Ernst Schulze
Cäcilie
Ernst Schulze

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Neunzehnter Gesang.

1.
                                Du holder Stern in meiner ird'schen Nacht,
Der mir voran am hohen Himmel gleitet,
Schon hab' ich bald die fromme Fahrt vollbracht,
Zu deren Ziel dein sel'ger Schein mich leitet.
Die Schatten fliehn, das Morgenroth erwacht,
Schon hat es hell am Himmel sich verbreitet;
Bald werd' ich fern den blühnden Hügel sehn,
Von dem die Palmen mir schon jetzt entgegenwehn.
 
2.
Heut ist der Tag, der bittre, der uns allen
So langen Schmerz und dir nur Lust geschenkt;

Und ist es mehr, als Wahn, daß in den sel'gen Hallen
Auch noch des Engels Herz getreuer Liebe denkt,
So wirst auch du mir heute näher wallen,
Mir, der zum Ziele schon die freud'gen Schritte lenkt,
Um bald vielleicht, wenn er den Kranz empfangen,
Den Pfad dir nachzugehn, den du vorangegangen.
 
3.
Denn wenn auch kaum in frischer Jugendzeit
Mit blühnder Kraft mein Innres sich erschlossen,
Doch fühlt sich oft in stiller Einsamkeit
Von Todeshauch mein sinnend Herz umflossen.
Getragen hab' ich längst des Lebens tiefstes Leid,
Des Lebens höchstes Glück, ich hab' es längst genossen;
Vollendet ist der Pfad, den mir die Lieb' enthüllt,
Bekränzt ist dein Altar, und mein Beruf erfüllt.
 
4.
Und soll dies Lied, die Blüthe heil'ger Stunden,
Das Letzte seyn, was euch der Sänger giebt,
So lebt denn alle wohl, die treu mit mir empfunden,
Ihr alle, die mein Lied, und die mich selbst geliebt!
Auch ihr, die lang mir schon in ferner Welt verschwunden,
Und die ihr feindlich jetzt mein treues Herz betrügt,
O laßt, eh bald vielleicht sich diese Lippen schließen,
Mit freundlich ernstem Wort noch einmal euch begrüßen!
 
5.
Ihr, die ihr glänzend mir den dunklen Pfad umsäumt,
O ihr, in deren Brust des Himmels Flammen brennen,
Nicht nennt mein Lied euch jetzt, doch wird die Welt euch nennen,
Wenn einst die goldne Frucht aus eurer Blüthe keimt.
O möchtet ihr auch mir ein treu Gedächtniß gönnen,
Der nicht, wie ihr, gewirkt, der Großes nur geträumt!
O möchte dieses Wort des Enkels einst mich ehren:
Auch er war werth, den Kreis der Herrlichen zu mehren!
 
6.
Du süße Heimath, theures Land,
Wo einst mein Geist zuerst die Schwingen ausgebreitet!
Mein Vater, der so früh des Sohnes Sinn verstand
Und nicht mit engem Maß ihm seinen Pfad bedeutet!
Und du, die nie mein Blick, die nur mein Herz gekannt,
O Mutter, die vielleicht als Engel jetzt mich leitet!
Wie seh' ich jetzt am Ziele meiner Bahn
Euch alle mir so hold, so freundlich nahn!
 
7.
Und du, Antonie, du herrlichste der Frauen,
Der nicht mein Mund allein den Mutternamen giebt,
Du nahtest jugendlich dem Jüngling mit Vertrauen
Und hast im Vater stets auch seinen Sohn geliebt.
O möchtest du auch hier dein Kind noch glücklich schauen,
Das Freude nur begehrt, weil dich sein Schmerz betrübt!
O möchte künftig nie dein feuchter Blick mich fragen:
Was drückt dein Herz, was säumst du mir's zu klagen?
 
8.
Wohlan, so laß mein letztes Schwanenlied,
Noch einmal laut die kühnen Töne schallen!
Die Sonne steigt, der frische Morgen blüht,
Und herrlich schmückt das Licht die blauen Hallen.
Horch, wie der Siegesklang durch stille Lüfte zieht!
Wie bunt die Fahnen rings im grünen Thale wallen!
Schon zieht zum heil'gen Herd in freud'ger Siegespracht
Die Heldenbraut empor, die Gottes Werk vollbracht.
 
9.
Denn als sie jüngst von ihrem Freund geschieden,
Und Adalbert ihr fromm Gebet erfüllt,
Da hatte bald zum letzten Mal hienieden
Der weiche Schlaf ihr müdes Haupt umhüllt.
Und als sie lächelnd lag im träumerischen Frieden,
In ihrer Glorie ein schlummernd Himmelsbild,
Da war auf goldner Lüfte Wiegen
Die Mutter Adalberts zu ihr hinabgestiegen.
 
10.
Nicht war das holde Traumgesicht,
Das ihr schon einst erschien, aus ihrem Geist verschwunden;
Jetzt naht' es abermals, verklärt von hellerm Licht,
Kein Wölkchen wurde mehr in ihrem Blick gefunden.
Hell hob Cäcilie das Aug' und zagte nicht,
Sie hatte treu gekämpft und siegreich überwunden.
Demüthig neigte sich vor Gottes reiner Braut
Die glänzende Gestalt und sprach mit süßem Laut:
 
11.
So wird sich dir der sel'ge Himmel neigen,
Wenn du empor in deine Heimath ziehst.
Schon schmückt sich deine Bahn mit lichten Palmenzweigen,
Schon schallt das Siegeslied, das freudig dich begrüßt.
Wohl bist du längst der Erde nicht mehr eigen,
Seit dieser Strahlenkranz um deine Stirn entsprießt;
Doch sollst du eine That hienieden noch vollbringen,
Dann magst du dich empor, du lichter Engel, schwingen.
 
12.
Fern hält vom Lager jetzt den Helden Gottes Rath,
Nicht seine Locken soll der Kranz des Sieges zieren;
Nicht darf die Hand, die jüngst so kühn sich dir genaht,
Die keusche Rose mehr, des Herrn Geschenk, berühren.
Der reinen Jungfrau nur gebührt die reine That;
Was keine Kraft errang, soll schwache Hand vollführen.
Wenn deinen gläub'gen Sieg die heil'ge Blume krönt,
Dann ist mit ihm und mir der Himmel ausgesöhnt.
 
13.
Wohlan, so eile jetzt vom Schlaf dich zu erheben,
Erwecke kühn zum letzten Streit das Heer!
Dir hat der Herr sein leuchtend Schwert gegeben,
Nicht bist du jetzt die schwache Jungfrau mehr.
Wohin du nahst, wird auch sein Engel schweben,
Sein Schimmer ist dein Helm, sein Arm ist deine Wehr,
Vor deiner Stimme Ruf, vor deiner Fahne Wallen
Wird Odin's Schaar entfliehn und Zinn' und Mauer fallen.
 
14.
So spricht das Bild und hebt sich und entflieht.
Nicht länger hält der Schlaf Cäcilien umfangen;
Und wie sie wachend noch den fliehnden Engel sieht
Und noch die Worte hört, die leis' um sie erklangen,
Da staunt und schwankt sie nicht, ein freud'ger Muth entglüht
In ihrer zarten Brust und leuchtet auf den Wangen.
Und als sie jetzt so kühn dem Lager sich entrafft,
Da fühlt sie tief, der Glaube sey die Kraft.
 
15.
So blickte lang mit zweifelhaftem Zagen
Vom Felsennest der junge Aar in's Thal,
Noch zittert er den ersten Flug zu wagen,
Dann folgt er bang der raschen Brüder Zahl;
Doch als so leicht die hohen Lüft' ihn tragen,
Und frei die Schwing' ihn hebt zum lichten Sonnenstrahl,
Da spielt er auf der Bahn, wovor er jüngst sich scheute,
Und wendet kühner schon den hellen Blick nach Beute.
 
16.
Indeß versammelt sich in früher Dämmrungszeit,
Als kaum vom Morgenschein sich fern die Wolken röthen,
Wie Adalbert gebot, das deutsche Heer zum Streit:
Rings rasselt Waffenlärm, laut schmettern die Trompeten,
Um seine Banner ist schon jedes Volk gereiht,
Schon ist ein jeder Fürst vor seine Schaar getreten,
Fest steht und ernst das Heer in kühner Waffenpracht,
Doch wiehernd steigt das Roß und wittert schon die Schlacht.
 
17.
Als Jeder nun zum frühen Kampf bereitet
Im Gliede harrt und staunt, daß noch der Feldherr weilt,
Und Biarko, dem die Zeit zu träge längst entgleitet,
Mit hast'gem Schritte schon zum Zelt des Freundes eilt,
Da wandelt, wie der Strahl, der mit dem Nebel streitet
Und jetzt mit ihr zugleich die bleiche Dämmrung theilt,
Mit ernstem Blick und feierlichem Schritte
Cäcilie daher und naht des Heeres Mitte.
 
18.
Ein scharfes Schwert trägt ihre zarte Hand,
Das weit umher die raschen Blitze sendet;
Zum Himmel ist ihr stiller Blick gewandt,
Sie weiß, dort wohnt die Kraft, die antreibt und vollendet;
Und heller ist der Schein um ihre Stirn entbrannt,
Der mit gewalt'gem Licht des Menschen Auge blendet;
Das reiche Lockenhaar, die seidne Hüll' umwallt
In muth'ger Winde Spiel die leuchtende Gestalt.
 
19.
Gleich einer Lilie, die hoch und schlank entsproß,
Im frühen Sonnenstrahl, vom leisen Hauch bewegt,
Von hellem Silberglanz umflossen,
Auf ihrem keuschen Haupt die goldne Krone trägt,
So steht sie in dem Kreis, der staunend sie umschlossen;
Von frommer Sehnsucht ist ihr kühnes Herz erregt,
Ihr Auge gleicht dem Stern, in heller Röthe prangen
Von Schaam und Muth zugleich die jungfräulichen Wangen.
 
20.
Und wo im Rasengrün die Heeresfahnen stehn,
Da naht sie sich; hoch läßt sie in den Winden,
Der Erd' entrafft, das Banner Gottes wehn,
Von ihren Strahlen scheint das Kreuz sich zu entzünden.
So ließen Engel einst an Christi Grab sich sehn,
Das auferstandne Heil den Menschen zu verkünden.
Man hört, daß Gottes Geist um ihre Lippen wallt,
Als so mit ernstem Klang ihr kühnes Wort erschallt:
 
21.
.Du Volk des Herrn, ihr auserlesnen Schaaren,
Die sein Gebot versammelt und belebt,
Schon habt ihr jüngst des Himmels Huld erfahren,
Als euch der Trug der Hölle frech umschwebt.
Jetzt will noch herrlicher sein Rath sich offenbaren,
Der stolze Häupter beugt und schwache hoch erhebt:
Nicht sollen Zorn und Kraft, nicht scharfe Schwerterklingen,
Nur frommer Glaube soll jetzt diesen Streit vollbringen.
 
22.
Dem Fürsten euers Heers hat Gott den Sie versagt,
Jetzt ist zu mir sein Ruf herabgestiegen.
O spottet nicht der ruhmlos schwachen Magd,
Die nie das Schwert geführt in wilden Männerkriegen!
Nur der allein ist schwach, der an dem Herrn verzagt;
Wer Muth zum Sterben hat, der hat auch Kraft zum Siegen.
Der matte Funke selbst, der in der Asche schlief,
Entzündet Haid' und Wald, wenn Gottes Sturm ihn rief.
 
23.
Nicht treibt mich Durst nach irdisch eitler Ehre,
Zu seinem Ruhme nur hat mich der Herr gesandt.
Was frommt dem mächt'gen Gott das Schwert gewalt'ger Heere?
Ein Wink, ein Blick von ihm zertrümmert Stadt und Land.
Nur daß noch herrlicher sein Name sich verkläre,
Besiegt er jetzt den Feind durch einer Jungfrau Hand.
Was mir beschieden ist, kann Jeder mit erwerben:
Ein Kämpfen ohne Furcht, ein glorreich frommes Sterben.
 
24.
So ruft sie aus. Und als die Heeresmacht
Noch staunend steht, da hüllt der Himmelsbogen
In Wolken sich, in schwere Wetternacht,
Der Donner rollt, fern rauschen Wald und Wogen.
An Gottes Hügel ist Thorildens Sturm erwacht
Und hält den heil'gen Berg mit schwarzem Duft umzogen;
Doch heller leuchtet stets von sel'gem Strahlenlicht
Der Jungfrau klares Haupt, sie hebt das Schwert und spricht:
 
25.
Hört ihr den Herrn? Erkennt ihr seine Blitze,
Die er so hell von seinem Herde schickt?
Er selber steigt herab, er thront auf seinem Sitze,
Mit seiner Herrlichkeit, mit seiner Macht geschmückt.
Daß er sein treues Heer im letzten Kampfe schütze,
Hat seine Hand von dort ihr leuchtend Schwert gezückt.
Schon ruft er laut herab in Donnern und in Stürmen:
Was steht, was säumt mein Heer, das meine Hände schirmen?
 
26.
Wohlan, so zückt auch ihr das Schwert zum tapfern Streit!
Laßt laut zum Sturm die Feldposaunen schallen!
Seht, wie das Roß sich schon des nahen Kampfes freut,
Wie rasch die Fahnen schon dem Sieg entgegenwallen.
Wie stolz die Burg auch dort aus ihrem Dunkel dräut,
Mit uns ist Gott; wir nahn, und sie wird fallen.
Auf, kühnes Heer! Für Gott den tapfern Gang,
Mit Gott den Sieg, den Tod in Gott, bei Gott den Dank!
 
27.
So rief sie aus. Und wie mit leichten Schwingen
Die Geister, die der Frühling ausgesandt,
In jeden Keim belebend niederdringen
Und Blumen schon erziehn, noch eh der Schnee entschwand:
So flog durch's ganze Heer der Worte süßes Klingen,
Daß trotz Gebraus und Sturm sie jedes Ohr verstand.
Ein lautes Jauchzen tönt, tief neigt dem lichten Bilde
Ein jedes Banner sich, hell schallt das Schwert am Schilde.
 
28.
Da naht ihr Gormo's Sohn mit seiner holden Braut.
Nicht wagen sie's, den Blick auf ihr Gesicht zu wenden;
Wie mild ihr Antlitz auch auf ihre Lieben schaut,
Kein Auge trägt den Glanz, den ihre Strahlen senden.
Und Biarko kniet vor ihr mit frommgefaltnen Händen
Und spricht: Dir sey mein Volk und dir mein Recht vertraut!
Wer du auch seyst, nicht wag' ich's, dich zu nennen,
Sey auch noch dann uns hold, wenn uns die Welten trennen!
 
29.
So spricht der Held, doch scheu steht Adelheid
Und senkt den Blick und schweigt im heil'gen Bangen.
Da naht Cäcilie, um vor dem letzten Streit
Noch einmal hold und treu die Theure zu umfangen.
Und hell verklären jetzt sich auch der Schwester Wangen,
Als ihr das lichte Bild den Kuß der Trennung beut.
Wie Herz und Herz in jenem Kuß sich grüßen,
Muß die Vereinigten ein Schimmer auch umfließen.
 
30.
So läßt vom hellen Thau erfüllt
Die blühnde Rose sich im Silberglanze blicken,
Und wechselnd muß der Thau mit Morgenroth sich schmücken,
Weil ihn der Purpurschein des zarten Kelchs umhüllt.
Doch nahst du, Adelheid, das Frühlingskind zu pflücken,
Und neigst zu seinem Glanz dein jungfräuliches Bild,
Doch kann das Herz nicht mehr die holden Schwestern trennen,
Und will die Rose dich, und dich die Rose nennen.
 
31.
O lebe wohl! so ruft mit leisem Ton
Cäcilie, leb wohl! wir müssen scheiden.
Der Himmel gab kein gleiches Loos uns Beiden,
Dir blüht schon hier das Glück, mein harrt erst dort der Lohn.
Für dich auch sterb' ich jetzt, drum laß ich dich mit Freuden,
Für Gott und dich zugleich erring' ich einen Thron.
Sey glücklich, denke mein! Dort von des Himmels Höhen
Wird auch auf dich mein Blick noch oft herniedersehen.
 
32.
So spricht sie sanft. Dann schwingt sie hoch das Schwert,
Die Banner regen sich, die Feldposaunen schallen,
Sie wandelt kühn voran, von Gottes Glanz verklärt,
Und läßt in hoher Luft die heil'ge Fahne wallen.
Wie nächtlich auch der Sturm die finstre Luft durchfährt,
Um sie ist Frühlingswehn, ihr Schimmer leuchtet Allen.
Schon hat das Heer die stolze Stadt umringt,
Um deren Zinnen noch die Nacht die Flügel schwingt.
 
33.
Der Heiden Wächter sehn der Christen kühn Beginnen,
Schnell künden sie die Noth, die Lethra's Burg bedräut.
Laut um die Veste schallt's, und laut erschallt es drinnen:
Es naht der Feind! Auf, Helden, auf zum Streit!
Schon füllt die Mauer sich, schon steht auf allen Zinnen
Geschütz und Heer zum Widerstand bereit;
Noch Keiner weiß, daß Skiold die Stadt verlassen,
Und fruchtlos sucht man ihn in Tempeln, Burg und Gassen.
 
34.
Doch als die Boten jetzt, die Harald ausgesandt,
Umsonst nach seiner Spur die weite Stadt durchlaufen,
Da ordnet Rolf, der Greis, und Biorn, der zornentbrannt
Den Freund zu rächen strebt, die raschvereinten Haufen.
Hoch schwingt der König auch den Speer in starker Hand
Und denkt für theuern Preis sein Leben zu verkaufen.
Kühn harrt die Schaar des Kampfs, und auf der Mauer Höhn
Scheint eine zweite jetzt aus blankem Stahl zu stehn.
 
35.
Und als die Christen kaum die ersten Höhn erstiegen,
Da braucht der Feind der Waffen trotz'ge Kraft:
Die Schleuder ächzt, Geschoß und Steine fliegen,
Hell pfeift der Speer, dumpf saust der glühnde Schaft.
Der muß dem heißen Strom und Der dem Schutt erliegen,
Der wird vom jähen Sturz des Balkens fortgerafft,
Gewalt'ge Haken drohn, und Sichelwagen fahren
Zerschneidend, wo sie nahn, und rasselnd durch die Schaaren.
 
36.
Aus allen Thürmen läßt der Schützen kühne Zahl
Mit spähndem Blick die raschen Pfeile schwirren,
Wie Hagel fliegt und fällt der leichtbeschwingte Stahl,
Und Helm und Schild beginnt mit hellem Klang zu klirren.
Nur selten täuscht das Ziel der Augen kluge Wahl,
Schon sieht man manches Roß des Reiters ledig irren,
Vergebens hält der Arm den breiten Schild gezückt,
Denn früher naht der Tod, als ihn das Aug' erblickt.
 
37.
Gewaltig hört man rings das Schlachtgeschrei ertönen,
Zum Himmel steigt Ruf, Drohung und Gebot,
Geheul und Hohn, Erkrachen, Rasseln, Dröhnen,
Hier jauchzt der Sieg, dort ächzt der blut'ge Tod.
Das grimme Toben scheint den Donner zu verhöhnen,
Der zürnend noch herab aus nahen Wolken droht;
Vergebens läßt der Sturm den mächt'gen Ruf erschallen,
In diesem Aufruhr muß sein lauter Grimm verhallen.
 
38.
Doch ohne Zagen geht das jungfräuliche Bild
Dem Heer vorauf und mahnt die Kampfgenossen.
Kein Helm bedeckt ihr Haupt, ihr Arm ist ohne Schild,
Nur zarte Seide hält die holde Brust umschlossen.
Vor ihr und hinter ihr deckt fruchtlos das Gefild
Mit schweren Steinen sich, mit Lanzen und Geschossen;
Des Himmels Hand schwebt schützend um ihr Haupt,
Dem Stein ist seine Last, dem Pfeil der Flug geraubt.
 
39.
Und wie die Braut, die aus den Väterhallen
Im festlichen Geleit dem Freund entgegenzieht,
Um deren schlanken Leib die reichen Kleider wallen,
In deren Lockenhaar die holde Myrte blüht;
Der Fremdling selbst erkennt gar leicht sie unter Allen,
Die sinnend und verschämt in süßer Ahnung glüht:
So wandelt still und mild auf ihren blut'gen Wegen
Die freud'ge Siegerin dem schönen Ziel entgegen.
 
40.
Und muthig folgt die Schaar ihr nach:
Wie grimm die Noth auch sey, kein Herz beginnt zu zittern,
Fest schließt sich Schild an Schild, daß auf dem ehrnen Dach,
Das langsam näher rückt, Geschoß und Speer zersplittern,
Schon stürmt mit mächt'gem Stoß und Schlag
Der Widder Haupt heran, die Pforten zu erschüttern,
Indeß sich hier und dort die hohe Leiter hebt
Und an der Zinnen Kranz sich fest zu klammern strebt.
 
41.
Doch rüstig stehn die kühnen Heiden droben,
Zur Waffe wird, was nur der Hand sich beut:
Den sieht man wild mit schweren Stangen toben,
Der schwingt den Karst, die Sichel Der zum Streit,
Der hat das scharfe Beil und Der die Kolb' erhoben,
Der hält zum glühnden Wurf den rothen Brand bereit;
Manch drohend Sturmgeräth entbrennt in raschen Flammen,
Und manche Leiter kracht mit ihrer Last zusammen.
 
42.
Auch fahren oft, von mächt'ger Kunst geschickt,
Zum Christenheer gewalt'ge Schlingen nieder,
Und wenn sie rasch des Feindes Haupt und Glieder
Den Schlangen gleich mit festem Band umstrickt,
Dann heben sie mit ihrer Last sich wieder,
Wie durch die Luft den Fisch die Angelruth' entrückt,
Und rasselnd stürzt ihr Raub, vom Leben schon verlassen,
Weit über Zinn' und Thurm geschleudert, auf die Gassen.
 
43.
Doch wo ob Lethra's festem Thor
Vom höchsten Mauerthurm die Feinde niederschauen,
Da treten aus dem Heer die Kühnsten jetzt hervor,
Um dort den steilen Pfad zum Siege sich zu bauen.
Die luft'ge Brücke steigt gewaltig schon empor,
Sie sinkt, fest haften schon der Haken ehrne Klauen;
Der Heide schwingt vergebens Beil und Schwert,
Weil hartes Erz die Sprossen rings bewehrt.
 
44.
Und wie am Fels empor, wenn von des Himmels Hallen
Die Wolken fliehn, der Strahl mit leichten Schwingen schwebt,
So naht die Jungfrau jetzt und klimmt zuerst von Allen
Den hohen Pfad hinan, der steil zur Zinne strebt.
Weit sieht man durch die Luft ihr heil'ges Banner wallen,
Hell blitzt der scharfe Stahl, den hoch ihr Arm erhebt,
Lautjauchzend folgen ihr zum Siege die Genossen,
Schon beugen sich beschwert von ehrner Last die Sprossen.
 
45.
Von hohen Zinnen streckt umsonst der Heiden Zahl
Die langen Lanzen ihr, das breite Schwert entgegen,
Schon blendet ihren Blick der Jungfrau heil'ger Strahl,
Und wie im Wahnsinn scheint ihr Arm sich zu bewegen,
Bezaubert wenden sie schon auf sich selbst den Stahl,
Und blutend sinkt der Freund von seines Freundes Schlägen,
Schon faßt Cäcilie den Zinnenkranz am Thurm
Und ruft ihr Volk siegprangend nach zum Sturm.
 
46.
Und wie, wenn früh das Licht am Himmel aufgegangen
Und trüber Nebel noch im niedern Thale graut,
Vom ersten Strahl verklärt, mit feierlichem Prangen
Des Kreuzes goldne Zier vom hohen Dome schaut:
So steht verherrlicht jetzt, mit morgenhellen Wangen,
Hoch auf der Zinne Kranz die heil'ge Gottesbraut
Und läßt zum Christenheer von ihren Siegeshöhen
Das wallende Panier in stillen Lüften wehen.
 
47.
Denn sieh, sobald ihr Fuß das kühne Ziel erreicht,
Da scheint der Himmel auch die Siegerin zu ehren:
Es bricht die Nacht, des Donners Zürnen schweigt,
Gewölk und Wettersturm entfliehn zu fernen Meeren,
Blau glänzt die stille Luft, die heil'ge Sonne steigt
Aus fliehndem Duft empor, die Jungfrau zu verklären;
Wohl scheint's, als ziehe jetzt mit glänzendem Gewand
Des Himmels milder Herr in sein erkämpftes Land.
 
48.
Und rasch wird jetzt im muthigen Vereine
Mit kühnerm Kampf ein jeder Thurm berannt:
Schon treiben Adelhelm und Guelf, der Graf vom Rheine,
Den fliehnden Feind herab von hoher Mauerwand.
Und Archimbald zersprengt mit einem mächt'gen Steine
Das Thor, das früher kaum dem Widder widerstand.
Lautjubelnd bricht durch's innre Pfortengitter
Dem kühnen Greise nach die Schaar der tapfern Ritter.
 
49.
Und wie im Sturm, wenn schon den hohen Mast
Der Blitz zerschlug, und Bord und Stangen brennen,
Mit Wehgeschrei in wildverwirrter Hast
Bald hier bald dort die bangen Schiffer rennen;
Der eilt mit scharfer Axt des Bootes Tau zu trennen,
Indeß den Balken Der und Der das Bret umfaßt;
Doch Andre sitzen still und sehn mit starrem Zagen
Die mächt'gen Wellen nahn, die fort in's Meer sie tragen.
 
50.
So tobt durch Lethra jetzt Verwirrung, Flucht und Graun.
Die Heiden fliehn, hier einzeln, dort in Schaaren,
Hier irren Greis' umher und Kinder dort und Fraun
Mit flatterndem Gewand und weitzerstreuten Haaren;
Der sucht durch flücht'gen Lauf sein Leben zu bewahren,
Doch Der will lebend nicht den Fall der Götter schaun
Und wartet still am alten Väterherde,
Zum Tode kühn, welch Schwert ihn treffen werde.
 
51.
Stumm neigt sich manche Braut auf ihren bleichen Freund,
Bis im gewalt'gen Schmerz auch ihr die Augen brechen,
Und mancher Vater stürzt, des Sohnes Tod zu rächen,
Mit alterschwachem Arm sich zürnend in den Feind,
Und manche Gattin droht, den Busen zu durchstechen,
An welchem kläglich noch ihr holder Säugling weint;
Und während Die dem Feind mit reicher Last entspringen,
Eilt Der auf Hab' und Gut den glühnden Brand zu schwingen.
 
52.
Durch alle Gassen zieht lautrasselnd Mann und Roß,
Die Christenfahne weht schon hoch von allen Thürmen,
Ein Theil der Heiden flieht empor in's feste Schloß,
Das nun allein umsonst die Feinde noch bestürmen.
Doch Biorn, der Fühne, wirft mit einem tapfern Troß
In Odin's Tempel sich, das heil'ge Pfand zu schirmen.
Rasch folgt ihm Archimbald mit hocherhobnem Schwert,
Nur ihn noch achtet er des kühnen Kampfes werth.
 
53.
Indessen war auf Lethra's andrer Seite,
Wo stolz vom Fels mit unbezwungner Macht
Die feste Burg des Königs niederdräute,
Noch nicht sobald der ernste Kampf vollbracht.
Dort zog mit Gormo's Sohn sein tapferes Geleite,
Vinzenz und Friedebert und Edelrad, zur Schlacht,
Indeß des nahnden Heers auf Mauern und auf Warten
Um Rolf und Harald rings viel starke Krieger harrten.
 
54.
Doch als nun Gormo's Sohn, nach langem Widerstand,
Vom äußern Mauerkreis die Heidenschaar vertrieben
Und jetzt, von wildem Zorn entbrannt,
Die erste Pforte sprengt mit mächt'gen Kolbenhieben,
Da wird er grimmiglich von Harald angerannt,
Der mit der kühnsten Schaar im innern Hof geblieben;
Hoch hebt der alte Fürst des Schildes breite Wehr
Und zückt mit starker Hand den ungeheuern Speer.
 
55.
So stürmt er wild von jenen breiten Stiegen,
Worauf die deutsche Schaar die Veste jetzt ersteigt.
Viel lieber will er hier vor seiner Burg erliegen,
Eh' er dem bittern Feind nur eine Spanne weicht.
Und sausend läßt er jetzt die mächt'ge Lanze fliegen,
Indeß sich Biarko schnell dem nahnden Wurfe beugt;
Sie stürmt vorbei, um an des Sieges Thoren
Den tapfern Grafen noch von Habsburg zu durchbohren.
 
56.
Da schwingt im Zorne Gormo's Sohn
Die Kolb', er springt hinan, sein Auge blitzt Verderben.
Nimm, ruft er laut, nimm, Räuber, hier den Lohn,
Daß meine Hände jetzt mit Dänenblut sich färben!
Schon lange sucht' ich dich. Nicht gilt's mehr um den Thron,
Um's Leben gilt's; ich oder du sollst sterben!
So ruft er aus und trifft mit eisernem Gewicht
Des Königs stolzes Haupt, daß Helm und Krone bricht.
 
57.
Und als nun Der, vom harten Schlag erschüttert,
Mit hocherhobnem Schild das wunde Haupt bewehrt,
Da zieht sein Feind, vom langem Groll erbittert,
Mit rascher Hand sein scharfgeschliffnes Schwert
Und treibt's ihm in die Brust, daß rings der Panzer splittert
Und aus dem Rücken ihm die blut'ge Spitze fährt.
Der König ächzt und schwankt und streckt die Riesenglieder,
Im Tode trotzig noch, vor seiner Pforte nieder.
 
58.
Und mit dem kühnen Herrscher fällt
Auch seiner Schaar der Muth, sie rettet sich nach innen.
Das ehrne Gitter sinkt; vergebens sucht der Held
Zugleich mit seinem Feind die Pforte zu gewinnen,
Schon ist mit raschem Schwung die Brück' emporgeschnellt,
Und Balken stürzen rings und Steine von den Zinnen.
Der Fels, der, rauh und schroff, nur schmale Pfade beut,
Verzögert hier und hindert dort den Streit.
 
59.
Indessen naht mit seinen Kampfgenossen
Graf Archimbald sich schon des Tempels Thor,
Da prasselt eine Saat von flammenden Geschossen,
Die Biorno's Schaar gesandt aus Odin's Haus hervor.
Ein wild Getös erhebt sich von den scheuen Rossen,
Und manches prallt zurück, und manches steigt empor;
Doch mit dem Grafen stürzt, verschüchtert von den Flammen
Und tief vom Stahl durchbohrt, sein edles Thier zusammen.
 
60.
Kaum nimmt der Dänenheld den Sturz des Feindes wahr,
Da wird zu kühner That sein zürnend Herz entzündet,
Rasch bricht er aus dem Thor mit seiner tapfern Schaar
Und eilt dem Greise zu, der unter'm Roß sich windet.
Dir, Torkill, ruft er aus, bring' ich dies Opfer dar;
So bleibt im Tode noch mein Arm dir treu verbündet.
Er spricht's und setzt den Fuß auf seines Feindes Brust
Und schwingt die Schneide schon in rächerischer Lust.
 
61.
Da eilt nach manchen kühnen Siegen
Cäcilie daher, von freud'gem Volk umringt;
Sie sieht den tapfern Greis betäubt am Boden liegen,
Schon sieht sie, wie der Feind das Schwert um's Haupt ihm schwingt.
Und wie, wenn fern herab des Himmels Blitze fliegen,
Der starke Fels zerbricht, die hohe Fichte sinkt,
So zittert, wie sie naht, mit bleichem Angesichte
Der Jüngling in den Staub vor ihrem sel'gen Lichte.
 
62.
Erschrocken fliehn die Dänen fort,
Als wolle Jeden schon der heil'ge Strahl verzehren.
Und rasch vertheilen sich die Sieger hier und dort,
Mit blankem Schwert die Flucht dem bangen Volk zu wehren.
Doch sieh, Cäcilie hält jetzt vom blut'gen Mord
Die Zürnenden zurück, die ihr Gebot verehren;
Dann naht sie Biorn und setzt mit kühner Hand
Das scharfe Schwert ihm an des Gitters Rand.
 
63.
Du wolltest mir ein theures Leben rauben,
So spricht sie ernst, jetzt ist dein Leben mein.
Wohl mag dein Wahn die Rache dir erlauben
Und sich am Blut hülfloser Feinde freun;
Doch meine Seele hängt an einem schönern Glauben,
Der mich Versöhnung lehrt und Frieden und Verzeihn.
Dein Gott hat schutzlos dich in meine Hand gegeben –
Steh auf und zage nicht! dir schützt mein Gott das Leben.
 
64.
Sie spricht's, und scheues Staunen füllt
Des Jünglings Herz, er beugt dem sel'gen Scheine
Der Jungfrau sich und spricht: Wie ist dein Gott so mild,
Und doch viel mächtiger, viel kühner, als der meine!
O bete du für mich, du klares Himmelsbild,
Daß einst auch meinem Blick sein gnäd'ges Licht erscheine!
So ruft er sanft, dann hebt er schnell versöhnt
Den edlen Greis empor, der unter'm Rosse stöhnt.
 
65.
Allein Cäcilie ersteigt mit kühnen Schritten
Den Tempel jetzt, das Ziel der tapfern Bahn,
Der Himmel siegt, das Kleinod ist erstritten,
Vernichtet ist der menschlich blinde Wahn.
Sie, die für Gott so lang, so treu gelitten,
Soll freudig jetzt den großen Lohn empfahn.
Schon tritt sie in den Dom, gleich einem hellen Sterne,
Demüthig folgt die Schaar in ehrerbiet'ger Ferne
 
66.
Und als nun jetzt, auf goldnem Herd erhöht,
Vom Morgenglanz des zarten Kelchs umgeben,
Vor ihrem Blick die heil'ge Rose steht,
In hoher Pracht, in ewig blühndem Leben,
Und als der süße Duft ihr leis' entgegenweht,
Gleich Schwingen, die schon jetzt zum Himmel sie erheben,
Da legt sie tiefbewegt das Schwert zu Boden hin
Und kniet vor Gott und spricht mit frommem Sinn:
 
67.
Du, der auch hier in oft entweihten Wänden
Mein Haupt umschwebt und meine Stimme hört,
Gewalt'ger Gott, der, um sein Werk zu enden,
Mit seiner Kraft sein schwaches Kind bewehrt!
Hier leg' ich jetzt mit demuthsvollen Händen
Vor deinen Thron dies unbefleckte Schwert,
Um freudig dann, mein Vater, dieses Leben,
Das deine Huld geehrt, in deine Hand zu geben.
 
68.
O du, so reich an Schonung und Verzeihn,
Der nur der Schwäche zürnt, doch mild den Schwachen richtet!
Nicht steh' auch ich vor dir von allem Tadel rein,
Und was ich Gutes that, hast du durch mich verrichtet.
O laß, Allgütiger, was ich gefehlt, vernichtet,
Was ich im Wahn geirrt, das laß vergessen seyn!
O laß auch Die dein ew'ges Heil erwerben,
Die nichts für dich gekonnt, als glauben, hoffen, sterben!
 
69.
So betet sie, dann steigt sie still und kühn
Zum Herd empor und thut des Himmels Willen.
Ein lindes Zittern scheint durch ihre Brust zu ziehn,
Ein lieblich kühler Hauch die Adern ihr zu füllen.
Doch schöner nur beginnt ihr keusches Bild zu blühn,
Man sieht ein zartres Roth die helle Wang' umhüllen;
Der Tod, der leise schon im Herzen ihr erwacht,
Hat, ihr verklärtes Bild zu trüben, keine Macht.
 
70.
Und als sie jetzt mit seligem Gemüthe,
Demüthig mild und dennoch kühn und klar,
In ihrer Hand die heil'ge Purpurblüthe,
So hoch und leuchtend steht am goldenen Altar,
Da wähnt das Volk, ein lichter Engel biete
Ihm Segen jetzt und Heil und Frieden dar,
Und Jeder kniet und preist den Herrn mit frommem Schweigen,
Daß er auch ihn erkor, dies Wunder ihm zu zeigen.
 
71.
Ja, dankt dem Herrn! so spricht mit süßem Ton
Die Heil'ge jetzt, schön ist sein Werk gelungen:
Gegründet steht auch hier sein milder Thron,
Auch hieher ist sein sel'ges Licht gedrungen;
Ein treues Band umschlingt, ein Wille leitet schon
Die Völker, die verwandt aus einem Stamm entsprungen;
Nicht fällt der Bruder mehr durch seines Bruders Schwert,
Und Allen hat ein Gott, ein Himmel sich verklärt.
 
72.
So ruft sie aus. Dann steigt sie sanft hernieder;
Schnell öffnet rings das Volk ihr eine Bahn;
Sie wallt hindurch, nicht scheinen ihre Glieder
Dem niedern Staub der Erde mehr zu nahn.
So gleitet sanft mit silbernem Gefieder
Durch leichtgetheilte Fluth der träumerische Schwan;
Ihn, der die Welle jetzt mit süßen Todesklagen
Durchflötet, scheint von selbst der leise Strom zu tragen.
 
73.
Jetzt sieht man sie mit ihrer Schaar vereint
Den steilen Pfad zum hohen Schloß ersteigen.
Im Frieden ruht die Stadt, rings müssen Freund und Feind,
Von Gottes Kraft besiegt, vor ihrem Bild sich neigen.
Und als sie vor dem Thor der stolzen Burg erscheint,
Beginnt auch dort der Lärm der Kämpfenden zu schweigen,
Hoch bleibt der Arm gezückt, der kaum den Speer gesandt,
Das Schwert erstarrt im Flug, am Bogen ruht die Hand.
 
74.
Und als die Heiden jetzt von ihrer hohen Zinne
Die Jungfrau sehn, die hell von goldnem Licht
Sich prangend naht mit ihrem Kampfgewinne,
Bei dessen Raub auch Odin's Scepter bricht,
Da werden sie die Macht des ew'gen Gottes inne,
Und reuig neigen sie das stolze Herz der Pflicht,
Schon lassen sie von ihrer Veste Höhen
Vor Gormo's Sohn die Friedensfahne wehen.
 
75.
Dann öffnet sich der Burg gewölbtes Thor,
Und waffenlos, mit flehender Geberde,
Tritt mit den Edelsten der alte Rolf hervor
Und beugt vor seinem Herrn sein zitternd Knie zur Erde.
Dicht drängt das Volk ihm nach und hebt die Hand' empor
Und fleht mit lautem Ruf, daß Fried' und Huld ihm werde.
Doch mild erhebt der edle Königssohn
Den ritterlichen Greis und spricht mit gnäd'gem Ton:
 
76.
Nicht kanntet ihr, den ihr vom Thron vertrieben,
Nicht kanntet ihr, den ihr zum Herrn erhobt;
Erkennt mich jetzt, lernt Dessen Milde lieben,
Deß starken Arm ihr früher schon erprobt,
Und bleibt so treu mir stets, wie ihr es Dem geblieben,
Um dessen kühnen Schutz sein Gegner selbst euch lobt.
So spricht er sanft und läßt mit gnäd'gem Winken,
Zum Zeichen seiner Huld, die Lanze niedersinken.
 
77.
Schon ist Cäcilie indeß in's Schloß geeilt,
Wo, jüngst in harter Schlacht gefangen,
Der treue Sänger noch im tiefen Kerker weilt.
Er, der im bittern Schmerz so fest ihr angehangen,
Soll durch sie selber jetzt den süßen Trost empfangen,
Wie gnädig Leid und Lust der milde Gott vertheilt.
Ach sie, um die sein Herz so manche Noth bestanden,
Sie löst mit eigner Hand jetzt ihres Freundes Banden.
 
78.
Er ruhte still bei schwachem Lampenschein,
Der mühsam nur der Dämmrung widerstreitet;
Wie stumm die Nacht auch schlief, doch war er nicht allein,
Er dacht' auch jetzt an sie, die ewig ihn begleitet.
Da trat Cäcilie in ihrem Glanz herein,
Und durch die Hallen ward ein Rosenlicht verbreitet;
Süßlächelnd stand sie jetzt vor ihrem Freunde da,
Der still und friedlich ihr in's helle Auge sah.
 
79.
So oft er sonst mit träumendem Gemüthe
Ein zartes Lied ersann, die Liebste zu erhöhn,
Sah stets sein freud'ger Geist in dieser sel'gen Blüthe,
In diesem goldnen Licht ihr mildes Bild erstehn.
Die helle Glorie, die jetzt ihr Haupt umglühte,
Die hatt' er immer schon um ihre Stirn gesehn;
Des Himmels naher Glanz, wovor die Meng' erbebte,
Erschreckte Den nicht mehr, der stets im Himmel lebte.
 
80.
So schläft das zarte Kind, das an des Lebens Saum
Die Engel schon im leisen Schlummer grüßen,
Im Arm der Mutter ein, um bald nach kurzem Traum
In jener schönern Welt die Augen aufzuschließen;
Und als es dort erwacht, bemerkt's die Strahlen kaum,
Die um sein lächelnd Haupt, um seine Glieder fließen;
Gar friedlich schaut es auf und winkt mit kleiner Hand
Zum Spiel die Engel her, die es schon längst gekannt.
 
81.
Doch als sie jetzt von süßer Schaam befangen
Zu ihm sich neigt und seine Banden trennt,
Als lieblich jetzt um seine bleichen Wangen
Ihr leiser Athem weht, und hold ihr Mund ihn nennt,
Und als er jetzt das Bild, das sonst so schnell vergangen,
So freundlich weilen sieht, als er sie selbst erkennt,
Da neigt er still sein Haupt und ruht in sel'gen Thränen,
Indeß aus ihrem Mund ihm diese Wort' ertönen:
 
82.
Du treues Herz, o du mein trauter Freund,
Der mir so hold in jeder Noth geblieben,
Wohl hast du viel um mich gelitten und geweint,
Und ich, ich mußte selbst dich meiden und betrüben!
Doch jetzt, da leuchtend schon mir jene Welt erscheint,
Die nur in Liebe lebt, jetzt darf auch ich dich lieben.
Wer nur dem Herrn vertraut in Demuth und Geduld,
Dem zahlt das Leben einst auch hier noch seine Schuld.
 
83.
So spricht sie sanft, indeß von ihren Wangen
Die letzte Thräne rollt, die noch der Erde gilt.
Da fühlt er jeden Wunsch und jegliches Verlangen
Und jede Hoffnung selbst errungen und erfüllt.
Ihm bleibt die Liebe nur, die, aus sich selbst empfangen,
Nur nach sich selbst verlangt, nur durch sich selbst sich stillt.
Mag lang' uns auch des Zufalls Spott verhöhnen,
Oft kann ein Augenblick ein ganz Geschick versöhnen.

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