Ernst Schulze
Cäcilie
Ernst Schulze

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Siebenzehnter Gesang.

1.
                            Ihr, die ihr tief im alten Reich der Nacht,
Das schwärzer noch die rothen Flammen färben,
Bei Thränen nur und Qualen heulend lacht
Und eignen Schmerz versüßt durch fremden Glücks Verderben,
Ihr Knechte heil'gen Zorns, des Fluchs unsel'ge Erben,
Zerstörer ohne Ziel, Aufrührer ohne Macht!
Wohl seh' ich jetzt bei eures Kindes Qualen
Aus euerm finstern Blick ein wildes Lächeln strahlen.
 
2.
Denn wenn auch durch Thorildens Schwert
Der Hölle kühnster Schutz, ihr Hoffnungsstern gefallen,
Das eben ist der Fluch der ewig dunklen Hallen,
Daß ihr mit grimmer Lust das eigne Werk zerstört
Und ihn, den starken Gott, dem eure Flüche schallen,
Durch gräßlich finstre That nur herrlicher verklärt.
Was er, was ihr vollbringt, ihr müßt im Schmerz euch krümmen,
Am eignen Weh' euch freun und lachen mit Ergrimmen.
 
3.
Wie still und schwer auf weitem Meeresraum,
Der leise bebt in ahnungsvollen Zagen,
Weit ausgespannt mit hochgeschwollnem Saum,
Die Wolke ruht, von eigner Last getragen;
Die Welle scheint die Welle bang zu fragen,
Und aus der Tiefe steigt vom stummen Drang der Schaum;
Noch weiß man nicht, soll Sturm und Blitz beginnen,
Soll leiser Thau vom Himmel niederrinnen:
 
4.
So stand Thorilde jetzt, vom tiefen Weh verzehrt,
Dumpfschweigend da, von keiner Regung klangen
Des Panzers Ring' umher, kein Seufzer ward gehört,
Nicht eine Thräne rann von ihren bleichen Wangen;
Bald ließ sie ihren Blick am blut'gen Zauberschwert
Und an Swanwithen bald und bald am Boden hangen;
Ihr stummes Auge war viel dunkler, als die Nacht,
Ihr Busen schien ein Grab, worin das Leben wacht.
 
5.
Man sah das Laub des Haines sich entfärben,
Entblättert sank die Blum' um ihren Pfad,
Das Lüftchen schien mit bangem Hall zu sterben,
Sobald sein Hauch sich spielend ihr genaht;
Wohl schien's, als wolle Tod und Dunkel und Verderben
Mit stillem Leichentuch umziehn die grause That;
Für sie, die schweigend stand, schien bang mit leisen Tönen
Gebüsch und Gras und Well' und Luft zu stöhnen.
 
6.
Doch plötzlich schlug, gleich einem Wetterstrahl,
Mit wilder Kraft das lang gefangne Leben
Aus ihrer Brust empor in glühnder Qual,
Verzweiflung schien durch jedes Glied zu beben:
Weit schleuderte sie aus der Hand den Stahl,
Der mit demselben Streich ihr Sieg und Fluch gegeben,
Laut schrie sie auf mit bleichem Angesicht
Und trocknem Blick, doch Worte fand sie nicht.
 
7.
Und als sie jetzt, umringt von tausend Nöthen,
Verzweiflungsvoll am blut'gen Boden lag,
Als heißer stets die lauten Seufzer wehten,
Und fast die Brust vom wilden Kampfe brach,
Da sehnte sich ihr Herz, zu klagen und zu beten,
Da fand sie keinen Gott, der Frieden ihr versprach,
Nicht wähnte sie, daß über Wolk' und Winde
Der Seele brünst'ges Flehn den treuen Vater finde.
 
8.
Ihr Herz verlangt ein Bild, wenn auch aus Erz und Stein,
Das nah' ihr sey, das sichtbar vor ihr stehe,
Das ihr Verlangen, ihre Pein,
Ihr laut Gebet vernehm' und ihre Thränen sehe,
Aus dessen Stirn und Blick sie Zürnen und Verzeihn,
Erhörung, Rath und Trost mit einem Aug' erspähe.
Wohl weiß sie, daß der Stein ein falsches Leben lügt;
Doch süß ist jeder Trug, der unsern Schmerz betrügt.
 
9.
Da ruht ihr Blick auf jenem sel'gen Bilde,
Das auf den heil'gen Herd der Christen Hand gestellt:
Er schaut vom Kreuz so friedlich auf's Gefilde,
Von Mondesstrahlen ist sein bleiches Haupt erhellt,
Ein König scheint's an Kraft, ein Kind an Ruh' und Milde,
Es liebt den bittern Feind und leidet für die Welt.
Sie, die durch Wort und That so oft den Heiland schmähte,
Sie neigt vor ihm sich jetzt im schmerzlichen Gebete.
 
10.
Ja, du bist mächtiger, als ich!
So ruft sie aus, wohl hab' ich's tief empfunden.
Dein ist der Sieg, umsonst bekämpf' ich dich.
Vernichte mich! du hast mich überwunden.
Was blickst du jetzt so still, so mild herab auf mich?
Du winkst und rufst umsonst, fest ist mein Herz gebunden,
Ich neige mich vor dir, ich fühle deine Macht,
Doch weich' ich nimmermehr aus deiner Feinde Schlacht.
 
11.
Du, der so rächerisch im Zorne mir erschienen,
Wie scheinst du jetzt vom Zorne mir so fern!
Wohl möcht' ich dir, dem sanften Herrscher, dienen,
Doch weiht ein ew'ger Schwur mich meinen alten Herrn.
Mit ihnen muß ich stehn, ich muß vergehn mit ihnen,
Mein Leben ist versagt und fest mein Schicksalsstern.
Du siegst, und Odin sinkt, du kannst befrein und ketten,
Kannst rächen und verzeihn, doch kannst du mich nicht retten.
 
12.
Wohl bin ich tiefgebeugt, wohl drängt mich grimme Noth,
Mein Himmel geht, mein Gott, mein tapfres Volk verloren,
Ein fluchbeladner Mord färbt Schwert und Hand mir roth,
Es fällt der einz'ge Freund, den sich mein Herz erkoren;
Nur Eines bleibt mir noch, die Treu bis an den Tod,
Die ich den Göttern einst, die ich mir selbst geschworen.
Und blüht auch Fried' und Heil auf deiner milden Spur,
Ich schwur dir Kampf und halte meinen Schwur.
 
13.
Doch wenn sich einst die starken Bande trennen,
Und auch in deinem Reich, wie dort in Odin's Saal,
Die Nornen unserm Geist ein schönres Leben gönnen,
Wo keine Pflicht mehr ist, kein Zorn und keine Qual;
Dann laß auch mich, du Mächt'ger, dich erkennen,
Und, wenn dich Alles liebt, sey Lieb' auch meine Wahl.
Und hast du wirklich einst für alle Welt gelitten,
So nimm auch mich zu dir, die für ihr Volk gestritten!
 
14.
Sie ruft's; und er, der einst sein Blut für uns vergoß,
Der Die gesegnet hat, die ihn an's Kreuz geschlagen,
Er, gegen den auch sie jetzt neuen Kampf beschloß,
Er haucht ihr Trost in's Herz und stillt ihr wildes Zagen.
Schon ist sie stark genug, die grimmste Fahrt zu wagen,
Sie rafft sich muthig auf und schwingt sich auf ihr Roß,
Dann sprengt sie durch den Wald, daß weit die finstern Hallen
Vom Doppelschlag des Hufs dumpfdröhnend wiederschallen.
 
15.
Nicht fern von jenen Höhn, wo nächtlicher der Hain
Die schwarzen Schatten streut, und Dorn und Busch sich drängen,
Senkt schaurig sich ein Thal, wo schroffe Felsenreihn,
Im Kreis emporgethürmt, gewaltig niederhängen.
Dort sah das feuchte Moos noch nie der Sonne Schein,
Kein Vogel freut sich dort in lieblichen Gesängen,
Dort hat im Lenz der Dorn sein schneeiges Gewand,
Und ihre Blüthen dort die Haide nie gekannt.
 
16.
Und wo am wildesten die rauhen,
Zerrißnen Felsen stehn, mit dunklem Wald gekrönt,
Steigt eine tiefe Kluft hinab in nächt'ges Grauen,
In deren Schlunde stets ein dumpfes Brausen tönt.
Kein Auge kann den Schlund der schwarzen Höhle schauen,
Die in der Erde Bauch sich unermeßlich dehnt;
Kaum sieht man noch die drohenden Gestalten
Der nächsten Klippen sich aus grauem Duft entfalten;
 
17.
Sie ragen stumm aus wüster Nacht hervor,
Manch Schreckgebild dem bangen Blick zu bieten:
Hier bäumt ein Drache sich, dort springt ein Löw' empor,
Dort sieht man ein Gespenst im finstern Neste brüten;
Als Wächter scheinen sie der Höhle Felsenthor,
Still lauernd auf den Raub und halbverhüllt, zu hüten;
Die rege Nacht wogt wie ein dunkles Meer
Bald höher, tiefer bald um ihre Glieder her.
 
18.
Am Rande jeder Kluft erhebt im dumpfen Schweigen
Ein alter Eichenstamm sein ungeheures Haupt
Und breitet weit umher mit vielverschlungnen Zweigen
Sich um den Abgrund aus, mit falbem Schmuck belaubt;
Denn von den Dünsten ist, die aus der Tiefe steigen,
Das jugendliche Grün der Blätter ihm geraubt,
Matt läßt er manchen Ast bis dort herniederhängen,
Wo aus den Felsen sich die tiefen Wurzeln drängen.
 
19.
In seinem Schatten hat kein Hirt sich je gekühlt,
Kein Jäger je auf flücht'gen Raub gelauert,
Kein muntrer Vogel je in seinem Laub gespielt,
Kein Efeu kränzt den Stamm, der ewig einsam trauert;
Von grauser Furcht, von Todesahnung fühlt
Sich Jeder, der ihm naht, umnebelt und durchschauert;
Sein dunkler Schatten scheint in diesen Wüstenein
Im tiefen Grabe noch ein tiefres Grab zu seyn.
 
20.
Dort ist das Thor zu jenen finstern Hallen,
Wo ew'ge Qual das Heer der Nacht umringt;
Die Klänge, die so dumpf aus jenen Tiefen schallen,
Sind ihr Geheul, ihr Fluch, der auf zum Himmel dringt;
Und jener gift'ge Dunst, worin die Klüfte wallen,
Mischt aus den Seufzern sich, wovon ihr Busen springt;
Und Schweigen, Nacht und Tod sind jenen wüsten Orten
Die ewig hemmenden, die nie gesprengten Pforten.
 
21.
Nur Jene, welche Gott erkor,
Auf unerforschter Bahn sein heil'ges Reich zu mehren,
Sie heben finster oft sich aus der Kluft empor,
Durch mannichfalt'gen Trug die Menschen zu bethören,
Und aus der Eiche läßt und aus der Kluft hervor
Den Kindern ihres Reichs ihr lügend Wort sich hören,
Und Jedem, der im Wahn dem Baum sich fragend naht,
verkündet Heil und spendet Fluch ihr Rath.
 
22.
Doch naht nur Der den wüsten Felsenengen,
Den über jedes Graun sein kühnes Herz erhebt;
Wer vor den gräßlich wilden Klängen,
Wovon sich plötzlich oft das todte Thal belebt,
Wer vor den Bildern zagt, die aus der Kluft sich drängen,
Und im Geheul und Sturm und Kampf nur einmal bebt,
Den reißen jach mit flammendem Gefieder
In ihr unsel'ges Reich die grimmen Geister nieder.
 
23.
Dort harrt Thorildens jetzt der letzte große Kampf.
Rasch jagt ihr wildes Roß durch öde Waldesstrecken,
Der Abgrund selbst vernimmt der Hufe dumpf Gestampf,
Die weit die stumme Nacht aus wüstem Schlummer wecken.
Gewaltig hebt aus Schatten, Gluth und Dampf
Der Hölle grauser Fürst des Hauptes dunkle Schrecken,
Er fühlt, wer dort sich naht, und ruft mit Donnerton
Der Geister trotz'ge Schaar vor seinen finstern Thron.
 
24.
Sie sammeln sich, die auf den Wassern stürmen,
Die durch den Schoos der Erde nächtlich ziehn,
Die in den Lüften sich als Wetterwolken thürmen,
Die aus der Berge Schwund in mächt'gen Flammen sprühn;
Gleich grausen Vögeln naht, gleich scheußlichen Gewürmen,
Das tausendfält'ge Heer, gleich Löwen stark und kühn;
Laut schallt ihr grimm Geheul, der Sünder bebt zusammen
Und birgt sein banges Haupt verzweifelnd in die Flammen.
 
25.
Dort, wo entfernt vom glühnden Ort der Pein,
Die alte Nacht in ungeheuren Hallen
Sich wogend wölbt, und schweigend und allein,
Zu stummer Qual verdammt, lichtscheue Geister wallen,
Wo hier und dort Nachtvögel kreischend schrein,
Und von der Schlangen Zorn die finstern Klüfte schallen,
Wo keine Grenzen je blindtastend Fuß und Hand,
Und nie sein eignes Bild das finstre Volk erkannt;
 
26.
Dort ruht auf hoher Dampfeswelle,
Die dunkler, als die Nacht, zum Throne sich verwebt,
Mit grimmem Drachenhaupt der grause Fürst der Hölle,
Vor dessen Wink und Blick der weite Abgrund bebt:
Die Augen wälzen sich wie große Feuerbälle,
Nur sie erleuchten jetzt das Graun, das brütend schwebt,
Und jeden Blick sieht man gleich Flammenpfeilen,
Verzehrend, wenn sie nahn, durchs ferne Dunkel eilen.
 
27.
Von milden Seufzern ist sein finstres Herz empört,
Die, mag sein Stolz auch grimmig sie verhalten,
Man in der Brust doch ringend brausen hört,
Wie tief in hohler Kluft gefangne Stürme walten;
Sein Hauch ist gift'ger Dampf, die Zung' ein schneidend Schwert,
Zu tausend Schlangen ist sein mächt'ger Schweif gespalten,
Von Flammen ist der Reif, der seine Stirn umzieht,
Sein Scepter ein Comet, der glühndes Unheil sprüht.
 
28.
Und wie ein Meer, das auf verworrnen Pfaden,
Vom nahnden Sturm allmählig aufgeregt,
Um alle Inseln rauscht und an den Seegestaden
Stets höher, lauter stets die rauhen Felsen schlägt,
Und wild zuletzt, mit grauem Schaum beladen,
Weit über Strand und Feld die raschen Wogen trägt:
So schallte jetzt mit immer lauterm Grimme
Dumpftönend durch die Nacht des Drachen ehrne Stimme:
 
29.
Ihr Fürsten meines Reichs, die ihr zur ew'gen Schlacht
Euch gegen Dessen Zorn, der euch entthront, verbündet,
Die ihr in Ketten trotzt und eures Siegers lacht
Und neue Kräfte nur in jedem Sturze findet!
Noch einmal siegt der Feind, es wankt das Reich der Nacht,
Der stolze Thron versinkt, den unser Trug gegründet,
Er, den mein Herz verflucht, den nie mein Mund genannt,
Bewährt noch einmal uns die ungezwungne Hand.
 
30.
Doch siegt er auch, nicht läßt die Kund' uns zagen.
Noch eh der Kampf begann, war uns sein Ziel bewußt.
Der Sieg ist ewig sein, doch unser ist das Wagen;
Und nicht des Streites Lohn, der Streit ist unsre Lust.
So soll gewalt'ger stets des Hasses Flamme schlagen,
Und stolzer widerstehn die unheilschwangre Brust!
Die Lieb' ist stark, doch stärker ist das Hassen,
Und selbst der Sieger muß uns diese Waffen lassen.
 
31.
Und auch sein Sieg erfüllt, was unser Zorn begehrt:
Wir sahn mit Blut das weite Land sich färben,
Wild ist zum Kampf Volk gegen Volk empört,
Die Zwietracht herrscht, das Unheil, das Verderben,
Die Mutter fiel durch uns von ihrer Tochter Schwert,
Von Bruderhänden muß durch uns der Bruder sterben;
Verzweifelnd flucht das Volk und klagt im falschen Wahn
Den Herrn des Himmels an um das, was wir gethan.
 
32.
Wir siegen, wir, wenn Jener, der im Streite
Uns übermannt, der Hölle Werk vollbringt.
Und sinkt auch jenes Reich, das unserm Dienst sich weihte,
Die Hölle jauchzt, wenn's grimm und blutig sinkt.
Sein ist der Ruhm, uns bleibt die schönste Beute:
Sie, die in kühner Hand der Hölle Banner schwingt,
Sie, die dort oben naht, sie soll mit blut'gen Thränen,
Mit grausen Schmerzen jetzt den Sieg der Hölle krönen!
 
33.
Mit großen Kräften hat der Feind sie einst geschmückt,
Hat ihr ein tapfres Herz und tiefen Sinn verliehen,
Sie ist sein Werk, er hat ihr längst verziehen,
Wie wild auch ihre Hand das Schwert auf ihn gezückt.
Dies starke Heldenreis, es soll durch uns verblühen,
Von ungeheurer Qual entblättert und zerknickt.
Wenn sie ihr letztes Glück dem täuschenden Versprechen
Der Hölle dargebracht, dann soll ihr Schmerz uns rächen.
 
34.
Und hat sie Großes auch in unserm Dienst gethan
Und kühn das Bild beschützt, das wir zum Gott ihr stellten,
Und wähnt sie auch, von uns jetzt Rettung zu empfahn,
Wer auf die Hölle traut, darf der die Lüge schelten?
Nicht stritt für uns ihr Schwert, es stritt für ihren Wahn;
Wohlan, so mag ihr Wahn, was sie vollbracht, vergelten!
Wer Lohn und Dank aus unsrer Hand begehrt,
Heischt Kühlung von der Gluth und Leben von dem Schwert.
 
35.
So sprach der Fürst der Nacht, und alle Klüfte schallten
Noch lang vom dumpfen Ton der Donnerstimme fort,
Laut priesen rings die höllischen Gestalten
Mit lachendem Geheul des Herrschers stolzes Wort.
Die wilde Schaar begann die Flügel zu entfalten
Und schwang von neuem sich hinweg zu Trug und Mord.
Doch die der Fürst gewählt, erhoben
Mit wolkenschwerem Flug sich durch die Kluft nach oben.
 
36.
Doch durch die stille Nacht, die dämmernd sie umfloß,
Und durch den Wald, der stets pfadloser sich verzweigte,
Entfloh Thorild' indeß auf schaumbedecktem Roß,
Bis nach und nach die Bahn sich in die Tiefe neigte,
Und bald sich ihrem Blick das grause Thal erschloß,
Das kaum nach langem Flug des Mondes Strahl erreichte.
Nur mühsam klomm in jenes wüste Grab
Durch Dornen und Gestein ihr leichtes Thier hinab.
 
37.
Die Felsen sahn mit ihren dunklen Zinnen
Gar schauerlich in's tiefe Thal hinein,
Schwarz dehnten rings die Klüfte sich nach innen,
Wie Mauern stand der finstre Fichtenhain.
Hier schien kein Trost, kein Hoffen, kein Entrinnen,
Hier schien Verzweiflung nur und ew'ges Weh zu seyn.
Doch immer näher trieb mit unverzagter Seele
Thorild' ihr edles Roß der unerforschten Höhle.
 
38.
Doch jetzt begann im stillen Felsenreich
Ein dumpf Geheul von wildvermischten Tönen,
Hohnlachen scholl, Gebrüll und Drohn zugleich,
Aus tiefen Grotten drang Gewinsel, Klag' und Stöhnen;
In Haid' und Klippen schien, in Ranken und Gesträuch
Ein sterbend Leben sich in grauser Qual zu dehnen,
Und weit begann in rascher Furcht der Hain
Durch alle Wind' umher sein falbes Laub zu streun.
 
39.
Wie wild ein Löwe reißt an seinen Eisengittern,
So schien die Erdenkraft, die hier in Bauden lag,
Mit schnellerwachtem Grimm die Ketten zu erschüttern
Und laut emporzuschrein im glühnden Zorn der Schmach.
Man sah der Felsen Haupt in seinen Kronen zittern,
Hell scholl im Sturm die Luft, die Kraft der Wälder brach,
Indeß sich wüster stets die grausen Stimmen mischten
Und heulten, schmetterten, erkrachten, brausten, zischten.
 
40.
Doch läßt der laute Sturm, der durch die Klüfte brüllt,
Die kühne Jungfrau nicht auf ihrem Pfade wanken.
Da wandelt rings im Thal sich Alles fremd und wild,
Lebendig wird der Hain, der Grund beginnt zu schwanken,
Aus jedem Fels ersteht ein grimmes Riesenbild,
Zu Schlangen bäumen sich die vielverschlungnen Ranken,
Von allen Klippen stürzt sich rasche Wasserfluth,
Aus allen Höhlen schlägt breitflammend rothe Gluth.
 
41.
Was nur den bangen Geist verwirren,
Das Herz erschüttern kann, umringt Thorildens Pfad:
Im Rücken hört sie laut gewalt'ge Schwerter klirren,
Und Speere senken sich, wohin ihr Zelter naht,
Sie sieht um Helm und Schild viel nächt'ge Vögel schwirren,
Und aus dem Boden keimt der Würmer gift'ge Saat,
Ihr eignes Roß erscheint im Zaubertruge
Brache kriechend bald und bald als Greif im Fluge.
 
42.
Und aus dem Schlund der tiefen Höhle schwebt
Ein gräßlich Heer von schattigen Gestalten,
Das bald zum frechen Tanz die Nebelglieder hebt,
Bald wild im Kampfe stürmt um Berg' und Felsenspalten.
Jetzt ist zu einem Bild der wüste Schwarm verwebt,
Und tausend sieht man jetzt aus einem sich entfalten.
Ihr duft'ger Schleier wogt um Wälder und um Höhn
Und flattert weit durch's Thal im raschen Sturmeswehn.
 
43.
Doch als Thorilde kaum der Eiche Kreis betreten,
Da schwand in wüster Flucht der grause Zaubertraum;
Still lag das Thal umher, des Herbstes Lüfte wehten
Nur bang und schaurig noch im hochgewölbten Baum.
Still stand sie an der Kluft, und ihre Blicke spähten
Erst lange starr hinab zum endlos dunklen Raum,
Dann ließ sie dumpf in jene tiefen Hallen
Den mächt'gen Bann der Geister niederschallen:
 
44.
            Ihr starken Diener meiner Macht,
Erkoren, Odin's Thron zu schützen,
Was schlaft ihr jetzt in tiefer Nacht
So träg' auf bald zerstörten Sitzen?
Thorilde ruft: erwacht, erwacht!
Das Unheil naht, die Wetter blitzen.
Was euer Wort auch kündet und verlangt,
Thorilde ruft, die nimmer zagt und schwankt.
 
45.
                        Sie spricht's; da scheint im Stamm verborgne Gluth zu knistern,
Ein seltsam Leben scheint durch jeden Zweig zu wehn,
Durch alle Blätter rinnt ein Rauschen und ein Flüstern.
Noch kann das Ohr den Ruf der Geister nicht verstehn,
Doch hört es nach und nach die Stimmen sich verschwistern,
Zu einem Klange wird das säuselnde Getön,
Bis heller stets und heller aus den Zweigen
Mit gellendem Gesang die Worte niedersteigen:
 
46.
       Und wenn die Odinseiche bricht,
Uns freie Geister kümmert's nicht.
Wir spielen lustig unsre Spiele
Und brauchen weder Dach noch Kühle.
Willst du sie pflegen und tränken gut,
Sey Thräne der Thau und der Regen Blut!
Hast du was Liebes, so laß es sterben!
Hurrah! wir lachen, es gilt Verderben.
 
47.
                        So schließt das Lied mit kreischend hellem Schall,
Zum Lachen schwillt der Geister grauses Singen,
Daß weit umher vom lauten Wiederhall
Der Fels erbebt, die fernen Klüfte klingen.
Doch als die Tön' entfliehn, entfaltet überall
Noch stiller als zuvor das Schweigen seine Schwingen.
Nur nach und nach beginnt von neuem leis' und kühl
Der Wind in Haid' und Baum sein einsam dunkles Spiel.
 
48.
Und schweigend steht, als jetzt die Töne schwinden,
Thorilde da, ein leblos finstres Bild;
Sie starrt und sinnt und lauscht den leisen Winden,
Die klagend ziehn durch's nächtliche Gefild,
Ob sie nicht Trost, nicht Rettung ihr verkünden,
Nicht leichtern Rath, als ihr der Baum enthüllt;
Noch dunkler, als die Nacht der unerforschten Höhle,
Worauf ihr Auge ruht, ist die gebrochne Seele.
 
49.
Und als sie jetzt die falben Blätter sieht,
Die weit verstreut am wüsten Boden liegen,
Die Zweige, die noch nie im heitern Lenz geblüht,
Die Halme, die so bang' im kalten Hauch sich wiegen,
Da faßt ein tiefes Weh ihr sinnendes Gemüth,
Der ganze Schmerz erwacht, den lang' ihr Muth verschwiegen;
Sie, die seit manchem Jahr verachtet Freud' und Qual,
Und die noch nie geweint, sie weint zum ersten Mal.
 
50.
Mit bleichem Schauder scheint ihr Angesicht zu zagen,
Als auf den Wangen jetzt die ersten Thränen glühn;
Das Lüftchen scheut sich fast die Seufzer fortzutragen,
Die aus der stolzen Brust so schwer und kämpfend fliehn;
Es staunt der Wiederhall und wandelt ihre Klagen,
Die er noch nie vernahm, zur Drohung stolz und kühn;
Der scheue Mond verbirgt sich hinter Wolkenhöhen,
Um nicht den tiefen Schmerz der Herrscherin zu sehen.
 
51.
Und als sie nun so arm, so ganz verlassen steht,
Als sie so weich, so menschlich jetzt empfindet,
Als ihres Lebens Bild vor ihr vorübergeht
Und fern in kalte Nacht auf ewig dann entschwindet,
Als jeder sanfte Trieb, den sonst ihr Stolz verschmäht,
Nun laut und mächtig sich in ihrer Brust verkündet,
Da bricht sie tiefgebeugt, von Thränen überschwemmt,
In diese Klagen aus, die mancher Seufzer hemmt:
 
52.
O heitrer Lenz, o junges, blühndes Leben,
Das sonst so hell von bunten Träumen lacht,
So sollst du einsam mir und arm vorüberschweben
Und schon so bald entfliehn in ewig öde Nacht?
Nur wenig hast du mir, du reiches Herz, gegeben,
Du hast mich kühn und groß, doch glücklich nie gemacht.
Ach, deine Fülle soll sich nur durch Schmerz und Zähren,
Durch Kämpf' und Opfer nur sich deine Kraft bewähren!
 
53.
Wie war ich sonst so ruhig, so beglückt,
Als ich mich harmlos noch an kind'schen Spielen freute,
Als ich die Decke noch dem Schicksal nicht entrückt
Und noch den finstern Kreis unsel'ger Mächte scheute!
Weh mir! jetzt hält ihr Arm mich eng und kalt umstrickt,
Verwirrung droht und Kampf und Nacht auf jeder Seite;
Die Geister, denen einst mein stolzes Herz gebot,
Sie reißen mich hinab und lachen meiner Noth.
 
54.
Ihr Wiesen, wo ich einst in leichten Tänzen spielte,
Du Hain, der säuselnd einst in süßen Schlaf mich sang,
Du Quell, worin ich oft den heißen Busen kühlte,
Ihr Blumen, die ich einst in meine Locken schlang,
Du junge blühnde Welt, die mit mir träumt' und fühlte,
Wie fremd erscheint mir jetzt dein Schimmer, Duft und Klang.
Wie hab' ich damals dich viel freundlicher gefunden,
Als noch mein Stolz dich nicht mit finstrer Nacht gebunden!
 
55.
Doch als mein Reiz sich seiner Knosp' entwand,
Als reich und prangend jetzt die zarten Glieder blühten,
Und als ich herrlich jetzt in meiner Schöne stand,
Und von siegreicher Gluth die kühnen Augen glühten,
Als ich des Armes Kraft, des Geistes Muth empfand,
Die unbezwungne Lust zu thronen, zu gebieten,
Da ward ich stolz und wollt' im hohen Wahn
Der Erde Herrin seyn und mich den Göttern nahn.
 
56.
Nie ließ mein Herz von Liebe sich besiegen,
Nie wollt' es sich an leichten Träumen freun,
Nicht knechtisch sich dem schwächern Manne schmiegen,
Und stärker sollt' als ich mein Freund und Herrscher seyn.
Und als ich kämpfend jetzt den steilen Pfad erstiegen,
Da war die ganze Welt, nur nicht die Freude, mein,
Es schwiegen Wog' und Sturm vor meinem Wink und Willen,
Des Herzens Sehnsucht nur, sie konnt' ich nimmer stillen.
 
57.
Da fand ich ihn, den mir ein Gott geschickt,
Mein ungebändigt Herz unheilbar zu verwunden.
Ihm neigte sich mein Stolz, mein Sträuben war gebunden,
Ich liebt' und war geliebt, doch war ich nicht beglückt.
Ach, meine finstre Brust, sie hat es nie empfunden,
Wie freundlich Mild' und Huld die erste Liebe schmückt;
Wo Andre selbst dem Schmerz ein Lächeln abgewinnen,
Da fand ich Kampf und Sturm und Sorg' und düstres Sinnen.
 
58.
An Erd' und Himmel war mein Loos
Mit gleichem Band geknüpft, frei war ich und gefangen,
Zu klein für einen Gott und für die Welt zu groß,
Zu stark für meine Kraft, zu schwach für mein Verlangen.
So warf des Lebens Fluth mit zwiefach wildem Stoß
Mein zweifelnd Herz umher, getheilt in Wunsch und Bangen;
Nicht durft' ich dem Gebot der Götter widerstehn
Und zagte doch, den Rath der Liebe zu verschmähn.
 
59.
O wer euch traut, ihr mächtigen Gewalten,
Wer kühn es wagt, sein Leben euch zu weihn,
Der darf nicht ferner mehr mit seinem Willen schalten,
Nicht ist die Freude mehr, nicht Haß noch Liebe sein.
Von unsichtbarer Macht umschlungen und gehalten,
Darf nur durch euch sein Herz sich kränken und erfreun;
Ihn reißt mit euch zugleich des Schicksals ehrne Rechte
Zum Himmelslicht empor, hinab in ew'ge Nächte.
 
60.
Wohlan, so sey es denn, was euer Wort gebot!
So nehmt sie hin, des Lebens letzte Gabe!
Hart will ich seyn und kalt an seinem Grabe,
Noch härter, als mein Loos, und kälter, als der Tod.
Ihr Götter, nehmt ihn hin! Wie ich geliebt ihn habe,
So mächtig wend' er jetzt von euerm Haupt die Noth!
Wie mich mein Stolz bestraft, wie mich sein Tod vernichtet,
Vernicht' er euern Feind! Nehmt ihn! er ist gerichtet.
 
61.
Sie sprach's und schwieg. Aus ihrem Aug' ergoß
Stets reicher sich der Thränen bittre Fülle,
Bis nach und nach des Trotzes dunkle Hülle
Von neuem um ihr Herz wie Wetterwolken floß,
Und wieder streng und kalt in seine dumpfe Stille,
Für Schmerz und Freude taub, ihr Busen sich verschloß.
Kein Thränlein sah man mehr an ihren Wimpern hangen,
Als von den Lippen jetzt ihr diese Worte klangen:
 
62.
Und soll ich arm und kalt im finstern Leben stehn,
So soll auch neben mir sich kein Geschöpf mehr freuen!
Der fremde Schmerz soll Rache mir verleihen,
Der fremde Seufzer Trost in meine Seele wehn.
Wem nicht verziehen wird, der kann auch nicht verzeihen,
Wer unverstanden klagt, kann Klagen nicht verstehn.
Ha, zittre Welt, die mich zum Fluch geboren!
Was du in's Herz mir gabst, das bleibt dir nicht verloren.
 
63.
Und du, den mir ein Gott zum bittern Weh geschickt,
Dem jetzt mein eigner Rath den Freund zum Opfer sendet!
Noch hat nicht jeden Pfeil mein rascher Zorn verschwendet,
Noch hält ein scharfes Schwert mein Arm auf dich gezückt.
Wenn blutig deine Hand die dunkle That vollendet,
Und prangend auf den Raub dein stolzes Auge blickt,
Dann soll im Siegesrausch dies Wort dein Herz zerreißen:
Den Bruder traf dein Schwert, es traf, wie ich's verheißen.
 
64.
So spricht die finstre Braut. Und als des Mondes Kahn
Schon mitten schwimmt in seinem luft'gen Teiche,
Verläßt auf rauher Felsenbahn
Thorild' in dumpfer Ruh die alte Zaubereiche.
Sie scheint als fremder Gast der blühnden Welt zu nahn,
Blaß ist ihr kühnes Bild und starr gleich einer Leiche;
Ihr dunkles Auge nur, das wilde Flammen schießt,
Bezeugt, daß noch der Hauch des Lebens sie durchfließt.
 
65.
Indeß verließ der ritterliche Degen,
Den Gottes Rath zu seinem Werk ersehn,
Des Lagers Thor und ging auf frommern Wegen
Durch's dunkle Feld zu jenen heil'gen Höhn,
Um betend dort des Himmels letzten Segen
Für sich und für sein Volk zum Kampfe zu erflehn.
Sie, die mit ihm zugleich die große That vollendet,
Sie hat ihn selbst zur nächt'gen Fahrt gesendet.
 
66.
Denn als die Zauberin, von heil'ger Macht gebannt
Und hingestreckt vom Klang der ernsten Töne,
Zu Boden sank, daß von des Falls Gedröhne
Der müde Held dem Schlummer sich entwand,
Und herrlich nun in überird'scher Schöne
Das theure Bild vor seinen Augen stand,
Da war er rasch, von freud'gem Schreck durchdrungen,
Wie vor des Tages Strahl vom Lager aufgesprungen.
 
67.
Wie stand sie jetzt so bräutlich mild,
So kühn, so zagend da! Wie halb die Morgenröthe
Vom ersten Strahle glänzt und halb den Strahl verhüllt,
So schüchtern war der Muth, der ihren Reiz erhöhte;
Solch eine sel'ge Kraft umwehte
Mit siegreich hellem Glanz ihr süß verschämtes Bild;
Des Himmels heil'ger Zorn, die Demuth zarter Frauen
War wechselnd in dem Blick der Herrlichen zu schauen.
 
68.
Und ihn, der kämpfend lang die Sehnsucht überwand,
Ergreift gewaltig jetzt unendliches Verlangen,
In seinen Augen flammt der Liebe kühnster Brand,
Sie hebt im Sturm sein Herz und röthet seine Wangen,
Er streckt die Arme aus, die Liebste zu umfangen,
Nicht Scheu noch Zweifel hemmt des Jünglings rasche Hand.
Die Jungfrau bebt zurück, sie schaut mit hellen Thränen
Ihn zagend an und spricht mit leisen Tönen:
 
69.
O weh! wie bist du jetzt so anders, als zuvor.
Wie ist aus deinem Blick so ganz die Mild' entschwunden!
O Adalbert, du, den ich früh erkor,
Für den allein mein Herz geathmet und empfunden,
Welch trübes Zauberspiel hält deinen Geist gebunden?
Erkenne mich, ich bin es, sieh empor!
Dich, dem ich treu gefolgt, mit dem ich Lust und Leiden
Und Todesnoth getheilt, dich soll ich – zürnend meiden?
 
70.
O du, von Allen mir, die meine Seele liebt,
Der Theuerste, o wäre dir hienieden
Doch eine andre Braut, ein sanftres Loos beschieden,
Und ich nur trüg' allein, was uns der Himmel giebt!
Jetzt such' auch ich umsonst, weil du verzagst, den Frieden.
Hart' nenn' ich mein Geschick, ach, weil es dich betrübt.
Und wär' ich ungeliebt, viel leichter wollt' ich's tragen,
Als dem Geliebtesten die Liebe zu versagen.
 
71.
Du armer Reiz, der meine Glieder schmückt,
Unseligster von meines Lebens Schätzen,
Wie pries ich sonst um dich so reich mich und beglückt,
Sah ich an dir den Blick des Freundes sich ergötzen!
Weh mir! jetzt zürn' ich dir als trügerischen Netzen,
Die seinen heil'gen Sinn, sein starkes Herz umstrickt.
Nicht konnte Schmerz und Tod den Freudigen besiegen;
Der für den Himmel stritt, er soll jetzt dir erliegen.
 
72.
Schon ist der ernste Tag genaht,
Bald wird sein erster Strahl die freie Welt bescheinen,
Vollendet ist der Kampf, vollbracht die große That,
Der Himmel öffnet sich und ruft empor die Seinen.
Einmüthig gingen wir des Sieges schönen Pfad,
Soll ich am Ziele noch um den Verlornen weinen?
Hell winkt der goldne Kranz uns an des Himmels Höhn,
Und du willst nicht empor, du willst zur Erde sehn?
 
73.
So ruft sie aus. Des Jünglings Wang' umhüllt
Ein helles Roth, er steht in scheuem Schweigen.
Da hört man lauter stets durch's nächtliche Gefild
Vom Hügel des Altars den Donner niedersteigen,
Von Blitzen flammt die Nacht, der Strom der Klüfte brüllt,
Es tanzt in hoher Luft der Sturm den finstern Reigen,
Vom wilden Kampf, der grimmig dort erwacht,
Erzittert rings der Grund, und zagend heult die Nacht.
 
74.
Und Jener wähnet schon des Rächers Zorn zu hören,
Der noch voran der That auf schnellen Schwingen zieht.
Sie sinken in den Staub und weinen heiße Zähren
Und rufen laut zu Gott mit zagendem Gemüth:
Mein ist die Schuld, mich eile zu zerstören,
O nimm dein Opfer hin, das ruhig vor dir kniet!
Nur für des Andern Heil scheint Jedes Herz zu zagen
Und will die ganze Schuld, die ganze Strafe tragen.
 
75.
Doch als der Sturm am fernen Hügel schweigt,
Und mild und klar, gleich Gottes gnäd'gen Blicken,
Der helle Mond aus fliehnden Wolken steigt,
Und sich mit Sternen rings die Lüfte wieder schmücken,
Da wird ihr Herz von neuem still und leicht,
Ein gläub'ger Trost beginnt ihr Innres zu erquicken,
Sie schaun empor; und zu dem Freunde spricht
Cäcilie mit freud'gem Angesicht:
 
76.
Dank sey dem Herrn! Er ist vorbeigezogen
An unserm Haupt mit Langmuth und Geduld,
Er hat mit gnäd'ger Hand der Schwachen Herz gewogen;
Streng ist sein Drohn, doch größer ist die Huld.
Uns kündet jeder Stern am klaren Himmelsbogen
Des Vaters milden Spruch, verziehen ist die Schuld.
Drum sey getrost! jetzt sind wir neu geboren
Und wieder werth der That, wozu uns Gott erkoren.
 
77.
O lebe wohl! Jetzt laß uns freudig gehn,
Als ob wir nur auf kurze Stunden schieden!
Wohl sehn wir uns zum letzten Mal hienieden,
Um schöner bald im Himmel uns zu sehn.
Wie fühl' ich jetzt den heil'gen Gottfrieden
So selig schon um meine Seele wehn!
Still ist mein helles Herz von allen ird'schen Nöthen.
Leb wohl! jetzt kann ich frei und freudig für dich beten.
 
78.
Doch du, dem jetzt vielleicht noch bittre Schmerzen dräun,
Nicht darf ich dir dies dunkle Wort erklären,
Geh du empor zum heil'gen Opferstein,
Um Gottes Fügung dort in Demuth zu verehren.
Er litt für uns des Todes herbe Pein,
Du leidest jetzt für ihn, er wird dir Kraft gewähren.
Leb wohl! Der Kummer wohnt nur hier in unsrer Brust,
Die Liebe hier und dort, und dort allein die Lust.
 
79.
So spricht sie sanft. Sie beut zum letzten Male
Die Hand ihm dar, dann tritt sie still zurück;
Aus ihren Augen bricht mit ihrem reinsten Strahle
Die Lieb' und kündet ihm schon jetzt sein nahes Glück.
So neigt sich hell zum winterlichen Thale
Durch duft'ges Abendroth der Sonne letzter Blick
Und scheidet dann, um über blühnden Hainen
In ferner Welt mit wärmerm Licht zu scheinen.
 
80.
Als nun vor Adalbert das holde Bild entschwand,
Da eilt er ihr Gebot mit Freuden zu vollstrecken.
Nicht kümmert ihn das Schwert, das ihm Thorild' entwand,
Er geht den Pfad des Herrn, drum wird der Herr ihn decken;
Mit Schild und Lanze nur bewehrt er seine Hand,
Nicht soll des Rosses Huf die müden Schaaren wecken.
So zieht er still durch's hohe Lagerthor
Und schreitet schnell den heil'gen Berg empor.
 
81.
Da drängt von fern die schreckliche Thorilde
Sich aus dem Wald hinab in's dunkle Thal,
Sie sieht den Feind im nächtlichen Gefilde;
Noch einmal schlägt des Zornes glühnde Qual
In ihrer Brust empor, hoch schwingt den Speer die Wilde,
Doch bitter lacht sie dann und senkt den scharfen Stahl.
Der Würger naht, das Opfer soll beginnen!
So murmelt sie und sprengt nach Lethra's Zinnen.

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