; schlief oft, statt zu arbeiten; und wenn ich auf dem Felde allein war, so holte ich mir aus dem Wirthshause eine Flasche Branntwein, und habe so manchen ganzen Tag betrunken auf dem Felde gelegen. Er verging kein Sonntag, da ich nicht zu Tanz ging; und kam ich selten vor Montag oder Dienstag nach Hause. So ging die Zeit hin, vom Ende des Sommers, bis gegen Weihnacht. Am ersten Weihnachtstage forderte meine Herrin mich und meine Mitknechte auf, zur Kirche zu fahren. Ich fuhr mit; was ich aber in der Kirche sollte, wußte ich nicht; seit meiner Confirmation war ich kaum zweimal im Gotteshause gewesen; und war doch schon zwanzig Jahre alt. – Als wir an die Kirche kamen, ging ich zuvor in's Wirthshaus, und trank mir einen Rausch [an]; erst, als der Wirth mich antrieb, ging ich in die Kirche, und gaffte in derselben gedankenlos umher, bis die Predigt zu Ende war; und kam wieder aus der Kirche, und hatte nichts gehört und nichts zu Herzen genommen. Wir blieben noch im Wirthshause, und kamen endlich gegen Abend sämmtlich völlig betrunken nach Hause. Meine Herrin fragte uns, ob das den Feiertag heiligen heiße? und wir lachten. Dieser Weihnachtstag und dieses Lachen macht mir noch jetzt, da ich es schreibe, bittre Reue. – Die nächstfolgenden Tage war indeß meine Aufführung wo möglich noch schlechter. Neben uns wohnte ein Zimmermann, welcher eben so sehr, wie ich, dem Branntwein ergeben war, und bei welchem ich oft meine Niederlage hatte [von dem ich oft ›unter den Tisch getrunken‹ wurde]. Bei diesem Manne brachte ich, vom zweiten Weihnachtstage bis vier oder fünf Tage in's neue Jahr hinein, fast in einer fortwährenden Trunkenheit zu; – denn das ist die Sitte in Drage, so das Neujahrsfest zu feiern.

Ich hatte es indeß meiner Herrin zu arg gemacht, und mir wurde aufs Strengste jetzt das Ausgehen untersagt, und sogar mit der Obrigkeit gedroht. Aber die Drohung hatte keine weitere Folge, als daß ich jetzt heimlich des Nachts aus dem Hause ging; und wollte die Frau mich des Morgens zur Arbeit wieder haben, so mußte sie mich im Wirthshause suchen lassen; dann aber war ich betrunken, und konnte nicht arbeiten. Es waren vier bis fünf Wochen nach Neujahr, als ich eines Morgens mit meiner Herrin einen sehr heftigen Wortwechsel bekam; und die Folge war, daß sie in derselben Stunde mich aus ihrem Dienste jagte.

Meine Ausschweifungen, und besonders das Laster des Trunkes, welches mich völlig beherrschte, hatten meine Kräfte und meine Casse erschöpft; mein Dienstlohn hatte ich schon vorweg, und ganz durchgebracht; dazu war ich vielen Leuten im Dorfe Geld schuldig geworden. Wie ein Bettler mußte ich Drage verlassen. Indeß sammelte ich meine wenigen Kleider zusammen, versetzte, was ich irgend entbehren konnte, in Friedrichstadt im Lombard [Pfandhaus]; und nachdem ich auch dies Geld im Branntweinhause durchgebracht hatte, ging ich nach Wittzwort zu meinen Eltern. –

Die guten Eltern nahmen, da ich so nackt und blos zu ihnen kam, mich nicht allein [nur] auf, sondern lösten auch noch meine versetzten Kleider ein, und gaben sie mir zurück. – So viele Güte gegen einen so mißrathenen Sohn, wie ich war, beschämte mich; und ich nahm mir vor, meinen armen Eltern nicht länger, als nothwendig, zur Last zu fallen. Aber ein ordentlicher Knechtsdienst fand sich so leicht nicht für mich wieder; und ich mußte froh sein, daß nur einige Nachbarn mich manchmal in Taglohn nahmen. Diese Demüthigung besserte mich aber nicht. Eben in dieser Zeit geschah es, daß ich wegen Schlägerei, die ich in der Trunkenheit veranlaßt hatte, vor die Obrigkeit gebracht ward. Mein Urtheil lautete: zwei Tage Gefängniß bei Wasser und Brod. Dies war das erste Mal, daß ich im Gefängniß war; – es erbitterte mich, und machte mein verderbtes Herz noch viel boshafter. Die Scham, die ich fühlte, suchte ich unter Trotz zu verbergen, und es gelang mir sogar, sie zu ersticken. Ich suchte von der Zeit an oft Händel, und habe in einem Jahre viermal im Gefängniß abbüßen müssen. Das Jahr ging zu Ende, und ich lag noch meinen Eltern zur Last; und es ward mir immer schwerer, Arbeit zu finden: denn wer meine Aufführung kannte, mußte ja Scheu haben, einen solchen Menschen in Arbeit zu nehmen.

Doch war es, als ob der liebe Gott noch einen Versuch mit mir schlechtem Menschen machen wollte; ob nicht die Noth mich gebessert hätte; ach, ich habe seine Langmuth schändlich mißbraucht. Ein Hofbesitzer nämlich, in Cotzenbüll, ein sehr williger und guter Mann, sahe, daß ich stark war, und wohl arbeiten konnte; und weil ich ihm gute Aufführung gelobte, so wollte er es wagen mit mir, und nahm mich als Knecht in seine Dienste. Es war um Pfingsten, 1837, als ich diesen Dienst antrat; ich war damals 21 Jahre alt.

Ich hielt meinem neuen Brodherrn mein Versprechen schlecht; meine Arbeit freilich that ich; aber schon in der ersten Woche ging ich Abends ohne Erlaubniß aus, und brachte in der nahegelegenen Stadt Tönning ganze Nächte in schlechten Häusern zu. Dies wiederholte ich oft, und versuchte es auch, einen 17jährigen Jungen, der mit mir diente, in dies Lasterleben mit hineinzuziehen. Aber Gott hielt seine Hand darüber, daß mir wenigstens diese gräuliche Sünde nicht gelang; und ich danke ihm dafür. Der Junge, den ich hatte [zum schlechten Lebenswandel] verführen wollen, verrieth dem Herrn meine schlechte Aufführung; und da Ermahnungen, und selbst Drohungen nichts bei mir fruchteten, so jagte mein Herr mich nach kurzer Zeit aus dem Dienste.

Ich wandte mich nun nach Tönning, nach Garding, nach Oldenswort; suchte überall Arbeit, und fand sie nicht; denn ich war in der ganzen Landschaft übelberüchtigt. Nach Hause durfte ich auch nicht mehr zurück. Da nahm ich meine Niederlassung [Quartier, ein Zimmer] in Tönning in einem H…hause [Hurenhaus, Bordell]; wo aber die paar Thaler, die ich von meinem Dienste noch erübrigt hatte, bald durchgebracht waren. Als die Wirthin merkte, daß ich kein Geld mehr hatte, wollte sie mich nicht länger herbergen; – und so hatte ich denn nicht[s] mehr, wo ich mein Haupt hinlegen, und womit ich meinen Hunger stillen konnte.

So verlassen und elend hatte ich mich noch nie gefühlt. Ich denke mir, daß so dem verlornen Sohn muß zu Muthe gewesen sein, als er das Seinige mit H… [Huren] durchgebracht hatte, und nun darben mußte. Ach, hätte ich doch damals auch, gleich dem verlornen Sohn, den Entschluß gefaßt: »Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen, und zu ihm sprechen: Vater, ich habe gesündigt im Himmel und vor dir!« – Ich bin gewiß, wenn ich damals so voll Reue zu meinen Eltern gegangen wäre, sie hätten, obwohl sie arm sind, mich nicht verstoßen; – und ich hätte vielleicht vor dem gräulichen Verbrechen, welche ich nun bald beging, bewahrt bleiben mögen. Aber Reue und gute Entschließungen waren meinem Herzen schon seit langer Zeit fremd geworden.

Es war an einem Sonnabendnachmittage, als ich von Hunger, Schande und bösem Gewissen getrieben, aus Tönning weglief, ohne zu wissen, wohin? Der Zufall führte mich auf den Weg nach Oldenswort. Kummer, oder die Anstrengung einiger durchschwärmter [durchzechter] Nächte, hatten mich völlig erschöpft; ich legte mich am Wege nieder, und schlief ein. Als ich nach einigen Stunden erwachte, fühlte ich mich krank, und einen stechenden Schmerz im Magen. Das ist der Hunger, dachte ich, und erhob mich mühsam, und ging dem nächsten Hofe zu. Ob ich betteln, oder stehlen wollte, darüber hatte ich nicht nachgedacht; aber essen, essen wollte ich, und mußte ich. Als ich dem Hofe näher kam, sahe ich im Garten Bäume mit reifen Kirschen; – ich schlich mich hinein, und pflückte, und aß, bis ich satt war. Dann kehrte ich nach Tönning zurück, warum? weiß ich nicht. Auf dem Wege befiel mich die Dunkelheit. »Die Nacht«, sagt man, »ist keines Menschen Freund.« Ueber mich bekam in dieser unglückseligen Nacht der böse Feind volle Gewalt. Ein Obdach hatte ich ja nicht mehr, und fühlte auf's Neue den Hunger. Ich hätte wohl mich die Nacht in einer Scheune bergen [unterschlüpfen] können, und hätte vielleicht meinen Hunger verschlafen; – aber, was sollte ich am folgenden Tage beginnen, ohne Brod, ohne Geld, ohne Hoffnung, mir welches zu verdienen? Es war so weit mit mir gekommen, daß ich mir einbildete, es wäre mir nichts übrig geblieben, als die Nothwendigkeit, zu stehlen. – Es überlief mich ein Schauder und Angst bei dem Gedanken; denn ich hatte zwar schon sehr jung, und auch schon sehr oft gestohlen; – allein, bisher hatte ich doch immer nur gelegentlich, und Kleinigkeiten entwandt; – es kam mir nicht vor, daß das schon wirklicher Diebstahl gewesen sei. Jetzt wollte ich mir selber die Gelegenheit machen; wollte einbrechen, und durch Diebsgewerbe meinen Unterhalt suchen. – Einige Augenblicke kämpfte ich gegen diesen Gedanken; aber die Noth drängte, und die Dunkelheit schien meinem Vorhaben günstig. Der Anschlag war bald gemacht. Ich wollte auf dem Hofe, wo ich zuletzt gedient hatte, wo ich jede Gelegenheit, und wo die Hunde mich kannten, und wo ich gewohnt war, im Dunkeln aus- und einzugehen, einbrechen. Um 11[23] Uhr, da, wie ich wußte, längst Alles im tiefen Schlaf lag, kam ich bei dem Hofe an. Ich holte mir aus der Scheune, die nicht verschlossen war, ein Brett, legte es statt einer Leiter, gegen ein Fenster des Hauses, und brach dies vorsichtig offen [auf], und stieg hindurch. Mein erster Gang war in die Speisekammer, wo ich mich satt aß, und noch Brod und Butter zu mir steckte; – dann schlich ich in die Kammer, in der die Knechte schliefen. Erwachte einer, so war ich verloren; aber sie schienen fest und ruhig zu schlafen; ich preßte den Athem an mich, um keinen zu wecken. Die Kleider der Knechte lagen neben den Betten; ich durchsuchte die Taschen, und fand zehn Schillinge, ein Messer, und einen silberbeschlagenen Pfeifenkopf. Wieder in's Haus einzudringen hatte ich den Muth nicht; auf dem Wege, auf welchem ich gekommen war, schlich ich wieder aus dem Hause hinaus. Es blieb Alles stille. Ich ging in den Stall; schnitt zwei neue Steigbügel von des Herrn Reitzeug ab; steckte noch eine Reittrense zu mir, und verließ mit meiner Beute den Hof. In der Nähe wiedeten die Pferde; ich fing eins ein, legte ihm die Reittrense an, und ritt gen Tönning. – Es war so dunkel, daß ich kaum Weg und Graben unterscheiden konnte; – ich war nicht weit geritten, als das Pferd plötzlich sich unter mir [auf]bäumte, so daß ich beinahe abgefallen [vom Pferd gefallen] wäre; dann fing es an zu zittern, und rückwärts zu gehen. Ich konnte es nicht von der Stelle bringen; ich stieg ab, um zu untersuchen, wovor es (sich) scheute; aber ich vermochte nichts zu entdecken. Ich versuchte das Pferd an der Stelle vorüber zu ziehen; und schlug und mißhandelte es schrecklich; aber Alles vergeblich. Da kam mich ein Grauen und eine sehr große Furcht an, ohne daß ich recht begriff, wovor? – Nun aber kann ich es wohl begreifen, was da gewesen ist. Der das Pferd aufhielt, ist kein Anderer gewesen, als der, welcher einst [dem biblischen] Bileam den Weg vertrat [versperrte], da er auf seiner Eselin ritt. Ach, hätte ich doch mich warnen lassen, und wäre umgekehrt von meinen bösen Wegen! Der treue Gott hat mich noch manchmal eben so deutlich gewarnt, wenn ich ausging, Böses zu thun; ich aber habe nicht darauf geachtet; – auch in dieser Nacht achtete ich es nicht. Eine Zeitlang noch arbeitete ich mich mit dem Pferde ab; da mit einem Mal ging es ruhig an der Stelle vorüber, als wäre nichts da gewesen. Ich habe über diesen Vorfall, der mir sehr abenteuerlich vorkam, Carsten Hinz genauer vernommen; er hat mir indeß auf's Heiligste versichert, daß er die Wahrheit geschrieben; so wie auch, daß ihm in seinem spätern Leben ein ähnlicher Vorfall begegnet, und daß er fest überzeugt sei, daß beide Male Gott ihn dadurch habe warnen, und vom Bösen zurückbringen wollen; – – welcher Warnung er aber leider nicht gefolgt wäre.

Als ich Tönning erreicht hatte, ritt ich rasch hindurch; denn ich wollte noch vor [dem] Morgen in Friedrichstadt sein, weil ich wußte, daß dort auch Personen Im Original: Juden wohnen, welche gern gestohlne Sachen kaufen. – Auf der Hälfte des Weges aber ließ ich das Pferd laufen, und streckte mich ganz muthlos und niedergeschlagen in's Gras hin. Müdigkeit überwältigte mich; ich schlief ein; aber nicht lange; ängstliche Träume schreckten mich bald wieder auf. Ich wußte, daß ich jetzt eine That begangen hatte, durch die ich dem Zuchthause verfallen war; und zitterte vor Entdeckung. – –

Dieser ganze Abschnitt ist mir sehr schwer geworden zu schreiben; und ich weiß wohl, daß er auch nicht angenehm und erfreulich zu lesen sein kann; aber ich hatte mir ja vorgenommen, und meinem Prediger das Versprechen gegeben, daß ich meinen ganzen bösen Wandel aufrichtig Andern zu heilsamer Warnung, beschreiben wollte; und eben so aufrichtig will ich sein in dem, was noch folgt.


 << zurück weiter >>