Ernst Schulze
Cäcilie
Ernst Schulze

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Zwanzigster Gesang.

1.
                      Als so der Herr sein heil'ges Werk vollbracht,
Und rings in Schutt die Götzentempel sanken,
Versammelt sich die freud'ge Heeresmacht,
Für ihren Sieg dem großen Gott zu danken.
Schon reinigt Jeder sich vom blut'gen Staub der Schlacht
Und kränzt den lichten Helm mit Laub und grünen Ranken.
So will das Heer vor Gott auf jenen heil'gen Höhn
Mit friedlichem Gewand und reinen Händen stehn.
 
2.
Zu Boden muß sich jede Lanze neigen,
In seiner Scheide ruht vom Kampfe jedes Schwert,
Der Krieger Rechte prangt mit grünen Eichenzweigen,
Zum Schmuck nur hält der Schild die Linke jetzt bewehrt;
Das frommgesenkte Haupt, die gläub'gen Blicke zeigen,
Daß nicht der Mensch, daß Gott das Reich der Nacht zerstört.
Drum muß des Reiches Aar auch tief zur Erde sehen,
Das heil'ge Kreuz nur darf in hohen Lüften wehen.
 
3.
Und als zum ernsten Zug gereiht
Die dichten Schaaren jetzt sich aus den Pforten drängen,
Und fern sich ihrem Blick der heil'ge Hügel beut,
Da schallt das weite Thal von frommen Dankgesängen.
Die Hörner, die so wild im rauhen Kampf gedräut,
Ertönen lieblich jetzt mit ihren weichsten Klängen.
Hell sieht man jetzt das Heer, geschmückt mit buntem Grün,
Gleich einem Hochzeitszug aus Lethra's Mauern ziehn.
 
4.
Und wie ein Strom mit sonnenklaren Wogen
Sein weites Bett mit heil'gem Rauschen füllt,
Indessen, leicht von linder Luft umflogen,
Ob seiner Fluth ein glänzend Segel schwillt:
So kam mit Siegesklang das Heer hinabgezogen,
Weit leuchtete das Feld von Panzer, Helm und Schild,
Und herrlich sahe man von leisem Wehn getragen,
Hoch aus dem dichten Volk die Kreuzesfahne ragen.
 
5.
Doch wie der Mond mit stillem Glanz
Die luft'ge Bahn beginnt an blauen Himmelshallen,
Indeß mit mildem Licht geschmückt zum nächt'gen Tanz
Dem holden Führer nach viel tausend Sterne wallen,
Und wie mit blühndem Haupt die Ros' im bunten Kranz
Die Blumen überschaut, die reizendste von allen:
So geht, von eigner Lust, von heil'gem Lichte klar,
Cäcilie voran als Führerin der Schaar.
 
6.
Ihr wehnder Schleier scheint sie leis' emporzuwiegen,
Wie Wölkchen durch die Luft mit hellen Sternen ziehn;
Die Locken, die im Spiel der linden Lüfte fliegen,
Umschlingt ein duft'ger Kranz von dunklem Eichengrün,
Durch dessen Blätter sich die leichten Strahlen schmiegen
Und bald sich spielend nahn und zitternd bald entfliehn.
Wohl scheint der Himmel schon, in dessen Licht sie schwinden,
Mit luftig goldnem Band das zarte Bild zu binden.
 
7.
Doch auf dem Pfad der Wandelnden entspringt
Des Lenzes bunter Schmuck in wechselnden Gestalten:
Süß duften Wies' und Hain, und tausend Blumen schlingt
Die Erd' um ihren Fuß, die Fliehnde noch zu halten.
Weil Welt und Himmel jetzt sie zu besitzen ringt,
Will Jedes ihrem Blick sein Schönstes auch entfalten.
Nie hat man leuchtender die blauen Wolkenhöhn
Und nie die bunte Flur in holderm Schmuck gesehn.
 
8.
So ward mir einst in deinen holden Blicken,
Cäcilie, zum ew'gen Lenz die Welt.
Mit tausend Blumen schien die Wiese sich zu schmücken,
Von tausend Strahlen war der Himmel mir erhellt;
Die Bilder, die das Herz und die das Aug' entzücken,
Sie waren all' im Glanz des lichten Sterns gesellt
Und ließen dann, getrennt zu wandelbaren Träumen,
Im vielfach bunten Reiz den Frühling um mich keimen
 
9.
Die Rose, die, von stiller Kraft belebt,
In ihrer Hand noch höher aufgesprossen,
Hat von dem süßen Hauch, der um die Blätter schwebt,
Ein purpurnes Gewölk um ihr Gebild ergossen.
So geht sie leuchtend jetzt, vom Rosenschein umflossen,
Wie durch das Morgenroth der lichte Tag sich hebt.
Je näher sie dem heil'gen Hügel schreitet,
Um desto heller wird der Glanz um sie verbreitet.
 
10.
Der ernste Tod, der, sonst in Bleich gehüllt,
Die Rosen pflückt, die auf den Wangen blühen,
Schmückt jetzt noch lieblicher das wunderholde Bild,
Dem Gott auf Erden schon die Seligkeit verliehen.
Man sieht, wie freier stets die Seele sich enthüllt,
Wie immer mehr verweht des Staubes Schatten fliehen;
Fast scheint der dünne Flor, der ihren Leib umwallt,
Zu dicht, zu drückend schon der luftigen Gestalt.
 
11.
An ihrer Rechten geht im festlichen Talare,
Der reichgefaltet ihm bis auf die Füße fällt,
Mit ernstem Blick und silberweißem Haare
Der priesterliche Greis, den Gott dem Heer gesellt.
Auf seinem Haupte prangt die glänzende Tiare,
Indeß den Hirtenstab die schwache Rechte hält.
Er gleicht dem Heiligen, dem nach Besiegtem Leben
Ein sel'ger Engel naht, zum Himmel ihn zu heben.
 
12.
Dann folgt an Biarko's Hand, die blühnde Myrt' im Haar,
Die holde Schwester ihr, mit sanftgetrübten Wangen.
Noch heute soll das edle Paar
Des Himmels Segensspruch zum ew'gen Bund empfangen;
Doch naht sie zagend nur dem bräutlichen Altar,
Nur an der Schwester läßt den feuchten Blick sie hangen.
Wenn Gott auch selbst zum Sieg die Theure führt,
Sie fühlt bei Jener Glück nur das, was sie verliert.
 
13.
Doch friedlich geht mit freud'gem Angesichte
Der Sänger neben ihr durch's duft'ge Blüthenfeld.
Schön hat der Wiederschein von jenem goldnen Lichte,
Das seine Liebe schmückt, auch seine Wang' erhellt.
Was je sein Herz geträumt im seligsten Gedichte,
Das hat sich lebend jetzt vor seinen Blick gestellt.
Und schwindet auch mit ihr die letzte seiner Freuden,
Von ihr selbst will er gern, ist sie nur glücklich, scheiden.
 
14.
Als nun das Heer die sanften Höhn
Des heil'gen Hügels schon in langen Reihn beschreitet,
Da läßt ein reis'ger Zug sich in der Ferne sehn,
Der durch das Thal heran in raschem Trabe reitet.
Hell leuchten Helm und Schild, und hohe Federn wehn,
Weit ist durch's bunte Feld der blanke Glanz verbreitet.
Wohl scheint ein edler Gast, hochzeitlich angethan,
Zum festlichen Geleit der Schwestern sich zu nahn.
 
15.
Denn herrlich sprengt im goldnen Waffenkleide
Ein stolzer Held voran der lust'gen Schaar:
Auf seinem Harnisch prangt manch köstliches Geschmeide,
In seinem Schilde glänzt ein königlicher Aar,
Viel Diener folgen ihm, gehüllt in Sammt und Seide.
Auf buntgeziertem Roß, mit schöngelocktem Haar;
Dann nahn sich dichtgereiht viel edle Herrn und Ritter
Im leuchtenden Gewand, mit offnem Helmesgitter.
 
16.
Doch als zum Hügel jetzt der helle Zug sich dreht,
Und näher schon die raschen Rufe schallen,
Erkennt das freud'ge Heer des Kaisers Majestät,
Die prangend naht, umringt von Fürsten und Vasallen.
Wie rasch die Saat sich neigt, von Schnitter abgemäht,
So war vor Otto's Schwert des Reiches Feind gefallen,
Und muthig hat er jetzt in's ferne Dänenland
Zum jüngstverlaßnen Heer den Zug zurückgewandt.
 
17.
Die Kunde fliegt, von Mund zu Mund gesendet,
Durch's ganze Volk, ein freud'ges Jauchzen schallt.
Doch er hält seinen Blick auf Jene nur gewendet,
Die vor der edlen Schaar so himmlisch leuchtend wallt.
Wer sie gesandt, und was ihr Muth vollendet,
Verkündet jetzt der laute Ruf ihm bald;
Und ließ' auch fern sich nicht die offne Veste schauen,
Wer nur die Heil'ge sieht, der muß dem Wunder trauen.
 
18.
Da steigt er rasch von seinem edlen Thier
Und übergiebt's dem dienenden Geleite;
Er nimmt vom grauen Haupt des Helmes goldne Zier
Und birgt das blanke Schwert, geprüft in manchem Streite;
Er eilt empor und freundlich naht er ihr
Und wandelt still an ihrer linken Seite;
Von neuem stimmt das Heer die frommen Lieder an
Und schreitet feierlich den heil'gen Berg hinan.
 
19.
Dem Kaiser folgt die Schaar der fürstlichen Genossen,
Von gleicher Andacht ist ein jedes Herz entglüht;
Schon hat ein heller Kreis Cäcilien umschlossen,
Die mit gesenktem Blick demüthig weiter zieht.
So rieselt still, durch bunte Aun ergossen,
Ein lichter Quell, vom stolzen Hain umblüht;
Wie dicht auch seinen Lauf die duft'gen Zweig' umgittern,
Doch sieht man stets hindurch sein leichtes Silber zittern.
 
20.
O zartes Blüthenreis, kaum aus der Knosp' erwacht,
Wie bist du doch so schnell, so prangend aufgestiegen!
Vor dir erniedrigt sich die irdisch stolze Macht,
Wovor die Welt sich schmiegt, will jetzt vor dir sich schmiegen.
Nah geht das Heil'ge dir in feierlicher Pracht,
Der graue Heldenruhm, erkämpft in tausend Siegen;
Du wandelst still dahin und glaubst auf deiner Bahn
Durch Jene dich geehrt, die dir in Demuth nahn.
 
21.
Als nun im Sonnenglanz das milde Kreuzeszeichen
Den Wandelnden sich näher schon erhöht,
Und als sie jetzt des Hügels Haupt erreichen,
Wo feierlich der Herd des Himmels steht,
Um welchen hochgewölbt ein Dom von alten Eichen
Mit schaurig kühlem Hauch und leisem Flüstern weht,
Da sitzt im leuchtenden Gewande
Ein jugendlicher Held am grünen Herdesrande.
 
22.
Von leichtem Schimmer war sein Angesicht verklärt,
Sein lichter Helm bekränzt mit duft'gen Palmenblüthen,
Und eine Lilie war sein silberhelles Schwert,
Aus deren reinem Kelch drei goldne Strahlen glühten.
So saß er friedlich dort am grünumrankten Herd
Und schien, dem Engel gleich, das heil'ge Kreuz zu hüten.
Mit Mühe nur erkennt die freud'ge Christenschaar
In ihm des Helden Bild, der sonst ihr Führer war.
 
23.
Ihm hatte Gott, gerührt von seinem Flehen,
Als seinen Bruder schon der lange Schlummer band,
Den müden Geist erquickt mit Paradieseswehen
Und noch dem nahen Tod gewehrt mit gnäd'ger Hand.
Noch soll sein Auge jetzt die keusche Heldin sehen,
Die Hölle, Welt und Tod im Glauben überwand;
Noch soll auch hier des Himmels milder Segen
In seine Hand die Hand der Liebsten legen.
 
24.
Und wie der Schmetterling, sobald der enge Raum,
Worin er schlummernd lag, im Frühling sich entriegelt,
Sich nach Gespielen sehnt und lang' im irren Traum
Um alle Blumen schwebt, worin sein Bild sich spiegelt,
Bis er, betrogen stets, an einer Lilie Saum
Den holden Bruder sieht, duftähnlich, leichtgeflügelt:
So war vor Adalbert nach manchem Truggebild
Erst jetzt der tiefe Sinn der Liebe ganz enthüllt.
 
25.
Die keusche Stirn, das helle Roth der Wangen,
Der Augen heil'ge Gluth, das zarte Angesicht,
Der Locken weicher Glanz, des Leibes schlankes Prangen,
Der Mund, der strafend selbst so süße Worte spricht,
Woran die Blicke sonst, woran das Herz gehangen,
Das Alles trennte jetzt sein trunknes Auge nicht;
In einem Lichte schien, zu Träumen und Gefühlen
Entkörpert, jeder Reiz um ihr Gebild zu spielen.
 
26.
Die Schöne, die so reich ihr heil'ges Haupt geschmückt,
Wohl glich sie jetzt dem kurzen Blüthenleben,
Aus dessen duft'gem Kelch, bis ihn der Sturm gepflückt,
Die süße Liebe trank mit holdgetäuschtem Schweben.
Doch keine Fessel hält den freien Gast umstrickt,
Nicht ward das ird'sche Haus zur Heimath ihm gegeben;
Wenn auch der holde Thron, worauf er ruhte, sinkt,
Ihm bleibt das Flügelpaar, das ihn dem Staub' entschwingt.
 
27.
Was zagt das Herz in Leid und bittern Thränen,
Wenn ihm den seligen Lohn die zarte Minn' entzieht?
Was welkt es früh dahin in hoffnungslosem Sehnen,
Wenn in der Knospe schon sein süßes Glück verblüht?
Kann nicht die Liebe stets ihr eignes Leid versöhnen,
Und flieht die Liebe denn, wenn die Geliebte flieht?
Wer nie geliebt, nur den mag sie betrüben;
Wer liebt, hat Liebesglück, auch ungeliebt, im Lieben.
 
28.
Schon trennt Cäcilie sich von des Volkes Schwarm,
Man sieht sie süßverschämt den heil'gen Herd ersteigen.
Jetzt darf sie friedlich ruhn in ihres Liebsten Arm,
Darf treu ihr holdes Haupt an seinen Busen neigen.
Erfüllt ist jeder Wunsch, vergessen jeder Harm,
Süßweinend stehn sie jetzt und schaun sich an und schweigen;
Der erste sel'ge Kuß, den ihre Lipp' ihm giebt,
Enthüllt ihm zagend jetzt, wie heiß sie ihn geliebt.
 
29.
So ruhn sie lang. Dann windet sie sich leise
Aus seinem Arm und hebt sich ernst und frei,
Sie blickt umher, und aus dem Ritterkreise,
Der schweigend harrt in ehrfurchtsvoller Scheu,
Tritt jetzt mit seiner Braut und mit dem heil'gen Greise
Auf ihren leisen Ruf der Dänenfürst herbei.
Sie kniet vor Christi Bild und hebt die Purpurblüthe
Zum Kreuz empor und spricht mit gläubigem Gemüthe:
 
30.
Du, der so freundlich dort auf uns herniederschaut,
Du, der aus Liebe starb, uns Alle zu beglücken,
Der dieses Kleinod jetzt, das einst dein Blut bethaut,
Der treuen Magd verliehn, ihr Hochzeitfest zu schmücken!
Hier kniet vor deinem Thron, o Herr, die freud'ge Braut,
Noch darf sie rein und frei in's Angesicht dir blicken.
So nimm sie freundlich denn mit ihm, den sie erkor,
Zu deinem sel'gen Reich, du Gott der Lieb', empor!
 
31.
Sie ruft's; dann tritt sie fromm dem Erzbischof entgegen,
Sie neigt sich ihm und spricht mit holdem Ton:
Ehrwürd'ger Greis, so spend' uns denn den Segen,
So sey dein bindend Wort jetzt unsrer Liebe Lohn!
Wohl mag jetzt Hand in Hand einmüth'ge Treue legen,
Da Trug und wilder Haß vor Gottes Licht entflohn.
So grüße freudig denn des Heiles erste Stunde
Für uns und für dies Volk ein Schwur aus treuem Munde.
 
32.
Sie sprach's und faßte sanft des Helden theure Hand
Und harrte, daß der Greis sein heil'ges Amt verrichte.
So Holdes sah man nie im schönsten Traumgesichte,
Als jenes sel'ge Paar, das dort so bräutlich stand,
Mit morgenheller Stirn, verklärt von Gottes Lichte,
In duftig grünem Kranz und leuchtendem Gewand,
Sie in der zarten Hand die schöne Rosenblüthe,
Und er die Lilie, die goldne Strahlen sprühte.
 
33.
Und wunderbar beginnt aus duft'gem Rasengrün
Das holde Brautgemach der Liebe zu umschließen,
Ein zartgeflochtner Kranz von Hecken aufzusprießen,
An welchen Rosen hier, dort Lilien entblühn.
Noch einmal, scheint es, will die Welt sie freundlich grüßen,
Eh sie aus ihrem Kreis zum schönen Himmel fliehn.
Gar lieblich stehn sie jetzt in jenen blühnden Hecken,
Die halb ihr leuchtend Bild entschleiern, halb verstecken.
 
34.
Schon hat auch Biarko sich zu Adelheid gesellt;
Da treten aus dem Heer, des heil'gen Schwuren Zeugen,
Der Kaiser selbst und mancher Fürst und Held
Und nahn sich still mit ritterlichem Neigen.
Schon hat der edle Kreis sich um den Herd gestellt,
Die dichte Menge harrt in ehrerbiet'gem Schweigen;
Da hebt Ansgarius, der fromme Gottesmann,
Mit lautem Wort den ernsten Segen an.
 
35.
So bind' ich euch, kraft meines Amtes Weihe,
Ein Leib zu seyn, ein Herz bis an den Tod,
Im Leben eins und eins in Lieb' und Treue,
Im Glück gesellt, gesellt in jeder Noth.
Wie euer Heil gediehn, so wachs' und so gedeihe
Auch unter euerm Volk des Himmels mild Gebot.
Der Gott, der herrlich sich und groß an euch erwiesen,
Er segnet euch durch mich. Sein Name sey gepriesen.
 
36.
So sprach der Greis, und Amen rief die Schaar,
Indeß die Braut verschämt an Biarko's Busen glühte.
Da stieg Cäcilie zum heiligen Altar
Und hielt in ihrer Hand die sel'ge Wunderblüthe.
Hier bring' ich dir, o Gott, die reine Gabe dar,
So rief sie aus, dein bin ich, jetzt gebiete!
Dann legte sie mit ehrerbiet'ger Hand
Auf Gottes Herd das kühnerkämpfte Pfand.
 
37.
Und als nun hell in wunderbarer Röthe
Die Rose droben stand, und Jedem nah' und fern
Auf leiser Luft ihr Hauch entgegenwehte,
Und weit ihr Glanz erschien, gleich einem lichten Stern,
Da sank der Kaiser hin zum frommen Dankgebete,
Rings folgte alles Volk des Reichs verehrtem Herrn,
Und weit erschallt' es jetzt im ganzen Christenheere:
Herr Gott, dich loben wir, dir ist allein die Ehre!
 
38.
Als so mit freudig frommem Dank
Lautsingend auf die Knie das dichte Heer gefallen,
Und rings Posaunenton und Heerespaukenklang
Und Cymbeln durch die Luft hell wirbeln und erschallen,
Da neigt sich sanftgewiegt auf Klängen und Gesang
Ein goldenes Gewölk von blauen Himmelshallen,
Und eine Lilie, woran drei Kelche blühn,
Senkt vor Cäcilien sich leuchtend in das Grün.
 
39.
Und näher schwebt mit wallendem Gefieder
Die Wolke schon, wie still der Abend thaut,
Schon läßt sie sanft sich auf den Hügel nieder
Und hüllt den Helden ein und seine zarte Braut;
Und drinnen tönt es süß, wie leise Engelslieder,
Wie heller Harfenklang und weicher Flötenlaut;
Rasch wogt und schlingt sich um die heil'ge Stelle
Mit tausendfachem Licht des Duftes goldne Welle.
 
40.
Die schöne Wolke schien ein buntes Zauberreich
Voll lieblich leuchtender Gestalten zu verhüllen:
Oft wölbte sich der Glanz den Rebenlauben gleich,
Mit Frucht und Blüthen schien die Ranke sich zu füllen,
Manch holdes Vöglein saß auf blitzendem Gesträuch,
Und mancher goldne Quell begann hervorzuquillen,
Auch ließen hier und dort im duft'gen Zauberwehn
Mit leichtem Flügelpaar sich zarte Engel sehn.
 
41.
Was Beide jetzt erblickten und empfanden,
Als, angestrahlt von Gottes Angesicht,
Die reinen Seelen sich aus ihrer Hülle wanden,
Wie aus dem dunklen Raum die helle Blüthe bricht,
Und wie sie dann in leisen Schlummer schwanden,
Verblendet noch von ihrem eignen Licht –
Dies holde Frühlingsfest der fessellosen Seelen
Kann die Verklärte nur entschleiern und erzählen.
 
42.
Nur als an Reinald's Harfenspiel,
Das auch in ihrer Hand so lieblich oft erklungen,
Wie luftig angehaucht von ahnendem Gefühl,
Der Saiten zarteste mit leisem Hall zersprungen,
Da wußte jedes Herz, jetzt sey das hohe Ziel,
Des Sieges schönster Preis, der Tod in Gott, errungen.
Und wallend hob der bunte Zauberflor
Mit seinem sel'gen Raub sich vom Altar empor.
 
43.
So schwebt denn auf in euer sel'ges Land,
So schwebt denn auf in süßem Traum, ihr Reinen!
Und dort erwacht hold staunend, Hand in Hand,
Im goldnen Licht, in ewig blühnden Hainen!
Wir, die das Leben noch in enge Kreise bannt,
Sehn trauernd euch entfliehn, wir sehn euch nach und weinen;
Nicht weinen wir um euch, die ew'ge Klarheit schmückt,
Um uns nur weinen wir, weil noch die Nacht uns drückt.
 
44.
Treu ruhten Arm in Arm geschlossen,
Die grünen Kränze noch im weichgelockten Haar,
Die holden Bilder jetzt, die sonst ihr Geist durchstossen,
Im tiefen Todesschlaf am heiligen Altar.
Ein stilles Lächeln war um ihren Mund ergossen,
Glatt war die keusche Stirn, die Wange bleich und klar,
Die Augen, sonst so hell von nimmer müdem Leben,
Sie schliefen ruhig jetzt, von ew'ger Nacht umgeben.
 
45.
Und als der Dänenfürst und seine holde Braut
Sanftweinend noch an jener Stätte stehen,
Als Reinald knieend noch zum blauen Himmel schaut,
Wo er zum letzten Mal ihr theures Bild gesehen,
Als alles Volk verstummt, und kaum mit leisem Laut,
Vom Staunen noch gehemmt, die Athemzüge wehen,
Da naht dem bleichen Paar sich Heinrichs großer Sohn
Und spricht mit ernstem Blick und feierlichem Ton:
 
46.
Groß ist der Herr, und groß ist seine Stärke,
Und seine Huld hat nie ein Ziel gewußt.
Wo ist das Herz, das nicht sein Walten merke
In Sturm und Ruh', in Traurigkeit und Lust?
Doch wahrlich ist das größte seiner Werke
Der gläub'ge Muth, die Lieb' in treuer Brust.
Was Helden nie mit Kraft und Schwert erzwungen,
Hat Glaub' und Lieb' oft unbewehrt errungen.
 
47.
So spricht der Held. Dann wird im Rasengrün
Dem heil'gen Herde nah' ein stilles Grab bereitet.
Man sieht die Fürsten selbst dies fromme Werk vollziehn,
Weil selbst die Stolzesten itzt Gott zur Demuth leitet.
Und was für Blumen nur im späten Herbste blühn,
Die alle werden weich im Innern ausgebreitet.
Schon ist das Werk vollbracht: nicht scheint es eine Gruft,
Ein Frühlingsbette scheint's, voll Blüthen, Grün und Duft.
 
48.
Und als sie jetzt die Schlummernden versenken,
Da wird der blühnde Schmuck von mancher Thräne feucht;
Und was ein Jeder hat an theuren Angedenken,
Die einst der Freund, die Braut dem Scheidenden gereicht,
Das will er jetzt der Gruft zum frommen Zeugniß schenken,
Daß vor der himmlischen die ird'sche Liebe weicht;
Hold sieht man jetzt mit Bändern und mit Spangen,
Mit Gold und Edelstein das grüne Lager prangen.
 
49.
Doch als das Grab sich füllt, wetteifert jede Hand,
Den grünen Hügel aufzuführen.
Dann wird der Rosenstrauch, der nah' am Kreuze stand,
Vom Kaiser drauf gepflanzt, das heil'ge Grab zu zieren.
Jetzt ist der Todesfluch von seinem Kelch gebannt,
Wer reines Herzens ist, darf ihn getrost berühren;
Nur wer ein feil Gemüth im falschen Busen trägt,
Dem wird sein Strahl ein Blitz, womit der Herr ihn schlägt.
 
50.
Jetzt, da sich tiefer schon der Sonne Strahlen neigen,
Zieht Biarko in die Stadt mit seiner Braut zurück.
Doch tönt von hoher Burg kein hochzeitlicher Reigen,
Kein Skalde singt bei'm Mahl der Liebe süßes Glück,
Der Abend zieht vorbei in feierlichem Schweigen,
Zum hellen Sternenlicht schaut mancher feuchte Blick;
Doch durch die Thränen selbst, die von den Wangen fließen,
Scheint sich das stille Glück der Liebe zu versüßen.
 
51.
Nur Reinald blieb am stillen Grab allein
Und harrte betend dort dem neuen Tag entgegen.
Was seine Seele liebt, schließt dieser Hügel ein;
Nur eine Liebe will sein treuer Busen hegen.
Drum baut er nah der Gruft im dunkeln Eichenhain
Ein friedlich Hüttchen sich, wie fromme Siedler pflegen,
Und breitet dicht um's schattig stille Haus
Der Winde blühnden Schmuck und grünen Efeu aus.
 
52.
Dann eilt' er auch ein Gärtchen abzustecken;
Und als der Lenz von neuem aufgeblüht,
Bekränzt' er es mit viel verflochtnen Hecken
Und schmückte rings mit Lauben sein Gebiet;
Und alle Blumen, die des Frühlings Strahlen wecken,
Erzog er fleißig dort mit liebendem Gemüth;
Auch müht' er sich den nahen Quell zu lenken,
Um stets mit frischer Fluth die holde Saat zu tränken.
 
53.
Und wenn aus frühem Duft der holde Tag sich wand,
Dann eilt' er freudig schon zur theuren Grabesstelle,
Umflocht mit manchem Kranz des Hügels grünen Rand
Und tränkte sorglich stets die Ros' aus klarer Quelle.
Holdzitternd schallte dann die Harf' in seinem Hand,
Daß weit der Ton erklang in früher Morgenhelle,
Und säuselnd trug der Lüfte lindes Wehn
Dies fromme Lied leis' über Thal und Höhn:
 
54.
      Lieblich wiegt des Duften Wallen
Aus der Rose sich hervor:
Also steigt zu deinen Hallen,
Holdes Bild, mein Lied empor.
Lieblich, wenn der Tag geschieden,
Ist mit Thau die Ros' erfüllt:
So berührt mit leisem Frieden
Mich dein Gruß, du holdes Bild.
 
55.
          So sang er oft und ließ die Harfe klingen
Bei'm Morgenstrahl, bei'm stillen Abendroth.
Ihn schien die Zeit holdweilend zu verjüngen,
Ein blühnder Frühlingstag bracht' ihm den späten Tod.
Und bis der letzte Schlaf die leichten Engelschwingen
Zum Flug in's schönre Land dem reinen Geiste bot,
Sah man sein Auge nie von Schmerz und Thränen trübe. –
Das ist Cäcilie, das Lied der treuen Liebe.

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