Ernst Schulze
Cäcilie
Ernst Schulze

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Erster Gesang.

1.
                          Du zartes Bild, das aus dem schönern Leben
So freundlich oft zu mir herniedertaucht,
Das Mild' und Kraft und Reinheit mir gegeben
Und ew'ge Liebe mir in's tiefe Herz gehaucht;
Du Heilige, die einst zum dunklen Raume
Der trüben Welt aus himmlischem Gefild
Herabgeschwebt und leis' im sel'gen Traume
Das ferne Licht der Zukunft uns enthüllt;
 
2.
Cäcilie, du früh verwelkte Blume,
Die schöner jetzt im stillen Heiligthume
Der unbewölkten Lust, von goldnem Glanz umwebt,
Den reinen Kelch zum ew'gen Strahl erhebt;
O sende freundlich du den linden Duft hernieder,
Erfrische mit dem Thau verklärter Seligkeit
Den Blüthenkranz der zarten Lieder,
Den fromme Wehmuth jetzt auf deinen Hügel streut.
 
3.
Denn als ich stumm an deinem Lager kniete
Und hoffnungslos mit meinem Kummer rang,
Als heißer Schmerz in jeder Ader glühte,
Und dann mit eis'gem Arm Verzweiflung mich umschlang,
Als jeder Engel floh, der früher mich bewachte,
Kein Stern des Trostes mich zum schönern Glauben rief,
Als jede Thrän' im starren Auge schlief,
Und kalter Hohn im öden Herzen lachte:
 
4.
Da blickt' ich auf zu dir, und sieh', ein zarter Glanz
Umwob den keuschen Mund, den Schnee der bleichen Wangen,
Rings schwebt' ein sel'ger Geist, wie leichter Weste Tanz,
Und süßer Schlaf hielt friedlich dich umfangen.
Die Stirn umduftete der Myrte blüh'nder Kranz,
Des Lebens frische Zier schien um den Tod zu prangen,
Und Thränen fand mein Blick; des Glaubens lichte Spur
Verfolgt' ich fromm und that den großen Schwur:
 
5.
Nicht ungenannt sollst du von hinnen scheiden,
Dein Staub soll nicht im Sturm der Zeit verwehn.
Der Enkel soll an deinem Bild sich weiden,
Verherrlicht sich in dir die Jungfrau sehn.
Was mir die Gunst der Himmlischen verliehen,
Soll ewig, unverwelkt, auf deinem Grabe blühen,
Und was Begeistrung mich in kühnen Träumen lehrt,
Sey meiner Lieb' und deines Reizes werth.
 
6.
Und als mich jetzt die heil'ge Nacht umgraute,
Worin die Seele sich dem Himmel näher glaubt,
Als ich empor zu jenen Sternen schaute,
Die, einst so oft mein Trost, mir Alles jetzt geraubt,
Da weht' es sanft wie Säuseln einer Laute;
Ein überird'scher Glanz umleuchtete mein Haupt,
Und geistig floß mit strahlendem Gefieder
Dein hellverklärtes Bild aus lichten Wolken nieder.
 
7.
Die freie Stirn umwand ein frischer Eichenkranz,
Der stolze Schmuck der vaterländ'schen Haine.
Kühn flammt' in deinem Blick gleich regem Nordlichtsscheine
Die Phantasie mit heilig ernstem Glanz.
Die Harfe, die so oft das fessellose Schweben
Der Macht, die dich erhob, in raschem Schwung gefühlt,
Lag leuchtend dir im Arm, vom goldnen Licht umspielt,
Und rauschend klang der Saiten irres Leben.
 
8.
Mild reichtest du und freundlich mir die Hand,
Und schnell den dunklen Pfad der Träume
Flohn wir dahin durch luft'ge Räume,
Und tief in Nebelduft verschwebte Meer und Land.
Lang schwammen wir bei bleichem Sternenschimmer
Durch bunte Wolken auf und ab,
Und senkten dann auf öde Felsentrümmer
Am Strand des weiten Meers den kühnen Flug hinab.
 
9.
Sieh, da begann die Fluth sich zu erhellen,
Ein zarter Silberduft umschwamm den nächt'gen Flor,
Und friedlich taucht', aus fernen Meereswellen
Aufzitternd, durch's Gewölk der stille Mond empor.
In irrem Kampfe rang das Düstre mit dem Milden,
Und siegend flog die kühne Zauberin,
Die Phantasie, auf bunten Luftgefilden,
Halb Licht, halb Nacht, durch Erd' und Himmel hin.
 
10.
Da breitete das dunkle Reich der Sage
Geheimnißvoll vor meinem Blick sich aus;
Gigantisch hob sich aus dem nächt'gen Graus
Das kühne Riesenbild der alten Heldentage.
Und sehnsuchtsvoll mit mächt'gem Flügelschlage
Schwang sich mein trunkner Geist in's ferne Land hinaus;
Laut klang der Harfe Gold, um meine Lippen bebte
Dein Kuß, Cäcilie! und dein Gebild entschwebte.
 
11.
Und hoch vom drohenden Gestein
Blickt' ich hinab in ferne Thäler:
Gewaltig trotzten rings der Vorzeit Riesenmäler,
Das laute Horn erklang im heil'gen Eichenhain,
Fern durch die Haiden kam der rauhe Sturm geflogen,
Dumpfrauschend schwoll der Fichte Wehn daher,
Und zürnend schlug mit breiten Wogen
Den schroffen Felsendamm das hochgethürmte Meer.
 
12.
Und luft'ge Geister sah ich walten,
Dem trüben Nebel gleich, in bleichen Dunst gehüllt,
Die Zaubernorne schlichDie Zaubernorne schlich – Nornen hießen die Schicksalsgöttinnen der nordischen Volker. Ihre Namen waren: Urd, Werande und Skuld: Vergangen, Gegenwärtig und Zukünftig. Später maßten sich aber auch die Wolen (Prophetinnen und Zauberinnen) den Namen Nornen an. Zur Unterscheidung von jenen Göttinnen des Verhängnisses können sie also Zaubernornen genannt werden. S. Abhandlung über die Nornen in Gräter's nordischen Blumen. in wechselnden Gestalten
Dumpfmurmelnd sich durch's nächtliche Gefild,
Der Elfen leichter Schwarm umtanzte Halm und Bluten,
Die Nixe sang in kühler Felsenkluft,
Und laut herab aus finstrer Luft
Begann das wilde Heer durch Wald und Thal zu wüthen.
 
13.
Da rang ein Schiff durch ferne Fluth sich fort,
Beschäumt zerstob die Wog' am spitzen Kiele,
Die Wimpel flatterten bewegt vom luft'gen Spiele,
Und schaurig saust' im Segeltuch der Nord;
Im tiefen Schlummer lag um's halberloschne Feuer
Die rüst'ge Mannschaft her, nur wacht' im hintern Raum
Der späh'nde Schiffer noch, und ächzend brach das Steuer
In seiner Hand der Wogen wilden Schaum.
 
14.
Tiefsinnig saß, auf ihre Hand sich lehnend,
Das zarte Haupt in weißen Flor
Verhüllt, ein Fräulein da und blickte still und sehnend
Bald in die Fluth hinab, zum Himmel bald empor.
Gleich Blüthen, die in Edens Lauben
Zum ew'gen Schmuck der reinen Engel blühn,
Schien sich ein heil'ger Kranz aus Unschuld, Lieb' und Glauben
Mit mildem Licht um ihre Stirn zu ziehn.
 
15.
Habt ihr den ersten Glanz des frühen Strahls gesehen,
Wenn er empor sich schwingt an blauen Himmelshöhen
Und mit dem Graun der Nebelwogen spielt?
O habt ihr dann das Wehn der Düfte,
Den linden Kuß der neuerwachten Lüfte,
Des reinern Lebens frischen Hauch gefühlt?
So paarte still in ihrem Bilde
Sich adlich kühner Stolz mit himmlisch reiner Milde.
 
16.
Und ihr zur Seite saß mit düsterm Angesicht,
Die wunde Brust vom blut'gen Tuch umzogen,
Ein junger Mann. In's wilde Spiel der Wogen
Entsank sein starrer Blick und hob zu Gott sich nicht.
Um seine Schultern floß, aus Gold und blauer Seide
Gewebt, ein Sängermantel hin,
Und prangend hing, der Lieder Kunst Gewinn,
Auf seiner Brust manch köstliches Geschmeide.
 
17.
Wie feindlich bald dem Sturme zugesellt
Ein schwarz Gewölk den bleichen Mond umkränzet,
Bald wieder frei die goldne Scheibe glänzet
Und still des leisen Thau's einsamen Pfad erhellt,
So schwebte bald mit nächtlichem Gefieder
Trostloser Schmerz um seinen matten Blick,
Bald kehrte mild ein sanft'rer Strahl zurück,
Und leuchtend floß der Wehmuth Thräne nieder.
 
18.
Und auf die Harfe fiel sein Auge, die zerstört
Im Schooß' ihm lag, und heiß're Thränen rannen.
Er sucht' umsonst die Saiten aufzuspannen,
Die einst so oft ihm Schmerz und Lust gewährt.
Doch als kein zarter Klang mit seinem Kummer kos'te,
Warf er das Spiel erzürnt in's weite Meer hinaus,
Und streckte dann ach! nach dem letzten Troste
Der trüben Brust den Arm vergebens aus.
 
19.
Du dauerst mich, begann mit sanftem Tone
Cäcilie, dir fehlt das friedliche Gemüth,
Das heiter, wenn die Lust mit ihrer Blumenkrone
Dir winkt, still bei des Schicksals Hohne,
Dort bei dem Jetzt verweilt und hier die Zukunft flieht.
Rasch strebst du fort, wenn unter duft'gen Blüthen
Dir Ruh' und Glück ein freundlich Obdach bieten,
Und weilst, wenn heiß um dich des Unglücks Kampf entglüht.
 
20.
O kannst du nicht empor zu jenen Sternen blicken,
Die freundlich ihren Strahl uns schicken?
Kann sich dein Geist zu jenen blauen Höhn,
In's heil'ge Land der Hoffnung nicht erheben,
Wo, bald den Schmuck des Sieges uns zu geben,
Mit kühlem Duft die ew'gen Palmen wehn?
Was frommt es dir, des Schmerzens Gift zu trinken,
Wenn mit des Trostes Kelch dir Glaub' und Friede winken?
 
21.
Sprich, welch ein schöner Muth begeisterte dich jüngst,
Als ohne Schild, mit unbewehrtem Haupte
Du in den Kriegerschwarm dich stürztest, der mich raubte,
Und kühn für mich dem Tod entgegen gingst?
Und jetzt, da uns der Tod beschieden,
Senkst du verzagend dich in finstern Gram hinab?
O sey getrost, wir nahn dem ew'gen Frieden:
Was uns die Welt versagt, gewährt uns bald das Grab.
 
22.
O Heilige! rief jetzt mit bittern Thränen
Der Jüngling aus, wie kannst du wähnen,
Mein Schicksal kränke mich allein?
Ach! dich, an der mit ewigem Verlangen,
Mit heil'ger Treu mein liebend Herz gehangen,
Dich hingeschleppt zum fremden Götzenhain,
Geopfert dich zu sehn, das sollt' ich Aermster tragen
Und nicht an mir und selbst an Gott verzagen?
 
23.
Ich weiß es wohl, du hast mich nie geliebt;
Ach! dich kann nie ein sterblich Band umwinden.
Du bist zu schön, zu rein von allen Sünden;
Nie hat ein ird'scher Hauch dein heil'ges Herz getrübt,
Im Himmel nur kannst du die Seele finden,
Die rein zurück, was du ihr reichtest, gibt;
Doch ach! des Menschen Sinn hängt hoffend an den Sternen,
Glänzt ewig auch ihr Licht in nie erreichten Fernen.
 
24.
Oft zwar verhieß ein stiller Wahn es mir,
Einst kam' ein sel'ger Tag, wo meiner ew'gen Liebe
Dein weiches Herz nicht mehr verschlossen bliebe;
Es war ein schöner Traum – den Traum auch dank' ich dir.
O wär' ich jüngst im Kampf für dich erschlagen,
Dann hätte dich mein Tod vielleicht betrübt!
Auch das ist mir versagt! Jetzt muß ich ungeliebt
Und trostlos Lebewohl dir sagen.
 
25.
Nahm mir das Schicksal nicht schon jetzt die einz'ge Lust,
Den letzten Trost, dir Freude zu bereiten?
Die Harfe liegt zerstört, zerrissen sind die Saiten,
Und jedes Lied verstummt schon längst in meiner Brust.
Oft sah ich sonst dein Auge sich verklären,
Wenn dir mein Lied im Herzen wiederklang,
Und reiner machte dann und heil'ger mich dein Dank;
Wohlan, es sey! Ich will auch dies entbehren!
 
26.
Er sagt's und hüllt den nassen Blick
Tief in den Mantel ein und schweigt in stummer Trauer;
Sein mattes Haupt sinkt auf die Hand zurück,
Laut seufzt er auf, und kalte Fieberschauer
Durchrieseln sein Gebein. Ach! eine düstre Mauer
Trennt ewig ihn von Licht und Lieb' und Glück.
Hier, denkt er, konnt' ich doch an ihrem Reiz mich weiden,
Dort wird ihr heil'ger Glanz zu weit von ihr mich scheiden.
 
27.
O Reinald! ruft mit tief bewegtem Ton
Das Fräulein jetzt, wie kannst du mich so kränken?
Durft' ich für deine Treu denn Täuschung dir zum Lohn,
Durft' ich ein halbes Herz für dein Gefühl dir schenken?
Ehrt' ich nicht stets den theuren Freund,
Den Bruder nicht in dir? Verklagte
Nicht oft mein Herz sich selbst, daß Lieb' es dir versagte?
Hab' ich nicht selbst bei deinem Schmerz geweint?
 
28.
Hat je dein Geist der Sterne Pfad ergründet,
Die friedlich ziehn auf nie verrückter Bahn?
Der eine darf dem andern nimmer nahn,
Wenn ein Gesetz sie nicht verbindet.
Fern grüßt nur Strahl und Strahl sich durch den weiten Plan.
So folgt das Herz der Vorsicht ew'gen Wegen;
Wohl Manchem neigt es sanft und traulich sich entgegen,
Doch Einem nur ist's ewig unterthan.
 
29.
O warum mußtest du mit meinem Pfad den deinen,
Dein Loos mit meinem Loos vereinen?
Zu weit hat uns der ew'ge Rath getrennt.
Du solltest frei durch's sorgenlose Leben,
Leicht auf dem Wellentanz des raschen Zufalls schweben,
Der flücht'ge Lust und flücht'gen Schmerz nur kennt;
Mir ward bestimmt, durch Nebel hinzuschreiten
Und selbst, mein eigner Stern, mich durch die Nacht zu leiten.
 
30.
Begreifst du jene Macht, die herrschend in der Brust
Dahin mich reißt zum unbekannten Ziele?
Kannst du den ew'gen Schmerz, die wunderbare Lust,
Den nie gestillten Kampf allmächtiger Gefühle,
Der in mir lebt, verstehn? O nein, du kannst es nicht;
Dich hält die Phantasie mit süßem Band hienieden
Und wandelt dir die Welt zum zarten Traumgesicht;
Mich zieht's durch Sturm und Streit empor zum ew'gen Frieden.
 
31.
Nicht stets war so mein Blick zur Ferne hingewandt,
Auch ich hielt einst das Seyn mit Liebesarm umfangen;
Froh tändelt' ich mit Lust und mit Verlangen,
Durchirrte süß erstaunt der Täuschung Zauberland.
Erst jüngst ließ meinem Geist ein höh'res Ziel sich schauen,
Zerrissen sank der trübe Schleier hin.
Du bist mein Freund, und deinem zarten Sinn
Will ich mein Heiligstes vertrauen.
 
32.
Die Nacht vorher, eh' ich in's ferne Land
Den Zug begann, die Schwester auszuspähen,
Die so geheimnisvoll aus unsrer Burg verschwand;
– Ach! Adelheid, dich sollt' ich nimmer wiedersehen.
In jener Nacht, als ohne Schlaf ich lag,
– Zu wach erhielt mich noch des Tages irres Treiben –
Und still bewunderte, wie auf den bunten Scheiben
Im wunderbaren Spiel der helle Mond sich brach:
 
33.
Da zuckt' es schnell gleich farb'gen Zauberflammen
Vor meinem Blick, des Mondes flücht'ger Glanz
Rann zarten Blüthen gleich zusammen,
Und zitternd wob aus ihm sich rings ein luft'ger Kranz,
Und vor dem Kranze floß gleich einem Silberschleier
Ein wogend Licht herab, und so wie leis' empor
Der Rose Bild sich neigt im sanft bewegten Weiher,
So trat aus jenem Glanz ein göttlich Weib hervor.
 
34.
Hast du wohl je, wenn still auf säuselndem Gefieder
Die laue Dämmrung schwebt, und leicht durch Thal und Hain
Auf Halm und Blüthen sich der Elfen Gaukelreihn
Gleich bunten Funken wiegt, und alle Blumen wieder,
Dem Schlaf entweckt durch leise Zauberlieder,
Aus neu enthülltem Kelch den zarten Hauch verstreun,
Hast du wohl dann des Duftes rege Wogen
Mit durst'gem Athemzug tief in die Brust gezogen?
 
35.
So weht' es um mich her; und sieh', das hehre Weib,
Es nahte still. Von goldnen Sternen glänzend
Wob sich ein blau Gewand um ihren schlanken Leib,
Und durch die Locken floß mit duft'gem Licht sie kränzend
Ein geist'ger Blumenschmuck. Halb wohnte Seligkeit
In ihrem Blick, halb wehmutsvolles Sehnen;
Dem Engel schien sie gleich, der, göttlich selbst in Thränen,
Ein Traumgebild von ird'schem Wahn bereut.
 
36.
Sie winkte mir, und wie bei Sturmes Walten
Bildsamer Schaum sich regt auf raschem Wellenspiel,
So schien aus bleichem Duft im ringenden Gewühl
Ein Luftgesicht sich mir traumähnlich zu entfalten.
Rings wanden magische Gestalten
Sich aus der Dämmrung los, und als der Nebel fiel,
Der um den Kampf sich wob, sah ich im raschen Leben
Ein wunderbares Bild vor meinen Blicken schweben.
 
37.
Des Krieges Flamme brannte wild,
Das Erz erklang, hell blitzten Schwert und Speere,
Verderblich wälzte rings sich gleich dem hohen Meere
Die Schlacht durch's bebende Gefild,
Hoch flatterte dem einen Heere
Des Kreuzes Schmuck voran; ein frommes Götterbild
Hob drohend auf der andern Seite
Die eh'rne Kolb' empor, als rüst' es sich zum Streite.
 
38.
Gewaltig drang die Schaar der Heiden vor; das Feld
War rings von Christenblut geröthet,
Schon wich das Kreuz zurück, zu dem sie fromm gebetet,
Schon weht's in Feindes Hand. Da tobt ein fremder Held
Durch's laute Schlachtgewühl, rings stürzen Schaaren nieder,
Wohin sein Roß ihn trägt, schon prangt
In seiner Hand die heil'ge Fahne wieder,
Der Gott der Heiden sinkt, und seine Rotte wankt.
 
39.
So stürzt mit mächt'gem Sprung, die Beute zu erhaschen,
Der Löw' aus finstrer Felsenkluft;
So schwingt in Sturm gehüllt ein dunkler Geist der Luft
Blitzschleudernd sich daher und peitscht mit schwarzen Schwingen
Das Wuthgeheul des Meers. Mit farb'gem Licht geschmückt
Schien um des Ritters Helm ein Feuerkranz zu blühen,
In seinem Blick des Cherubs Zorn zu glühen,
Der weit das Flammenschwert durch alle Himmel zückt.
 
40.
Verzagend flieht in ihre Veste
Der Heiden trotz'ge Schaar; doch Mauern frommen nicht
Vor Gottes Rächerzorn. Das Band der Thürme bricht,
Zusammen stürzt das Thor, hoch lodern rings Paläste
In rother Gluth empor, und Odin's Altar sinkt.Und Odin's Altar sinkt. – Odin war der höchste Gott der nordischen Völker, die Sonne des Lebens, die Sonne unter den Göttern und die Sonne am Himmel, wie Gräter ihn in seinen mythologischen Briefen nennt. Bragur, B. 7. Abth. 2. S. 21. Er war, wie der Jupiter der Griechen, das Wesen, welches zuerst den eigentlich mythischen Götterkreis eröffnet, da die früheren nordischen Gottheiten, wie die ersten Generationen der griechischen Götter, nur physische Ideen versinnlichten. Daß er eine historische Person sey, scheint ziemlich ausgemacht zu seyn. S.  Saco Grammat. Lib. I. p. 13. 14. ed. Klotz.
Doch horch', in heil'ge Ruh zerrinnen
Des Krieges Klänge jetzt, im Strahl der Sonne blinkt
Siegprangend schon das Kreuz hoch von den Tempelzinnen.
 
41.
Und staunend sah ich jetzt aus fernem Nebelmeer,
Ich selbst, mein eignes Bild entbeben;
Es nahte sich mit leisem Schweben,
Und um den Ritter schlang's die Arme liebend her,
Der blutig, bleich und ohne Leben
Im Kranz des Sieges lag. Da senkte schwarz und schwer
Sich ein Gewölk herab. Doch sieh, zwei neue Sonnen
Entglühten durch die Nacht – und Alles war zerronnen.
 
42.
Du siehst, mein Pfad ist mir von höhrer Hand gezeigt:
Mich darf nicht ird'sche Lieb' umfahen;
Mein Herz muß unverwelkt dem schönen Ziel sich nahen
Und werth des Kranzes seyn, den nicht die Welt mir reicht.
Sprich, soll die Blüthe sich nicht freuen,
Wenn sie die Hülle löst, die nächtlich sie umgiebt?
O weine nicht, du hast mich treu geliebt,
Du wirst mein Glück, dein Leiden mir verzeihen.
 
43.
Sie spricht's und reicht mit hellem Blick
Dem Schweigenden die Hand. Schon zog der schwarze Schleier
Der Nacht allmählig sich zurück,
Und glühend wob ein rosenrothes Feuer
Sich um des Himmels Saum: da hebt die heil'ge Gluth
Sich zitternd aus dem Meer; aus leichtem Wellentanze
Sprühn Funken rings empor; rein schwimmt in heiterm Glanze
Die blaue Luft, im Purpurschein die Fluth.
 
44.
O süßes Licht, du zauberische Helle!
Wie schön bist du, des Lebens Schöpferin!
Wie fließt aus deinem goldnen Quelle
Gedeihn und Kraft auf alle Wesen hin!
In deinem Strahl sucht jedes Blatt zu grünen,
Die Blume strebt empor, sich deines Blicks zu freun,
Gedanken, voll von Kraft, hauchst du dem Weisen ein,
Machst den Verzagten stark und kühner noch den Kühnen.
 
45.
Der Sänger blickt empor, in seinem Auge bebt
Der goldne Strahl und wiegt mit lichtem Scheine
In seinen Thränen sich. O sieh, wie sie entschwebt
Auf reinem Pfad, die Ewigreine!
Ruft er begeistert aus; zu ihrem Glanz vermag
Kein kühner Blick sich zu erheben;
Doch blühend folgt das frische Leben,
Und Duft und Farb' und laue Mild' ihr nach.
 
46.
O kannst du mir verzeihn, daß ich im ird'schen Traume
Dein keusches, dein geweihtes Bild umfing,
Daß lastend ich, wie ein Gewölk am Saume
Des hehren Lichts, an deinem Leben hing?
Nein, du bist frei, ich will nicht länger weinen,
Ich habe Gott in seinem Glanz gesehn.
Ach, jetzt wirst du mir doppelt schön,
Doch doppelt heilig auch erscheinen!
 
47.
Indeß erwacht beim ersten Strahl
Der rüst'gen Räuber Schaar. Rauh rasselt rings das Eisen
Um ihre Glieder her, hell blinkt im glatten Stahl
Der Sonne Glanz, und wilde Lieder preisen
Den früh erwachten Gott. Stolz aus der Mitte rafft
Sich Skiold, ihr Führer, auf, ein Held geübt im Ringen,
Im Kampf der Streitaxt kühn, und stark, den mächt'gen Schaft
Weitsausend durch die Luft auf seinen Feind zu schwingen.
 
48.
Vom Belt bis hin zum Inselmeer
Des fernen Orients schweift irrend er umher,
Der Freunde Schild, der Feinde Grauen;
Oft sahn Hispaniens, oft Welschlands blühnde Auen
Erbebend seine Wimpel nahn.
Fest war sein Sinn wie Stahl, wild gleich dem Meersorkan;
Ihm schien's ein leichtes Spiel, sein Leben
Für Freund und Vaterland und Odin hinzugeben.
 
49.
In ehrner Rüstung tritt der Held
Vor das gefangne Paar, und auf das Fräulein fällt
Gedankenvoll sein Blick. Dich hat im finstern Zorne,
Beginnt er jetzt, die böse Norne
Hinausgelockt zur blauen Fluth.
Schön bist du wie der Mond, schlank wie das Reh der Haide,
Rein wie der Wiesenquell. Doch seine heil'gen Eide
Brach Skiold noch nie, und Hertha fordert BlutUnd Hertha fordert Blut – Hertha, nordisch Jördt, die Mutter Erde, oder Rinda, der Erdkreis, war die erste Gemahlin Odin's. Bragur am a. O. Daß Menschenopfer unter den skandinavischen Völkern sehr gewöhnlich waren, zeigt sich überall. S. Saxo Gramm. L. III. p. 48.  Bartholin. Antiq. Dan. Lib. II. Cap. VII. p. 389. Lib. III. Cap. III. p. 662. .
 
50.
Denn als auf Roskilds HöhnDenn als auf Roskild's Höhn. – Das Alter der Stadt Roskild reicht in die grauesten Zeiten. Nach Saxo Gramm. Lib. II. p. 37. wurde sie von Reo, dem elften dänischen König, lange vor der christlichen Zeitrechnung erbaut. – Auf's schwarze Roß der Wellen. – In Regner Lodbrog's Todesgesang, Stanze 5, heißen die Schiffe segelnde Rosse. So sagt ja auch schon Homer Odyss. IV. 708. von den Schiffen:
. . . . . αίθ' αλὸς ίπποι
’Ανδράοι γίγνονται. – –
, den tapfern Kampfgesellen
Zur Beute, jüngst mein heller Schild erklang,
Und fröhlich dann auf's schwarze Roß der Wellen
Das rüst'ge Volk der Fluth sich schwang,
Da bohrt' ich meinen Speer tief in den Grund und weihte
Der Göttin heiligem Altar,
Wenn mit der kühnen Kriegerschaar
Ich siegend heimgekehrt, das Blut der ersten Beute.
 
51.
Ich ehr' euch, weil ihr nicht vergebens zagt und weint;
Wohl nenn' ich euch aus altem Stamm entsprossen.
Dem Tapfern ist der Tod ein FreundVerachtung des Todes war ein Hauptzug im Charakter der nordischen Völker. – Schon Tacitus bemerkt, daß die Religion Theil hieran hatte. Annal. XII. 34. »Während Caractatus (der Fürst der Britannier) dieses sagte, rief ihm das Volk zu: Jeder sey durch die Religion verbunden, weder vor Waffen noch vor Wunden zu weichen.« Es war den Skandinaviern schimpflich, auf eine nicht gewaltthätige Art zu sterben. Daher erkaufte sich auch der berühmte Kämpfer Starkather (eigentlich Starködder) gegen das Ende seines Lebens jemanden, der ihn umbrachte. Saxo Gramm. Lib. VIII. p. 235. Wer nicht auf dem Schlachtfelde geblieben war, ruhete in Nifelheim (Nebelheim) im düstern Reiche der Hela (des Todes) in ewiger Vergessenheit. Diejenigen aber, die durch das Schwert gefallen waren, kamen nach Walhalla (Halle der Erschlagenen), dem Sitze des Odin, wo sie in ewigen Gastmählern und Kämpfen die Genüsse und Beschäftigungen ihres Lebens wiederfanden. S. Abhandlung über Walhalla in Gräter's nordischen Blumen. Die Walkyren (Todtenwählerinnen) waren die Göttinnen des Todes und der Schlacht, aber nach einer weit edleren Idee, als die Homerischen Kären. Sie ritten als reizende Jungfrauen, bewaffnet, in die Schacht, führten die Gefallenen nach Walhalla und bedienten sie dort an Odin's Tafel. S. Abhandlung über die Walkyren in Gräter's nordischen Blumen. Weitläufig handelt über alle diese Gegenstände Bartholin in seinem gelehrten Werke: De causis contemtae a Danis mortis. ;
Wo Großes je geschah, da ist auch Blut geflossen.
Den Feigen, der dem Kampf' entflieht,
Birgt Helas düstres Reich. Euch werden die Walkyren
Zu Odin's Göttertafel führen,
Wo einst beim Heldenmahl auch Skiold euch wieder sieht.
 
52.
Was Freud' euch noch im kurzen Leben
Gewähren mag, das sagt getrost mir an;
Was euch der Normann geben kann,
Das wird er treu und redlich geben.
Wohl selber freut' ich mich, wärt ihr im Sachsenreich
Daheim in eurer Väter Hallen,
Und wär' ein rüst'ger Feind für euch
Zum Opfertod in meine Hand gefallen.
 
53.
Das Fräulein schweigt; nicht dürfen Lust und Schmerz
Sie ferner noch mit ird'schem Hauch berühren;
Doch ungern will des Sängers Herz
Im Tode selbst des Lebens Trost verlieren.
Ich acht' euch, spricht er kalt, ihr scheint ein Held zu seyn.
Gern spräch' ich zwar zu euch nur mit des Schwertes Streichen;
Doch still davon. Wollt ihr mich jetzt erfreun,
So laßt zur letzten Gab' ein Harfenspiel mir reichen.
 
54.
Da bietet Asmund ihm, des Wiederhalles SohnDes Wiederhalles Sohn – Wie Son of the feeble hand, Son of the rock, Sopn of song u. s. w. bei'm Ossian. Die Skalden pflegten ihre Könige auf ihren Zügen zu begleiten, um ihre Thaten nach eigner Ansicht zu besingen. ,
Die eigne Harfe dar und grüßt den Kunstgefährten
Mit Wort und Händedruck. Im heitern Glanz verklärten
Des Sängers Blicke sich. Hell klang der goldne Ton
Und wiegte klagend bald, bald wieder kühn und rauschend
Zum fernen Felsenstrand sich über's weite Meer.
Sein Lied beginnt, und freundlich steht und lauschend
Die wilde Kriegerschaar rings um den Jüngling her.
 
55.
Lebt wohl, so sang er, goldne Höhen!
Leb' ewig wohl, mein deutsches Vaterland!
Nicht ferner soll dein Lufthauch mich umwehen,
Ach, deine Blüthen bricht nicht ferner meine Hand!
Du weiches Quellenmoos! ihr Höhn, bekränzt mit Reben!
Du lichter Hain! du duft'ges Wiesengrün!
O lebe wohl, du ewig heitres Leben!
Ich muß den Pfad des kalten Todes ziehn.
 
56.
Lebt wohl, ihr zarten Fraun! Schon muß der Sänger scheiden,
Die Tänze ruhn, es schweigt im Rittersaal der Klang.
Leb wohl, du schöne Welt! mit deinen Freuden,
Du flücht'ge Lust! du minniger Gesang!
O lebe wohl, du meine süße Liebe!
Wie fällt von dir der Abschied mir so schwer!
Von Thränen wird mein Auge schwer und trübe,
Das Lied verhallt, die Harfe klingt nicht mehr.
 
57.
Er sang's, und klagend klang der letzte Ton der Saiten
Mit langem, leisem Hall vom fernen Fels zurück.
Matt ließ sein Arm die Harf' entgleiten.
Doch sieh, Cäcilie ergriff mit klarem Blick
Das goldne Spiel, hell flammt' ein göttlich Sehnen
Um Wang' und Mund, und himmelan
Erhob sie Aug' und Herz; hoch rang auf kühnen Tönen
Begeistrung sich empor, und ihr Gesang begann:
 
58.
Sey mir gegrüßt, du ew'ges Land der Wonne!
Du heil'ger Strahl der nie bewölkten Sonne!
Du Quell des Lichts, des Lebens, sey gegrüßt!
Kann ird'sche Macht dem fliehnden Licht gebieten,
Erneun den Duft der hingewelkten Blüthen,
Die Woge bändigen, wenn rasch der Quell entfließt?
Hier keimt die Lust im Spiel der kurzen Augenblicke,
Dort ruht die Zeit umarmt vom ew'gen Glücke.
 
59.
Die Schatten fliehn, es flammt empor, es tagt;
Hell schmückt ein goldnes Kreuz die klaren Himmelsauen.
O Licht des Heils! mein Busen hofft und zagt;
Ach, darf mein trüber Blick den Glanz der Gottheit schauen?
Doch freundlich winkt der Sohn der reinen MagdDer Sohn der reinen Magd – In den altdeutschen Gedichten erhält die heilige Jungfrau häufig den Namen: reine Magd:
Nu bin ick vro, nu ys my wol,
Wente ick nimmer van dy sol
Gescheyden werde, von dy Maget reine.

Kinderling's Fragmente aus alten deutschen Schriften, in Adelung's Magazin für deutsche Sprache. Band 2. Stück 1.

;
Mein Blick wird hell und heilig mein Vertrauen,
Der Blüthenglanz der zarten Lieb' entkeimt,
Und rein umarmt mein Herz, was es geträumt.
 
60.
So singt Cäcilie und legt die Harfe nieder.
Sein Saitenspiel ergreift der Skald' und ruft erfreut:
Unsterblich tönen jetzt, ihr Saiten! eure Lieder,
Euch hat Idunna's Hand geweihtEuch hat Idunna's Hand geweiht – Idunna, die Göttin der Unsterblichkeit, die Gemahlin Braga's, des Gottes der Poesie und Beredtsamkeit. .
Indeß erwacht mit frischem Wehen
Ein kühler Wind und treibt das Fahrzeug schneller fort;
Schon naht das Land, schon zeigt der Port,
Vom Fels und Wald umhegt, sich zwischen sichern Höhen.
 
61.
Fern hebt im Ocean, dort, wo das wüste Meer
Vom Sachsenreich das Land der Dänen scheidet,
Ein Eiland sich emporJene Völker verehren insgesammt die Herthus (Hertha), die Mutter Erde, und glauben, daß sie zu den Menschen herabsteige und unter ihnen wandle.

Auf einer Insel im Ocean ist ein heiliger See, worin sich der verhüllte Wagen der Göttin befindet, der nur von ihrem Priester berührt werden darf. Wenn dieser merkt, daß die Göttin in ihr Heiligthum hinabgestiegen sey, bespannt er den Wagen mit Stieren und fährt damit durchs Land. Ueberall wird die Göttin mit großer Freude und Ehrfurcht aufgenommen. Die Kriege ruhn, alle Waffen werden verborgen, bis der Priester seine Gottheit, wenn sie der Unterhaltung mit den Menschen überdrüssig geworden ist, in ihr Heiligthum zurückbringt. Dann wird der Wagen, die Decke desselben und die Gottheit selbst in einem geheimen See gewaschen, und die Diener, welche bei diesem Geschäfte zur Hand sind, verschlingt sogleich der See. Tacit. de morib. Germ. c. 40. Diese Insel hält Münter für Seeland, Pontanus für Helgoland, Kosegarten für Rügen (Kosegarten's Rhapsodien B. 2. S. 110.), Suhm für Fünen.

. Rings tobt die Fluth umher
Und peitscht den hohen Strand, den schroffer Fels umkleidet.
Verborgen ziehn nur dann und wann
In's Land sich Buchten hin und bieten
Dem Schiff, das eilig vor dem Wüthen
Der wildern Brandung flieht, den stillen Hafen an.
 
62.
Wüst liegt das Ufer rings, das finstre Wälder krönen,
Und Dämmrung nur ist dort der lichte Tag;
Nie ließ der Jäger dort sein lautes Horn ertönen,
Nie schallt' im Hain des Beiles heller Schlag;
Dort hausen Wolf und Bär in sichern Felsenklüften;
Die Schlange nährt im feuchten Thal die Brut;
Und früher hebt aus dunkler Fluth
Die Nacht sich dort empor auf grauen Nebeldüften.
 
63.
Auf schroffen Felsentrümmern thront
Zerstörung dort und streut aus falben Blättern
Ein weites Lager sich. Das dumpfe Schweigen wohnt
Im Hain und lauschet bang, wenn hohl auf fernen Wettern
Der Donner rollend naht. Oft tobt im Graun der Nacht
Des wilden Heers gebannte Jagd
Durch Wald und Höhn dahin und stürzt mit Sturmsgefieder
Den morschen Stamm bemooster Eichen nieder.
 
64.
Im tiefsten Haine senkt ein Thal
Sich still und schauerlich gleich Helas öden Reichen.
Dort wälzt ein schwarzer See, bekränzt von hohen Eichen,
Dumpfhallend seine Fluth, worin sich nie der Strahl
Des heitern Lichts gekühlt. Vor jedem Blick geschirmet,
Vom Dänenvolk mit banger Scheu geehrt,
Erhebt an seinem Rand, aus Felsen aufgethürmet,
Sich Hertha's heil'ger Opferheerd.
 
65.
Und eine nahe Felsenhalle,
Durch deren Wölbung stets mit mattgedämpftem Schale
Die Woge seufzend tönt, erkor die Priesterin
Thorilde sich zum Sitz. Mit ewig ernstem Sinn
Und kaltem Busen haust in menschenleerer Stille
Die Zauberjungfrau dort; nie glänzt die milde Lust
In ihrem kühnen Blick, nie hob in keuscher Hülle
Sich sehnsuchtsvoll und liebend ihre Brust.
 
66.
Vergebens buhlten lang des Nordens Heldensöhne
Um ihrer Minne süßen Lohn;
Hoch prangte sie in unberührter Schöne,
Verschlossen jedem Flehn und stolz bei kühnem Drohn;
Sie will mit Geistern nur das öde Lager theilen.
Der bange Schiffer hört oft aus dem finstern Hain
Bei ihres Zaubers Zwang die Wölfe schaurig heulen,
Und zagend hüllt der Mond in bleichen Duft sich ein.
 
67.
Indessen naht auf unbetretnen Wegen
Durch Fels und Wald dem schaurigen Altar
Mit ihrem Opfer sich der Heiden rauhe Schaar.
Kühn geht Cäcilie dem nahen Tod' entgegen;
Des Auges frommer Glanz beut seinen letzten Segen
Dem blinden Volk, das sie ermordet, dar.
Stumm folgt ihr Reinald nach und sucht aus ihren Blicken
Sein Herz mit Muth und Glauben zu erquicken.
 
68.
In dumpfer Stille zieht das Heer
Mit seinem Raube fort. Oft hatt' in frühern Tagen
Der Männer wilde Kraft das ungezähmte Meer,
Den heißen Sturm der blut'gen Schlacht ertragen,
Doch keinem wurde je vom Zagen
Die Brust so eng, das Herz so bang und schwer;
Und mancher Krieger fühlt mit heimlichem Ergrimmen
Ob seiner eignem Schmach sein Aug' in Thränen schwimmen.
 
69.
Schon dehnen sich zum weiten Thor
Die Felsen aus, die rings das düstre Thal verrammen,
Schon wirbeln fern die rothen Opferflammen,
In Dampf gehüllt, sich vom Altar empor;
Und hoch und hehr, gleich einem Götterbilde,
In ihrer Hand das heil'ge Schwert,
Harrt schweigend schon die schreckliche Thorilde,
In priesterlichem Schmuck, an ihrer Göttin Heerd.
 
70.
Und sie beginnt die alten Runenlieder,
Ihr Auge glüht, die langen Locken wehn
Im Sturm dahin; laut hallen rings die Höhn
Den rauhen Klang der fremden Worte wieder;
Erbebend sinkt mit demuthsvollem Flehn
Das bange Volk vor seiner Göttin nieder,
Und höher flammt vom schroffen Fels die Gluth,
Rings schwimmt in Dampf der Wald, in rothem Schein die Fluth.
 
71.
Da kniet der Sänger hin und streckt die flehnden Arme
Zu seiner Lieb' empor und ruft mit nassem Blick:
O Heilige! willst du sein letztes Glück
Dem Freund' entziehn? O laß in stummem Harme
Nicht so mich von dir gehn! Noch einmal flüstre du
Nur Einen Laut, Ein Trosteswort mir zu!
O stärke mild auf finstern Todeswegen
Mein banges Herz mit deinem letzten Segen!
 
72.
Still naht das Fräulein sich; in ihren Augen blinkt
Der Glanz des Himmels schon, doch leise Zähren hangen
In ihren Blicken noch. Durch Thränen lächelnd, schlingt
Sie um den Freund den Arm, und seine bleichen Wangen
Berührt ein keuscher Kuß. Leb wohl, du treues Herz!
So flüstert sie, leb wohl! Dein Kummer macht mir Schmerz.
O weine nicht! Mit freudigen Gebeten
Laß uns den Pfad der schönern Welt betreten!
 
73.
Jetzt schwieg der Priesterin Gesang,
Schon tritt sie still die hohen Felsenstufen
Mit drohndem Schwert herab. Doch horch, vom Waffenklang
Erschallt der Hain, und lautes Rufen
Ertönet hier und dort. Gott der Barmherzigkeit!
Jauchzt Reinald laut, sie nahn, wir sind befreit.
Doch Alles wirft im Dänenheere
Die Schilde vor die Brust und zuckt die langen Speere.
 
74.
In hellem Stahl stürzt von den Höhn
Sich jetzt ein Kriegerschwarm, und blanke Schwerter blitzen
Rings durch's Gebüsch. Seht dort den Altar stehn,
Mir nach, mein deutsches Volk! die Opfer zu beschützen,
Die blinder Wahn dort würgt! So ruft halb athemlos
Ein junger Held, der vor den ersten Reihen
Der fremden Krieger prangt, und wild, mit lautem Dräuen,
Stürzt mit der tapfern Schaar er auf die Dänen los.
 
75.
Heil, Deutschland, Heil! jauchzt mit entzückter Stimme
Der Sänger auf, und gleich dem Blitze fährt
Er auf Thorilden zu, entringt ihr rasch das Schwert,
Umschlingt Cäcilien und haut mit wildem Grimme
Sich durch die Dänenschaar. Rings dringen Lanzen ein,
Ihn schützt sein Gott, schon ist er drüben,
Schon barg er sie, entfernt vom Kampf, im sichern Hain
Und eilt zurück, von Lieb' und Muth getrieben.
 
76.
Schon floß von Blut das enge Thal.
Mit langen Speeren hält das rüst'ge Volk der Dänen
Den Feind zurück, hell klirrt der Stahl
Vom Wurf des Pfeils, die blanken Helme tönen
Dumpf von der Streitaxt Schlag. Die Deutschen strecken weit
Die Schilde vor, rasch saust die kürzre Lanze
In's feindliche Gewühl, und Helm und Panzerkleid
Durchflammt das breite Schwert, gleich schnellem Blitzesglanze.
 
77.
Froh tummelt Reinald sich, den ersten Reihn gesellt.
Auf seiner Waffe ruhn Thorildens Zauberlieder;
Wen sie berührt, der schaut das Licht nicht wieder,
Drum sinkt von seiner Hand schon mancher Dänenheld.
Schon hat er Helm und Schild errungen,
Der Minnesänger prangt mit wilder Krieger Zier, –
Allmächt'ge Lieb' ist sein Panier.
Wer für die Liebe kämpft, ward selten noch bezwungen.
 
78.
Doch haust noch grimmiger der fremde Paladin
Mit Lanz' und Schwert im dichten Dänenheere,
Der edle Held, der kühn für Gottes Ehre
Und für die Menschheit kämpft. Gluthrothe Funken sprühn,
Wohin sein Stahl sich schwingt, aus Helm- und Panzerringen;
Ihm steht kein Däne mehr, schon schwanken ihre Reihn,
Gebrochen ist die Bahn, und seine Schaaren dringen
Mit lautem Kriegesruf hinein.
 
79.
Muth, Muth, mein Volk! O steht, ihr nord'schen Krieger!
Ihr kämpft für Hertha's Heiligthum,
Siegt oder fallt! Walhalla lohnt den Sieger,
Und ewig singt der Skalde seinen Ruhm.
So tönt Thorildens Ruf hernieder in die Wogen
Der wilden Schlacht; hoch steht sie am Altar,
Das kühne Weib, und schnellt vom raschen Bogen
Verderblich Pfeil auf Pfeil hinab zur deutschen Schaar.
 
80.
Noch einmal stehn die Dänenhaufen
Bei diesem Ruf. Ein Jeder will durch Tod
Sich Odin's Gunst, durch Sieg sich Ruhm erkaufen.
Laut schallt ihr Schlachtgeschrei, und fürchterlicher droht
Mit hohem Schwung die Axt und streckt mit mächt'gen Streichen
Noch manchen Feind dahin. Doch selbst Verzweiflung hält
Den Ritter nicht zurück, er siegt, rings schwimmt das Feld
In Dänenblut und prangt mit Feindes-Leichen.
 
81.
So stand der Cherub in der Schlacht,
Als einst des Abgrunds Thor sich krachend aufgeschlossen,
Und ohne Zahl das Heer der Nacht
Sich gegen Gottes Thron verderblich ausgegossen.
Von Blitzen flammt sein Schwert, erzitternd glüht die Luft
Vom feurigen Geschoß, rings senden lichte Strahlen
Aus seinem Blick den Tod, und in die alte Kluft
Stürzt er das düstre Heer zurück zu ew'gen Qualen.
 
82.
Indessen rast mit gleicher Wuth
Im fernen Kampf, wo Reinald streitet,
Der tapfre Skiold. Hell träuft von deutschem Blut
Sein langer Speer, ein Wall von Leichen breitet
Vor ihm sich aus; rasch stürzt und wild
Mit kühner Kampfbegier der Sänger ihm entgegen,
Zusammen klirrt der Stahl, doch bei des Normanns Schlägen
Erbeben Reinald's Knie', und tönend bricht sein Schild.
 
83.
Da hört der Dänenheld der Deutschen Jubel schallen,
Er blickt zurück und sieht die Seinen fallen;
Schnell läßt er ab vom Feind und fliegt mit Mordbegier
Durch's laute Schlachtgewühl. Heran, heran zu mir!
Laß ab vom Mord des schwächern Heeres,
So ruft er laut, hier hast du mehr Gewinn.
Und schon von weitem saust die mächt'ge Wuth des Speeres,
Der Bote nahen Kampfs, auf unsern Ritter hin.
 
84.
Als dieser noch mit breitem Schilde
Sich sichert, stürzt dem Speer sein Schleudrer schon sich nach,
Und wild, wie Hagel auf's Gefilde
Zerschmetternd rauscht, so trifft er Schlag auf Schlag
Des Deutschen Helm. Doch rasch mit Schwertesschneide
Hält er den Schwung der Axt zurück,
Zückt hier und dort den Stahl und späht mit scharfem Blick,
Wo in den Fugen sich des Feindes Harnisch scheide.
 
85.
So kämpfen Luft und Meer, wenn Nacht den Pol verhüllt,
Und Zwietracht rings auf wilden Stürmen
Die Erd' umschwebt. Lautdonnernd thürmen
Die Fluthen sich empor, und Well' auf Welle schwillt;
Doch zuckend trifft mit sichern Flammen
Der Blitz den stolzen Feind, vom Strahl zerschmettert kracht
Die Wogenburg und stürzt zusammen,
Doch schäumend hebt sie bald sich mit verjüngter Macht.
 
86.
Indeß nun Beider Kampf sich immer mehr erbittert,
Und schon des Dänen Blut aus mancher Wunde quillt,
Doch auch schon seine Axt den Schild
Des tapfern Feindes längst zersplittert,
Da schmilzt allmählig rings zur schauerlichen Ruh
Das Schlachtgewühl; kein nord'scher Krieger
Entrann dem deutschen Schwert, und staunend reihn die Sieger
Sich um die Helden her und schaun dem Kampfe zu.
 
87.
Ergieb dich! Sieh, schon sanken deine Schaaren,
So ruft der Deutsche jetzt, ergieb dich, tapfrer Mann!
Du bist ein wackrer Held und mußt dein Leben sparen,
Drum biet' ich freie Haft auf Ritterwort dir an.
Ha, ruft der Däne wild, einst hat in heißen Schlachten
Mein Ahnherr Hother sich an Asgard's Heer gewagt
Und selbst vor Miölner nicht gezagt– –Einst hat in heißen Schlachten / Mein Ahnherr Hother sich an Asgard's Heer gewagt / Und selbst vor Miölner nicht gezagt. Hother, der vierzehnte dänische König, warb zugleich mit Balder, dem Sohn des Odin, um die Nanna, die Tochter des Riesen Gewar. Zwischen Beiden kam es zu einer Schlacht. Odin kämpfte nebst allen übrigen Göttern auf der Seite seines Sohns und wurde doch von Hother zur Flucht gezwungen. Besonders furchtbar zeigte sich in diesem Kampfe Thor, der Gott des Donners, bis Hother seinen Streithammer, (Miölner) Zermalmer, zerspaltete. Zuletzt kam Balder, der Gott, sogar durch Hother's Schwert um und sank, was sehr sonderbar scheint, in Hela's Reich hinab. Damals scheint sich also die Idee von Walhalla noch nicht ausgebildet zu haben. Erst später wird Balder zu den Göttern zurückgeführt. S.  Bartholin. p. 585. u. s. w. Die Erzählung jenes Kampfe mit den Göttern findet sich beim Saxo Gramm. Lib. III. p. 67. Asgard heißt die Residenz der Götter (Asen oder Aesen). ;
Drum soll auch Skiold den Tod nicht achten.
 
88.
So ruft er zürnend aus und streckt
Den nächsten Krieger hin, den seine Händ' erreichen.
Erbittert dringen jetzt, zu neuer Wuth geweckt,
Die Deutschen auf ihn ein, und laut von mächt'gen Streichen
Erbebt ihm Helm und Schild. Doch gleich dem Donner fällt
Sein schwerer Hammer rings, noch rasselt mancher Held
Zu Boden vor ihm hin; doch ist von häuf'gen Wunden
Auch ihm schon Muth und Kraft geschwunden.
 
89.
Da stürzt die kühne Priesterin
Vom Felsen sich herab. Rasch rafft sie eine Keule
Vom Boden auf; sie fliegt mit Sturmeseile
In's Kampfgewühl. Zwei Krieger sinken hin,
Von ihrer Hand entseelt; den Normann, der zur Erde
Schon halb hintaumelt, fängt mit starkem Arm sie auf,
Und mächtig reißt zum heil'gen Opferheerde
Den matten Helden sie hinauf.
 
90.
Der Deutsche folgt ergrimmt. So stürzen Jäger-Schaaren
Der starken Löwin nach, die mit der Beute flieht.
Sie nahn; doch sieh, blitzhelle Flammen fahren
Verzehrend von ihr aus; gleich Unglückssternen glüht
Ihr trotz'ger Blick; mit ungewissem Schritte
Bebt scheu der Feind zurück. Und einen lichten Brand
Reißt sie vom Herd, schwingt ihn mit kühner Hand
Um's Haupt und schleudert ihn in ihrer Feinde Mitte.
 
91.
So sinke glühend Weh auf eure Schaar hinab!
Hohnlachend breite sich mit nächtlichem Gefieder
Verderben um euch aus! Nie künd' ein rühmlich Grab,
Daß ihr gelebt! Vergessen sinkt hernieder
In Helas ödes Reich! Kennst du die Macht der Lieder,
Ohnmächt'ges Volk! und meinen Zauberstab?
Noch fleht Thorilde nicht zu unterjochten Göttern;
Die Macht, die jetzt mich schützt, bald wird sie euch zerschmettern.
 
92.
Und du, Stolzprangender! der kühn die That erdacht,
Dich soll zwiefacher Fluch erdrücken.
Was trotzest du mich an? Weh, weh! In deinen Blicken
Ist Tod! Weh, Odin, weh! Wie ist dem Wurm die Macht,
Zerstörungsblitz dem Staub geworden!
Ich seh – Schweig! – Künd', o Mund, die GötterdämmrungVerkünd', o Mund, die Götterdämmerung nicht. – Die nordischen Völker glaubten, einst würde das Universum und mit ihm die Götter von den Feuergeistern (Muspelle) zerstört werden, und die Guten würden nach dem Lande Gimle zum höchsten Gott (Allvadur), die Bösen aber zu dem schrecklichen Drachen Nidhoggr nach Nastrond (Leichenstrand) kommen. Dieser Untergang der Götter hieß die Götterdämmrung (Ragnarokr). Bartholin. p. 590 sqq. und die Fabel von Wasthrudner in Gräter's nordischen Blumen. nicht!
Doch höre du, was mir dein Blick verspricht:
Fluch, Fluch sey dir! Den Bruder wirst du morden.
 
93.
Die Zauberjungfrau ruft's, und bebend steht die Schaar,
Und ihren Helden selbst ergreift eiskaltes Grausen.
Laut lacht Thorild' und stürzt vom ragenden Altar
Mit Skiold sich in die Fluth. Die schwarzen Wellen brausen
Um ihren Raub; ein grauer Nebelflor
Schwebt schaurig um den Zorn der Fluthen,
Und eine Woge schlägt empor
Und löscht auf Hertha's Herd die heil'gen Opfergluthen.

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