Ernst Schulze
Cäcilie
Ernst Schulze

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(Dritter Gesang.)

67.
                    Da sah sie lächelnd ihn durch leise Thränen an.
– So seht ihr still im Quell die zarte Blume beben. –
Kleinmüth'ger, sprach sie sanft, so wähnst du, daß dem Leben
Die Thräne galt, die meinem Aug' entrann?
Nicht säumt mein Herz mit dir die große That zu wagen;
Doch menschlich ist's, der Freunde Tod,
Der Lieben rettungslose Noth
Mit stiller Wehmuth zu beklagen.
 
68.
Ach, in des Lebens frühem Mai
Ist mir zu viel des Theuren schon entschwunden:
Die Aeltern starben mir, als ich noch kaum empfunden,
Wie süß des Vaters Blick, der Kuß der Mutter sey;
Für mich entsank in's finstre Bette
Der wilden Fluth der treue Freund;
Und ach, in welchem Kerker weint
Die Schwester jetzt vielleicht und harrt, daß ich sie rette.
 
69.
Wir lebten still auf väterlichem Schloß,
Dort, wo im schönen Sachsenlande
Der Leinestrom mit blühndem Uferrande
Durch bunte Wiesen fließt. Ein edler Kampfgenoß,
Den einst mein Vater sich im fernen Krieg erworben
Und mit zur Burg gebracht, ein tapfrer Biedermann,
Er nahm, da früh die Aeltern uns gestorben,
Der schwachen Jungfraun sich mit regem Eifer an.
 
70.
Der Kindheit unbesorgte Stunden
Entschwanden mir und Adelheid
Im leichten Spiel dahin. Uns schien die flücht'ge Zeit
An jede zarte Lust mit Blumen festgebunden;
Wir hatten nie die Einsamkeit,
Die uns umgab, mit leerer Brust empfunden;
Und nichts erschien so freundlich uns, so schön,
Als unser Burggemach und unsre Felsenhöhn.
 
71.
Am liebsten spielten wir in unserm weiten Garten,
Der sich im nahen Hain geheimnißvoll verlor.
Dort war es ihre Lust, den bunten Blumenflor
Mit zärtlichem Bemühn zu warten;
Und wenn ich dann am Wellentanz
Des klaren Quells entschlief und Engel rings erblickte
Im sel'gen Traum, dann kam sie leis' und schmückte
Mein schlummernd Haupt mit ihrem schönsten Kranz.
 
72.
Sie war so freundlich stets, an heitrer Seelenstille,
An frohem Sinn, an Zartgefühl so reich,
So kindlich ihr Gemüth, und doch so fest ihr Wille,
Ihr Geist so klar, und doch ihr Herz so weich.
Oft sah ich Lust bei ihr und Schmerzen
Wie Duft und Thau in einem Kelch vereint;
Und muthig konnte sie, wenn sie sich ausgeweint,
Zu Andrer Trost mit ihrem Kummer scherzen.
 
73.
Wir blühten still empor, beglückt und unbekannt;
Da kam ein alter Spielgenosse,
Er, welcher jüngst den Tod im Sturm der Fluthen fand,
Zu uns zurück. Er war der letzte Sprosse
Aus einem edlen Stamm, den Freundschaft uns verband,
Und lebte stets auf unserm Schlosse,
Seit eines mächt'gen Feindes Schwert
Den Vater ihm geraubt und seine Burg zerstört.
 
74.
Er übte früh die Kunst der Lieder;
Und da die blühnde Lust des Lebens ihm gefiel,
Verließ er unsre Burg und zog in's Land hernieder
Und wallte leicht gesinnt mit seinem Saitenspiel
Von Schloß zu Schloß umher. Jetzt kehrt' er fröhlich wieder
Mit bunter Phantasie und zärtlichem Gefühl,
Und ruhte von der langen Reise,
Vom flücht'gen Rausch der Welt in unserm stillen Kreise.
 
75.
Wir alle grüßten ihn mit freundlichem Empfang.
Er wußte stets uns Freude zu bereiten,
Vertrieb uns bald die Zeit durch fröhlichen Gesang,
Und lehrt' uns bald der goldnen Saiten
Anmuth'ge Kunst verstehn, erzählte bis zur Nacht
Vom Ritterspiel uns oft, von fremder Höfe Pracht,
Und kürzte sinnreich uns die langen Wintertage
Am traulichen Kamin durch manche Wundersage.
 
76.
Doch als der Frühling wieder kam,
Da schien sein froher Sinn allmählig zu entschwinden,
Und heimlich ein verschwiegner Gram
Den düstern Flor um seinen Blick zu winden.
Verschlossen irrt' er jetzt durch Thal und ferne Höhn;
Wir hörten oft ihn laut in stiller Kammer weinen,
Und klagend oft aus dunklen Hainen
Sein zitternd Harfenlied zu uns herüber wehn.
 
77.
Ich sah es wohl, wie seine Wange glühte,
Wenn ich ihn freundlich angeblickt,
Wie er verstohlen oft die kleinste Wiesenblüthe,
Den zarten Zweig, den meine Hand gepflückt,
An seinem Busen barg; ich sah es wohl und klagte
In stiller Brust um meines Freundes Leid
Und hätt' ihm gern durch holde Freundlichkeit,
Durch Achtung ihm ersetzt, was ihm mein Herz versagte.
 
78.
Gleich einem Bruder ehrt' ich ihn
Und sucht' ihn stets durch heitre Launenspiele
Zum flücht'gen Sonnenstrahl der tändelnden Gefühle
Und auf den bunten Pfad der Lust zurückzuziehn.
Er war so sanft, so treu, verbarg die leisen Klagen
So zart in tiefer Brust und litt so still, so mild –
Wohl liebt' ich ihn, dürft' ich ein andres Bild
Als dich durch Gottes Schluß in meinem Busen tragen.
 
79.
So kam der Sommer uns heran,
Indeß ich peinlich stets des armen Reinalds Kummer
Im trüben Geist empfand. Da ging der edle Mann,
Der redlich uns beschützt, in sanftem Todesschlummer
Zu einer bessern Welt. Wir weinten still ihm nach.
Den zweiten Vater barg uns jetzt der Schooß der Erde;
Nicht ahnten wir, daß bald ein neuer Schlag
Viel härter noch uns treffen werde.
 
80.
Denn kurz darauf, als einst zur Dämmrungszeit
Die Burgvasallen sich nach altgewohnter Weise
Zum trauten abendlichen Kreise
Im Rittersaal vereint, da fehlt' uns Adelheid.
Sie ließ noch nie so lange sich erwarten,
Drum sucht' ich sie besorgt im Schloß und Hof und Garten,
Im nahen Hain, im ganzen Burgrevier;
Doch nirgends zeigte sich die kleinste Spur von ihr.
 
81.
Ein Landmann, der zur Burg gekommen,
Erzählt' uns jetzt, er hab' im Hain
Der Waffen ehrnen Klang und Flehn und banges Schrein
Und fremder Sprache Laut und Rosseshuf vernommen.
Jetzt war's gewiß, die Arme war
Uns kühn geraubt; und ohne Weilen
Zog Reinald mit der tapfern Schaar
Der Diener aus der Burg, den Räubern nachzueilen.
 
82.
Ich blieb allein. Nie hab' ich eine Nacht
So trostlos je, so kummervoll durchwacht,
Nie hab' ich mehr geweint, nie heißere Gebete
Aus tiefrer Brust zu Gott empor geschickt,
So sehnsuchtsvoll zur fernen Morgenröthe
Mit nassem Auge nie geblickt.
Ach lieber wollt' ich ja, ich selbst, den Tod mir geben,
Als ohne dich, du süße Schwester, leben.
 
83.
Sie war des Lebens schönste Zier,
Die einz'ge Freundin mir, und alle meine Thränen
Und jedes zarte Glück und jedes stille Sehnen,
Mein ganzes Herz vertraut' ich ihr.
Vergebens mußt du jetzt nach Trost und Rettung weinen!
Mich ruft der Himmel ab, o Theure, zage nicht!
Es lebt ein Gott, der deine Ketten bricht;
Wenn auch die Welt uns trennt, das Grab wird uns vereinen.
 
84.
Zwei Tage schlichen hin, da sah ich vom Altan,
Ach ohne sie, die Meinen nahn.
Man hatt' umsonst in allen Felsenschlünden,
In Wald und Thal den Räubern nachgejagt,
Vergebens rings nach Adelheid gefragt,
Von ihrem Aufenthalt war keine Spur zu finden;
Nur hatten ferner Brand und fliehndes Volk gelehrt,
Es hab' ein Räuberzug das flache Land verheert.
 
85.
Da fühlt' ich kühnen Muth in meinen Adern wallen,
Gott sandte Kraft in's schwache Mädchenherz:
Schnell waffnet' ich die treuen Lehnsvasallen
Und hüllte selbst in rauhes Erz
Die jungfräuliche Brust, und vor der Ahnen Bilde
Im Rittersaale schwur mein Mund den theuren Eid:
Nie kehrt mein Fuß zurück zum heimischen Gefilde,
Bis eure Tochter ich, ihr Herrlichen, befreit!
 
86.
So rief ich aus, und meine Diener schwuren
Mir Treue bis zum Tod. Hinab in's flache Land
Ging unsre Fahrt; fern zeigten Staub und Brand
Und rings der Hütten Sturz und hingestampfte Fluren
Und Klag' und Noth der schnellen Räuber Spuren;
Und manche flücht'ge Schaar verband
Mit meinem Zuge sich und schwur für meine Sache
Und für das eigne Land den Räubern blut'ge Rache.
 
87.
Schon war ich manchen Tag mit meiner kleinen Schaar
Durch manches Land dahingezogen,
Da bot mit ungestümen Wogen
Das weite Meer sich unsern Blicken dar;
Und jede Spur entschwand, nur fern am Himmelsbogen
Nahm ich mit bitterm Schmerz die fliehnden Wimpel wahr,
Ich sah mein Glück hinweg von rascher Fluth getragen,
Und hatte nichts als unfruchtbare Klagen.
 
88.
Doch nicht vergaß ich meinen Schwur.
Ich hieß die Schaar für mich, für meine Schwester beten
Und in die Heimath ziehn; mit wenig Treuen nur
Wollt' ich in fremder Tracht des Feindes Land betreten,
Dem schwachen Kahn vertraut. Das tapfre Häuflein schied;
Doch fruchtlos waren Flehn und Zähren,
Als ich den Sänger bat, in's freundliche Gebiet
Der heitern Lust, in's Leben heimzukehren.
 
89.
Nie, sprach er, hat mein stolzer Sinn
Dem Hohn der Willkür sich, dem fremden Wink gebogen,
Frei bin ich durch die Welt gezogen,
Frei wählt' ich jetzt mir eine Herrscherin.
In ihrem Dienste will ich sterben,
Und, wenn ihr Herz auch nie den zarten Dank mir beut,
Mir eine Thräne für mein Leid,
Ein trauernd Lächeln mir für meine Treu' erwerben.
 
90.
Wehmüthig drückt' ich ihm die Hand
Und blickte weinend fort und theilte seine Klagen.
Jetzt wurden an des Meeres Strand
Gezelte für uns aufgeschlagen.
Schon morgen sollt' in's wüste Land
Des nord'schen Räubervolks der leichte Kahn uns tragen,
Und Jeder stärkte sich durch andachtsvolles Flehn,
Mit heldenmüt'gem Sinn das Wagniß zu bestehn.
 
91.
Der Abend sank, rings wehte linde Kühle,
Auf weichen Wölkchen schwamm die Dämmerung einher;
Hell wiegte sich der Mond auf buntem Wolkenspiele,
Und flücht'gem Silber gleich erschien das weite Meer.
Ich ging, den lauen Hauch der Lüfte zu genießen,
Zum Strand und ruhte dort auf einem Felsenhang,
Und schweigend saß mein Freund und träumend mir zu Füßen
Und feierte die Nacht mit leisem Harfenklang.
 
92.
Da rauscht' es um uns her, und mächtige Gestalten
Umringten uns, in rasselnd Erz gehüllt.
Schon fühlt' ich mich von rauher Faust gehalten,
Zum Strande mich geschleppt; da stürzte rasch und wild
Mein Freund herzu und schlug mit mächt'gen Schlägen
Den ersten Räuber hin. Vergebens war sein Muth
Mit unbewehrter Hand; er sank, schon rann sein Blut;
Schon sah ich seinen Arm in harte Fesseln legen.
 
93.
Man trug uns fort in's schnelle Boot;
Als Opfer sollten wir am Festaltare prangen.
Du schütztest uns. Er ist dahin gegangen,
Wo Keiner weint; ich habe seinem Tod
Die Thräne nicht versagt; er liebte mich, ich ehre
Den treuen Freund, und ihm und Adelheid,
Des Lebens goldnem Strahl fließt diese letzte Zähre.
Verzeih mir, güt'ger Gott, verzeih', ich bin bereit. –
 
94.
Sie sprach's, und hell durchbrach der Thränen Dämmerungen
Des Glaubens lichter Strahl. Der Ritter seufzt' und schwieg.
Ach, Jeder hatte jetzt mit ird'schem Schmerz gerungen,
Und Jeder feierte in stiller Brust den Sieg
Des heiligen Gefühls. Sie standen auf und gingen.
Ach, jedes Wort war für die sel'ge Ruh
Der Brust Entweihung jetzt. Nur auf den leisen Schwingen
Der Blicke sandten sie der Liebe Hauch sich zu.
 
95.
Und als sie jetzt den nahen Berg umgangen,
Da sehn sie fern im rothen Abendschein
Mit Thürmen kühn geschmückt, auf drohendem Gestein
Hochthronend eine Stadt in stolzem Schimmer prangen.
Auf ihren Zinnen schien und rings um's Felsenthor
Vertraun und Spott für jeden Feind zu wohnen,
Und trotzig hob mit ew'gen Mauerkronen
In sichrer Ruh die Burg sich in's Gewölk empor.
 
96.
Bewundernd stehn sie still; da tönt's wie Rosses Hufe,
Wie heller Schilde Klang, und rings der Hain erhallt
Von Siegsgesang, von lautem Rufe,
Von jubelndem Geschrei, und sieh, aus nahem Wald
Zieht eine Kriegerschaar in blankem Stahlgeschmeide
Auf Rossen froh daher; die Abendsonne glänzt
In Schild und Helm, den Eichenlaub bekränzt;
Rings folgt ein großes Volk mit ausgelaßner Freude.
 
97.
Der Haufe naht, nur scheidet ein Gesträuch
Von unserm Paar die fremden Ritter.
Stumm ziehn die Krieger her, erstarrten Todten gleich,
Kaum deckt den stieren Blick des Helms geschloßnes Gitter;
Doch trotzig prangen hoch zu Roß
Mit offnem Helm und hochgezücktem Schwerte
Vor ihrer düstern Schaar Thorild' und ihr Gefährte,
Und jauchzend schreit des Volkes lauter Troß:
 
98.
Heil, Heil, Thorilden Heil, und Heil dem kühnen Degen,
Dem starken Skiold, der seine Feinde schlug!
Schon rüstet Lethra sich und jubelt euch entgegen,
Den Schilden seiner Kraft und seiner Feinde Fluch;
In Harald's Hallen blinkt mit süßem Meth die SchaaleIn Harald's Hallen blinkt mit süßem Meth die Schaale. – Die Normänner hatten ein gewisses Getränk, welches sie Mundgut nannten, und das wahrscheinlich eine Art von Meth war. Der Wein scheint bei ihnen noch nicht sehr gebräuchlich gewesen zu seyn, denn selbst in Walhalla trinkt blos Odin Wein. ;
Die Skalden stimmten schon der Harfen tönend Gold:
Zieht ein, zieht ein zu Harald's Heldenmahle!
Heil, Heil, Thorilden Heil, und Heil dem starken Skiold!
 
99.
Vorüber strömt der Zug im freudigen Gedränge,
Da öffnet sich das hohe Thor
Der Königsstadt, und sieh, mit festlichem Gepränge
Zieht eine andre Schaar in hellem Schmuck hervor.
Im goldnen Harnisch prangt vor seinen tapfern Kriegern
Der König selbst; er grüßt mit gnäd'gem Blick
Das Heldenpaar und zieht mit den gepriesnen Siegern
In seine Mauern dann zurück.
 
100.
Gelobt sey Gott, der unsern Schritt geleitet,
Beginnt der Held, die große Stunde naht.
Der wilde Feind, er selber deutet
Das Ziel uns an, dorthin geht unser Pfad;
In jenen Mauern blüht das heil'ge Siegeszeichen,
Womit im Tode mich die Huld des Himmels schmückt.
Bald wird der finstre Trug, der dieses Land umstrickt,
Dem hellen Sonnenstrahl der ew'gen Wahrheit weichen.
 
101.
Der Himmel fordert mich! Dich grüß ich, sel'ger Tod,
O Engel Gottes, sey willkommen!
Wie wallt mein Herz so kühn, wie scheint des Herrn Gebot
Mir jetzt so leicht, wie strebt zum Sitz der Frommen
Mein gläub'ger Geist empor! O heil'ge du mein Schwert
Mit ehrner Kraft, o send' auf meine Pfade
Dein Licht herab, o laß, du Gott der Gnade,
Nicht ohne Sieg die That, die mich dein Wink gelehrt!
 
102.
Doch du, so fährt mit weichrer Stimme
Der Ritter fort, und trüber wird sein Blick,
Was wird aus dir? Du bleibst allein zurück,
Ach ohne Schutz dem raschen Grimme
Des aufgereizten Volks, der wilden Rachbegier
Der stolzen Feinde hingegeben!
O du, mein einz'ges Glück, mein Leben,
Hülflose, sprich, was wird aus dir?
 
103.
Und fliehst du auch, wer wird zurück dich leiten
Durch's fremde Land in's heimische Gefild?
Wer wird für deine Ruh, für deine Rettung streiten?
Wer wird in jeder Noth der Schild
Der schwachen Jungfrau seyn? Durch Nacht und Ungewitter
Irrst du allein auf weitem Meer,
Des Friedens zartes Bild, durch wilden Kampf umher,
Ein Raub der Noth! – O Gott, dein Kelch ist bitter!
 
104.
Er sprach's und seufzte laut, und mit erschlaffter Hand
Verbarg er stumm die bittern Thränen,
Worin sein Auge schwamm. In tiefster Brust empfand
Er jetzt der Lieb' allmächtiges Sehnen,
Den Reiz der blühnden Lust, die süß mit Schmeicheltönen
Ihn heim in's Leben rief; sein Muth, sein Glaube schwand.
O Gott, du weißt allein, wie viel ein Mensch zu tragen
Vermag, drum wird bei dir sein Schmerz ihn nicht verklagen.
 
105.
Doch wie aus zartem Licht gewebt
Im luft'gen Blüthenglanz der stille Regenbogen,
Wenn Sturms Gewölk den Pol umzogen,
Ein leuchtend Wunderbild, am finstern Himmel schwebt;
Es flammt, der Donner rollt, die ew'ge Feste bebt,
Zerstörend wälzt auf schwarzen Wetterwogen
Der Sturm sich her; umsonst, er glänzt in heil'ger Pracht,
Ein Bote gnäd'ger Huld im wilden Kampf der Nacht:
 
106.
So prangt Cäcilie. Kleinmüth'ger, darfst du wanken?
So strafte sie mit sanftem Ton
Den bangen Freund. O sieh, geöffnet stehn die Schranken!
Es ruft zum heil'gen Kampf, und glänzend harrt der Lohn.
Was zagt dein Herz um mich, die Gott dir zugesendet?
Was sträubt um ird'schen Wahn mit feiger Ungeduld
Sich gegen Gott dein Geist? Mich schützt die ew'ge Huld,
Und schöner nah' ich dir, wenn du den Kampf vollendet.
 
107.
O wähnst du denn, mein glühend Herz,
Es weich' an Lieb', an Treu dem deinen?
Dich lieb' ich, dich allein, doch nimmer will ich weinen
Um deinen Tod; gern duld' ich ird'schen Schmerz
Um ew'ge Seligkeit. Zieh hin für Gottes Ehre,
Für dich, für mich! Erst wenn die große That
Vollendet ist, erlaubt der Vorsicht dunkler Rath,
Daß ich dir ganz, dir ewig angehöre.
 
108.
Sie spricht's. Mit zarter Sehnsucht ruht
Ihr Blick auf ihm, auf ihm, den sie mit aller Liebe
Der reichen Brust umfängt. Da füllt ihn heil'ger Muth;
Und wenn die ganze Welt sich gegen ihn erhübe,
Und wenn zur trotz'gen Gegenwehr,
Zum Schutze seines Reichs der Hölle finstres Heer
Mit flammendem Geschoß der schwarzen Kluft entstiege,
Mit ihm ist Gott und sie, nichts fehlt ihm jetzt zum Siege.
 
109.
Schon will er fort; mit unbewehrter Hand
Will er dahin zum Dänenhaufen,
Will mit der Feinde Blut sich einen Pfad erkaufen
Zu Odin's Herd, will kühn das heil'ge Pfand
Fortreißen vom Altar; kaum hält mit sanftem Flehen
Cäcilie den Stürmenden zurück,
Um mit verständ'ger Wahl den günst'gen Augenblick
Des Abenteuers zu erspähen.
 
110.
Sie nahn der Stadt. Schon sank auf finsterm Duft
Die Nacht herab. Nicht ferne von den Thoren,
Wo in ein wald'ges Thal die Felsen sich verloren,
Beut schützend eine dunkle Kluft
Dem Irrenden sich dar; sie soll das Paar verhüllen,
Bis Adalbert, sobald der Morgen sich erneut,
Das Kleinod ausgespäht, und eine günst'ge Zeit
Herangenaht, den Ruf des Himmels zu erfüllen.
 
111.
Und für das Fräulein sucht im Hain
Der Ritter Laub und Moos zur weichen Lagerstäte,
Er selber streckt auf harten Stein
Sich vor der Grotte hin. Sanft hüllt in leise Röthe
Des Fräuleins Wange sich, und an der fernsten Wand
Der Höhle breitet still und sittsam ihre Hand
Das keusche Lager aus, dann senkt die holden Glieder
Sie zagend und verschämt in's tiefste Moos hernieder.
 
112.
Sanft ruhn sie jetzt im weichen Arm
Des Schlummers, ruhn so sanft am Rande bittrer Leiden.
Wie spielt um ihren Mund so frisch, so lebenswarm
Der Jugend blühnder Hauch! Umsonst, sie müssen scheiden,
Fern droht die Stunde schon. Ach, was der heitre Traum
Des frühen Lebens einst, von leichtem Wahn beflügelt,
Der süßgetäuschten Brust holdlächelnd vorgespiegelt,
Das Alles deckt nun bald des Grabes enger Raum.
 
113.
Zwei Träume nahn indeß auf buntem Mondesglanze.
Der eine lagert bang und schwer
Sich auf des Ritters Brust, doch hold im leisen Tanze
Schwebt um des Fräuleins Stirn der andre gaukelnd her.
Sie lächelt süß, es hebt mit stillem Sehnen,
Mit frommer Lust ihr Busen sich empor,
Ihr Athem weilt, als horch' ihr lauschend Ohr
Der Geister nahndem Flug und lust'gen Engeltönen.
 
114.
Ach, ihrer Schwester zartes Bild,
Es sank mit leuchtendem Gefieder,
In Glanz und ros'gen Duft gehüllt,
Wie blühnder Morgenschein auf lichtem Pfad hernieder
In ihren Händen lag, einst ihre Sorg' und Lust,
Ein frischer Kranz von bunten Blüthen,
Und Glanz und heil'ge Ruh im frommen Blick verriethen
Die tiefe Seligkeit der unbewegten Brust.
 
115.
So dämmert wunderbar im stillen Wasserspiegel,
Den schroffe Felsenhöhn bunt abgestuft umziehn,
Das Zauberspiel des Lichts; rings schwebt mit irrem Flügel
Aufwogend farb'ger Glanz; in heil'ger Tiefe blühn
Duftgleiche Bilder auf, und immer neu gestaltet
Die reiche Schöpfung sich und wallt, vom ew'gen Thau
Des kühlen Borns umspielt; doch klar und endlos waltet
Im hellen Mittelpunkt des Himmels heitres Blau.
 
116.
Mit diesem Kranz dein Haupt zu schmücken,
Hat mich der Herr gesandt, so sprach die Traumgestalt,
Bald wirst du schönre Blumen pflücken,
Des Himmels reiner Glanz verklärt die Sel'ge bald.
Was säumst du noch, die Schwester zu umfangen?
Nicht darf das ird'sche Bild dem reinen Geiste nahn.
Das gläub'ge Herz wird schön an's Ziel gelangen,
Mit Nacht beginnt, im Lichte schließt die Bahn.
 
117.
So sprach das luft'ge Bild und nahte leis' und linde,
Und in den Schooß des Fräuleins sank
Der wunderbare Kranz, und gleich dem Frühlingswinde,
Der über Wellen spielt, entschwang
Auf flücht'gem Silberlicht, das gaukelnd sie umwebte,
Sich lächelnd die Gestalt, und wie der späte Tag
In Dämmrung sanft verschwimmt, so schwebte
Stets ferner, schwächer stets, der bunte Glanz ihr nach.
 
118.
Der Schlummer flieht; des Fräuleins Arm' entfalten
Sich sehnsuchtsvoll, das holde Bild zu halten,
Das längst in eitle Luft entschwand.
O nimm mich mit in's stille Land
Der Seligkeit empor! so ruft mit frommem Flehen
Ihr Mund der Schwester nach. O du, mein süßes Glück,
Du fliehst? Verweile noch! O komm aus lichten Höhen,
Noch einmal komm, Geliebte, mir zurück!
 
119.
Ach, Adelheid, so bist du auch geschieden?
Was auf der Welt mir lieb und theuer war,
Es schwebt empor und ruht im ew'gen Frieden;
Ich bleib' allein zurück in Kummer und Gefahr,
In Nacht und Kampf! O ihr im schönen Lande drüben!
Bald nah' auch ich, nicht lange hält
Der Erde Band mich mehr. O nehmt, ihr meine Lieben,
Mich freundlich auf in eure schöne Welt!
 
120.
Sie ruft's, und sieh, wie fern im Schooß der Wellen
Dem Schiffer sich ein friedlich Eiland zeigt,
Noch gleicht's dem Wolkenduft, doch frische Lüfte schwellen
Die Segel auf, und immer heller steigt
Das ferne Bild empor, mit Wald umkränzt erheben
Die Berge schon ihr Haupt, schon glänzt das heitre Grün
Der Wiesen über's Meer, schon sieht im regen Leben,
Im bunten Reiz, der Blick die Flur des Friedens blühn:
 
122.
So dämmert nach und nach ein göttlicher Gedanke
In ihrer Brust empor. Noch faßt ihr irrer Geist
Sich selbst nicht ganz. Er tagt! – und jede Fessel reißt,
Die Schwachheit um sie wand, herab sinkt jede Schranke,
Die noch von Gott sie trennt, in kühner Majestät
Erhebt sie sich und glänzt in Muth und Liebe;
Schon hebt sie rasch den Fuß, doch schnell mit frommem Triebe
Sinkt sie dahin und ruft im brünstigen Gebet:
 
122.
O leihe du den schwachen Händen
Der Jungfrau deine Kraft! O laß die große That,
Allmächt'ger Gott, mich laß die That vollenden!
Du selbst hast mich geweiht, du deutest ja den Pfad
Mit eigner Hand mir an; von dir ist er gekommen,
Der sel'ge Traum, ich habe dein Gebot
Aus deines Engels Mund vernommen;
Und muthig eilt mein Herz und freudig in den Tod.
 
123.
Und ihn, ihn sollt' ich ja zu deinem Thron geleiten,
Ihn, den du selbst mir gabst, ich muß voran ihm gehn!
Sein Arm ist stark, er kann noch tapfer streiten
Für deinen Ruhm, dich herrlich noch erhöhn
Im gläub'gen Kampf. O laß im Glanz des Lebens
Ihn noch zurück! Er kannte sie noch nicht,
Die zarte Lust der Welt; mir winkt sie längst vergebens,
Mir gönne, Gott, den Tod, und ihm das blühnde Lichte
 
124.
So betet sie, und aus der dunklen Höhle
Enteilt sie leis' und leicht. Ihr nasses Auge sieht
Noch einmal hin auf ihn, der in der tiefsten Seele
Ihr ewig wohnt, sie weilt, sie reißt sich los, sie flieht.
Gleich einem flüchtigen Gaukelsterne,
Der durch die Nacht mit hellem Strahl
Vom Himmel niedersinkt, schwebt sie dahin durch's Thal
Im irren Mondesglanz und schwindet in die Ferne.
 
125.
Doch ach, mit schwärzern Träumen rang
Des Ritters Seele jetzt im Graun der Geisterstunde.
Das dunkle Wort, das aus Thorildens Munde
Wie ferner Donner einst zu ihm hernieder klang,
Es nahte seinem Geist, und düstre Schicksalsbilder,
Gespenstern gleich, mit schwarzem Blut bethaut,
Hohnlachten um ihn her. Sein Busen hob sich wilder,
Schnell schlug sein Herz, sein Athem stöhnte laut.
 
126.
Ihm war's, als irrt' er still auf nachtumhüllten Wegen
Durch Leichen hin, um sich ein weites Grab;
Bang zitterte die Luft von dumpfen Donnerschlägen,
Und flammend fuhr der rothe Blitz herab;
Rings ächzte Todeslaut, von frischem Morde rauchte
Mit feuchtem Glanz des Ritters scharfer Stahl;
Und gräßlich rief's: Fluch dir und ew'ge Qual,
Der in des Bruders Blut des Schwertes Schneide tauchte!
 
127.
Wild springt er auf; ein kalter Schauder fährt
Durch sein Gebein, sein Auge blickt verstört
Im Kreis' umher, und jetzt mit heißem Flehen
Sinkt er vor Gott auf's Angesicht:
O Gott, nur diesen Kelch laß mir vorübergehen!
Erbarmender, so schrecklich zürne nicht!
O hat dein Sohn nicht einst am bittern Kreuz die Sünden
Des schwachen Staubs gebüßt? Auch mich laß Gnade finden!
 
128.
Er ruft's; schon will er fort, will noch in dieser Nacht
Sich kämpfend nahn den heidnischen Altaren;
Der Tod, der um den Kelch der heil'gen Rose wacht,
Soll ihn vor härterm Leid, vor Brudermord bewahren.
Nur einmal noch, zur letzten, bittern Lust
Des Lebens, soll sein Blick auf seiner Liebe weilen,
Dann will er gern mit tapfrer Brust
Im gottgeweihten Kampf dem Tod entgegen eilen.
 
129.
Er naht der Kluft und biegt mit leiser Hand
Die Ranken fort und zagt, ein Blättchen möge rauschen,
Ihm scheint's Entweihung fast die Heil'ge zu belauschen,
Und zögernd hält das stille Band
Der keuschen Schaam ihn noch; die Blicke nahn, sie finden
Das Fräulein nicht, doch scheint des Mondes Glanz,
Der durch die Blätter spielt, gleich einem Wunderkranz
Von Himmelsblüthen rings ihr Lager zu umwinden.
 
130.
Da gaukelt schnell ein frommer Wahn
Durch seine Brust. O Gott, so ruft er, Gott der Güte,
Du ließest hold mir deinen Engel nahn,
Daß er auf rauhem Pfad mein zagend Herz behüte,
Mein Stern, mein Retter sey! Er ist zu deinem Thron
Zurückgekehrt, dort soll er mich empfangen;
Was an die Welt mich band, es ist mit ihm entflohn,
Und nur im Himmel blüht mein Glück und mein Verlangen.
 
131.
So spricht er froh und eilt mit kühnem Sinn
Durch's Thal hinweg. Er drängt durch Dorngewinde
Mit blut'ger Wang' und wunder Brust sich hin,
Irrt unverzagt durch dunkle Felsenschlünde
Und klimmt auf glattem Pfad am schroffen Stein empor;
Schon naht er sich der Stadt, schon führt das offne Thor,
Das alle Wächter längst in sichrer Ruh verlassen,
Seit Skiold die Mauern schützt, ihn in die breiten Gassen.
 
132.
Schon sank auf's Dänenvolk des Schlummers trüber Duft,
Und schweigend lag die Stadt gleich einer weiten Gruft
In schwarzer Stille da. Des Helden Schritte schallen
Nachtönend durch die wüsten Hallen,
Sein Athemzug belebt allein die todte Nacht.
Er irrt auf unbekannten Wegen
Bald hier, bald dort; da ragt in ernster Pracht
Ein hochgethürmter Dom dem Zweifelnden entgegen.
 
133.
Zum Himmel hob die Kraft der Pfeiler sich empor,
Rings trotzten ungeheure Zinnen
Aus ewigem Granit, weit offen stand das Thor,
Und nächtlich leiteten nach innen
Die hohen Stufen auf; des Mondes irrer Trug
Umwebte wunderbar mit grellen Ungestaltenmit grellen Ungestalten.– Das Wort Ungestalt ist in dieser Bedeutung neu, aber nach der Analogie richtig. Es bedeutet das, was gar keine Gestalt hat, und schien für die hin und herschwankenden Lichter und Schatten des Mondes paßlich zu seyn.
Den schwarzen Riesenbau, und dunkle Wolken wallten
Um seine Kuppeln her und drohten finstern Fluch.
 
134.
Hier denkt der Held der Reise Ziel zu finden,
Er betet still zu Gott, er naht, er tritt herein,
Schon steigt er kühn empor, und dunkle Hallen winden
Sich in das Innre jetzt; doch schwimmt ein ferner Schein,
An Farb' und Glanz wie Morgenröthe,
Durch's tiefe Dunkel her; er folgt dem Schimmer nach,
Und immer heller folgt die Nacht dem ros'gen Tag,
Und sieh, in Flammenpracht erscheint die heil'ge Stäte.
 
135.
Dort stand auf ragendem Altar,
Vom goldnen Gitterwerk umhegt, die Wunderblüthe.
Der Kelch schien grünes Licht, und jedem Blatt entsprühte
Hellrother Strahlenglanz, und trennte wunderbar
In lichte Perlen sich, die dann zum weiten Kranze
In buntes Farbenspiel verwebt
Den Herd umgaukelten, zum ew'gen Cirkeltanze,
Vom regen Zauberduft des blühnden Kelchs belebt.
 
136.
Doch alle Wunderpracht, sie glänzt dem starren Ritter
Umsonst; er sieht nur sie, die am Altar sich zeigt,
Cäcilien, die schon das goldne Gitter
Des Herdes aufgethan, die Stufen schon ersteigt,
Der Rose naht. O weile, weile,
Du pflückst den Tod! Er ruft's, er fliegt mit Sturmeseile
Zum Herd empor; sie dreht den bangen Blick
Der Stimme zu und sinkt von Schreck entseelt zurück.
 
137.
Er hebt sie rasch empor, er hält sie fest umschlungen,
Laut schreit er auf, er schweigt im stummen Schmerz.
O Gott, o Gott, du siehst es, wie sein Herz
Im Leid verzagt, wie kalt von Todesangst umrungen
Ihm jede Kraft erstarrt! – Doch sieh, ihr Auge schließt
Sich dämmernd auf, sie blickt ihn lange
Und schweigend an, und eine Thräne fließt
Wehmüthig jetzt von ihrer Wange.
 
138.
O, ruft er weinend aus, o sprich, was that ich dir,
Daß du mich so betrübst? Für mich willst du erblassen,
Willst mir die ew'ge Klage lassen
Um deinen Tod, den Schmerz des Lebens mir?
Was thust du? Ach, du raubst dem Leben
Sein schönstes Kleinod. Bleib, o bleib! Der Tod ist mein!
Erst durch die heil'ge That kann mich der Himmel weihn,
Den scheuen Blick empor zu deinem Glanz zu heben.
 
139.
Da windet sie aus seinem Arm sich los.
Hoch steht sie da, ihr Herz wird groß,
Ihr Auge licht, hell leuchten ihre Thränen
In kühner Lieb', in heiligem Vertraun.
O sel'ges Bild, du reiner Glanz des Schönen,
Wer kann mit sünd'gem Blick dir jetzt in's Auge schaun?
So strahlt, wenn einst der Tag des ew'gen Lichts entglommen,
Der Blume zarter Kelch am offnen Grab der Frommen.
 
140.
Wohlan, du willst, spricht sie mit ernstem Laut,
So soll vereint der Tod uns finden!
Hier steh' ich, deine keusche Braut,
Hier soll mit dir mich Gott verbinden
Am heiligen Altar! Zugleich soll unsre Hand
Das große Werk des Glaubens wagen.
Ein Grab soll uns empfahn, ein Engel uns in's Land
Der Seligkeit, zu Gottes Thron uns tragen!
 
141.
Sie beut die Hand ihm dar, sie eilt, sie steigt empor –
Horch, horch, da rasselt's in den Gängen
Des Tempels rings, von lauten Waffenklängen
Erbebt das Heiligthum, auf springt das innre Thor,
Blutdürstig naht der Feind. Schon droht er in der Ferne
Mit gräßlichem Geschrei; hin stürzt er zum Altar,
Und grimmig flammt gleich einem Unglückssterne
Thorildens langes Schwert voran der wilden Schaar.
 
142.
Ha, trotz'ger Held, wir sehn uns wieder,
Jetzt schützt bei meiner Götter Herd
Dein Gott dich nicht. Auf, Dänen, reißt ihn nieder!
Sie ruft's, sie stürzt heran. Des Ritters Rechte fährt
Herab, den Stahl zu ziehn; doch ach, der lag schon lange,
Vom Sturm geraubt, im tiefen Meeresschooß.
Da springt er kühn zurück, und eine schwere Stange
Reißt mächtig seine Hand vom goldnen Gitter los.
 
143.
Er schwingt sie hoch, er stürzt dahin, es tönen
Die Helme laut, vom mächt'gen Schlag
Zerbirst das Erz, hin sinken rings die Dänen,
Und rauchend färbt ein blut'ger Bach
Des Tempels heil'gen Grund. Doch immer wilder brechen
Die Schaaren ein, der Freunde Tod zu rächen,
Stets blut'ger tobt um Odin's Herd die Schlacht,
Und immer mächt'ger wächst des Feindes Uebermacht.
 
144.
Laut ruft er auf zu Gott; er will nur sie erretten,
Sie, die er liebt. Doch ach, die Schaar umringt
Das Fräulein schon, schon sinkt in schweren Ketten
Ihr Arm hinab. Verzweifelnd springt
Der Ritter hin zu ihr, im frischen Blute gleitet
Sein Fuß, er stürzt, noch auf den Knieen streitet
Der starke Held; umsonst, sein müder Arm erliegt,
Die Fesseln klirren schon, und Odin hat gesiegt.
 
145.
So sollen eure Feinde fallen,
Ihr Götter meines Stamms! ruft jetzt die Priesterin,
So soll mit kühnem Schwert, mit ungebeugtem Sinn
Vor euren ew'gen Tempelhallen
Thorilde stehn! Herab! herab!
Vertobe, stolzer Knab', in dunklen Kerkerschlünden
Umsonst die eitle Wuth! Bald soll dein schmählich Grab
Den Feinden meines Volks Thorildens Rache künden.
 
146.
Sie ruft's; ihr Haufe hebt die Schweigenden empor
Und schleppt auf ewig finstern Stiegen
Zum Kerker sie hinab, laut knarrt ein schwarzes Thor,
Man schleudert sie hinein, mit dumpfem Rasseln fliegen
Die Riegel zu. In gräßlich stummen Schmerz
Sinkt Adalbert zurück; von seinem Blute röthet
Der Boden sich; er schweigt. Doch fromm erhebt ihr Herz
Cäcilie zu Gott, sie kniet dahin, sie betet.

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