Thekla Schneider
Schloß Meersburg am Bodensee
Thekla Schneider

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Vor den Toren der Ewigkeit

Das Sterbezimmer der Dichterin.

Am 10. April 1848, dem Geburtstag von Herrn von Laßberg, schickte ihm Annette, da sie wegen heftigem Husten das Zimmer nicht verlassen konnte, ein Glöckchen mit folgendem poetischen Gruß:

»Grad' heute, wo ich gar zu gern
Dir hätt' ein herzlich Wort gesagt,
Grad' heute hat mein böser Stern
Mit argem Husten mich geplagt;
Doch wär' ich wohl hinaufgeklommen,
Wär' nicht mein Schwesterlein gekommen
Und hätt' es ernst mir untersagt.

Was send' ich meinem Gruße nach?
Ein buntes Glöckchen arm und klein;
Wohl ist sein Stimmchen zart und schwach.
Doch ist es silberhell und rein;
Und wo du läßt es klingend rauschen.
Da wird das Ohr der Liebe lauschen
Und glaub' es mir, das hört gar fein!«

Am 21. Mai unterhielt sich Annette heiter mit der Fürstin Salm, welche gekommen war, sie zu besuchen, in der folgenden Nacht gegen 3 Uhr stellte sich aber ein heftiger Bluthusten ein, so daß Annette die Jungfer wecken mußte, welche im Nebenzimmer schlief; auch ließ sie den Arzt rufen, der eben als Gast im Schlosse weilte, erlaubte aber durchaus nicht, daß man die Schwester beunruhige. So erfuhr Frau von Laßberg erst am anderen Morgen davon.

Das Befinden besserte sich in den folgenden Tagen und gab zu keiner Besorgnis Anlaß. Am 24. Mai 1848, nachdem sie in der Nacht vorher gut geschlafen, fühlte sie sich wohler als seit Wochen und atmete auch leichter. Frau von Laßberg brachte wie gewöhnlich den Vormittag bei ihr zu, damit beschäftigt, eine angefangene Malerei, ein Blumenstück, zu vollenden. Die Kranke bewunderte das kleine Kunstwerk und hatte ihre Freude daran.

Dann ging die Schwester weg, schickte aber alsbald ihr Töchterchen Hildegunde hinunter mit einer Milchspeise. Kaum hatte Annette davon genommen, als sie zu husten anfing und zugleich bemerkte, daß sie Blut im Munde habe, weshalb sie die Nichte bat, den Arzt zu rufen. Das Kind eilte erschreckt von dannen; als aber der Doktor mit Frau von Laßberg und Hildegunde ins Zimmer trat, fanden sie Annette tot auf ihrem Lager.

Herr von Laßberg, der sonst immer die Selbstbeherrschung zu bewahren wußte, sank fast zurück und mußte sich am Tische halten, als man ihm die Nachricht brachte. Groß war die Trauer im Schloß und in der ganzen Stadt, in der sich die Kunde wie ein Lauffeuer verbreitete.

In einem weißen Kleid von Frau von Laßberg wurde die Leiche in den Sarg gelegt und weiße Rosen ihr in die Hand gegeben, die am Morgen ihres Todestages, vor ihren Zimmern an der Mauer, aufgeblüht waren.

Am 27. Mai – es war ein wunderschöner Tag – wurde Annette zur Erde bestattet, schlicht und einfach ohne jegliches Aufsehen. Nur die Natur hatte sich in ihren schönsten Schmuck gekleidet. An blühenden Hängen und Gärten vorüber, trug man den Sarg nach dem Friedhof. Der Freiherr folgte der Bahre mit seinem Sohn aus erster Ehe, der gerade auf Besuch weilte.

Einige nahe Freunde aus der Umgebung waren gekommen, um der Verewigten das Geleite zu geben, und viele Bewohner des Städtchens, zumeist einfache Leute, schlossen sich dem Trauerzuge an.

An der Friedhofmauer war das Grab bereitet, in dem Dekan Hain, Annettens Freund und Berater, sie zur letzten Ruhe bettete. Auch er schlummert jetzt, nicht ferne von ihr, auf demselben Friedhof dem großen Auferstehungsmorgen entgegen.

Viele Tränen wurden der Heimgegangenen nachgeweint, obgleich sie kurz vor ihrem Tode gesagt hatte:

»Geliebte, wenn mein Geist geschieden.
So weint mir keine Träne nach.
Denn, wo ich weile, dort ist Frieden,
Dort leuchtet mir ein ew'ger Tag.«

Auf den Totenbildchen, welche zum Angedenken an sie gedruckt und ausgeteilt wurden, heißt es:

»Ihr Tod war die Folge langjähriger, mit großer Geduld ertragener chronischer Leiden, denen ein Herzschlag auf dem Schlosse Meersburg, wo sie sich zum Besuch bei ihrer Schwester befand, unerwartet ein Ende machte. Sie war stets eine liebevolle, gehorsame Tochter und treue Schwester, und ihre Anhänglichkeit für die Ihrigen kannte keine Grenzen; aber sie war auch voll Erbarmen und Mitleid gegen ihre leidenden Nebenmenschen, die ihr Herz alle mit gleicher Liebe umfaßte. Von Gott mit großen Talenten und namentlich mit der schönen Dichtkunst ausgestattet, war ihr Streben stets dahin gerichtet, diese Gabe nur zu seiner Ehre zu gebrauchen. Deshalb durchdringt auch der Hauch wahrer Gottesfurcht alle ihre Schriften und es ist kein Wort in ihnen enthalten, welches Ärgernis geben könnte. Hoffen wir deshalb, daß der Herr der Welten an jenem großen Tag zu ihr sprechen werde:

»Weil du über wenigem getreu gewesen,
So will ich dich über vieles setzen, gehe ein
In die Freuden deines Herrn.«

Doch, wer ist rein vor dem Angesichte Gottes! Darum laßt uns die Pflicht der Liebe erfüllen und der Verstorbenen in unserem Gebete eingedenk sein.«

Frau von Laßberg war am Nachmittag des Begräbnisses mit den Kindern nach Herrschberg gefahren, um die Stunde in stiller Trauer mit der Fürstin Salm zusammen zu sein. Es war dieses nichts Außergewöhnliches, sondern lag in den Gepflogenheiten der damaligen Zeit.


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