Maximilian Schmidt
Glasmacherleut'
Maximilian Schmidt

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IX.

Das Eldorado der Glasmacher im bayerischen Walde ist die freundliche Umgebung des am Vereinigungspunkt des großen und kleinen Regens schön gelegenen Marktes Zwiesel, wo der König des Waldes, der doppelköpfige Arber, der mit Urwald bedeckte Falkenstein, der sagenreiche Rachel und der von letzterem ausgehende Rinchnacher Hochwald einen allseitig von Bergen umschlossenen, anderthalb Stunden breiten und zwei Stunden langen Kessel, »Zwiesler Winkel« genannt, bilden, welcher von vielen Bächen durchflossen, durch Hügel unterbrochen und mit seinen abwechselnden Nadel- und Laubwäldern, Wiesen, Feldern und Ortschaften ein äußerst freundliches Bild und eine der reizendsten Gegenden des Bayerwaldes darbietet. Der Böhmerweg, welchen schon im elften Jahrhundert ein aus dem erlauchten Geschlechte der Landgrafen von Hessen entsprossener Einsiedler, Namens Günther, angelegt hatte, durchzieht gleich einem lichten Bande die schöne Landschaft und bildet die Verbindungsstraße mit dem nahen böhmischen Königreiche. Zu beiden Seiten desselben oder am Saume der nahen Hochwälder bezeichnen die rauchenden Schlote die zahlreichen Stätten des weltberühmten Waldfabrikates. Die bedeutenden Fabriken zu Theresienthal, Oberzwieselau, Ludwigsthal, Frauenau, Buchenau, Schachtenbach, Regenhütte, Lichtenthal &c. liegen hier in einem Umkreise von wenigen Meilen beisammen. – Die 116 Wohlhabenheit der Glasfürsten ist bekannt. Manche von ihnen besitzen viele Tausende Tagwerke eignen Forst und an den luftigen Säumen der Hochwälder haben sie sich schöne Herrenhäuser erbaut, deren wohnliche Räume alles enthalten, was zur Bequemlichkeit des Lebens gehört.

Die Perle unter diesen Landsitzen ist unstreitig die Villa des Herrn Wilhelm Steigerwald in Rabenstein, welche mit kunstsinniger Pracht eingerichtet und von einem dunkelschattigen, in einen wundervollen Park verwandelten Wald umgeben ist.

Wer kennt Herrn Steigerwald nicht schon dem Namen nach? Die Erzeugnisse seiner Fabrik sind weithin berühmt durch die Kunst, Eleganz und vollendete Schönheit der Formen und ihre auf den größeren Ausstellungen siegreiche Konkurrenz. Und welcher Besucher von Rabenstein wüßte nicht zu erzählen von der Liebenswürdigkeit seiner Besitzer, in deren Hause die Heimat der Gastfreundschaft und die Stätte häuslichen Glückes ist? Welcher Arme hätte jemals umsonst an die Thür von Rabenstein geklopft und welcher Arbeiter hätte nicht die Freundlichkeit und Güte dieses Hüttenherrn kennen gelernt? Herr Steigerwald war zur Zeit unserer Erzählung im schönsten Mannesalter; das Glück seines Lebens bildeten sein mit echt deutschen Tugenden ausgestattetes Weib, sein reizendes, noch in zartester Blüte stehendes Töchterlein und ein frischer, lebensfroher Knabe.

Die reiche Hüttenbesitzerin war ebenso tüchtig als Hausfrau, wie es Herr Steigerwald als Hüttenherr war. Sorgte dieser bis in das Kleinste und scheinbar Unbedeutendste in der großartigen Fabrik und vereinigten sich alle Zügel in seiner sicheren und unermüdeten Hand, so 117 suchte die erstere ihre schönste Bestimmung in der Pflege des Hauses, in der wahren Häuslichkeit und in der Erziehung ihrer Kinder; denn sie war eine jener deutschen Frauen, welche das Große und Ehrenvolle ihrer Bestimmung erkennen und mit Freude und Stolz sich derselben unterziehen. Eintracht und Liebe zauberten in diesem Hause den Himmel auf die Erde, weil man hier gewohnt war, im Häuslichen das wahre Glück zu finden.

Frau Steigerwald, welche vermöge ihrer glänzenden Verhältnisse mit prunkendem Schimmer sich umgeben konnte, fand die Hitze in der Küche und im Bügelzimmer nicht unerträglich, und gleich den ärmsten Weibern in der Umgegend saß sie in langen Winterabenden am schnurrenden Rade, und mit freudiger Genugthuung bereitete sie das aus ihrer Hand hervorgegangene Linnenzeug zum häuslichen Gebrauche.

Trotz der Abgeschiedenheit des Herrenhauses von den scheinbar unentbehrlichen Zerstreuungen der großen Welt gähnte nie kalte Langeweile in der Wohnung Steigerwalds; denn Vater, Mutter und Kinder waren durch herzliche, thätige Liebe innig verbunden und fühlten sich eben dadurch am glücklichsten in ihrem Kreise. Häusliche Stille und häusliches Glück – nichts Besseres bietet die Erde, und durch den Besitz dieser Güter, nicht durch den großen Reichtum, war die Familie Steigerwald eine der glücklichsten, aber auch eine der angesehensten im bayerischen Walde.

Die Glashütten Steigerwalds waren Schachtenbach und Regenhütte. Auf letzterer finden wir unsere Freunde, die beiden Schrenk wieder. Aus dem Vorbeschriebenen ist ersichtlich, daß Schrenk in Bezug auf die Hüttenherrschaft einen sehr vorteilhaften Tausch gemacht, und er 118 hatte in den fünf Vierteljahren, welche er sich bereits auf der Regenhütte befand, alle Ursache, mit seinen Dienstverhältnissen zufrieden zu sein.

Die Regenhütte befindet sich am südöstlichen Abhange des großen Arbers, fast an dessen Fuße, wo sich der große Regen in dem schmalen, von der Gebirgsmasse des Arbers und Falkensteins eingeschlossenen Gebirgsthale hindurchdrängt. Die Hütte ist von Waldwildnis rings umgeben. Wohin das Auge schweift, erblickt man nichts als Wald und wieder Wald, und eine feierliche Stille ist über dieses Meer von tannendunklen Forsten ausgebreitet. Nur in der Nähe der Hütte und in dieser selbst ist diese Stille unterbrochen, denn Hunderte von Leuten wohnen und arbeiten hier in dieser Abgeschiedenheit und bereiten, selbst entfremdet den bescheidensten Genüssen des Lebens, die bewunderungswürdigsten Gegenstände für den Luxus und die Freude der Großen in der Welt, welche den meisten Arbeitern nur dem Namen nach bekannt ist, weil sie selten hinausgekommen über die heimatlichen Berge, aber auch selten eine Sehnsucht darnach empfinden.

Wie erwähnt, waren jetzt hier auch die beiden Schrenk beschäftigt, der Vater als Obergeselle, der Sohn als Schürbube. Wir wissen aus dem Vorhergehenden, was diese Stellungen in der Hütte zu bedeuten haben, wir wissen, daß Schrenk in Pladls Hütte der geschickteste Arbeiter war, und dasselbe Urteil hatte er sich auch bald auf der Regenhütte erworben, weshalb ihm Herr Steigerwald die Stelle eines Obergesellen anvertraute, ein Amt, welches bei Schrenk in den besten Händen war.

Franz, der angehende Glasmacher, mußte sich, trotzdem es sein Vater hätte anders machen können, allen 119 Arbeiten eines Hüttenbuben unterziehen, und das waren oft harte und anstrengende Dinge. Anfangs mußte er das gespreiselte Holz auf den Horst, d. i. die Dörr-Vorrichtung ober den Glasöfen, oder zu diesen selbst schleppen und die Oefen schüren, eine Beschäftigung, welche Tag und Nacht ohne Unterbrechung stattzufinden hatte und welche daher von einer Person wohl nicht leicht verrichtet werden konnte. Es waren daher in der Regel zwei solcher Schürbuben in Thätigkeit, welche sich gegenseitig alle drei Stunden ablösten. In der Zwischenzeit ruhten sie aus, gingen in ihre Wohnung oder legten sich im Hüttenraum je nach der Jahreszeit an einem kühlen oder warmen Orte auf einen Bund Stroh nieder und gaben sich der willkommenen Ruhe und dem Schlummer hin, bis sie wieder zu ihrer anstrengenden Arbeit geweckt wurden. Franzl blieb auch während der Ablösung im Hüttengebäude; entweder sah er dem Vater bei der Arbeit zu, welcher ihm dabei allerlei Vorteile und Kunstgriffe anwies, oder er legte sich in der Nähe von dessen Arbeitsplatz auf eine Decke oder einen Bund Stroh und schlief in den wenigen ihm zur Erholung vergönnten Stunden.

Mit liebender Sorgfalt ruhten dann die Augen des Vaters auf dem friedlichen Gesichte des geliebten Knaben, dessen Nähe stets ein wohlthuendes und zufriedenes Gefühl auf ihn ausübte. Oft schmerzte es ihn zwar, wenn der süße Schlummer des Knaben mitten in der Nacht wieder unterbrochen werden, und er wieder seinen schweren Dienst verrichten mußte; aber der Alte suchte dieses Gefühl zu unterdrücken; denn ohne Abhärtung kann man es nie zu einem tüchtigen Glasmacher bringen und nur einen solchen wollte Schrenk aus Franz seiner Zeit machen. 120 Dadurch suchte er dem Sohne seine Liebe zu beweisen, daß er ihn mit Strenge anhielt, die niedrigste und anstrengendste Arbeit mit frohem Mute zu verrichten, und ihn an Entbehrungen gewöhnte; denn je weniger Bedürfnisse der Mensch habe, meinte er, desto weniger Ansprüche mache er an das Leben und desto glücklicher werde er sich nachher fühlen. So dachte der alte Schrenk und sein zufriedenes Gefühl sagte ihm, daß es schon das Rechte sei, so zu denken. Franz hatte zwar den Wunsch hie und da laut werden lassen, in seinen wenigen freien Stunden die Bücher zur Hand nehmen und lernen zu dürfen, aber der Vater erlaubte das in der ersten Zeit durchaus nicht. Wenn Körper und Geist zu gleicher Zeit angestrengt würden, sagte er, könne bei keinem etwas Ersprießliches erwartet werden. Wenn er einmal Gesell wäre, könne er nebenbei studieren, soviel er wolle; aber zuerst müsse er kräftig und gesund herangewachsen sein; sonst ginge es wie bei den Pflanzen, welche, noch so große Früchte zur Welt bringend, doch wegen ihres schwachen Stammes zu einem elenden Leben gezwungen seien und sich nie selbständig über den Boden aufschwingen können. – Aber ein Apfelbaum – das sei das rechte Sinnbild – stark am Stamm und viele kleine Früchte tragend, und Früchte, die jedermann essen könne. Die Aepfel, meinte er dann, seien mit dem Gelde zu vergleichen. »Wenn's d' stark und g'sund und fleißig bist, kriegst alle Jahr Aepfel grad gnua und wirst a reicher Mann, wenn 's d' es verstehst, mit dem ausz'kommen, was d' hast, denn derselb is reich, der nöd mehr braucht, als er hat, und damit z'frieden is. Du muaßt aber d' Aepfel nöd auf oamal ess'n; Spalteln muaßt d'raus mach'n, daß d' es aufheb'n kannst und damit auskümmst, bis wieder neue 121 wachs'n, nachher kannst das ganze Jahr davon ess'n, denn a guater Apfelbaum tragt guat, macht d' Taschen voll, d' Hüat voll und Metzen und Schäffelsäck voll!«

Der Franzl erwiderte hierauf: »I will scho' schau'n, daß i recht viel Aepfel krieg', Vater.«

»Und guate Aepfel, Franz, muaßt krieg'n; i moa', a Seg'n muaß dabei sei', denn wenn d' Bäum alleweil im Schatten steh'n, wer'n d' Aepfel sauer; ä Sonnenschein g'hört dazua und der Sonnenschein is a guats G'wiss'n, is brav und ehrli sei', is a Religion hab'n; nachher kannst aa lustig dazua sein – und alle heilig'n Zeit'n an' kloan' Tips schänd't di grad aa nöd; das is mei' Glaub'n und i moa', es wär' so weit nöd g'fehlt, wenn's auch der dei' wäret.«

Nachdem Franzl ungefähr drei Monate Schürbube gewesen, wurde er als eigentlicher Lehrling oder Eintragbub' verwendet. Er hatte den Glasmachern die Pfeife zum Blasen herzurichten, den Glassatz anzudrehen, mit den nötigen Werkzeugen zur Hand zu sein, die Formen in Bereitschaft zu halten, kurz alle die kleinen Nebendienste beim Glasmachen zu verrichten, und stellte sich dabei so geschickt, daß er bald zum Vorblasen verwendet werden konnte.

So zufrieden und glücklich übrigens der alte Schrenk in seiner Stellung zu sein schien, so konnte er doch nicht mehr so recht froh werden; er hatte Heimweh nach der Familie Prannes. Alles war sonst nach seinem Wunsche, nichts ging ihm ab, er hatte alle Ursache, zufrieden zu sein: aber halt doch – der Prannes war nicht da, sein treuer Kamerad. Das Essen von der Schenke mundete ihm auch nicht so gut, wie aus der Küche der Frau Prannes; 122 an der Wäsche fehlte fortwährend eines und das andere; Tisch und Bänke zu Hause waren auch nicht mehr so schneeweiß wie früher, und wenn das kleine Lieserl dagewesen wäre, hätte der Franzl auch nach der anstrengenden Arbeit eine Unterhaltung gehabt und wäre es nicht immer nötig gewesen, daheim zu bleiben.

»Wenn alte Leute ihre Gewohnheit ändern,« sagte er zu sich selbst, »dann sterben's bald.« Sonst, wenn er nicht wußte, wie er besser die freie Zeit hinbringen konnte, nahm er die Flinte zur Hand und streifte in den Wäldern umher; das ging jetzt nicht mehr, er hatte es verschworen, nie wieder zu wildern und – damit war's aus. Seine Augen schweiften freilich oft mit sehnsüchtigen Blicken an den Hochwaldungen hinan, – er zuckte jedesmal am ganzen Leibe, wenn aus den stillen Forsten ein Schuß ertönte, und konnte sich dann des mit einem stillen Seufzer begleiteten Ausrufes nicht erwehren: »Damit is's auch Tralarum!« Aus diesem lauten Seufzer war zu entnehmen, daß es auch mit etwas anderem Tralarum sei, und so war es auch wirklich.

Früher war Schrenk gewohnt, nach der meistenteils mehrtägigen anstrengenden Arbeit dem guten Biere nachzugehen und an Feiertagen zumal so recht nach Herzenslust, selbst auf die Rechnung eines »Gehörigen«, sitzen bleiben zu können; aber in neuerer Zeit war es auch mit diesem »Tralarum«. Meistens saß er jetzt vor seiner Bretterhütte und ließ sich von Franzl einen Krug aus der Schenke holen. Er vergnügte sich bescheiden damit, den Franzl das Schießen nach der Scheibe mittels eines Bolzrohres zu lehren, sich von ihm etwas auf der Flöte vorblasen oder aus dem Evangelienbuche vorlesen zu lassen. 123 Aber der Alte dachte dabei doch meistens an die Jagd, ans Wirtshaus und an Prannes. Es hatte sich bis jetzt gar selten getroffen, daß Prannes und er an ein und demselben Tage frei gehabt und sich an Feiertagen in Zwiesel zusammengefunden hätten; denn aufs Geratewohl hin wollte es keiner unternehmen, den andern auf seiner Hütte zu besuchen. Sie gaben sich gegenseitig wohl öfter Nachricht von einander; aber Prannes ließ zur Zeit, wo wir unsere Erzählung wieder aufnahmen, seit geraumer Zeit nichts mehr von sich hören. So kam Johanni herbei, ein Tag, an welchem Vater und Sohn ganz besondere Ursache hatten, der Frau Prannes zu gedenken, denn die Küchel und Stritzel und Bavesen, welche sie sonst an diesem Tage bereitete – heuer war es auch damit »Tralarum«.

So saßen sie am Vorabende des Festes wieder auf der Bank vor ihrer Wohnung. Es war so friedlich, so feierlich still. Die Waldungen am Arber und Falkenstein erglühten in den Strahlen der scheidenden Sonne. Vater und Sohn blickten schweigend nach diesem herrlichen, das Herz erwärmenden und das Gemüt erquickenden Spiele der Natur; Franz nahm die Flöte zur Hand und blies absichtlich das Lieblingslied von Prannes. Es war die Melodie zu dem Liede:

»Ich hatt' einen Kameraden &c«

Der alte Schrenk, durch dieses Spiel aus seinen Träumereien geweckt, ward sogleich mächtig davon ergriffen. Prannes, der gute Kamerad, stand vor seinem Geiste, und mit großer Rührung sang er die Worte zu Franzens Flötenspiel:

Ich hatt' einen Kameraden,
Einen bessern find'st du nit: 124
Die Trommel schlug zum Streite,
Er ging an meiner Seite
Im gleichen Schritt und Tritt.

Eine Kugel kam geflogen:
Gilt's mir oder gilt es dir?
Ihn hat sie weggerissen,
Er liegt mir vor den Füßen,
Als wär's ein Stück von mir.

Will mir die Hand noch reichen,
Derweil ich eben lad'.
»Kann dir die Hand nicht geben,
Bleib du im ewigen Leben
Mein guter Kamerad.«

Während dieses Gesanges hatten sich unbemerkt von den beiden Schrenk drei Personen von rückwärts genähert, und der letzte Ton von Gesang und Flöte war noch nicht verhallt, als beide ihre Augen von je zwei fremden Händen bedeckt fühlten und die Frage ertönte:

»Wer is's?«

Der alte Schrenk konnte hierauf nicht sogleich Antwort geben; schneller aber war Franz im Erraten der hinter ihm stehenden Person, und mit einem wahren Jubel rief er:

»'s Lieserl is's!«

»Erraten!« entgegnete dieses und ließ Franzens Augen wieder frei, um dem kleinen Freunde die Hände zum Gruße zu reichen, worein sich die danebenstehende Mutter lächelnd teilte.

Auch der alte Schrenk, nachdem er jetzt freudigst »Prannes!« ausgerufen und, sich umkehrend, den »guten Kameraden« vor sich sah, schüttelte dessen Hände. Beide Männer schimpften sich jetzt eine Weile gegenseitig herzhaft 125 herunter, während Thränen der Freude aus ihren Augen flossen, und sie wären lange zu keinem vernünftigen Worte gekommen, hätte nicht Frau Prannes und Lieserl, dazwischentretend, verlangt, daß man von ihrer Anwesenheit auch eine kleine Notiz nehmen möge.

»Ja, was wär' dös!« rief Schrenk aus. – »Alle drei seid's da? Geht's nur glei eini in d' Stub'n und macht's enks bequem, und du, Franzl, muaßt in Regenbach a paar Asch'n fang'n, daß wir mit 'was aufwarten können. – Na', die Ueberraschung! Sackera noch einmal, i kann's enk gar nöd sag'n, wie viel mi dös g'freut!«

Frau Prannes erwiderte, auf ihren Armkorb weisend, daß sie für alles im voraus bedacht gewesen, daß sie Fleisch, Würste und Brot von Zwiesel und neunerlei gebackene KüchelnMan pflegt zu Johanni Kücheln von »neunerlei« Art zu backen. von zu Hause mitgebracht habe. Prannes aber fragte auf Schrenks Anerbieten sogleich: »Habt's a guats Bier auf der Hütt'n? I hab' seit acht Wochen koan g'scheit'n Tropf'n mehr trunka.«

»Franzl!« rief Schrenk, »lauf' nur glei' auffi in d' Schenk, sag' 'n Wirt, i trink' koan Tropf'n mehr von eam, wenn er mir nöd glei a Faßl mit a Stucka fünfzehn awaschickt, sag ihm nur, der Prannes is da; Franzl lauf' und kimm glei wieder!«

Nachdem dieser Hauptgegenstand erledigt war, gingen eine Menge von Fragen und Antworten hin und her. Prannes erklärte die Ursache ihrer unerwarteten Ankunft. Sämtliche Arbeiter von den Poschingerfabriken, von Ludwigs-, Theresien- und Lichtenthal, dann von den böhmischen Hütten, sagte er, hätten sich verabredet, den 126 morgigen Johannitag auf dem großen Falkenstein zu feiern, und da sei er nun gekommen, Schrenk und die Arbeiter auf der Regenhütte auch dazu einzuladen; denn gar lustig solle es auf der Bergspitze dort oben werden, ein Preisscheibenschießen werde veranstaltet, Musikanten kämen hinauf und für Speise und Trank sei aufs beste gesorgt.

Schrenk sagte sogleich für sich und alle Arbeiter auf der Hütte zu, seinen Nachbarn rief er's aus dem Fenster zu und diese teilten es wieder den andern mit, so daß binnen wenigen Minuten auf dem sonst so stillen Platze ein freudiges Leben begann und eine allgemeine Verabredung stattfand zu der unerwarteten Bergpartie auf den schönen Falkenstein.

Franz hatte nichts Eiligeres zu thun, als die Hüttenbuben zusammenzurufen, welche unter seiner Leitung eine kleine Musikbande gebildet hatten und die bei allen festlichen Gelegenheiten, also auch morgen, in Bereitschaft zu sein hatten.

In Schrenks Stube aber saßen die längere Zeit Getrennten wieder in der fröhlichsten Unterhaltung bei gutem Stoffe beisammen und teilten sich die gegenseitigen Erlebnisse seit ihrer letzten Trennung mit.

Die kleine Liese brach fast in Thränen aus, als sie die Striemen an Franzens sonst so feinen Händen sah; aber sie tröstete sich wieder, als ihr der Freund versicherte, daß ihm dieses gar nicht weh thue und er sogar stolz darauf sei, daß man schon an seiner Hand bemerke, mit welchem Eifer er seine Lehrzeit begonnen habe. Prannes stimmte dem Knaben vollkommen bei und ermunterte ihn auf die freundlichste Weise. Frau Prannes musterte das Hauswesen des Schrenk und war nicht am besten damit zufrieden. Sie 127 zankte auch mitunter über dieses oder jenes und versprach, von nun an öfter kommen und ordnen zu wollen, wo es nötig war. Prannes hingegen saß mit Schrenk am großen Tische und erzählte ihm mit größter Zufriedenheit von seiner jetzigen Stellung bei Herrn von Poschinger und wie auch der neue Herr mit ihm zufrieden sei und ihn mit Güte und Freundlichkeit überhäufe; aber daß er halt doch nicht recht vergnügt sein könne – erstens fehle ihm Schrenk, der treue Kamerad, und dann habe ihm das Bier in Zwieselau seinen Magen verdorben. –

Nachdem er so über Leid und Freud gesprochen und sich von seinem Marsche mit Speise und Trank erholt hatte, sagte er:

»So iatzt sing'n wir amal und nachher leg'n wir uns nieder.«

»Jesses!« schrie der alte Schrenk, »iatzt is's recht; enkere Sach'n hab'n wir enk z'sammgess'n, aber ans Niederleg'n hab'n wir nöd denkt. Wie mach'n wir's iatzt doch glei? san unser drei Mannets und zwoa Weibets und hab'n nur zwoa Bett'n! – Da wird 's g'scheit'ste sei', wir lass'n z'erst d' Weiba schlaf'n, und wir Mannets bleib'n bei dem guat'n Bier sitzen, bis's ausg'schlafen hab'n, und wenn nachher no' a Stunderl für uns bleibt, können wir 's ja alleweil no' benutzen; der Franzl soll sich auf d' Kotzen am Stub'nbod'n leg'n und so is nachher allen deant.«

Prannes war mit diesem Vorschlage vollkommen einverstanden und meinte, bis das Fäßchen ausgetrunken wäre, ginge es ohnedem schon stark in den Morgen hinein, aber Frau Prannes legte feierlichst Verwahrung ein. Sie beseitigte die Besorgnis wegen des Uebernachtens durch die 128 Mitteilung, daß sie im Wirtshause bereits eine Kammer gemietet habe, und dort für das nötigste gesorgt wäre, daß es jetzt Zeit sei, das Fäßchen zuzuschlagen, und daß alles zur Ruhe gehen solle, um morgen bei guter Zeit auf den Berg steigen zu können.

»'s Wei' hat recht; i hätt' freili no' an' starken Durst, aber 's Wei' hat recht, leg'n wir uns nieder,« meinte Prannes, und Schrenk wollte auch nicht widersprechen. Es wurde aber trotzdem spät, bis sich die beiden Familien trennten, und als Frau Prannes das Fäßchen zuschlagen wollte, meinte Schrenk, sie solle sich keine Mühe mehr machen, es gäbe nichts mehr aufzuheben.

Man wünschte sich gegenseitig eine recht gute Nacht. Franz und Liese jubelten dem morgigen Tage entgegen und freuten sich kindisch auf das Sunnwendfest am großen Falkenstein und auf die Sunnwendfeuer, über welche sie springen wollten. Die jugendlichen Herzen ahnten nicht, wie viel größere Ursache sie noch zur Freude hatten, wie dort oben auf dem Berge morgen auch ihr Schicksal eine neue Wendung nehmen und gleichsam der Anfang ihres Glückes beginnen sollte. – 129


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