Ernst Schulze
Cäcilie
Ernst Schulze

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Elfter Gesang.

1.
                            Als Alle nun, die lange sich verloren,
Sich wiederum vereint, da wendet seinen Blick
Auf jenes große Werk, wozu ihn Gott erkoren,
Mit neuem Muth der tapfre Held zurück.
Er denkt des heiligen Schwurs, den er dem Herrn geschworen,
Er sieht des Glaubens Sieg, der Völker nahes Glück,
Und kühn ermannt er sich und ordnet und bereitet
Mit freud'gem Sinn den Pfad, der ihn zum Tode leitet.
 
2.
Und als der nächste Tag die Erde kaum erhellt,
Und an des Himmels blauen Hallen
Noch bleicher Nebel schwimmt, da läßt von Zelt zu Zelt
Ihr lautes Aufgebot die Kriegstrompete schallen.
Schon sieht man Fähnlein ziehn und hohe Banner wallen,
Von Waffen blitzt und klirrt das weite Feld,
Verworren bebt die Luft von kriegerischen Tönen,
Indeß vom Rosseshuf die grünen Wiesen dröhnen.
 
3.
Bald trennt und ordnet sich in lange Reihn das Heer,
Und jeder Führer hält im blanken Waffenkleide,
Mit buntem Schild und reichem Helmgeschmeide
Vor seiner tapfern Schaar. Es drängt sich Speer an Speer,
Wie dicht die reiche Saat auf sonnigem Gefilde
Die goldnen Aehren hebt, nah schließt der Schild dem Schilde,
Der Helm dem Helm sich an, in Schritt und Stellung scheint
Zu einem einz'igen Mann das ganze Heer vereint.
 
4.
Der helle Morgen blüht im jugendlichen Leben,
Ein leichter Wind erhebt sich frisch und kühl,
Die Zier der Helme wallt, die hohen Fahnen schweben
Und rauschen hin und her im mannichfalt'gen Spiel,
Des Reiches Adler scheint gewaltig fortzustreben
Zu Kampf und Sieg, zu glorreich blut'gem Ziel,
Die Krieger schaun erfreut empor zum heil'gen Zeichen
Und schwören, vom Panier im Tode nur zu weichen.
 
5.
Und lauter schallt der Feldposaune Klang,
Der Ruf der Führer tönt, es regen sich die Glieder,
Schon zieht das rüst'ge Heer das bunte Feld entlang
Und haucht den freud'gen Muth in kühne Kriegeslieder
Vom Schritt der Wandelnden dröhnt Thal und Hügel wieder,
Die ehrne Waffe klirrt zum fröhlichen Gesang,
Hoch bäumt das Roß sich auf und tanzt mit leichten Füßen
Und scheint den hellen Tag lautwiehernd zu begrüßen.
 
6.
Wie durch die Luft bei raschem Windeswehn,
Vom Lichte halb verklärt und halb in nächt'gem Grausen,
Und schön zugleich und furchtbar anzusehn,
Die Wolke naht, worin die Wetter hausen:
So zog das deutsche Heer durch's feindliche Gefild;
Wie bunt auch Helm und Schild mit manchem Schmuck sich färben,
Wie glänzend auch der Strahl der Helden Brust umhüllt,
Im Reize lauscht der Zorn und schmückt sich zum Verderben.
 
7.
Im ersten Zuge geht in leichter Kriegestracht
Der Schweizer tapfre Schaar, bewehrt mit Pfeil und Bogen,
Die jene Flur gesandt, wo von des Rheines Wogen
Der Fels erbebt und rings das Ufer kracht.
Nie irrt der Pfeil, der ihrer Hand entzogen,
Doch kämpft auch unverzagt ihr Schwert in naher Schlacht
Sie führt, seit Almerich im Kampfe jüngst gefallenSie führt, seit Almerich im Kampfe jüngst gefallen – (Siehe den 8ten Gesang, Stanze 100). ,
Vinzenz, ein edler Graf aus Habsburgs Felsenhallen.
 
8.
Nach ihnen folgt in lang gedehnten Reihn
Verderbliches Geschütz und schwere Kriegeswagen
Und Schleudern mancher Art, die Pfeile rings verstreun,
Und Balken, vorn gespitzt, mit starkem Erz beschlagen,
Schilddächer auch und hartes Wurfgestein
Und Schwerter lang und scharf, von Rädern fortgetragenUnd Schwerter lang und scharf, von Rädern fortgetragen – Man bediente sich vor Zeiten im Norden einer besondern Waffe, welche aus einem sehr breiten und langen Schwerte bestand, das auf Rädern lief und von mehreren Kriegern unter die Feinde geschoben wurde. Olaus Magn. L. IX. C. 1., giebt eine Beschreibung und Abbildung davon. .
Dann zieht, zu mancher Schaar nach Sitt' und Land gesellt,
Des Heeres Kern durch's waffenhelle Feld.
 
9.
Die Völker jener Flur, wo still durch ew'ge Haiden
Mit schwarzer Fluth die Aller sich ergießt,
Und die am Elbestrand die reichen Heerden weiden,
Und wo durch Winfelds Thal die glatte Weser fließt,
Und die in's rauhe Fell des wilden Ur sich kleiden,
Dort wo das Harzgebirg die nahen Wolken grüßt,
Sie, die sich allesammt zu einer Schaar geschlossen,
Führt Wittekind, ein Fürst, dem Sachsenstamm entsprossen.
 
10.
Dann nahn die Franken sich, die an des Maines Strand
Auf grün bekränzten Höhn die edlen Reben bauen,
Und Jene, die vom Haupt Gabreta's– vom Haupt Gabreta's– Der alte Name des Thüringer Waldes. Cluver. Germ. ant. L. III. C. 29 u. 47.

Und die der wald'ge Berg von seinen Höhn gesandt, / Wo düstre Nebel stets um Odin's Säule grauen. – Umschreibung des Odenwaldes.

– – seit jüngst ihr Fürst Lothar / Thorildens Pfeil' erlag – (S. den 8ten Gesang, St. 94.)

weit in's Land
Von Felsenburgen niederschauen,
Und die der wald'ge Berg von seinen Höhn gesandt,
Wo düstre Nebel stets um Odins Säule grauen.
Askan gebeut, seit jüngst ihr Fürst Lothar
Thorildens Pfeil erlag, der früh verwaisten Schaar.
 
11.
Drauf zieht das Volk herbei, dem unter milden Zonen
Sein schönes Land gleich welschen Gärten blüht,
Dort, wo zum grünen Rhein mit ew'gen Felsenkronen
An edlen Quellen reich der Taunus niedersieht.
Ihm schließen die sich an, die am Gebirge wohnen,
Das schwarz vom Wald umkränzt den Schwabenkreis umzieht.
Zwei Helden zeigen sich als Führer dieser Schaaren,
Unähnlich an Geschick, doch gleich an Muth und Jahren.
 
12.
Im dumpfen Schweigen zog der Pfalzgraf durchs Gefild,
Mit trübem Blick und kummerbleichen Wangen:
Mit schwarzem Flore war des Schildes Glanz verhüllt,
Man sah an Haupt und Brust kein goldnes Kleinod prangen,
Nicht war sein Geist wie sonst von Thatenruhm erfüllt,
Nicht trieb zu Beut' und Sieg ihn freudiges Verlangen;
Ihm, welkem jüngst das Herz von kühnen Wünschen schlug,
Schien jetzt ein enger Raum zum Grabe schon genug.
 
13.
Denn sie, für die er einst so manche Thaten wagte,
Die holde Braut, die er mit Müh' errang,
Sie starb, als freundlich schon die schönste Feier tagte,
Als schon im hellen Saal der Hochzeitsreigen klang.
Da war ihm Alles todt, kein Ritterspiel behagte,
Kein freud'ges Fest ihm mehr, kein lieblicher Gesang,
Nichts schien ihm jetzt erwünscht, als sich zur Schlacht zu rüsten,
Und dort nur fand er Ruh, wo Andre sie vermißten.
 
14.
Doch prangend zeigt mit blanker Waff' und Wehr
Sich Adelhelm, der junge Fürst der Schwaben:
Ein rosig Band umflattert seinen Speer,
Die Rüstung glänzt von manchen Minnegaben;
Er tummelt frei und leicht sein gutes Roß umher
Und spornt es bald zum Sprung, bald läßt er's munter traben,
Und wie er kühn dahin zum blut'gen Kampfe zieht,
Beginnt der freud'ge Held manch minnigliches Lied.
 
15.
Schon hatt' er lang' um Berthas Huld gerungen,
Schon manchen Ritterdank zu ihrem Ruhm erreicht;
Doch glich ihr hoher Sinn dem Stamm, dem sie entsprungen,
Durch seine Siege ward die Stolze nicht erweicht.
Doch da des Kaisers Ruf in's Schwabenland gedrungen,
Und schon sein Kriegesroß der tapfre Fürst besteigt,
Da schmückt sie seinen Speer mit ihrem Busenbande
Und spricht: Des Siegers harrt die Braut, des Feigen Schande.
 
16.
So zog er fort mit freudigem Gemüth,
In bunten Waffen hell und hell in Liebesglanze,
Der edle Lorbeerzweig, der nur dem Kühnen blüht,
Er windet bald sich ihn zum zarten Myrtenkranze.
Und wenn der wilden Schlacht das Heer entgegenzieht,
Dann ist's, als ruf' es ihn zum holden FackeltanzeDann ist's, als ruf' es ihn zum holden Fackeltanze. – Der Fackeltanz gehörte zu der Feierlichkeit einer ritterlichen Vermählung. ,
Und selig träumt er stets, wenn er auf feuchtem Moos
Nach hartem Streite liegt, er ruh' in Berthas Schoos.
 
17.
Dann naht das Volk, das an dem breiten Strande
Der Donau wohnt und an den mächt'gen Höhn,
Die, Mauern gleich gethürmt, im ewgen Schneegewande
Die deutschen Grenzen hier und dort die welschen sehn.
Sie leitet Friedebert, ein Fürst im Baierlande,
Um dessen ernste Stirn schon weiße Locken wehn;
Wohl macht das Alter ihn in jedem Rath erfahren,
Doch grünt sein frischer Muth noch wie in Jünglingsjahren.
 
18.
So ordnet sich das Heer. Doch an den Flügeln ziehn
In dichten Reihn auf hohen Panzerrossen,
Im hellen Waffenschmuck, der Ritterschaft Genossen,
Die frei von fremdem Zwang, nur für den Ruhm sich mühn;
Zwei Haufen haben sich aus ihrer Zahl geschlossen,
In jedem Kampf geübt, zu jedem Wagniß kühn.
Dem tapfern Archimbald von Meißen folgt der eine,
Den andern leitet Guelf, ein edler Graf vom Rheine.
 
19.
Doch wie, wenn feierlich in sternenreicher Nacht
Das Heer des Himmels zieht auf wolkenlosen Pfaden,
Der siebenfache Glanz der leuchtenden Plejaden
Zum goldnen Kreis gesellt vor allen strahlt und lacht:
So ließ, vom Kriegsgewühl des dichten Volks geschieden,
Durch Waffen und Gewand, durch Reiz und Würde schön,
Zum Kampfe halb geschmückt und halb dem milden Frieden
Durch bunte Zierden gleich, ein holder Zug sich sehn.
 
20.
Dort leuchtet Adalbert im hellen Waffenglanze,
Und Biarko zeigt sich dort dem tapfern Freund gesellt,
Und Reinald spornt das Roß zum zierlich edlen Tanze,
Und rüstig reitet dort der alte Dänenheld.
Auf weißen Zeltern ziehn die reichgeschmückten Frauen,
Der kühnen Kriegerschaar ein liebliches Geleit,
Und nahe läßt im priesterlichen Kleid
Der fromme Greis Ansgarius sich schauen.
 
21.
Hochprangend zog der Feldherr durch's Gefild
Im silberhellen Stahl mit scharfgeschliffnem Schwerte:
Ein blühnder Rosenstrauch erschien im blanken Schild,
Der rings am grünen Stamm mit Dornen sich bewehrte;
Doch war der Blume Haupt in licht Gewölk gehüllt,
Das wie ein Heil'genschein den glühnden Kelch verklärte,
Und unten stand in goldner Schrift dies Wort:
Mein Schmerz ist hier, doch meine Lust ist dort.
 
22.
Doch heller sah man noch von muth'ger Kampfesfreude
Und rascher Ungeduld den Dänenfürsten glühn:
Er glänzte weit umher im goldnen Waffenkleide,
Das ihm der fromme Zwerg zum Gastgeschenk verliehn;
Im Schilde war ein Schwert mit doppelt scharfer Schneide,
Auf das aus klarer Luft ein Stern herniederschien,
Am Rand verschlungen sich viel holde Namenszüge,
Und unten stand die Schrift: Er leuchtet mir zum Siege.
 
23.
Auch Reinald ist zum blut'gen Kampf bereit:
Wohl hält kein schwerer Helm sein wallend Haar umfangen,
Man sieht kein ehrnes Kleid um seine Glieder prangen,
Nicht führt er Lanz' und Axt zum vielfach harten Streit,
Doch hoch im Busen flammt ihm muthiges Verlangen,
Sein helles Auge blitzt von kühner Freudigkeit;
Nicht gnügt es ihm, die Saiten nur zu schlagen,
Was er im Liede pries, das will er selber wagen.
 
24.
So zieht er keck dahin und regt sich flink und leicht:
Ein bunter Mantel fließt von seinen Schultern nieder,
Auf seinem Hute wallt ein prangendes Gefieder,
Das bald sich säuselnd hebt und schwankend bald sich neigt,
Am Gürtel blitzt ein Schwert, ein Schild bedeckt die Glieder,
In dessen blankem Kreis ein Eichenkranz sich zeigt.
Und in der Mitte steht mit heller Schrift geschrieben:
Ich bin in Frost und Gluth dem Freunde grün geblieben.
 
25.
So war zum Streit ein jeder Held geschmückt.
Doch wie sich oft in wilder Strudel Drehen
Manch zartes Blümlein zeigt, von rascher Fluth gepflückt,
So ließ in ihrem Kreis das Schwesternpaar sich sehen.
Durch ihren Busen zog der Ahnung dunkles Wehen;
Denn heilig ist das Land, das Jede rings erblickt:
Ein stiller Hügel soll die Eine hier umfangen,
Die Andre fürstlich hier auf goldnem Throne prangen.
 
26.
Noch freut die Eine sich am heitern Spiel der Welt,
Der Andern beut kein Glück sich mehr hienieden;
Von holder Hoffnung ist der Einen Brust geschwellt,
Der Andern Seele ruht im frommen Gottesfrieden;
Was Diese still geliebt, dem ist sie jetzt gesellt,
Von dem, was Jene liebt, hat Gott sie selbst geschieden.
So blühn zwei Blumen oft aus einem Zweig hervor,
Die neigt das Haupt, und jene steigt empor.
 
27.
Doch wenn der Schmerz zuweilen bang und leise
Die stille Brust Cäciliens bewegt,
Dann wendet sie den Blick zum priesterlichen Greise,
Der fromm das heil'ge Kreuz in seinen Händen trägt.
O süßer Trost der bittern Todesreise!
O Bild, das mächt'ge Kraft im Schwachen selbst erregt!
Er, denkt sie, hat für dich den harten Tod geduldet,
Und stirbst du tausendmal, du bleibst ihm doch verschuldet.
 
28.
Als jetzt das Heer die letzten Höhn erreicht,
Die sanft geschwellt das grüne Thal begrenzen,
Da öffnet sich das Feld, und Lethra's Veste steigt
Mit hohen Zinnenreihn und stolzen Mauerkränzen
Vom fernen Fels empor. Ein Jeder jauchzt und zeigt
Dem Andern jetzt das Ziel, und Aller Augen glänzen
Vom freud'gen Kriegesmuth. Ein lautes Feldgeschrei
Entdeckt der sichern Stadt, wie nah der Feind ihr sey.
 
29.
Doch Biarko fühlt ein wunderbares Sehnen,
Als er von fern die theuren Mauern sieht,
Er streckt die Arme aus, sein Auge schwimmt in Thränen,
Indeß von Schmerz und Lust sein Busen wechselnd glüht.
O, ruft er, edle Stadt, du alter Sitz der Dänen,
Noch einmal grüß' ich jetzt dein heiliges Gebiet!
Doch ach, die mich gepflegt in frühen Kinderjahren,
Der nah' ich, wehe mir, mit fremden Kriegesschaaren.
 
30.
Doch trauerst du nicht selbst gebeugt von frechem Hohn?
Hat nicht ein schnöder Knecht in Bande dich geschlagen?
Soll ich zu deiner Schmach dem theuren Recht entsagen,
Zu eines Räubers Heil der Väter altem Thron?
Nicht fall' auf mich dein Fluch, nur Harald soll ihn tragen!
Er ist dein Feind, und ich bin Gormo's Sohn.
Was zauderst du und duldest fremde Ketten?
Zu mir, zu mir, mein Volk! Dein König will dich retten.
 
31.
So ruft er laut. Doch fromm begeistert steigt
Der deutsche Held vom Roß und neigt sein Knie zur Erde,
Und beugt sich tief vor Gott mit gläubiger Geberde,
Indeß das ganze Heer in stiller Andacht schweigt.
Dir weih' ich, Herr, dies Land, daß es dein eigen werde,
So betet er, das Ziel ist jetzt erreicht.
Mag jetzt zu jedem Loos dein Rathschluß mich erkiesen,
Dein ist die Macht, dein Wille sey gepriesen!
 
32.
Er spricht's und rafft sich auf. Und bald beginnt durch's Feld
Das mächt'ge Heer sich zahllos auszudehnen,
Das Lager steigt empor, es drängt sich Zelt an Zelt,
Und eine neue Stadt umringt die Stadt der Dänen,
Rings werden Wäll' erhöht, und Wachen ausgestellt,
Die weite Flur erschallt von kriegerischen Tönen,
Von Beilen kracht der Hain, manch lust'ges Feuer flammt,
Manch Schutzdach wird gebaut, und mancher Pfad verrammt.
 
33.
Der Feldherr sorgt und waltet unverdrossen,
Indeß in edlem Schweiß ihm stets die Wangen glühn:
Jetzt tritt er selbst an's Werk, jetzt treibt er die Genossen,
Begegnet jeder Noth, läßt keinen Vortheil fliehn;
Sein Aug' ist selten nur der süßen Ruh geschlossen,
Ihn sieht die späte Nacht, der frühe Tag sich mühn,
Im Ordnen, im Vollziehn, im Rath, im Heer, im Streite
Sind Vorsicht stets und Kühnheit ihm zur Seite.
 
34.
Doch auch die Heiden sind zur tapfern Gegenwehr
Nicht minder reg und wach, ihr Heiligthum zu schirmen:
Auf Zinn' und Mauer steht ein kühnes Heldenheer,
Und Kriegsgeschütze drohn herab von allen Thürmen;
Der bringt Geräth herbei, der schmiedet Schwert und Speer,
Der sichert Thor und Wall vor raschgewagten Stürmen,
Die Sichelwagen stehn mit Steinen angefüllt,
Indeß vom glühnden Naß der Kessel überquillt.
 
35.
Der alte König geht mit jugendlichen Schritten
Durch Gass' und Burg und spornt zum rüst'gen Fleiß
Sein rasches Volk; den treibt er an mit Bitten,
Vergilt mit goldnem Lohn des Andern Müh und Schweiß,
Ermahnt und lobt mit sanftem Wort den Dritten,
Und straft des Vierten Thun mit drohendem Verweis;
Und hier und dort erschallt zum Aufgebot und Zeichen
Sein mächt'ger Kriegesschild von hellen Schwertesstreichen.
 
36.
Wohl bricht auch oft in unwirthbarer Nacht
Ein kühner Kreis verschworner Kampfgesellen
In's Feld hinaus und naht des Lagers Wällen,
Wo stets zum Schirm des Heers ein Christen-Fähnlein wacht.
Bald weicht die deutsche Schaar den raschen Ueberfällen,
Bald sinkt der Heiden Schwarm in unberühmter Schlacht;
Doch wird, wie klein auch oft der dunkle Kampf begonnen,
Manch edler Held erlegt, manch schöner Preis gewonnen
 
37.
Doch Andre nahn indeß mit brünstigem GebetDoch Andre nahn indeß mit brünstigem Gebet. – Odin, Thor und Frey waren die vornehmsten Götter der nordischen Völker, und man stellte sie deshalb oft auf demselben Altar zusammen. So fand man sie in dem berühmten Tempel zu Upsala, den Olaus Magn. L. III. C. 3. und Olaus Worm. Monum. Dan. L. I. C. 4. beschreiben.

Die Dänen verehrten Odin als den höchsten Gott, die Norweger den Thor, die Schweden den Frey.


Dem Heiligthum und traun auf stärkre Retter:
Das Volk der Dänen ruft zum Vater aller Götter,
Der hoch auf heil'gem Herd in goldner Rüstung steht;
Der Normann kniet vor Thor, dem Herrn der Donnerwetter,
Indeß zum mächt'gen Frey die Schaar der Schweden fleht;
Das Götterhaus ertönt von heil'ger Lieder Schalle,
Von Blut erglänzt der Herd, von Opfern dampft die Halle.
 
38.
Nur Skiold verschmäht das weibisch feige Flehn,
Ihm scheint nach Blut und Kampf und Sieg nur zu gelüsten:
Man sieht ihn ohne Rast um Thürm' und Mauern gehn,
Das ungestüme Volk zu ordnen und zu rüsten;
Stets läßt er, wo die Noth am größten ist, sich sehn,
Und drängt von Zinn' und Wall mit Flamm' und Schwert die Christen.
Ihm folgt der Sieg; wo ihn die Seinen schaun,
Ist Hülf' und Schutz und Kühnheit und Vertraun.
 
39.
Nur Feige knien, so spricht er zu Thorilden,
Ich hab' allein auf mich mein Heil gestellt.
Was ruft das Volk zu steinernen Gebilden
Und ist zum Beten nur und nicht zum Kampf gesellt?
In unsern Schwertern wohnt, in Helmen und in Schilden
Der Asen Hülf' und Kraft; ein Gott ist jeder Held.
Nichts kann des Liedes Schall, des Opfers Blut uns nützen,
Für Odin kämpfen wir, drum muß uns Odin schützen.
 
40.
Gieb mir die Hand! So laß uns stets vereint
Im Leben stehn! Wer wird uns schmähn und beugen?
Die Sonne steigt und sinkt, das falsche Glück erscheint
Und flieht; was kümmert's uns? Bleibt doch die Kraft uns eigen!
Stets ist der Sieg des tapfern Mannes Freund,
Das starke Schicksal will vor Starken nur sich neigen.
Nie ehrt das End' allein den kühn verfochtnen Krieg,
Und auch der Tod ist oft ein ehrenwerther Sieg.
 
41.
So spricht der Held; doch scheint von wilden Sorgen
Thorildens Herz erschüttert und entzweit:
Sie blättert ohne Ruh vom Abend bis zum Morgen
Verhüllte Runen durch und Kunden alter Zeit,
Sitzt oft den langen Tag im Kämmerlein verborgen
Und treibt manch heimlich Werk, das vor dem Licht sich scheut,
Ein schwarz Geheimniß scheint in ihrer Brust verschlossen,
Und düster spricht sie oft zum kühnen Kampfgenossen:
 
42.
Noch weiß ich nicht, was uns das Glück verheißt;
Die Zukunft ist bewölkt und seltsam sind die Zeichen:
Von Wehruf heult die Nacht, graunvolle Bilder schleichen,
Im tiefen Grabe seufzt manch alter Heldengeist,
Die Sterne kämpfen wild in ihren ew'gen Reichen,
Es bebt der Göttersitz, ein großes Schicksal kreist.
Wohl war ich oft bereit, den Vorhang fortzurücken;
Doch ahnend zagt mein Herz, das Unheil zu erblicken.
 
43.
Längst fürcht' ich, daß auch dir ein schwarz Verhängniß droht;
Ich selbst beschwor vielleicht es auf dein Haupt hernieder.
Manch feindlich Zeichen spricht vom Kampf entzweiter Brüder,
Von fluchbeladnem Sieg und unheilvollem Tod.
Nicht ruht auf mir die Schuld, ich sang die dunklen Lieder,
Wie sie der Norne Ruf dem wilden Geist gebot.
Doch mag auch, wie sie will, die grause Zukunst tagen,
Was dir beschieden ist, das will ich mit dir tragen.
 
44.
So redet sie, und ihre Blicke glühn
Von Lieb' und Schmerz und Zorn. Und wie um Felsenhöhen
Am frühen Morgen oft mit grau beschwingtem Wehen
Im seltsam dunklen Spiel sich nächt'ge Wolken ziehn;
Doch strahlend läßt am Pol das goldne Licht sich sehen,
Der Schleier reißt, die dichten Nebel fliehn,
Das Felsenhaupt erglänzt und rauscht mit hohen Zweigen
Und scheint in's klare Blau noch kühner aufzusteigen:
 
45.
So läßt der Jungfrau dunkles Wort
Mit finstern Zweifeln oft des Freundes Seele ringen,
Manch gräuelvolles Bild von Fluch und grausem Mord
Scheint tief aus schwarzer Nacht zu ihm empor zu dringen.
Doch scheucht nach kurzem Kampf mit siegreich hellen Schwingen
Die alte Heldenkraft den düstern Nebel fort;
Sein kühnes Herz begehrt im Drange großer Zeiten
Nur mit dem Feind, nicht mit sich selbst zu streiten.
 
46.
Als so an Skiolds Vertraun des Volkes Muth sich nährt,
Müht auch das deutsche Heer sich draußen unverdrossen.
Stets näher wird die Burg bedrängt und eingeschlossen,
Nur wenig Pfade sind dem Feind noch unverwehrt,
Schon mancher Quell versiegt, der sonst zur Stadt geflossen,
Von Kriegesflammen ist schon manche Saat verzehrt.
Doch stolz verlacht das Volk, da nichts zum freud'gen Leben
Der reichen Stadt gebricht, der Christen eitles Streben.
 
47.
Wohl naht sich oft zum Sturm das deutsche Heer,
Doch kehrt es stets verdrängt und blutend wieder,
Denn grimmig waltet rings der Dänen Gegenwehr,
Der Sichelwagen rollt und bricht des Feindes Glieder,
Die heiße Welle strömt, es fliegen Pfeil und Speer,
Vom jähen Abhang stürzt der Stachelbalken nieder,
Gemäur und Gräben sind mit Todten angefüllt,
Und mancher blut'ge Strom durchrieselt das Gefild.
 
48.
So war schon mancher Tag verschwunden,
Da spricht im hohen Heldenkreis,
Der in des Führers Zelt zum Rathe sich verbunden,
Ansgarius, der gottgeweihte Greis:
Vergebens müht ihr euch, den Feind zu überwinden,
Nicht frommt zum großen Werk des Menschen Kraft und Rath,
Bis nicht das Volk, befreit von ird'schen Sünden,
Mit reinem Flehn dem höchsten Gott sich naht.
 
49.
Der zweite Mond ist schon vorbeigeflossen,
Seit ihr zuerst den Dänenstrand begrüßt,
Und doch hat Keiner noch das Mahl des Herrn genossen,
Noch Keiner fromm vor Gott sein sündlich Thun gebüßt.
Noch prangen blutbefleckt im heiligen Gefilde,
Das sich der Himmel selbst zum Eigenthum erkor,
Verfluchte Opferhöhn und heidnische Gebilde,
Und für den Ew'gen steigt noch kein Altar empor.
 
50.
So tilgt denn jetzt von diesen schönen Auen
Den Gräuel fort, der Gottes Erde schmäht!
Laßt einen reinen Herd dem Höchsten uns erbauen,
Und sühnt den Himmel dort mit Buß' und mit Gebet!
Dann kehrt zum Krieg zurück mit freudigem Vertrauen!
Nie täuscht der Ew'ge den, der fromm ihn angefleht.
Er spricht's, und Jeder ehrt das Wort des Gottgeweihten
Und geht, zum heil'gen Werk die Schaaren zu bereiten.
 
51.
Nicht fern vom Lager war mit einem dunklen Hain
Ein steiler Hügel rings bekleidet,
Und auf dem Gipfel stand ein hoher Opferstein,
Wo oft am blut'gen Mahl der mächt'ge Frey sich weidet,
Der Kraft den Fluren giebt und Segen und Gedeihn
Und mit gewalt'ger Hand die Zeiten lenkt und scheidet;
Auch thürmte droben sich, weit schauend durch's Gefild,
In riesiger Gestalt das alte Götterbild.
 
52.
Hier war der Ort, wo Biarko's Kampfgenossen
Für ihren Herrn dem Tode sich geweiht,
Wo Gormo's Sohn, vom Feinde rings umschlossen,
Mit tapferm Schwert die Braut und sich befreit.
Manch edles Blut war früher hier geflossen
Bei'm Mahl des Götzen bald, und bald im wilden Streit.
Hier soll, wenn siegreich einst die Kreuzesbanner wallen,
Dem Herrn des Himmels auch ein blut'ges Opfer fallen.
 
53.
Schon zieht das Heer die wald'gen Höhn hinan,
Das heil'ge Werk des Glaubens zu vollenden;
Mit Stab und Inful geht Ansgarius voran
Und trägt das Kreuz des Herrn in hocherhobnen Händen;
Das ganze Volk stimmt fromme Lieder an
Und bittet Gott, sein Heil herabzusenden;
Und bald umschließt die tapfre Christenschaar
Im weiten Kreis den heidnischen Altar.
 
54.
Doch Adalbert, der auf des Himmels Segen,
Auf Gottes Kraft zur kühnen That vertraut,
Tritt muthig jetzt dem hohen Bild entgegen,
Das zornig ernst zu ihm herniederschaut.
Er hebt die Kolb' empor und trifft mit mächt'gen Schlägen
Die riesige Gestalt; im Hain erhallt es laut;
Es zischt die Luft von ungeheuren Streichen,
Der Herd erbebt, der Grund beginnt zu weichen.
 
55.
Schon wankt das Bild, der Opferstein zerspringt,
Es wankt und fällt, die nahen Eichen zittern,
Ein stilles Grausen scheint die Erde zu erschüttern,
Da vom Altar herab ihr alter Herrscher sinkt.
Am Himmel rollt's heran gleich fernen Ungewittern,
Indeß der mächt'ge Schall den weiten Hain durchdringt.
Doch still und leicht umspielt die riesenhaften Trümmer
Das heil'ge Sonnenlicht mit siegreich hellem Schimmer.
 
56.
So stürzt ein hoher Fels, um welchen öd' und kahl
In schattig feuchter Nacht die nahen Fluren lagen,
Von Sturmeszorn gefaßt, von Gottes Blitz zerschlagen,
Mit donnerndem Gekrach hinab in's tiefe Thal.
Bald wird der freie Grund nun holde Blumen tragen,
Vom Thau erquickt, im warmen Sonnenstrahl,
Und segensreich wird auf den wüsten Räumen
Die junge Saat in freud'ger Fülle keimen.
 
57.
Ein lautes Jauchzen tönt die dichten Reihn entlang,
Sobald das stolze Bild von seinem Thron gefallen,
Und heller läßt den frommen Chorgesang
Die Christenschaar empor zum Himmel schallen,
Von jeder Lippe tönt dem Höchsten Preis und Dank,
Man sieht aus manchem Blick viel freud'ge Thränen wallen,
Und wie der Heidengott gestürzt am Boden liegt,
Scheint Jedem auch das Volk der Heiden schon besiegt.
 
58.
Zerbrochen wird des Herdes Grund und Schwelle,
Vom schnöden Schutt das Rasengrün befreit,
Und rings der Ort mit heil'ger Sühnungswelle
Zum neuen Sitz des Ew'gen eingeweiht;
Und bald erhebt sich jetzt an jenes Herdes Stelle
Ein reiner Hochaltar dem Gott der Christenheit,
Und jeder Krieger eilt des Waldes Zier zu pflücken
Und will den Tisch des Herrn zur frommen Feier schmücken.
 
59.
So prangt des Ewigen Altar,
Mit Blumen hold umkränzt und jugendlichen Zweigen.
Auf seinen Stufen steht der heil'ge Greis Ansgar,
Und betend harrt das Volk mit demuthsvollem Schweigen.
Er hebt das Kreuz empor, und rings beginnt die Schaar
Mit fromm entblößtem Haupt sich auf die Knie zu neigen,
Der Hain verstummt, kein leises Lüftchen bebt,
Als so der Greis die ernste Stimm' erhebt:
 
60.
Zu Boden sank der stolze Gott der Erde,
Den blinder Wahn auf seinen Thron gesetzt,
Erloschen ist die Flamm' auf schnödem Herde,
Versöhnt das Blut, das schuldlos ihn benetzt.
Und daß dies Land ein Tempel Gottes werde,
Vereinigt ihr zum heil'gen Mahl euch jetzt.
Mag lang' auch oft die Nacht am Himmel grauen,
Einst läßt sich doch die helle Sonne schauen.
 
61.
O blickt umher, wie hold die Wiesen blühn,
Wie segenreich die goldnen Saaten stehen!
Vielfarbig lacht der Haine frisches Grün,
Der Sonnenglanz umleuchtet Thal und Höhen.
Schon scheint der Herr durch sein Gebiet zu ziehn,
Die Flur vernimmt und fühlt sein heil'ges Wehen,
Gedeihn und Glück bereiten ihm den Pfad,
Kein Tod ist dort, wo Gottes Odem naht.
 
62.
Nicht darf dies Land, so reich an Lust und Segen,
Ein Räubervolk mit trotz'gem Sinn entweihn,
Nicht ferner hier unbänd'ger Zorn sich regen,
Und wilder Muth am Frevel sich erfreun.
Was Gott erschuf, das muß die Liebe pflegen,
Und Friede soll des Schönen Hüter seyn.
Die Hölle mag am blut'gen Dienst sich laben,
Dem reinen Gott gebühren reine Gaben.
 
63.
Verblendet Volk! Noch deckt dich finstre Nacht,
Doch herrlich wird auch dir die Sonne steigen,
Der blinde Wahn, des Zorns verwegne Macht
Soll fromm sich bald dem milden Glauben neigen,
Und deine Kraft, die jetzt den Herrn verlacht,
Sich rühmlich einst im Dienst des Herrn erzeigen.
Glückselig Volk, dem Gott nach kurzem Streit
So reiches Heil, so sel'ge Hoffnung beut!
 
64.
Wohl drängt dich noch des Krieges blut'ges Walten,
Denn Großes wird im Kampfe nur erstrebt;
Zu mächtig sind die Bande, die dich halten,
Zu dicht die Nacht, die deinen Geist umschwebt.
Erst muß der Pflug den harten Grund zerspalten,
Eh fröhlich sich die junge Saat erhebt,
Und Flamm' und Schwert die Dornen rings verzehren,
Soll süße Frucht dein Garten dir gewähren.
 
65.
Doch ihr, die Gott zu seinem Heer geweiht,
Der großen That verbündete Genossen,
Empfangt das Mahl, das euch der Himmel beut,
Und denkt an den, deß Blut für euch geflossen!
Seyd mild, wie er, und liebt euch und verzeiht,
Seyd stark, wie er, zum Kampf und Tod entschlossen.
Dann kündet euch des Himmels reiche Huld
Durch meinen Mund Vergebung aller Schuld.
 
66.
So spricht der Greis und beut in goldner Schaale
Den Leib des Herrn der stillen Menge dar.
Fromm naht ein Jeder sich dem heil'gen Liebesmahle,
Und sündenfrei verläßt ein Jeder den Altar.
Dann wendet wiederum zum Lagerplatz im Thale
Mit freud'gen Liedern sich die ausgesöhnte Schaar,
Und jeder Krieger fühlt sich nach dem frommen Werke
Mit neuem Muth belebt und wunderbarer Stärke.

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